Einleitung
Das Vulvakarzinom stellt trotz steigender Inzidenz auf aktuell 5,5/100 000 Frauen/Jahr
und sinkendem Erkrankungsalter weiterhin eine seltene Tumorentität dar, die zumeist
ältere Frauen (mittleres Erkrankungsalter 72 Jahre) betrifft [1], [2]. In frühen Stadien (cT1, cN0) besteht die Therapie der Wahl aus der radikalen lokalen
Exzision des Tumors sowie ab FIGO-Stadium IB (> 20 mm Durchmesser und > 1 mm Invasionstiefe)
aus einem operativen Staging der Leistenlymphknoten. Der Nodalstatus ist nach wie
vor der wichtigste prognostische Faktor sowohl für das rezidivfreie Überleben (PFS)
als auch für das Gesamtüberleben (OS) der betroffenen Patientinnen (Pt.) (3-Jahres-PFS-Rate
von 35,2% und OS-Rate von 56,2% bei nodal positiven Pt. vs. 75,2% und 90,2% bei nodal
negativen Pt.) [3], [4], [5], [6], [7]. In diesem Zusammenhang korreliert insbesondere die Anzahl der betroffenen inguinalen
Lymphknoten (LK) signifikant mit der Prognose (27% 2-J-OS bei Pt. mit ≥ 4+ Leisten-LK,
66% 2-J-OS bei Pt. mit 2 oder 3+ Leisten-LK und 88% 2-J-OS bei Pt. mit nur einem positiven
Leisten-LK, p < 0,0001) [4].
Die Datenlage zur Beteiligung und Therapie pelviner LK beim Vulvakarzinom ist begrenzt.
Schätzungsweise weisen insgesamt weniger als 10% aller primären Plattenepithelkarzinome
der Vulva und weniger als 2% der frühen Vulvakarzinome (T1, cN0) eine lymphogene Metastasierung
über die Leiste hinaus bis in die Beckenregion auf [3], [8], [9], [10]. Das Gesamtrisiko für einen pelvinen Lymphknotenbefall bei nodal positiven Vulvakarzinomen
wird aber zwischen 20 und 35% geschätzt. Dennoch erfolgte jahrzehntelang bei Indikation
zur adjuvanten Radiotherapie der Leiste regelhaft auch eine Radiotherapie des Beckens.
Die pelvine Radiatio verursacht aber eine nicht unerhebliche Morbidität – insbesondere
in dem schon älteren Patientenkollektiv mit Vulvakarzinom. Die aktuelle deutsche Leitlinie
empfiehlt daher nun, bei allen Patientinnen mit einem erhöhten Risiko für
eine pelvine Lymphknotenmetastasierung ein operatives pelvines Lymphknoten-Staging
im Sinne einer systematischen pelvinen Lymphonodektomie durchzuführen. Sentinel-Lymphknoten
sollen vollständig eingebettet und in Stufenschnitten untersucht werden. Zusätzlich
sollen bei in der HE-Morphologie negativen Sentinel-Lymphknoten immunhistochemische
Untersuchungen durchgeführt werden (sog. Ultrastaging) [11]. Diese Vorgaben erfordern aber je nach Vorgehen ggf. eine zweite Operation mit transperitonealem
Zugangsweg (laparoskopische oder offene pelvine LNE). Daraus resultiert ebenfalls
eine relevante Morbidität und die betroffene Risikopopulation ist bislang unzureichend
definiert. Grundsätzlich scheint das pelvine Metastasierungsrisiko mit der Anzahl
der betroffenen inguinalen Lymphknoten zu steigen [12], [13]. Laut der aktuellen deutschen Leitlinie gelten folgende Patientinnen als
besonders gefährdet [11]:
-
Patientinnen mit einer inguinalen LK-Metastase > 5 mm,
-
Patientinnen mit > 1 inguinalen LK-Metastase (einschließlich bilateralem Befall) und/oder
Metastase mit extrakapsulärem Wachstum.
Diese Merkmale sind grundsätzlich mit einer ungünstigen Prognose assoziiert; ob dies
jedoch auf eine pelvine Lymphknotenmetastasierung zurückzuführen ist, bleibt derzeit
unklar. In einer Pilotstudie aus Berlin aus dem Jahr 2005 erhielten 12 Patientinnen
mit nodal positivem Vulvakarzinom (davon 8 Primärfälle mit 1 – 7 positiven inguinalen
Lymphknoten) eine pelvine LNE; es waren nur 2 Patientinnen aus dieser Gruppe von einer
pelvinen Metastasierung betroffen (17%) [3].
Letztlich ist die Frage der pelvinen LNE beim VSCC seit den 1980er-Jahren Bestandteil
der klinisch-wissenschaftlichen Diskussion. Die American Gynecologic Oncology Group
(GOG) versuchte die Fragestellung mittels einer randomisierten Studie zu beantworten,
die 1986 von Homesley et al. publiziert wurde [4]. Hierin erhielten diejenigen Patientinnen, die nach erfolgter inguinaler LNE einen
positiven Nodalstatus aufwiesen, entweder eine inguinale und pelvine Bestrahlung mit
45 – 50 Gy oder eine pelvine LNE ohne adjuvante Radiatio. Bei 15/53 Patientinnen (28,3%)
in der „pelvinen LNE-Gruppe“ wurden pelvine Lymphknotenmetastasen diagnostiziert.
Die Studie wurde aufgrund eines statistisch signifikanten Überlebensvorteils für die
„Radiatio-Gruppe“ vorzeitig beendet. Seit Veröffentlichung der Studienergebnisse ist
die adjuvante Radiatio der Leisten und des Beckens die Standardtherapie für Vulvakarzinome
mit > 1 inguinalen Lymphknotenmetastasen.
Aufgrund des Studiendesigns ist und bleibt die Interpretation der Ergebnisse jedoch
schwierig. Diese Studie hatte nicht zum Ziel, zu untersuchen, bei welchen Patientinnen
überhaupt eine pelvine Behandlung (ob LNE oder Radiatio) erfolgen muss. Das 2-Jahres-OS
war in der „Radiatio-Gruppe“ besser als in der „pelvinen LNE-Gruppe“ (68 vs. 54%),
allerdings zeigte sich auch eine höhere Anzahl pelviner Rezidive verglichen mit der
LNE-Gruppe (6 vs. 2%). Das vergleichsweise schlechte Ergebnis der „pelvinen-LNE-Gruppe“
war insbesondere auf den Wegfall der adjuvanten Radiatio der Leiste in dieser Gruppe
zurückzuführen, welche letztlich zu einer inguinalen Rezidivrate von 23,6% mit entsprechender
Prognoseverschlechterung führte – im Vergleich zu nur 5,1% in der „Radiatio-Gruppe“.
Ungeklärt bleibt also die Frage, bei welcher Patientin mit inguinalen LK-Metastasen
ein pelvines Staging zum Ausschluss einer pelvinen Beteiligung bzw. eine pelvine Radiotherapie
erfolgen sollte. Im Idealfall sollte es möglich sein, einen Zusammenhang zwischen
inguinalem und pelvinem LK-Befall definieren zu können, sodass zumindest einem Teil
der betroffenen Patientinnen der eine oder andere Ansatz erspart werden kann.
Übersicht/Review
Um sowohl den prognostischen Einfluss einer histologisch gesicherten pelvinen Lymphknotenmetastasierung
als auch den Zusammenhang zwischen inguinaler und pelviner Lymphknotenbeteiligung
zu beleuchten, stehen aktuell 2 deutsche Kollektive von Patientinnen mit pelviner
LNE zur Verfügung: in der multizentrischen AGO-CaRE-1-Studie [5] wurden insgesamt 1618 Patientinnen mit primärem VSCC FIGO-Stadium ≥ IB (1998 – 2008)
zwischen 1998 – 2008 an 29 deutschen Zentren zentral dokumentiert, davon erhielten
70 eine pelvine LNE (DGGG 2020 Abstract-Nummer: A-1107-0001-00146, Manuskript unveröffentlicht,
under review). Im Zuge einer retrospektiven monozentrischen Auswertung am Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf (UKE) wurden von 1996 bis 2018 insgesamt 514 Patientinnen mit primärem
VSCC ausgewertet, davon 21 mit pelviner LNE (IGCS 2020 Abstract Nummer 35930; Manuskript
unveröffentlicht, under review). Die Patientinnencharakteristika aller pelvin nodal
positiven Patientinnen beider Kollektive sind in [Tab. 1] zusammenfassend dargestellt. Aufgrund der Erhebungszeiträume erfolgte die Einteilung
der Tumorstadien in beiden Kollektiven anhand der Union internationale contre le cancer-(UICC-)TNM-Klassifikation
Version 6 [14]. Im Rahmen der Subgruppenanalyse der CaRE-1-Studie [5], [15] wurden n = 70 Patientinnen mit chirurgischem Staging des Beckens (pelvine LNE) und
bekanntem Lymphknotenstatus der Leiste identifiziert [15]. Das mediane Alter betrug 63 Jahre (Range: 20 – 85 Jahre) und das mediane Follow-up
(FU) 31 Monate. Mehrheitlich lagen lokal begrenzte Tumoren (T1b/T2) (n = 47; 67,1%)
vor, die vollständig reseziert werden konnten (41/57 R0; 71%). Interessanterweise
bestanden bei 16/70 der Patientinnen (22,8%) keine Lymphknotenmetastasen in der Leiste
(inguinal nodal
negativ), während 54/70 der Patientinnen (77,1%) inguinal nodal positiv mit einer
medianen Anzahl von 3 betroffenen Leistenlymphknoten waren. Bei 42 Patientinnen lagen
Daten zur Anzahl befallener Lymphknoten inguinal und pelvin vor. Bei 14/42 (33,3%)
der inguinal nodal positiven Patientinnen wurden pelvine Lymphknotenmetastasen festgestellt
(mediane Anzahl der betroffenen Beckenlymphknoten 2,5 (Range: 1 – 12). Bei diesen
14 pelvin nodal positiven Patientinnen betrug die mediane Anzahl der betroffenen inguinalen
Lymphknoten 7 (Range 1 – 30). Zehn hiervon hatten ≥ 6 positive Lymphknoten in der
Leiste; eine Patientin wies nur eine einzelne inguinale Metastase auf. Leider blieb
ausgerechnet bei dieser Patientin der Metastasendurchmesser im betroffenen Leistenlymphknoten
unbekannt. Die durchgeführte ROC-Analyse zeigt eine AUC von 0,85 mit 83,3% Sensitivität
und 92,6% Spezifität für die Vorhersage eines pelvinen Lymphknotenbefalls bei ≥ 6
positiven inguinalen Lymphknoten [15].
Tab. 1 Vergleich der pelvin nodal-positiven Patientinnen CaRE-1 und UKE.
|
Status unbekannt
|
pelvin N+, UKE
n = 6
|
pelvin N+, CaRE-1
n = 14
|
total
n = 20
|
|
LK = Lymphknoten, PFS = progressionsfreies Überleben, OS = Gesamtüberleben, Pt. = Patientin
* TNM-Klassifikation Version 6
|
|
Alter Median (Range)
|
|
56,5 (37,0 – 70,0)
|
71,5 (31,5 – 82,8)
|
64,0 (34,3 – 74,4)
|
|
Tumorstadium
|
|
|
|
|
|
|
|
3
|
3
|
6 (80%)
|
|
|
|
1
|
6
|
7 (35%)
|
|
|
|
1
|
0
|
1 (2%)
|
|
|
|
1
|
5
|
6 (30%)
|
|
Nodalstatus (inguinal)
|
|
|
|
|
|
|
|
0
|
0
|
0
|
|
|
|
6
|
14
|
20 (100%)
|
|
Anzahl betroffener inguinaler LK, Median (Range)
|
4
|
4,5 (2,0 – 9,0)
|
7 (1,0 – 30,0)
|
5,8 (1,5 – 19,5)
|
|
Max. Durchmesser LK-Metastase inguinal (mm), Median (Range)
|
5
|
45,0 (23,0 – 54,0)
|
42,5 (12,0 – 50,0)
|
43,75 (17,5 – 52)
|
|
Anzahl befallener pelviner LK, Median (Range)
|
|
2,5 (1,0 – 8,0)
|
2,5 (1,0 – 12,0)
|
2,5 (1,0 – 10,0)
|
|
Anzahl entfernter inguinaler LK pro Pt., Median (Range)
|
|
19 (12 – 24)
|
15 (6 – 36)
|
17 (9 – 30)
|
|
Anzahl entfernter pelviner LK pro Pt., Median (Range)
|
|
16 (6 – 27)
|
10 (1 – 28)
|
13 (3 – 28)
|
|
Invasionstiefe (mm), Median (Range)
|
9
|
11,5 (7,0 – 16,0)
|
5,3 (5,0 – 6,0)
|
8,4 (6,0 – 11,0)
|
|
Grading
|
|
|
|
|
|
|
|
0
|
0
|
0
|
|
|
|
4
|
4
|
8 (40%)
|
|
|
|
2
|
10
|
12 (60%)
|
|
operative Therapie Vulva
|
|
|
|
|
|
|
|
3
|
3
|
6 (30%)
|
|
|
|
1
|
10
|
11 (55%)
|
|
|
|
2
|
1
|
3 (15%)
|
|
Resektionsrand (mm), Median (Range)
|
11
|
2,4 (0,9 – 4,0)
|
3,0 (2,0 – 4,0)
|
2,7 (1,5 – 4,0)
|
|
inguinofemorale LNE
|
|
6
|
14
|
20 (100%)
|
|
|
|
1 (16,7%)
|
n. a.
|
n. a.
|
|
|
|
5 (83,3%)
|
n. a.
|
n. a.
|
|
pelvine LNE
|
|
6
|
14
|
20 (100%)
|
|
|
|
2 (33,3%)
|
n. a.
|
n. a.
|
|
|
|
4 (66,7%)
|
n. a.
|
n. a.
|
|
Radiotherapie
|
|
|
|
|
|
|
4
|
1 (16,7%)
|
10
|
11 (55%)
|
|
|
|
4 (66,7%)
|
n. a.
|
n. a.
|
|
|
|
1 (16,7%)
|
n. a.
|
n. a.
|
|
Bestrahlungsfelder
|
5
|
|
|
|
|
|
|
0
|
2
|
2 (10%)
|
|
|
|
6
|
6
|
12 (60%)
|
|
|
|
0
|
1
|
1 (2%)
|
|
medianes PFS (Monate)
|
1
|
9,9
|
12,5
|
11,7
|
|
medianes OS (Monate)
|
1
|
31,1
|
30,8
|
31,0
|
Im UKE-Kollektiv wurden n = 21 Patientinnen mit pelviner LNE und bekanntem Lymphknotenstatus
der Leiste analysiert. Das Patientinnenkollektiv war im Vergleich zur Subgruppenanalyse
der CaRE-1-Studie 10 Jahre jünger (medianes Alter 53 Jahre, Range 28 – 71); es zeigten
sich ebenfalls mehrheitlich lokal begrenzte Tumoren (n = 15 bzw. 78,9% pT1b/2). Beachtenswert
ist insbesondere, dass sowohl in der CaRE-1- als auch in der UKE-Kohorte eine nicht
zu vernachlässigende Anzahl inguinal nodal negativer Patientinnen eine pelvine LNE
erhielt (CaRE: ing. pN0: 22,8%, 16/70; UKE: ing. pN0 19%, 4/21). Innerhalb der UKE-internen
Kohorte waren 6/17 inguinal nodal positive Patientinnen (35,3%) pelvin ebenfalls nodal
positiv mit einer medianen Anzahl an betroffenen pelvinen Lymphknoten von 2,5 (Range
1,0 – 8,0) und einer medianen Anzahl an betroffenen inguinalen Lymphknoten von 4,5
(Range 2,0 – 9,0). Eine adjuvante Therapie erfolgte zu 83,4% entsprechend 5/6 der
pelvin nodal positiven
Patientinnen ([Tab. 1]). In Übereinstimmung mit den Ergebnissen früherer Studien wurde sowohl in der CaRE-1-Subanalyse
als auch in der UKE-Kohorte keine pelvine Lymphknotenmetastasierung ohne inguinalen
Lymphknotenbefall beobachtet.
Im Gegensatz zur CaRE-1-Studie wurde innerhalb der UKE-Analyse auch die Seitenbezogenheit
der Metastasierung erfasst – hierin zeigte sich eine seitenkonstante Ausbreitung von
inguinaler und pelviner Metastasierung, d. h. bei unilateralem inguinalem Befall wurde
keine kontralaterale pelvine Metastasierung beobachtet. Eine bilaterale pelvine LNE
wurde bei 15/21 Patientinnen (71,4%) durchgeführt, hiervon zeigten 2/15 Patientinnen
(13,3%) einen ipsilateralen pelvinen Befall bei einseitiger inguinaler LK-Metastasierung,
während bei weiteren 2/15 Patientinnen (13,3%) sowohl inguinal als auch pelvin ein
bilateral positiver Nodalstatus festgestellt wurde. [Tab. 2] zeigt für beide Kollektive den Zusammenhang zwischen Leisten und Beckenmetastasen.
Tab. 2 Korrelation von inguinalem und pelvinem LK-Status bei Patientinnen mit Nachweis pelviner
LK-Metastasen.
|
Anzahl + LK Leiste
|
Pt. mit + LK pelvin
UKE
|
Pt. mit + LK pelvin
CaRE-1
|
|
LK = Lymphknoten, Pt. = Patientinnen
|
|
1
|
0
|
1
|
|
2
|
1
|
0
|
|
3
|
1
|
1
|
|
4
|
1
|
0
|
|
5
|
1
|
0
|
|
6
|
1
|
4
|
|
8
|
0
|
2
|
|
9
|
1
|
1
|
|
10
|
0
|
0
|
|
11
|
0
|
1
|
|
12
|
0
|
1
|
|
30
|
0
|
1
|
In der CaRE-1-Subgruppen-Analyse entwickelten 42,9% (30/70 Pt.) nach im Median 9,2
Monaten (Range 1,5 – 73,1 Monate) ein Rezidiv ([Tab. 3]). Beachtenswert ist, dass in der pelvin nodal positiven Gruppe im weiteren Verlauf
keine pelvinen Rezidive auftraten: vielmehr fanden sich in dieser Kohorte am häufigsten
distante (28,6%, 4/14 Pt.) und im Bereich der Vulva gelegene Rezidive (21,4%, 3/14
Pt.). Innerhalb der pelvin nodal negativen Gruppe traten die Rezidive am häufigsten
an der Vulva auf (10/43 Pt.; 23,3%), gefolgt von pelvinen und distanten Lokalisationen
(je 3/43 Pt.; 7%). 8/70 Pt. (11,4%) verstarben vor Eintritt eines Rezidivs (medianes
FU von 21,13 Monaten). Wie zu erwarten, zeigte sich das Rezidivrisiko bei Patientinnen
mit pelvinem Lymphknotenbefall erhöht im Vergleich zu Patientinnen ohne pelvine Lymphknotenbeteiligung
(8/14 Pt., 57,1% vs. 17/43 Pt., 39,5%) [15]. Im Rahmen der monozentrischen
Auswertung des UKE entwickelten 23,8% (5/21 Pt.) ein Rezidiv, bei den pelvin nodal
positiven Patientinnen 50% (3/6 Pt.) und bei pelvin nodal negativen Patientinnen 2/15
(13,3%). Hinsichtlich der Rezidivlokalisation traten übereinstimmend mit den CaRE-Daten
auch hier in der pelvin nodal positiven Kohorte keine pelvinen Rezidive auf, stattdessen
zeigten sich am häufigsten distante (33,3% 2/6 Pt.), gefolgt von inguinal gelegenen
Rezidiven (16,6%, 1/6 Pt.).
Tab. 3 Rezidivhäufigkeiten und -lokalisationen.
|
UKE
|
CaRE-1
|
|
Lokalisation
|
Total (n = 21 Pt.)
|
N − pelvin (n = 15 Pt.)
|
N+ pelvin (n = 6 Pt.)
|
Total (n = 70 Pt.)
|
N− pelvin (n = 43 Pt.)
|
N+ pelvin (n = 14 Pt.)
|
Status unbekannt (n = 13 Pt.)
|
|
Pt. = Patientinnen
|
|
Anzahl der Rezidive
|
5 (23,8%)
|
2 (13,3%)
|
3 (50%)
|
30 (42,9%)
|
17 (39,5%)
|
8 (57,1%)
|
5 (38,5%)
|
|
kein Rezidiv
|
16 (76,2%)
|
13 (86,6%)
|
3 (50%)
|
32 (45,7%)
|
22 (51,2%)
|
4 (28,6%)
|
6 (46,2%)
|
|
Vulva
|
2 (9,5%)
|
2 (13,3%)
|
0
|
15 (21,4%)
|
10 (23,3%)
|
3 (21,4%)
|
2 (15,4%)
|
|
Leiste
|
1 (4,8%)
|
0
|
1 (16,6%)
|
1 (1,4%)
|
1 (2,3%)
|
0
|
0
|
|
Vulva + Leiste
|
0
|
0
|
0
|
3 (4,3%)
|
0
|
1 (7,1%)
|
2 (15,4%)
|
|
Becken (± andere)
|
0
|
0
|
0
|
4 (5,7%)
|
3 (7%)
|
0
|
1 (7,7%)
|
|
Fernmetastasierung (± andere)
|
2 (9,4%)
|
0
|
2 (33,3%)
|
7 (10%)
|
3 (7%)
|
4 (28,6%)
|
0
|
Das mediane PFS in der CaRE-1-Subanalyse lag für alle Patientinnen unabhängig des
pelvinen Lymphknotenstatus bei 35,2 Monate, während das mediane OS (noch) nicht erreicht
wurde. Für Patientinnen ohne pelvinen Lymphknotenbefall belief sich das mediane PFS
auf 41,3 Monaten. Im Falle einer pelvinen Lymphknotenmetastasierung war die Prognose
mit einem PFS von nur 12,5 Monaten und einem OS von 30,8 Monaten im Median jedoch
erheblich beeinträchtigt. Auch innerhalb der UKE-Kohorte war die pelvine Lymphknotenmetastasierung
mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet (medianes PFS von 9,9 Monaten, medianes
OS von 31,1 Monaten).
Bereits seit Veröffentlichung der eingangs zitierten GOG-37-Studie [4] ist die pelvine LNE beim Vulvakarzinom und die Frage, wer genau von ihr profitiert,
fortwährender Gegenstand kontroverser Diskussionen in Deutschland. Sowohl die niedrige
Inzidenz eines pelvinen Befalls bei Patientinnen mit < 3 inguinalen Lymphknotenmetastasen
als auch die potenziell erhöhte chirurgische Morbidität und die ohnehin ungünstige
Prognose bei Detektion pelviner LK-Metastasen erschweren eine sinnvolle Indikationsstellung
für den Eingriff. Nichtsdestotrotz könnte ein präzise definiertes Patientinnenkollektiv
mit hohem Risiko für einen Beckenbefall durchaus von einer pelvinen LNE profitieren
– insbesondere dann, wenn eine adjuvante Radiatio des Beckens im Falle negativer pelviner
Lymphknoten vermieden werden kann. Dies könnte z. B. für jüngere Patientinnen mit
nicht abgeschlossener Familienplanung von Bedeutung sein.
Wenngleich die Evidenz hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen inguinaler und pelviner
Lymphknotenbeteiligung bei Patientinnen mit VSCC begrenzt ist und im Wesentlichen
auf älteren Daten aus den 70er-/80er-Jahren beruht, so wurde bislang kein pelviner
Lymphknotenbefall ohne eine simultan vorliegende inguinale Metastasierung beschrieben.
Diese Tatsache hat sich in den aktuellen Daten nochmals bestätigt. Weiterhin konnte
im Rahmen der UKE-internen Auswertung eine seitenkonstante Ausbreitung der inguinalen
und pelvinen Metastasierungswege gezeigt werden, d. h. bei unilateralem inguinalem
Befall wurde keine kontralaterale pelvine Lymphknotenmetastasierung beobachtet.
Die hier verglichenen Ergebnisse der CaRE-1-Subanalyse und der UKE-internen Auswertung
zeigen, dass pelvine Lymphknotenmetastasen mit recht hoher Reproduzierbarkeit bei
ca. 30% der inguinal positiven Patientinnen auftreten. Diese Daten stimmen mit der
zuvor von Homesley et al. [4] publizierten Prävalenz von 28,3% (15/53 Pt.) für eine pelvine Metastasierung gut
überein. Allerdings muss dabei die Auswirkung der Negativselektion durch die retrospektive
Datenerhebung berücksichtigt werden. Die jeweilige Indikation zur pelvinen LNE wurde
in beiden hier vorgestellten Kollektiven auf individueller Basis gestellt – vor Publikation
der aktualisierten Leitlinie. Eine relative Überschätzung der pelvinen Beteiligung
bezogen auf alle nodal positiven Patientinnen ist damit in beiden Kohorten eher wahrscheinlich.
Damit müssen die Auswirkungen einer Negativselektion berücksichtigt werden und damit
eine relative Überschätzung der pelvinen Beteiligung bezogen
auf alle nodal positiven Patientinnen in beiden Kohorten. Ergänzend ist festzuhalten,
dass die Daten beider Kohorten zu einem Zeitpunkt erhoben bzw. generiert wurden, zu
dem eine präoperative Bildgebung (z. B. Ultraschall/CT) bei Patientinnen mit VSCC
kein fester Bestandteil klinischer Diagnostik darstellte. Somit können leider keine
validen Aussagen darüber getroffen werden, ob und in welchem Ausmaß präoperativ bildgebend
auffällige inguinale und pelvine LK vorlagen. Wenngleich dies sicherlich eine Einschränkung
beider Kohorten darstellt, sind sie dennoch geeignet, den Zusammenhang zwischen inguinaler
und pelviner LK-Beteiligung zu beleuchten. Interessanterweise gab es in beiden Kohorten
einen Anteil von etwa 20% nodal negativen Patientinnen (CaRE: ing. pN0: 22,8%, 16/70;
UKE: ing. pN0 19%, 4/21). Bei nochmaliger Durchsicht dieser Patientinnen in der UKE-Kohorte
zeigte sich, dass bei 3 der 4 inguinal nodal negativen Patientinnen im Vorwege klinisch
(sonografisch und
palpatorisch) hochsuspekte Lymphknoten diagnostiziert wurden (medianer Durchmesser:
4 cm), die sich postoperativ jedoch als ausschließlich reaktiv vergrößert herausstellten.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Zuverlässigkeit der Palpation
im Hinblick auf die Erkennung von Metastasen begrenzt ist: in ca. einem Drittel der
Fälle stimmt der Palpationsbefund nicht mit dem später erhobenen histologischen Lymphknotenbefund
überein [16]. In Analogie hierzu beschrieben Gonzalez Bosquet et al., dass sich 16 – 24% der
palpatorisch unauffälligen Leistenlymphknoten als befallen erwiesen und dass sich
24 – 41% der palpatorisch suspekten Lymphknoten als histologisch tumorfrei herausstellten
[17]. Dies wirft nochmals die Frage der idealen präoperativen Diagnostik auf bzw. hinterfragt
die simultane Durchführung einer LNE in beiden Abflussgebieten ohne vorausgehende
Sicherung der inguinalen Metastasierung.
In diesem Zusammenhang stellt sich weiterhin die Frage, ob im Falle suspekter
Lymphknoten in Analogie zum Mammakarzinom ggf. eine präoperative Stanze durchgeführt
werden sollte. Unabhängig hiervon wird der präoperativen Untersuchung der inguinalen
Lymphknoten in Form von Inspektion, Palpation und Sonografie hinsichtlich der Prädiktion
eines Lymphknotenbefalls eine hervorgehobene Bedeutung zugeschrieben. Während sich
jedoch die präoperative Bildgebung für die Planung im Falle einer systemischen (und
nicht operativen) Behandlung in fortgeschrittenem Stadium etabliert hat, bleibt die
Rolle der Bildgebung im Frühstadium umstritten. Die Genauigkeit der Sonografie bei
der Detektion eines Lymphknotenbefalls liegt zwischen 67 – 89% [18], [19], die Sensitivität der MRT bei 89% [20] und die Sensitivität der PET bei 80% [21]. Die CT weist von allen zur
Verfügung stehenden bildgebenden Methoden mit einer Sensitivität von 58% und einer
Spezifität von 75% bei befallenen LK von mind. 1 cm die ungenaueste Vorhersagekraft
auf [22]. Die aktuelle Datenlage zur präoperativen Bildgebung deutet darauf hin, dass eine
MRT-Untersuchung bereits bei befallenen LK von 5 mm Größe eine höhere Sensitivität
(87%) aufweist verglichen mit der Sonografie (76%) – allerdings geht dies mit einer
vergleichsweise geringeren Spezifität einher (MRT 81% vs. Sonografie 91%) [19], [23]. Bei größeren Befunden jedoch, d. h. befallene LK von mind. 1 cm Größe, sind die
Sensitivität und Spezifität von MRT und Sonografie annähernd vergleichbar (MRT Sensitivität
89%, Spezifität 91% [20] vs. Sonografie Sensitivität 83%, Spezifität 90% [18]. Dennoch bleibt festzuhalten, dass, so wünschenswert die valide
Prädikation einer Lymphknotenbeteiligung inguinal und pelvin durch bildgebende
Verfahren wäre, um hierdurch (pelvin) nodal negative Patientinnen nicht unnötig zu
operieren, die Bildgebung weder das operative Staging ersetzen noch (in den meisten
Fällen) die pelvine Lymphknotenbeteiligung zuverlässig vorhersagen kann [19].
Hacker et al. postulierten 1993, dass eine pelvine LNE nur bei Patientinnen mit ≥ 3
positiven inguinalen Lymphknoten durchgeführt werden sollte [9]. In der besagten Studie wurden bei Patientinnen mit ≤ 2 positiven inguinalen Lymphknoten
weder eine initiale Beckenbeteiligung noch die Entwicklung eines pelvinen Rezidivs
beobachtet, während bei 2/3 Patientinnen (66,6%) mit 3 positiven inguinalen Lymphknoten
und bei 5/6 Patientinnen (83,3%) mit ≥ 4 positiven inguinalen Lymphknoten ein pelviner
Befall festgestellt wurde. Während also das Risiko für einen pelvinen Befall in manchen
Kollektiven bereits bei Patientinnen mit ≥ 3 positiven inguinalen LK anzusteigen scheint
[12], [24], so konnte in der CaRE-1-Subanalyse erst bei ≥ 6 positiven inguinalen LK eine valide
Vorhersage für eine Beckenbeteiligung getroffen werden [15]. Innerhalb der UKE-Kohorte lag
der positive prädiktive Wert eines pelvinen Befalls für ≥ 3 ipsilateral befallene
inguinale Lymphknoten bei 62,5%, während sich der negative prädiktive Wert auf 88,5%
belief.
Hinsichtlich der Rezidivlokalisationen waren diese innerhalb der pelvin nodal positiven
Kohorte in beiden Kollektiven eher distanter Natur (28,6%), pelvine Rezidive traten
nicht auf. In der pelvin nodal negativen Untergruppe traten die Rezidive am häufigsten
im Bereich der Vulva auf (23,2%), aber eben zu 7% auch im Bereich des Beckens. Spekulieren
könnte man deshalb, dass durch die bei negativem pelvinen Staging nicht erfolgte pelvine
Radiotherapie das Rezidivrisiko pelvin in der zuletzt genannten Gruppe ggf. erhöht
wurde. Interessanterweise berichteten Curry et al. ebenfalls über eine pelvine Rezidivrate
von mind. 8% bei Patientinnen mit initial negativen pelvinen LK und < als 4 positiven
inguinalen LK [13]. Homesley et al. detektierten wiederum etwas geringere Beckenrezidivraten von 4,4%
(5/114 Pt.) innerhalb der Gesamtkohorte und 1,8% (1/55 Pt.) innerhalb der Kohorte,
die mittels pelviner LNE therapiert wurde [16]. Es ist zu beachten, dass die gezählten Rezidivfälle von der jeweiligen Beobachtungszeit
abhängen und somit nicht unbedingt zwischen verschiedenen Studien zu vergleichen sind.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nur eine kleine Anzahl an Patientinnen
vor Änderung der Leitlinie in Deutschland überhaupt eine pelvine LNE erhielten (CaRE:
70/1618, 4,3%; UKE: 21/514, 4,0%). Bei Nachweis einer pelvinen Metastasierung zeigte
sich eine schlechte Prognose mit einem PFS von 12,5 Monaten (CaRE) bzw. 9,9 Monaten
(UKE).
Die letztlich entscheidenden und klinisch relevanten Fragestellungen, welches Patientenkollektiv
profitiert und ab welcher Anzahl bzw. Größe der inguinalen Metastasierung ein signifikant
erhöhtes Risiko für einen pelvinen Befall besteht, sind anhand der bisher ausschließlich
retrospektiv erfassten Daten nicht zufriedenstellend zu beantworten. Aus diesem Grund
bedarf es systematischer Erfassungen, wie bereits vonseiten der AGO Studiengruppe,
der AGO Kommission Vulva Vagina und der NOGGO auf den Weg gebracht, um einerseits
die Umsetzung der Leitlinien-Empfehlung hinsichtlich der pelvinen LNE in der klinischen
Routine zu erheben bzw. eventuelle Gründe zu untersuchen, die einer solchen entgegenstehen,
und andererseits den Zusammenhang zwischen inguinalem und pelvinem LK-Befall zu erfassen.