Nervenheilkunde 2020; 39(05): 339
DOI: 10.1055/a-1094-9538
Gesellschaftsnachrichten
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Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.

Tom Bschor
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Anja Bauer
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Impressum

Prof. Dr. Tom Bschor
Redaktion: Dr. Anja M. Bauer
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.
Schlosspark-Klinik, Abteilung für Psychiatrie
Heubnerweg 2, 14059 Berlin
Email: info@bgpn.de   

Publication History

Publication Date:
05 May 2020 (online)

 

Im Interview Prof. Dr. Lutz Harms

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Prof. Dr. med. Lutz Harms, Berlin (Quelle: ©privat)

Unser BGPN-Mitglied war Jahrzehnte lang an der Charité Berlin in der Klinik für Neurologie tätig. Seit 2007 leitete er die MS-Ambulanz und die Arbeitsgruppe Klinische Neuroimmunologie. Er ist Doktorvater mehrerer BGPN-Promotionspreisträger. Anlässlich seiner Emeritierung trafen wir ihn zum Interview.

Sie waren seit 1978 an der Charité tätig. Was werden Sie am meisten vermissen?

Harms: Ich bin der Charité durch eine Teilzeittätigkeit in der MS-Ambulanz noch sehr nahe. Besonders geschätzt habe ich immer – es klingt vielleicht pathetisch – den Spirit, der hier herrscht. Sei es der Anspruch an die bestmögliche Versorgung der Patienten auf modernstem Niveau oder die Verbindung mit Forschung und Lehre. Viel Freude hat mir auch immer der stimulierende Umgang mit Studenten und engagierten jungen Kollegen gemacht und die interdisziplinäre Kollegialität.

Wie hat sich das Arbeiten an der Charité in der Zeit um die Wende verändert?

Harms: Die Fortschritte gerade in der Neurologie in den vergangenen 40 Jahren, die ich überblicke, waren enorm. Hinzu kamen die politischen und gesundheitspolitischen Einflüsse. In der Wendezeit gab es zunächst eine ungeheure Aufbruchsstimmung – verschiedenste Gremien wurden gebildet, die die Erneuerung der Charité vorantreiben wollten. Gleichzeitig kam es aber zu erheblichen Verunsicherungen. Alles veränderte sich, wurde infrage gestellt. Viele Kollegen verließen die Charité, neue Chefs wurden eingesetzt, die neue Mitarbeiter mitbrachten. Das führte hier und dort zu Spannungen. Sehr unterschiedliche Gehälter bei gleicher Arbeit verbesserten nicht unbedingt die Atmosphäre. Andererseits sahen wir aber auch die neuen Chancen, die durch die nun möglichen Kontakte mit der internationalen wissenschaftlichen Community, durch Kongressreisen usw. gegeben waren. Alles in allem eine sehr spannende Zeit.

Was war für Sie die bedeutendste Entwicklung in der MS-Forschung in den letzten Jahrzehnten?

Harms: Hier hat sich in den vergangenen über 25 Jahren enorm viel getan. Das Verständnis der immunologischen Vorgänge bei dieser wichtigen Erkrankung wurde befördert. Heute haben wir mindestens 10 Medikamentenklassen, mit denen sich zumeist die Lebensqualität der Betroffenen für lange Zeit sichern lässt. Die Bedeutung der MRT-Bildgebung steht außer Zweifel und führt durch neue Methoden zu immer neuen Erkenntnissen. Als ich in der Neurologie anfing, war daran gar nicht zu denken.

Und in der Neurologie allgemein?

Harms: Zu Beginn meiner Tätigkeit wurde gerade das erste CT-Gerät der DDR in der Nervenklinik der Charité installiert. Und so ging es weiter Schlag auf Schlag auf allen Gebieten der Neurologie – um nur Stichworte zu nennen: MRT, PET, Thrombolyse bei Schlaganfall, Stroke Units und neurologische Intensivmedizin, Molekularbiologie. Ich bin sehr glücklich, diese Entwicklungen erlebt zu haben und an einigen teilgehabt zu haben.

In Ihrer Karriere haben Sie auch prominente Patienten behandelt. Wie war das für Sie?

Harms: Das bleibt an einer so renommierten Klinik nicht aus. An sich sehe ich da keinen Unterschied zu anderen Patienten. Die Bedürfnisse sind letztlich die gleichen. Anders kann ggf. das öffentliche Interesse sein. Das habe ich als eher lästig empfunden.

Was verbinden Sie mit der BGPN?

Harms: Während der deutschen Teilung gingen die Gesellschaften in Ost und West getrennte Wege. Sehr bald nach der Wende kam es aber zu einer Wiedervereinigung. Das erste gemeinsame Symposium habe ich als besonderes Erlebnis noch sehr gut im Gedächtnis. Die abendliche Feier fand im Café Einstein statt. Es war erstaunlich, wie schnell sich die Neurologen aus beiden Stadthälften als zusammengehörig verstanden. Die BGPN war Ausdruck der Verbundenheit zwischen der Psychiatrie und Neurologie im Sinne Griesingers – und ist es bis heute.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Charité?

Harms: Ich glaube, die Charité hat in den vergangenen Jahren ihren Ruf gefestigt und ist auf einem sehr guten Weg. Ich kann nur wünschen, dass es ihr gelingt, die Tradition im Dreiklang Patientenbetreuung, Lehre und Forschung fortzusetzten. Zunächst aber wünsche ich der Charité alle Kraft, ihre Aufgabe bei der Bewältigung der Corona-Virus-Krise zu erfüllen.

Das Gespräch führte Dr. Anja Bauer, Berlin


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Schlosspark-Klinik, Abteilung für Psychiatrie
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Prof. Dr. med. Lutz Harms, Berlin (Quelle: ©privat)