Schlüsselwörter
Liquid Biopsy - Mammakarzinom - zirkulierende Tumor-DNA - zirkulierende Tumorzelle
- zielgerichtete Therapie
Einleitung
Dank wissenschaftlicher und klinischer Erkenntnisse erlebten die Diagnostik und Therapie
des Mammakarzinoms im letzten Jahrhundert einen erheblichen Paradigmenwechsel. Die
sog. „Halsted-Doktrin“, die den Brustkrebs als lokales Geschehen und die Heilung in
der möglichst radikalen Operation gesehen hatte, wurde von der „Fischer-Doktrin“ abgelöst,
die das Mammakarzinom bereits in frühen Stadien als eine systemische Erkrankung betrachtet
[1]. So wissen wir heute, dass die hämatogene Streuung schon in sehr frühen Brustkrebsstadien
stattfindet und die zirkulierenden Tumorzellen (engl. circulating tumor cells = CTCs)
sogar bei Patientinnen mit präinvasiven Läsionen der Mamma nachgewiesen werden können
[2]. Gleichzeitig besagt die Hypothese der metastatischen Ineffizienz (engl. metastatic
inefficiency), dass die meisten dieser Zellen vom Immunsystem oder durch mechanische
Scherkräfte des Blutes eliminiert werden [3], [4]. Lediglich eine kleine CTC-Subpopulation ist in der Lage, langfristig im Blut oder
in anderen „homing sites“, wie dem Knochenmark, zu persistieren, und gilt als Surrogatmarker
der minimalen residualen Tumorerkrankung (engl. minimal residual disease = MRD). Diese
Zellen können auch sehr lange Zeit in einem sog. Schlafzustand (engl. tumor cell dormancy)
verharren und auch viele Jahre nach der Erstdiagnose der Erkrankung im peripheren
Blut detektiert werden [5].
Welche Eigenschaften dazu beitragen, dass bestimmte CTCs imstande sind, „aufzuwachen“
und mehrere Schritte der Metastasierungskaskade zu überleben, um später Fernmetastasen
zu bilden, bleibt nach wie vor nicht endgültig geklärt. Eine der aktuell diskutierten
Theorien besagt, dass es sich hier um besondere aggressive Zellen handelt, welche
die sog. epithelial-mesenchymale Transition (EMT) durchlaufen. Hierbei handelt es
sich um einen Prozess, der eine Reihe von Veränderungen beinhaltet, beispielsweise
den Verlust der Polarität und der interzellulären Adhäsion, eine Zunahme der Mobilität
und der Invasivität sowie schließlich den Verlust des epithelialen und Erwerb des
mesenchymalen Phänotyps [6]. Des Weiteren können im Rahmen der EMT Zellen mit Stammzelleigenschaften generiert
werden, die über einen sehr hohen Selbsterneuerungspotenzial sowie Resistenzmechanismen
verfügen und als eigentliche Vorläufer der Fernmetastasierung angesehen werden
[7], [8].
Das Konzept der Liquid Biopsy
Das Konzept der Liquid Biopsy
Neben den intakten CTCs können auch zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) und/oder RNA-Fragmente
(non-coding RNA, ncRNA) im peripheren Blut der Mammakarzinompatientinnen nachgewiesen
werden. Diese werden zum einem durch den Primärtumor und/oder die metastatische Läsion
selber und zum anderen durch die zugrunde gehenden CTCs kontinuierlich in die Blutbahn
abgegeben. Als Liquid Biopsy wird die Detektion und die Untersuchung dieser blutbasierten
Biomarker bei Karzinompatienten bezeichnet. Auf diese Weise können bei heterogenen
Tumoren wie dem Mammakarzinom z. B. Mutationen und Amplifikationen von Onkogenen ggf.
adäquater als mit einer Gewebebiopsie, die nur ein begrenztes Tumorareal abbildet,
nachgewiesen werden [9], [10]. Weitere Vorteile gegenüber der Gewebebiopsie sind die Möglichkeit der seriellen
Untersuchungen durch einfache Blutentnahmen und die Erfassbarkeit multipler bzw. schwer
erreichbarer Metastasenherde.
Zudem ist die Akzeptanz der Liquid Biopsy aufgrund ihrer geringen Invasivität
bei Patientinnen sehr hoch. Im folgenden Beitrag werden die aktuelle Datenlage zur
klinischen Relevanz sowie die potenziellen Einsatzmöglichkeiten der Liquid Biopsy
beim primären und metastasierten Mammakarzinom vorgestellt.
Nachweismethoden
Zirkulierende Tumorzellen
Der Nachweis von CTCs erfolgt grundsätzlich in 2 voneinander unabhängigen Schritten:
Isolation der Zellen aus dem Vollblut und ihre eigentliche Detektion. Zur Isolation
der Zellen von den anderen Blutbestandteilen werden verschiedene, hauptsächlich physikalische
(größe- und/oder dichtebasierte) und biologische (Expression bestimmter Antigene)
Zelleigenschaften genutzt. Als Beispiele können hier die sog. Dichtegradiententechnik
mit Ficoll oder antigenbasierte Methoden mit epithelialen (z. B. EpCAM, Zytokeratine)
und/oder tumorspezifischen Markern, wie CEA oder HER2, genannt werden. Bei der Antikörper-basierten
Isolierung werden die spezifischen Antikörper meist an magnetische Partikel gekoppelt,
um dann mithilfe eines Magnetfeldes die angereicherten Zellen zu separieren und weiter
zu analysieren.
Die anschließende CTC-Detektion kann dann wiederum Nukleinsäure-basiert (RT-PCR, qRT-PCR,
Multiplex-RT-PCR) oder anhand der Antigen-Charakteristik (Immunzytochemie, Immunfluoreszenz,
Immunfluoreszenz-Durchflusszytometrie) der CTCs erfolgen. Während die Sensitivität
und Spezifität der Nukleinsäure-basierten Nachweisverfahren sehr hoch ist, besteht
deren Nachteil darin, dass die CTCs im Rahmen der Analyse lysiert werden, sodass eine
Beurteilung der Zellmorphologie oder weitere Zellanalysen nicht möglich sind.
Die am häufigsten in klinischen Studien eingesetzte Technik zum CTC-Nachweis stellt
das für metastasiertes Mamma-, Darm- und Prostatakarzinom von der US-amerikanischen
Kontrollbehörde FDA zugelassene CellSearch-System (Menarini Silicon Biosystems, Inc.)
dar. Mithilfe dieses standardisierten Assays werden die EpCAM-positiven CTCs immunomagnetisch
aus den 7,5 ml venösen Vollblutes isoliert und anschließend mit Antikörpern gegen
Zytokeratine (CK) 8, 18, 19, dem spezifischen Leukozyten-Marker CD45 und dem Zellkern-Marker
DAPI immunfluoreszent gefärbt. Danach wird die Probe durch ein semiautomatisches Fluoreszenzmikroskop
gescannt und die potenziellen CTCs automatisch abgebildet. Schließlich erfolgt die
Auswertung durch einen erfahrenen Untersucher: CK 8/18/19 und DAPI-positive sowie
CD45-negative Zellen, die eine bestimmte Morphologie aufweisen, werden als CTCs identifiziert
([Tab. 1], [Abb. 1]). Die mittels
CellSearch detektierten CTCs können per Mikromanipulation gewonnen werden und
stehen weiteren Analysen (z. B. Einzelzell-Genexpressionsanalysen) zu Verfügung. Der
Nachteil dieser Methode besteht zum einem in der subjektiven Beurteilung des Untersuchers,
zum anderen aber auch darin, dass es sich um ein EpCAM-basiertes Verfahren handelt
und die Zellen nach EMT (ohne epitheliale Eigenschaften) nicht detektiert werden können
[11], [12].
Tab. 1 Beispiele typischer zytomorphologischer Kriterien zur Identifikation der isolierten
Tumorzellen (modifiziert nach [13]).
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Zellmorphologie/Phänotyp
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Abb. 1 Nachweis von isolierten Tumorzellen über verschiedene Detektionsverfahren: a Immunzytochemisch gefärbte apoptotische Tumorzelle (M30-Antikörper [AK]); b Immunzytochemisch gefärbte vitale Tumorzelle (Anti-Zytokeratin [CK]-AK); c Immunfluoreszenz, Doppelfärbung (Anti-CK-AK: grün, Anti-Östrogenrezeptor-AK: rot);
d Immunfluoreszent gefärbtes Tumorzell-Cluster (Anti-CK-AK).
Eine weitere Herausforderung der CTC-Diagnostik stellen die niedrige Detektionsraten,
in erster Linie im nicht metastasierten Patientenkollektiv, dar. Vor allem in Anbetracht
der bekannten Tumorheterogenität ist die Analyse möglichst vieler CTCs einer Patientin
anstrebenswert. In diesem Kontext wurden in den letzten Jahren viele Anreicherungs-/Isolationsmethoden
zur Erhöhung der Detektionsrate untersucht. Einen anderen möglichen Ansatz stellt
die Analyse größerer Blutvolumina dar, z. B. im Rahmen einer diagnostischen Leukapherese
(DLA). Im Rahmen dieses Verfahrens können im Schnitt 2770 ml Blut extrakorporal gefiltert
werden. Die CTCs werden hier Dichtegradient-basiert isoliert und ein Aliquot des DLA-Produktes
anschließend mittels CellSearch-Systems untersucht. So können die CTC-Detektionsraten
und die Anzahl der nachgewiesenen CTCs signifikant erhöht werden [14]. Allerdings ist die Untersuchung großer Blutvolumina mit einem erhöhten
Zeitaufwand für die Patientin verbunden: So dauert die Prozedur ca. 1 Stunde.
Ferner werden Laborveränderungen nach der DLA beobachtet, wie z. B. geringfügiger
Abfall der Leukozytenzahlen und des Hämoglobins, die klinisch nicht relevant sind.
Inwiefern sich die Gewinnung von mehreren Tausend CTCs auf die klinische Bedeutung
auswirkt und ob die DLA die CTC-basierte Diagnostik verbessern wird, bleibt abzuwarten.
Zirkulierende Tumor-DNA
Der Begriff zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) definiert im Blut und anderen Körperflüssigkeiten nachweisbare, freie DNA-Fragmente,
die aus dem Tumor stammen (Primärtumor, Metastase, isolierte Tumorzellen). Zu unterscheiden
davon ist der übergeordnete Begriff zellfreie DNA (cfDNA) bzw. freie zirkulierende DNA (fcDNA), worunter man alle zellfreien DNA-Fragmente, nicht tumorspezifisch, versteht. Auch
normale Zellen, die zugrunde gehen, können cfDNA ins Blut abgeben. Während sich die
älteren Studien vor allem mit der Detektion der Gesamtmenge der frei zirkulierenden
DNA im Blut befassten, richtet sich der Fokus der neueren Studien auf die spezifischen
Nachweismethoden der ctDNA.
Die Detektion erfolgt in der Regel aus dem Blutplasma. Für den Nachweis ist der Anteil
der ctDNA im Vergleich zu zellfreier DNA aus normalen Zellen entscheidend. Da dieser
zum Teil sehr gering sein kann, bedarf der ctDNA-Nachweis hochsensitiver Detektionsmethoden.
Dazu gehören u. a. Digital-droplet PCR (ddPCR), Beads Amplification Magnetics-PCR
(BEAMing-PCR) und Digital Next-generation Sequencing (dNGS) [15], [16], [17]. Hierbei stellen die ddPCR und BEAMing-PCR die sog. zielgerichteten Detektionsverfahren
(targeted approach) dar, bei welchen nur wenige Genloci simultan untersucht werden
können. Dies bedeutet, dass hier gezielt nach bestimmten, bereits bekannten Tumormutationen
z. B. in den Genen PIK3CA, ESR1, AKT1, ERBB2 oder PTEN gesucht wird. Der Begriff dNGS
fasst hingegen mehrere genanalytische, nicht zielgerichtete Verfahren zusammen (untargeted
approach), im Rahmen
derer große DNA-Moleküle sequenziert werden und somit eine Vielzahl unbekannter
genetischer Alterationen bzw. Mutationen detektiert werden können. Dazu gehören beispielsweise
Array-CGH (Array-Comparative-Genomic-Hybridization), Gesamtgenomsequenzierung (engl.
whole-genome sequencing) oder Exomsequenzierung. Mit diesen Methoden werden in der
Regel Genmutationen identifiziert, die zur Abklärung von Resistenzentwicklung beitragen
können [15], [16].
Klinische Einsatzgebiete der Liquid Biopsy beim frühen Mammakarzinom
Klinische Einsatzgebiete der Liquid Biopsy beim frühen Mammakarzinom
Verbesserung der Prognoseeinschätzung
Das Erreichen der Blutgefäße durch einzelne Tumorzellen und die nachfolgende Dissemination
stellen wichtige Schritte der Metastasierungskaskade dar. Dabei können Studien zufolge
bereits präinvasive Läsionen der Mamma, wie das duktale Carcinoma in situ (DCIS),
von einer Tumorzellstreuung begleitet werden [2], [18], sodass die hämatogene Tumorzelldissemination als frühes Ereignis im Verlauf einer
Tumorerkrankung angesehen wird. Zirkulierende Tumorzellen können bei 20 – 30% der Patientinnen mit nicht metastasiertem Mammakarzinom mithilfe
des CellSearch-Systems detektiert werden [19] ([Tab. 2]). Janni et al. konnten in einer gepoolten Analyse die Daten von 3173 Mammakarzinompatientinnen
im Stadium I – III auswerten und zeigen, dass der Nachweis von mindestens einer CTC
in 7,5 ml Blut ein deutlich schlechteres klinisches Outcome voraussagt
[19]. So war das Risiko, am Mammakarzinom zu versterben, bei CTC-positiven Patientinnen
doppelt so hoch wie bei Frauen, die keine CTCs zum Zeitpunkt der Diagnose aufwiesen
(Hazard Ratio [HR]: 2,04; 95%-KI: 1,52 – 2,75). Die CTC-Positivität korrelierte ebenfalls
mit einem statistisch signifikant kürzeren Gesamtüberleben (HR 1,97; 95%-KI: 1,51 – 2,59),
krankheitsfreien Überleben (HR 1,82; 95%-KI: 1,47 – 2,26) und fernmetastasenfreien
Überleben (HR 1,89; 95%-KI: 1,49 – 2,40).
Tab. 2 Prognostische Bedeutung der zirkulierenden Tumorzellen bei Mammakarzinom: die wichtigsten
Studien.
|
Studie
|
Anzahl der Patientinnen
|
Stadium
|
Positivitätsrate
n (%)
|
Assay
|
Korrelation mit der Prognose
|
|
1 definiert als ≥ 1 CTC pro 7,5 ml
2 definiert als ≥ 5 CTCs pro 7,5 ml
Abkürzungen: BCSS – brustkrebsspezifisches Überleben; DDFS – fernmetastasenfreies
Überleben; DFS – krankheitsfreies Überleben; LRRFS – lokoregionäres rezidivfreies
Überleben; OS – Gesamtüberleben; pCR – pathologische Komplettremission
|
|
Janni et al. [19]
|
3173
|
Stadium I – III
|
641 (20%)1
|
CellSearch
|
DFS, DDFS, BCSS, OS
|
|
Cristofanilli et al. [20]
|
2436
|
Stadium IV
|
1099 (45,1%)2
|
CellSearch
|
OS
|
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Bidard et al. [21]
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1574
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Stadium I – III vor neoadjuvanter Chemotherapie
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398 (25,2%)1
|
CellSearch
|
OS, DDFS, LRRFS; pCR-Rate höher bei CTC-Positivität (24,2 vs. 17,4%)
|
Während die prognostische Relevanz der CTCs in großen Metaanalysen ([Tab. 2]) bestätigt wurde, ist die bisherige Datenlage bez. der zirkulierenden DNA deutlich weniger umfassend ([Tab. 3]). In einer 2018 veröffentlichten Metaanalyse von Tan et al. wurden insgesamt 1127
Patientinnen aus 10 Studien berücksichtigt, der Großteil im nicht metastasierten Setting
[22]. Anders als in den gepoolten Analysen zur Relevanz von CTCs waren hier die Kollektive
deutlich kleiner (max. 336 Patientinnen). Zudem wurden unterschiedliche Assays verwendet,
sodass der direkte Vergleich der Studien aufgrund ihrer Heterogenität deutlich erschwert
ist. So wurde in einem Teil der analysierten Studien die Gesamtmenge der cfDNA bestimmt,
während die anderen den Nachweis von vordefinierten genomischen Alterationen untersuchten.
Trotz dieser Mängel lässt die Metaanalyse auf eine mögliche
prognostische Bedeutung der cfDNA und der Mutationsdetektion beim nicht metastasierten
Mammakarzinom schließen.
Tab. 3 Prognostische Relevanz der zirkulierenden DNA bei Patientinnen mit Mammakarzinom
(modifiziert nach: [22], berücksichtigt wurden nur Studien mit mindestens 100 Patientinnen).
|
Studie
|
Anzahl der Patientinnen
|
Setting
|
Methode
|
prognostische Relevanz: OS
|
|
1 Serum
2 Plasma
Abkürzungen: dPCR – Digital PCR; HR – Hazard Ratio; OSMSP – One-step methylation-specific
PCR; PCR-SSCP – PCR-Single-strand Conformation Polymorphism; RFS – rezidivfreies Überleben
(relapse-free survival)
|
|
Fujita et al. [23]
|
336
|
Stadium I – II
|
OSMSP1
Met-DNA (±)/Gesamt cfDNA (high/low)
|
OS:
ja (HR für Met-DNA 3,17, für Gesamt cfDNA 4,03)
DFS/RFS:
Met-DNA: nein (HR 2,23)
Gesamt cfDNA: ja (2,70)
|
|
Fernandaz-Garcia et al. [24]
|
194
|
Stadium IV
|
TaqMan, RT-PCR
Gesamt cfDNA (high/low)
|
OS:
ja (HR 2,296)
|
|
BRE12–158 [25]
|
151
|
Stadium I – III
triple-negativ, non-pCR
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FoundationOne Liquid2
ctDNA (±)
|
OS:
ja (HR 2,7)
DDFS:
ja (HR 3,1)
|
|
Garcia et al. [26]
|
142
|
Stadium I – III
|
PCR-SSCP2
ctDNA (±)
|
OS:
nein (HR 1,60)
DFS/RFS:
ja (HR 2,70)
|
|
Fujita et al. [27]
|
120
|
Stadium II – III
nach Therapie
|
OSMSP1
Met-DNA (±)/Gesamt cfDNA (high/low)
|
OS:
ja (HR für Met-DNA 4,91, für Gesamt cfDNA 4,11)
DFS/RFS:
ja (HR für Met-DNA 4,23, für Gesamt cfDNA 1,93)
|
|
Shaw et al. [28]
|
112
|
Stadium IV
|
ddPCR2
gesamt cfDNA
|
OS:
ja (HR 2,20)
|
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Oshiro et al. [29]
|
110
|
Stadium I – III
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dPCR1
mut. PIK3CA (±)
|
OS:
nein (HR 3,92)
DFS/RFS:
ja (HR 4,78)
|
Therapiemonitoring mittels Liquid Biopsy
Die nichtinvasive Blutdiagnostik erlaubt serielle Untersuchungen, welche beliebig
oft unter einer Behandlung oder nach Abschluss der Therapie erfolgen können. Somit
wird ein einzigartiger Einblick in das aktuelle Tumorgeschehen ermöglicht. Da die
Systemtherapie einen Selektionsdruck auf die MRD ausübt, kann mittels Blutentnahmen
die persistierende Tumorzellpopulation ermittelt werden [30]. Auf diese Weise kann potenziell das Therapieansprechen überwacht werden und es
können jene Patientinnen identifiziert werden, die ein erhöhtes Rezidivrisiko aufweisen
und möglicherweise von zusätzlichen Behandlungsansätzen profitieren würden.
Mittlerweile wissen wir, dass CTCs in der Lage sind, über die (neo)adjuvante Therapie hinaus zu persistieren (sog. persistierende
CTCs, [Tab. 4]). Die größte bisher durchgeführte Analyse zur CTC-Persistenz im nicht metastasierten
Setting erfolgte im Rahmen der in Deutschland initiierten SUCCESS-Studie [31]. Bei 2026 Patientinnen wurden die CTCs mittels CellSearch vor Beginn der adjuvanten
Chemotherapie untersucht. Bei 21,5% der Frauen konnte mindestens eine CTC detektiert
werden. Nach Abschluss der Chemotherapie erfolgte eine Blutentnahme bei 1493 Patientinnen.
Die Positivitätsrate betrug 22,1%. Der Nachweis von CTCs vor der Chemotherapie korrelierte
mit dem klinischen Outcome (DFS, DDFS, BCSS und OS), aber nur bedingt mit der CTC-Persistenz.
So wiesen 76 Patientinnen einen positiven CTC-Status sowohl vor als auch nach der
Chemotherapie auf. Bei 936 Frauen waren beide Blutentnahmen CTC-negativ. Bei
491 Patientinnen kam es zu einem Switch des CTC-Status (+ → − in 238 Fällen und
− → + in 253 Fällen). Der Nachweis von persistierenden CTCs sagte ein ungünstiges
klinisches Outcome voraus (DFS: Hazard Ratio 1,124, p = 0,02, OS: Hazard Ratio 1,162,
p = 0,06). Dies lässt die Entwicklung effektiver Resistenzmechanismen durch die Tumorzellen
vermuten, welche ihnen erlauben, sich der Wirkung der zytotoxischen Therapie zu entziehen
[21], [31]. Zudem wurde in neoadjuvanten Studien gezeigt, dass das CTC-Ansprechen mit dem Ansprechen
des Primärtumors auf die Behandlung nicht korreliert.
Tab. 4 Klinische Bedeutung der persistierenden CTCs beim frühen Mammakarzinom.
|
Studie
|
Anzahl der Patientinnen
|
Setting
|
Positivitätsrate
(%)
|
Korrelation mit Überleben
|
|
1 untersucht mittels CellSearch
2 untersucht mittels AdnaTest
Abkürzungen: DDFS – fernmetastasenfreies Überleben; DFS – krankheitsfreies Überleben;
NACT – neoadjuvante Chemotherapie, OS – Gesamtüberleben
|
|
Rack et al. [31]
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1493
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Stadium I – III
N+ oder High-risk N0
Blutentnahme nach der adjuvanten Chemotherapie
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22%1
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ja: DFS, OS
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Bidard et al. [21]
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1200
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Stadium I – III
Blutentnahme nach der NACT
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15%1
|
ja: OS, DDFS
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Riethdorf et al. [32]
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207
|
High-risk
Blutentnahme nach der NACT
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11%1
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nicht untersucht
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Kasimir-Bauer et al. [33]
|
133
|
Stadium II – III
Blutentnahme vor und nach der NACT
|
8%2
|
nein
|
Zahlreiche kleinere Studien sind der Frage nachgegangen, wie die Bestimmung der zirkulierenden DNA das Therapiemonitoring beim frühen Mammakarzinom ergänzen kann ([Tab. 5]). Li et al. untersuchten Plasmaproben vor, während und nach der neoadjuvanten Chemotherapie
bei 52 Patientinnen und konnten zeigen, dass die Bestimmung der ctDNA nach 2 Zyklen
der Therapie mit der pCR-Wahrscheinlichkeit besser korreliert als die radiologische
Diagnostik [34]. Ähnliche Ergebnisse wurden von Magbanua et al. berichtet, die ctDNA mittels Ultra-deep
Sequencing bei 84 im Rahmen der I-SPY 2-Studie behandelten Patientinnen untersuchten
[35]. Bereits 3 Wochen nach Beginn der Therapie zeigte sich ein starker Abfall der ctDNA-Positivitätsrate
von 73 auf 35%. Alle Patientinnen, die eine pCR erreichten, waren nach der Chemotherapie
ctDNA-negativ. In der Non-pCR-Subgruppe sagte der Nachweis von
persistierender ctDNA nach NACT ein deutlich erhöhtes Metastasierungsrisiko voraus
(Hazard Ratio 10,4).
Tab. 5 Klinische Bedeutung der zirkulierenden DNA unter und nach der neoadjuvanten Therapie
beim frühen Mammakarzinom: Übersicht der wichtigsten Studien.
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Studie
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Anzahl der Patientinnen
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Methode
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Positivitätsrate (%)
|
Ergebnisse
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Abkürzungen: AUC – Area under the Curve; DFS – krankheitsfreies Überleben; ddPCR –
digitale Droplet-PCR; dPCR – digitale PCR; DDFS – fernmetastasenfreies Überleben;
EFS – ereignisfreies Überleben; NACT – neoadjuvante Chemotherapie; NGS – Next Generation
Sequencing; OS-MSP – One-step methylation-specific PCR; RCB – Residual Cancer Burden
|
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Takahashi et al. [36]
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87
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OS-MSP
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23% vor NACT
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ctDNA-Persistenz mit RCB assoziiert
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Magbanua et al. [35]
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84
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Ultra-deep Sequencing
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73% vor NACT
9% nach NACT
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ctDNA-Persistenz 3 Wochen nach Beginn der NACT assoziiert mit pCR (pCR-Rate 17 vs.
48%, p = 0,012); ctDNA-Nachweis nach NACT assoziiert mit DDFS
|
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NeoALTTO-Studie [37]
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69
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Mutationsanalyse PIK3CA und TP53 (ddPCR)
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41% vor NACT
20% 2 Wochen nach Beginn
5% nach NACT
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persistierende ctDNA 2 Wochen nach Beginn der NACT mit geringerer pCR-Wahrscheinlichkeit,
aber nicht mit EFS assoziiert
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Garcia-Murillas et al. [38]
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55
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dPCR, High-depth DNA Sequencing
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69% vor NACT
19% 2 – 4 Wochen postop.
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ctDNA-Persistenz 2 – 4 Wochen postop. mit DFS assoziiert (Hazard Ratio 25,1)
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Li et al. [34]
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52
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NGS-Panel von 1021 Genen
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48% vor NACT (die meisten Mutationen in den Genen TP53, PIK3CA, GAB2 und IRS2); ctDNA-Persistenz
in 70% der initial ctDNA-positiven Pat.
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ctDNA nach 2 Zyklen sagte das pathologische Ansprechen voraus (AUC 0.81); höhere Rezidivrate
im Falle der ctDNA-Persistenz (50 vs. 33%)
|
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Sharma et al. [39]
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30
|
Methylationsanalyse (Gene BRCA1, MGMT, GSTP1, Stratifin, MDR1)
|
Methylierung vor NACT: 76% mindestens 1 Gen; 53% (BRCA1), 37% (MGMT), 43% (GSTP1),
83% (Stratifin), 60% (MDR1) (76%)
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Tumoransprechen mit einer häufigeren Methylierung vor NACT und Abfall der Methylierung
nach NACT assoziiert
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Moss et al. [40]
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30
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Methylationsanalyse
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80% vor NACT
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starker Abfall der cfDNA unter NACT; cfDNA im letzten Monat der NACT mit der pCR assoziiert
(p = 0,006)
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Potenzial der Liquid Biopsy in der Nachsorge
Nach Abschluss der primären Therapie, die meist aus einer Operation und je nach Subtyp
Radiatio und Chemotherapie ggf. in Kombination mit zielgerichteter Therapie besteht,
kann der behandelnde Arzt heutzutage nur auf die Merkmale der Erkrankung zum Zeitpunkt
der Erstdiagnose zurückgreifen, um das verbleibende Rezidivrisiko abschätzen zu können.
Weitere Tools, die eine individualisierte Risikoschätzung erlauben würden, stehen
nicht zur Verfügung. Demgegenüber steht der ausgeprägte Wunsch der Patientin, im Rahmen
der Nachsorge die Heilungschancen zu erfahren. In diesem Kontext fordern manche Frauen
die Bestimmung der klassischen Tumormarker (z. B. CEA, CA 15-3), eine Untersuchung,
von der die aktuellen Leitlinien ausdrücklich abraten [41], [42]. Wie die Liquid Biopsy zur besseren Prognoseschätzung in der Nachsorge der asymptomatischen
Patientin beitragen kann, wurde in einigen Studien untersucht.
2018 wurden die Daten aus 2 groß angelegten adjuvanten Therapiestudien veröffentlicht,
die im Rahmen von translationalen Subprojekten die Relevanz der CTC-Bestimmung 5 Jahre nach der Diagnose untersucht haben ([Tab. 6]). In beiden Studien kam das CellSearch-System zum Einsatz. Interessanterweise war
die Prognose bei Frauen mit Persistenz der CTCs deutlich schlechter als im CTC-negativen
Kollektiv, besonders in der Gruppe der HR-positiven Tumore. So konnte in der US-amerikanischen
Studie gezeigt werden, dass das Rezidivrisiko pro Jahr bei Detektion von mind. einer
CTC bei 21,4% lag, verglichen mit nur 2% bei CTC-negativem Status.
Tab. 6 Klinische Relevanz der CTC-Persistenz in der Nachsorge.
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Studie
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Patientenzahl
|
Zeitpunkt der CTC-Bestimmung
|
Positivitätsrate (%)
|
mediane Follow-up-Zeit
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Korrelation mit Prognose
|
|
ECOG-ACRIN E5103 [47], [48]
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547
HER2-negativ Stadium II – III
|
4,5 – 7,5 Jahre nach der Diagnose
|
4,8%
|
2,6 Jahre
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Rezidivrisiko 12,7 × höher bei Patientinnen mit persistierenden CTCs; Rezidivrisiko
pro Patientin/Jahr im HR-positiven Kollektiv: 21,4 vs. 2,0%
|
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SUCCESS-A [49]
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206
Stadium I – III (high risk)
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median 62 Monate nach der Diagnose
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7,8%
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1 Jahr
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im HR-positiven Kollektiv: Rezidivrisiko höher bei CTC-Positivität (Hazard Ratio 5,95)
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Kleineren Studien zufolge kann auch die zirkulierende DNA zur Risikostratifizierung der asymptomatischen Patientin während der Nachsorge beitragen
[43], [44], [45], [46]. So konnten Garcia-Murillas et al. an einem Kollektiv von 101 Frauen zeigen, dass
serielle Messungen der ctDNA das Rezidivrisiko voraussagen können [44]. Blutentnahmen erfolgten im 1. Jahr alle 3 Monate und wurden alle 6 Monate für 5
Jahre fortgeführt. Die ctDNA-Detektion basierte auf den im Tumorgewebe nachgewiesenen
somatischen Mutationen, die mittels dPCR im Blut untersucht wurden. Patientinnen,
bei denen ctDNA im Verlauf detektiert wurde, wiesen ein deutlich kürzeres rezidivfreies
Überleben auf (Hazard Ratio 16,7, p < 0,001), wobei die ersten Blutproben bei den
meisten Frauen nach Abschluss der Chemotherapie zunächst ctDNA-negativ
waren. Im Median trat das klinische Rezidiv bzw. die Fernmetastasierung 10,7
Monate nach der 1. ctDNA-positiven Blutprobe auf. Interessanterweise korrelierte der
ctDNA-Verlauf nicht mit dem Auftreten von Hirnmetastasen, sodass diese Lokalisation
möglicherweise in der Liquid-Biopsy-basierten Detektion „stumm“ bleiben kann.
Auch in der EBLIS-Studie konnte das Potenzial des ctDNA-basierten Monitoring in der
Nachsorge bestätigt werden [45]. Hierbei erfolgten Blutentnahmen alle 6 Monate in den ersten 4 Jahren nach Abschluss
der Chemotherapie. Die ctDNA-Detektion basierte auf dem Nachweis von individuellen
tumorspezifischen Mutationssignaturen, die anhand der Untersuchung der Primärtumoren
erstellt wurden. Die Auswertung der klinischen Verläufe bei den ersten 49 Patientinnen
zeigte, dass ctDNA im Median 8,9 Monate vor dem lokalen oder fernen Rezidiv nachgewiesen
werden konnte.
Noch ist unklar, wie diese Erkenntnisse in der klinischen Routine implementiert werden
können bzw. welche diagnostische oder therapeutische Konsequenz aus einem positiven
ctDNA-Blutbefund abgeleitet werden sollte. In der britischen c-TRAK TN-Studie (NCT03145961)
erfolgt das Monitoring mittels ctDNA-Testung alle 3 Monate nach Abschluss der Therapie
bei triple-negativer Erkrankung. Patientinnen mit ctDNA-Persistenz werden zu Pembrolizumab
vs. Observation randomisiert. In Deutschland ist die Untersuchung der Relevanz von
Liquid Biopsy in der Nachsorge in der von der Universitäts-Frauenklinik Ulm initiierten
SURVIVE-Studie geplant.
Liquid-Biopsy-basierte Therapieinterventionen
Der Etablierung blutbasierter Biomarker in der Praxis beim frühen Mammakarzinom steht
bis jetzt die Unsicherheit hinsichtlich der klinischen Konsequenz im Wege. Eine der
wenigen Studien, die eine mögliche CTC-basierte Therapieintervention im nicht metastasierten
Setting untersucht haben, war die multizentrische Treat CTC-Studie [50]. Hierbei wurden Patientinnen mit HER2-negativem Primärtumor und persistierenden
CTCs nach Abschluss der (neo)adjuvanten Chemotherapie zu 6 Zyklen Trastuzumab vs.
Beobachtung randomisiert. Insgesamt wurde 1317 Patientinnen gescreent. Bei 95 wurden
CTCs detektiert, davon konnten 63 erfolgreich randomisiert werden. Der primäre Endpunkt
(erfolgreiche Elimination der CTCs durch Trastuzumab) wurde nicht erreicht, sodass
die Studie abgebrochen wurde. Auch das klinische Outcome verbesserte sich durch die
HER2-zielgerichtete Therapie nicht: nach einer medianen Follow-up-Zeit von 13 Monaten
waren das
invasiv-krankheitsfreie sowie das Gesamtüberleben in beiden Armen gleich. Bei
der Bewertung dieses Ergebnisses müssen die genauen Einschlusskriterien berücksichtigt
werden. Der HER2-Status der CTCs hatte auf eine mögliche Studienteilnahme keinen Einfluss.
So konnten auch Patientinnen mit HER2-negativen CTCs randomisiert werden, die erwartungsgemäß
von Trastuzumab nicht profitiert haben. Bei der Planung künftiger Studien sollten
die phäno- bzw. genotypischen Eigenschaften der detektierten Zellen möglichst berücksichtigt
werden.
Klinische Einsatzgebiete der Liquid Biopsy beim metastasierten Mammakarzinom
Klinische Einsatzgebiete der Liquid Biopsy beim metastasierten Mammakarzinom
Verbesserung der Prognoseeinschätzung
Auch im metastasierten Setting kann die CTC-Detektion die Prognoseeinschätzung ergänzen. 2019 wurden Krankheitsverläufe von 2436 Patientinnen
mit metastasierter Erkrankung aus 18 Zentren in einer retrospektiven gepoolten Analyse
ausgewertet [20] ([Tab. 2]). 54% der Patientinnen erhielten bereits eine systemische Therapie im metastasierten
Setting. Der CTC-Nachweis erfolgte in allen berücksichtigten Studien am CellSearch-System.
Allerdings hat sich aufgrund der höheren Konzentration der CTCs im metastasierten
Setting ein anderer Cutoff bewährt: so wurde in den meisten Studien die Zahl von 5
oder mehr CTCs pro 7,5 ml Blut als erhöht (oder CTC-high) bezeichnet. Patientinnen
mit ≥ 5 CTCs pro 7,5 ml Blut wurden in der gepoolten Analyse als CTCaggressive und jene mit < 5 CTCs als CTCindolent klassifiziert. Die Analyse konnte bestätigen, dass die Präsenz von erhöhten CTC-Zahlen
im
metastasierten Setting mit einem kürzeren Gesamtüberleben signifikant korreliert
(medianes OS: 36,3 bei CTCaggressive vs. 16,0 Monate bei CTCindolent, p < 0,0001) und diese Assoziation bei allen Tumorsubtypen beobachtet werden kann
[20]. In der multivariaten Analyse waren folgende Faktoren mit dem verkürzten OS assoziiert:
Vorbehandlung, schlechte Differenzierung, triple-negativer Phänotyp, viszerale Metastasierung
und Präsenz von ≥ 5 CTCs, wobei die CTC-Zahl der stärkste Prädiktor für das OS war
(HR 2,71, 95%-KI 2,35 – 3,12, p < 0,0001).
Wenige Studien untersuchten die prognostische Wertigkeit der zirkulierenden DNA in der metastasierten Situation ([Tab. 3]). Shaw et al. analysierten Blutproben von 112 vorbehandelten Patientinnen [28]. Erhöhte cfDNA-Werte korrelierten mit verkürztem Gesamtüberleben. Zusätzlich wurden
die ctDNA durch Nachweis von Mutationen in den Genen PIK3CA, TP53, ESR1 und KRAS sowie
CTCs bestimmt. Interessanterweise wurden erhöhte cfDNA-Werte meist gleichzeitig mit
hohen ctDNA-Werten nachgewiesen. Hinsichtlich des Mutationsprofils reflektierte die
ctDNA die Mutationen, die in den CTCs detektiert werden konnten.
Therapiemonitoring mittels Liquid Biopsy
Das klinische Ansprechen wird im metastasierten Setting mehreren Studien zufolge von
den Veränderungen der CTC-Zahlen reflektiert [16]. Bereits nach dem 1. Zyklus einer palliativen Chemotherapie zeichnet sich in der
Regel ein starker Abfall der CTCs ab. So konnten Smerage et al. sowie Martin et al.
zeigen, dass bei 47 – 57% der Patientinnen mit initial ≥ 5 CTCs nach dem 1. Zyklus
der Therapie < 5 CTCs detektiert werden konnten [51], [52]. Hingegen weisen konstant hohe CTC-Zahlen 3 – 4 Wochen nach Beginn der Behandlung
auf ein erhöhtes Progressionsrisiko hin. Auf diese Weise kann das Ansprechen schneller
als mit der klassischen radiologischen Diagnostik beurteilt werden. Unklar bleibt
jedoch, welche klinische Konsequenz aus den persistent hohen CTC-Zahlen abgeleitet
werden soll. Diese Fragestellung wurde in der randomisierten Phase-III-Studie der
U. S. amerikanischen
SWOG-Studiengruppe untersucht [51]. Insgesamt erhielten 595 Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom im Rahmen
der Studie ihre Erstlinienchemotherapie. Unter den 319 Frauen mit erhöhten CTC-Zahlen
vor Beginn der Behandlung wiesen 43% auch nach dem 1. Zyklus ≥ 5 CTCs auf. Diese Patientinnen
wurden zur Umstellung der Therapie auf ein anderes Regime vs. Fortführung der Therapie
ohne Änderung randomisiert. Das beste Überleben wiesen Patientinnen mit initial niedrigen
CTC-Zahlen auf (35 Monate), gefolgt von Frauen, deren initial hohe CTC-Zahlen nach
dem 1. Zyklus abfielen (23 Monate), und Patientinnen mit CTC-Persistenz (13 Monate).
Interessanterweise führte die Therapieumstellung nicht zur erhofften Verbesserung
der Prognose, sodass die CTC-Persistenz eine Resistenz gegenüber konventionellen zytotoxischen
Substanzen voraussagt. Möglicherweise könnten Patientinnen mit persistent hohen CTC-Zahlen
von immunologischen, zielgerichteten oder
experimentellen Ansätzen profitieren.
Der Nachweis von zirkulierender DNA wurde in translationalen Begleitprogrammen mehrerer Studien integriert. Hrebien et
al. sind im Rahmen der BEECH-Studie der Frage nachgegangen, wie die seriellen ctDNA-Messungen
das Monitoring unter einer Chemotherapie ergänzen können [53]. In dieser randomisierten Phase-II-Studie erhielten Patientinnen mit ER-positiven
HER2-negativen Tumoren eine Erstlinientherapie mit Paclitaxel und AKT-Inhibitor Capivasertib
vs. Placebo. Zunächst wurden Mutationen in den Baseline-Proben evaluiert, die im Verlauf
mittels mutationsspezifischer ddPCR detektiert wurden. Bereits eine Woche nach Beginn
der Therapie wurden Veränderungen der ctDNA-Level beobachtet, die das progressionsfreie
Überleben voraussagen konnten. Die beste Korrelation mit dem progressionsfreien Überleben
(PFS) wurde für die Blutentnahme am Tag 1 des 2. Therapiezyklus (q4w) gezeigt (11,1
vs. 6,4 Monate, Hazard Ratio 0,2). In beiden Armen wurde
ein ähnlich starker ctDNA-Abfall verzeichnet, was den mittlerweile gezeigten
fehlenden klinischen Benefit von Capivasertib widerspiegelt.
Auch im Rahmen der PALOMA-3-Studie konnte eine hohe Relevanz der frühen ctDNA-Untersuchung
bestätigt werden [54]. In der Phase-III-Studie wurden insgesamt 521 Patientinnen nach Progress unter endokriner
Therapie zur Behandlung mit Fulvestrant und CDK4/6-Inhibitor Palbociclib vs. Placebo
randomisiert. Bei 455 Studienteilnehmerinnen wurde die Blutprobe vor Beginn der Behandlung
mittels Multiplex-dPCR auf Hotspot-Mutationen im PIK3CA-Gen hin untersucht. Mindestens
eine Mutation wurde bei 100 Frauen detektiert, bei 73 wurde auch am Tag 15 der Behandlung
eine Blutprobe analysiert. Bei Patientinnen im Palbociclib-Arm wurde ein deutlich
stärkerer Abfall der ctDNA zwischen Baseline und Tag 15 als im Placeboarm beobachtet.
Basierend auf diesen Ergebnissen lässt sich vermuten, dass die ctDNA-Dynamik als geeigneter
Surrogatparameter für die frühe Beurteilung des Benefits neuer Substanzen dienen kann.
Auf dem ASCO-Symposium 2020 wurden die Ergebnisse von 2 CDK4/6-Studien vorgestellt,
die ctDNA-Messungen in ihren translationalen Begleitprogrammen untersucht hatten [55], [56]. In der PADA-1-Studie wurde die klinische Bedeutung der in der zellfreien DNA detektierten
ESR1-Mutation unter der Therapie mit Aromatasehemmer und Palbociclib bei 1017 Patientinnen
evaluiert [56]. Alle Patientinnen hatten eine ER-positive HER2-negative metastasierte Erkrankung
und erhielten die Erstlinientherapie im Rahmen der Studie. Die seriellen Blutproben
wurden mittels ddPCR untersucht. Vor Beginn der Therapie konnte die ESR1-Mutation
bei 3,2% der Patientinnen nachgewiesen werden; meist handelte es sich um Frauen, die
bereits in der Adjuvanz mit einem Aromatasehemmer behandelt wurden. Bei 78% der Patientinnen
wurde die Mutation aus der cfDNA innerhalb der ersten 5 Monate der Therapie eliminiert.
Patientinnen mit Mutation im ESR1-Gen vor Beginn der Behandlung wiesen ein kürzeres
PFS auf als Frauen ohne eine Mutation in der cfDNA. Wie sich diese Ergebnisse auf
die Therapieentscheidungen bei den ESR1mut-Patientinnen im klinischen Alltag auswirken könnte, bleibt noch offen. Des Weiteren
wurde auf dem ASCO-Symposium 2020 die Analyse von ctDNA im Rahmen der 3 Ribociclib-Studien
MONALEESA-2, -3 und -7 vorgestellt [55]. Insgesamt wurden die Blutproben von 1503 Patientinnen vor Beginn der endokrin basierten
Therapie auf Alterationen in 557 Genen mittels NGS hin untersucht. Alterationen in
den Genen FRS2, PRKCA, MDM1, ERBB2, AKT1 und BRCA1/2 sagten einen stärkeren PFS-Benefit
von Ribociclib voraus (statistischer Trend), während Patientinnen mit Alterationen
in den Genen CHD4, BCL11B, ATM und CDKN2A/2B/2C von Ribociclib wenig bis gar nicht
profitierten. Künftige Studien müssen klären, ob die untersuchten Gene zur frühzeitigen
Detektion von Resistenzen im Rahmen des Therapiemonitorings beitragen können.
Liquid-Biopsy-basierte Therapieinterventionen
Die Therapie der metastasierten Patientin orientiert sich heutzutage an den prädiktiven
Eigenschaften des Primärtumors bzw. der Metastasen. Dies setzt die Notwendigkeit einer
invasiven Gewebeprobe zur Gewinnung des histologischen Materials voraus und kann mit
Komplikationen bei erschwerter Lokalisation verbunden sein. Andererseits muss die
klonale Heterogenität der Tumorerkrankung berücksichtigt werden. So können sich die
einzelnen Metastasen voneinander hinsichtlich des Phäno- und Genotyps unterscheiden,
aber auch innerhalb eines metastatischen Herdes können unterschiedliche Populationen
nachgewiesen werden. Auch im zeitlichen Verlauf kann es zur Veränderung der untersuchten
Marker kommen. Eine Metaanalyse von 39 Studien zeigte, dass 22,5% der Patientinnen
mit initial ER-positiven Primärtumoren ER-negative Metastasen entwickeln [57]. Der Verlust des HER2-Status wurde bei 21,3% der Patientinnen beobachtet. Hingegen
entwickelten 9,5% der
Patientinnen mit HER2-negativen Primärtumoren eine HER2-positive Metastase. Aus
diesem Grund empfiehlt die AGO-Kommission Mamma eine Reevaluation des Rezeptorstatus
im metastasierten Setting.
Unter der Annahme, dass die blutbasierten Biomarker die Eigenschaften der dominanten
Tumorpopulationen widerspiegeln, wird der mögliche Einsatz der Liquid Biopsy als Grundlage
der Therapieentscheidung intensiv diskutiert.
Zu den wichtigsten Studien, die eine CTC-basierte Therapiewahl untersuchten, gehört die STIC CTC-Studie [58]. In dieser Phase-III-Studie wurden insgesamt 778 Frauen mit hormonrezeptorpositiver
HER2-negativer Erkrankung vor Beginn der Erstlinientherapie randomisiert. Im CTC-Arm
basierte die Therapiewahl ausschließlich auf dem Ergebnis der Blutuntersuchung: Patientinnen
mit < 5 CTCs erhielten eine endokrine Monotherapie, während bei ≥ 5 CTCs eine Chemotherapie
verabreicht wurde. Im Kontrollarm wurde ebenfalls Blut abgenommen und mittels CellSearch
untersucht, das Ergebnis blieb jedoch verblindet. In diesem Arm wurde die Therapie
vom behandelnden Arzt anhand der üblichen klinischen Kriterien gewählt. Da die Studie
2012 initiiert wurde, wurden die erst später zugelassenen CDK4/6-Inhibitoren im Studiendesign
nicht berücksichtigt. Die STIC CTC-Studie erreichte ihren primären Endpunkt: die CTC-basierte
Therapiewahl war der ärztlichen
Entscheidung, die als „treatment of physicianʼs choice“ bezeichnet wird, nicht
unterlegen. Das klinische Outcome (PFS und OS) war in beiden Armen gleich. Interessanterweise
profitierten die Patientinnen mit diskordanter Einschätzung des Risikos (klinisch
low-risk, aber mit hohen CTC-Zahlen oder klinisch high-risk mit niedrigen CTC-Zahlen)
hinsichtlich des Gesamtüberlebens von einer Chemotherapie. Da in der STIC CTC-Studie
keine endokrin basierte Kombinationstherapie mit CDK4/6-Inhibitoren, derzeit die am
häufigsten gewählte Erstlinientherapie im hormonrezeptorpositiven Kollektiv, möglich
war, kann momentan keine aus dieser Studie resultierende Empfehlung für den klinischen
Alltag ausgesprochen werden.
Im Gegensatz zur STIC CTC-Studie, welche die CTC-Zahlen als Grundlage der Therapieentscheidung
untersucht hatte, ist die CirCe T-DM1-Studie der Frage nachgegangen, wie die Eigenschaften
der CTCs die Therapiewahl beeinflussen können [59]. Hierbei wurde untersucht, ob Patientinnen mit histologisch HER2-negativer Erkrankung
(bestimmt am Primärtumor und/oder Metastase) deren CTCs einen positiven HER2-Status
aufweisen, von einer HER2-zielgerichteten Therapie profitieren können. Insgesamt wurden
154 Frauen mit vorbehandeltem Mammakarzinom auf HER2-amplifizierte CTCs mittels FisH
gescreent. In 14 Fällen konnte mindestens eine HER2-positive CTC nachgewiesen werden,
von denen 11 mit T-DM1 im Rahmen der Studie zielgerichtet behandelt wurden. Die Ansprechrate
war mit 9,1% sehr gering. Es konnte nur eine partielle Remission erreicht werden.
Das mediane PFS betrug 4,8 Monate und das OS 9,5 Monate. Möglicherweise kann der fehlende
Benefit der
HER2-zielgerichteten Therapie durch die Heterogenität der CTCs erklärt werden.
So wies die Mehrheit der detektierten CTCs einen negativen HER2-Status auf und nur
bei 4,4% der CTCs konnte HER2-Amplifikation nachgewiesen werden.
Weitere CTC-basierte Therapiekonzepte werden derzeit in den DETECT-Studien, das weltweit
größte Studienprogramm zu CTC-basierten Therapieinterventionen, untersucht [50] ([Abb. 2]).
Abb. 2 Studienalgorithmus im DETECT-Programm.
Im Gegensatz zur CTC-Diagnostik kann die ctDNA bereits heute im klinischen Alltag bei der Therapiewahl berücksichtigt werden. Mehreren
Studien zufolge können somatische genetische Alterationen in den Genen PIK3CA, ESR1,
HER2 und PTEN nachgewiesen und im Sinne von „targetable mutations“ zielgerichtet angegangen
werden ([Tab. 7]).
Tab. 7 Mögliche in der ctDNA detektierbare Alterationen und deren potenzielle Bedeutung.
|
Gen/Marker
|
potenzielle klinische Relevanz
|
|
ESR1
|
Vermittlung endokriner Resistenzen und ungünstige Prognose, je nach Variante Resistenz
gegen Everolimus (ESR1D538G und Y537S), Exemestan (D538G, ESR1mut), Fulvestrant (Y537S, Y537C), relative Fulvestrant-Sensitivität (ESR1mut)
|
|
PIK3CA
|
Prädiktion des Ansprechens auf Therapie mit PI3K-Inhibitor (Alpelisib-Zulassung in
Deutschland 7/2020); potenziell einsetzbar beim Therapiemonitoring
|
|
AKT1
|
Prädiktion des Ansprechens auf AKT-Inhibitoren wie Capivasertib (AKT1E17K)
|
|
HER2
|
Prädiktion des Ansprechens auf Neratinib bei HER2mut
Therapiemonitoring unter Anti-HER2-Therapie
|
|
TP53
|
Vermittlung der Therapieresistenzen
|
|
PTEN
|
Vermittlung der Therapieresistenzen
|
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BRCA
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Prädiktion des Ansprechens auf PARP-Inhibitoren und Platinsalze bei somatischen BRCA-Mutationen
in der ctDNA
|
|
Mikrosatelliteninstabilität (MSI), Verlust der Heterozygotie (LOH)
|
Prädiktion des Ansprechens auf zielgerichtete und immunologische Therapieansätze
|
Die erste Substanz mit der Liquid-Biopsy-basierten Indikation wurde auf Basis der
SOLAR 1-Studie zugelassen [30]. Hierbei wurde der PI3K-Inhibitor Alpelisib bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositiver
HER2-negativer Erkrankung in Kombination mit Fulvestrant untersucht. Alpelisib hemmt
das vom PIK3CA-Gen kodierte Enzym PI3-Kinase. Die Mutationen im PIK3CA-Gen werden
bei bis zu 40% der Patientinnen im fortgeschrittenen Stadium beobachtet und führen
durch Aktivierung der PI3K/Akt/mTOR-Signalkaskade zur gesteigerten Aggressivität der
Erkrankung. In der SOLAR 1-Studie wurden insgesamt 572 Patientinnen zur Therapie mit
Fulvestrant und Alpelisib vs. Fulvestrant und Placebo randomisiert. Die Patientinnen
waren metastasiert und bereits endokrin vorbehandelt. Bei allen Frauen wurde der PIK3CA-Mutationsstatus
im Tumorgewebe und bei einem Teil auch in der ctDNA bestimmt. Der Nachweis einer Mutation
war mit einem signifikanten PFS-Benefit durch
Hinzunahme von Alpelisib assoziiert – unabhängig davon, ob die Mutation im Gewebe
oder in der ctDNA detektiert wurde. Alpelisib wurde bereits 2019 in den USA und 2020
in Europa zugelassen. In Europa wurde das Medikament durch das Committee for Medicinal
Products for Human Use (CHMP) positiv bewertet, die Zulassung wird im Sommer 2020
erwartet.
Mit modernen Sequenzierungstechniken ist es möglich, mehrere potenziell therapierelevante
Mutationen gleichzeitig zu untersuchen. Diesen Ansatz verfolgte die PlasmaMatch-Studie
[60], in welcher Blutproben von insgesamt 1044 Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom
gescreent wurden. Dabei wurde eine Reihe von genetischen Alterationen in der ctDNA
detektiert. Am häufigsten war das TP53-Gen betroffen (44,1%), gefolgt von PIK3CA (34,9%),
ESR1 (Estrogen-Rezeptor 1) (33,1%), PTEN (6,9%), HER2 (6,4%) und AKT1 (5,0%). Im Studiendesign
war eine Mutations-getriggerte zielgerichtete Behandlung vorgesehen. So wurden beispielsweise
Patientinnen mit Mutationen im ESR1-Gen mit Fulvestrant therapiert, und bei einer
Mutation im HER2-Gen erhielten die Frauen die Anti-HER2-Therapie mit Neratinib. Im
Falle von Mutationen im PTEN- bzw. AKT1-Gen wurde die Behandlung mit Capivasertib
initiiert. Nach Analyse des Ansprechens erwies sich insbesondere die Therapie
mit Neratinib und Capivasertib als vielversprechend (Ansprechraten: Neratinib
25%, Capivasertib 22 – 33%).
Der aktuelle Wissensstand zur Liquid Biopsy beim frühen und fortgeschrittenen Mammakarzinom
wurde in der [Tab. 8] zusammengefasst.
Tab. 8 Klinische Relevanz der CTCs und der zirkulierenden DNA bei Mammakarzinom.
|
CTCs
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zirkulierende DNA
|
|
M0
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prognostische Relevanz
|
sehr hoch (in Metaanalysen bestätigt)
|
vermutlich hoch; Limitation: kleine Fallzahlen, relativ kurzes Follow up, methodische
Unterschiede
|
|
Therapiemonitoring
|
Persistenz nach (neo)adjuvanter Chemotherapie sagt schlechteres Outcome voraus
|
Persistenz nach (neo)adjuvanter Chemotherapie sagt schlechteres Outcome voraus; Korrelation
der ctDNA-Dynamik mit pCR
|
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Ergänzung der Nachsorge
|
potenziell relevant, insb. bei HR-positiver Erkrankung: CTC-Detektion 5 Jahre nach
Diagnose sagt ein erhöhtes Rezidivrisiko voraus
|
potenziell relevant: ctDNA-Positivität sagt ein erhöhtes Rezidivrisiko voraus
|
|
Liquid-Biopsy-basierte Therapieinterventionen
|
bisher keine positiven Studien, Potenzial unklar; kein Benefit von Trastuzumab bei
CTC-Persistenz in der TREAT CTC-Studie (HER2-Status der CTCs nicht berücksichtigt)
|
bisher keine positiven Studien, Potenzial unklar
|
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M1
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prognostische Relevanz
|
sehr hoch (in Metaanalysen bestätigt)
|
vermutlich hoch; Limitation: wenige Studien, kleine Fallzahlen, methodische Unterschiede
|
|
Therapiemonitoring
|
hohes Potenzial: Persistenz nach dem 1. Zyklus Chemotherapie korreliert mit dem Ansprechen,
klinische Konsequenz unklar
|
hohes Potenzial: Persistenz nach dem 1. Zyklus der Therapie korreliert mit dem Ansprechen,
klinische Konsequenz unklar
|
|
Liquid-Biopsy-basierte Therapieinterventionen
|
erste positive Studie (STIC CTC): CTC-basierte Wahl der Erstlinientherapie ist der
Wahl des Onkologen nicht unterlegen; klinische Konsequenz unklar; weitere Studien
ausstehend (z. B. DETECT-Studienprogramm)
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Haupteinsatzgebiet: Detektion von somatischen Mutationen in der ctDNA als Indikationsgrundlage für zielgerichtete
Therapie: Alpelisib bei Patientinnen mit Mutation im PIK3CA-Gen in den USA und Europa
zugelassen.
|
Fazit
-
Unter Liquid Biopsy wird die Untersuchung von zirkulierenden Tumorzellen und Nukleinsäuren
(DNA/RNA) im Blut verstanden.
-
Die prognostische Relevanz der CTC-Detektion bei Patientinnen mit Mammakarzinom ist
sowohl im frühen als auch im metastasierten Stadium sehr hoch.
-
Die Dynamik der CTCs und der ctDNA korreliert mit Ansprechen auf eine palliative Therapie.
-
Im Fokus der translationalen onkologischen Forschung stehen heutzutage die Liquid-Biopsy-basierten
Therapieinterventionen beim metastasierten Mammakarzinom. Der PI3K-Inhibitor Alpelisib
ist die erste Substanz, die in diesem Kontext zugelassen wurde.