Seit 2011 ist es auch Transmännern möglich, ihren Kinderwunsch durch eine eigene Schwangerschaft
zu verwirklichen. Die Frauenheilkunde und Geburtshilfe stehen damit vor einer ungewöhnlichen
Herausforderung. Ein klinisches Gebiet, welches sich traditionell der Frauengesundheit
widmet, muss sich für andere geschlechtliche Identitäten öffnen, wenn eine flächendeckende
und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung gewährleistet werden soll. Dies macht
es erforderlich, sich zunächst einmal mit den medizinischen, sozialen und ethischen
Auswirkungen des Phänomens vertraut zu machen.
Der Begriff „trans“ bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, dass sich Personen mit dem
bei ihrer Geburt eingetragenen Geschlecht nicht identifizieren. Transpersonen können
sich dem jeweils anderen Geschlecht zugehörig fühlen, d. h. eine Person, die mit Uterus
und Eierstöcken geboren wurde, kann sich als Mann fühlen und durch Hormontherapie
und geschlechtsmodifizierende Operationen dem bevorzugten Geschlecht annähern. Gerade
unter jüngeren Transpersonen finden sich aber auch viele, die sich als abinär bezeichnen
und die gesellschaftliche und biologische Dichotomie in Mann und Frau überwinden wollen.
Verwirrend kann die Vielzahl an Begriffen wirken, die dem Phänomen gerecht werden
wollen. Transsexualität, Transidentität und Transgeschlechtlichkeit wurden und werden
für und von Transpersonen verwendet. Allerdings wird von der Verwendung des Begriffs
Transsexualität oft abgeraten, da er zu der falschen Annahme führen kann, dass Trans-Sein
etwas über die Sexualität der Person
aussagt.
Vereinzelt wurde mittlerweile über Schwangerschaften von Transmännern berichtet. Dem
Fachgebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, das schon dem Namen nach eigentlich
Frauen behandelt, stellt sich die Frage, wie es angemessen auf die Bedürfnisse dieser
Personen eingehen kann. Es sind ganz praktische Fragen, die beantwortet werden müssen:
Welche medizinischen Besonderheiten stellen sich im Schwangerschaftsverlauf und bei
der Entbindung? In welchen Zimmern können Transmänner auf der Wochenbettstation unterkommen?
Wie werden die betroffenen Personen angesprochen? Auch das Recht geht bisher nicht
auf solche neuen Familienkonstellationen ein. Männer, die gebären, werden immer noch
mit ihrem alten, weiblichen Namen in die Geburtsurkunde eingetragen – dem Namen einer
juristischen Person also, die eigentlich nicht mehr existiert.
Solche Fragen werden mittlerweile auf internationaler Ebene vermehrt diskutiert. Die
internationale Konferenz „Trans Pregnancy“, die vom 14. bis 16. Januar 2020 in Leeds
(England) stattfand, war der Abschluss eines 3-jährigen internationalen Forschungsprojekts,
das sich mit rechtlichen, ethischen und sozialen Aspekten von Transschwangerschaften
auseinandersetzte. Eingeladen war auch Freddie McConnell, ein britischer Journalist,
dessen Schwangerschaft große mediale Aufmerksamkeit erlangt hatte und der im letzten
Jahr vergeblich für die rechtliche Anerkennung als Vater geklagt hatte. McConnell
wurde bekannt, da er seine Schwangerschaft im Rahmen der filmischen Dokumentation
„Seahorse“ begleiten ließ. Auf der Konferenz wurden u. a. Beispiele vorgestellt, wie
eine transinklusive Medizin gestaltet sein könnte. In Brighton (England) haben sich
seit einiger Zeit die „Gender Inclusion Midwives“ auf die Betreuung von Schwangerschaften
von Transpersonen spezialisiert. Neben der
medizinischen Betreuung bieten sie auch Bildungsprogramme an und entwickeln Leitfäden,
die helfen sollen, den Klinikalltag diskriminierungsfrei zu gestalten.
Im deutschsprachigen Raum gibt es bisher keine Forschung zum Thema Transschwangerschaft.
Ein Pilotprojekt am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin
Göttingen soll nun die praktischen Schwierigkeiten erkunden, mit denen Gesundheitsversorger
und betroffene Personen konfrontiert sind. Ziel ist eine erste Erfassung der Herausforderungen
für die Frauenheilkunde und Geburtshilfe bzw. für das Gesundheitswesen im Allgemeinen,
um daraus Empfehlungen für eine Anpassung der medizinischen Versorgung ableiten zu
können.
Ärztinnen und Ärzte sowie Hebammen, die schon Erfahrungen mit dem Kinderwunsch oder
einer Schwangerschaft von Transpersonen gemacht haben, sind herzlich eingeladen, sich
an unserer Befragung zu beteiligen. Bei Interesse wenden Sie sich dazu bitte an Frau
Prof. Claudia Wiesemann (cwiesem@gwdg.de).