CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(12): 1195-1204
DOI: 10.1055/a-1128-0280
GebFra Science
Review/Übersicht

Therapie des epithelialen Ovarialkarzinomrezidivs

Article in several languages: English | deutsch
Carlota Claussen
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Lübeck, Germany
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Achim Rody
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Lübeck, Germany
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Lars Hanker
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Lübeck, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Das epitheliale Ovarialkarzinom ist die häufigste Todesursache bei gynäkologischen Tumoren. Bei den meisten Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom tritt ein Rezidiv nach der Erstlinientherapie auf, sodass weitere Therapielinien erforderlich sind. Die Wahl der Therapie unterliegt verschiedenen Kriterien wie Tumorbiologie, Allgemeinzustand der Patientin (ECOG), Toxizität, vorherige Chemotherapie und das Ansprechen hierauf. Das sogenannte platinfreie bzw. therapiefreie Intervall definiert hierbei das potenzielle erneute Ansprechen auf eine platinhaltige Therapie. Haben die Patientinnen ein Spätrezidiv, d. h. > 6 Monate nach Ende der letzten Platintherapie (ehemals platinsensibel), so sind sie in der Regel geeignet für eine erneute platinhaltige Kombinationstherapie. Patientinnen, die nicht für eine platinhaltige Chemotherapie (CTX) infrage kommen, werden mit einem platinfreien Regime behandelt wie z. B. Paclitaxel weekly, pegyliertes liposomales Doxorubicin (PLD), Gemcitabin oder Topotecan. Die Patientinnengruppe, die für eine platinhaltige Therapie infrage kämen, aber z. B. aufgrund einer unkontrollierbaren Hypersensitivitätsreaktion kein Carboplatin mehr erhalten kann, würde für eine Therapie aus Trabectedin und PLD infrage kommen. Die Rezidivoperation wurde bisher kontrovers diskutiert, ist aber durch neue Erkenntnisse aus der DESKTOP-III-Studie der AGO-Studiengruppe wieder ins Licht des Interesses gerückt, insbesondere bei Patientinnen mit platinfreiem Intervall > 6 Monate und positivem AGO-Score. Zudem haben Angiogeneseinhibitoren wie Bevacizumab und die PARP-Inhibitoren Olaparib, Niraparib und Rucaparib ihre Wirksamkeit in der Rezidivsituation in klinischen Studien bewiesen. Diese Medikamente haben die aktuelle Behandlungspraxis nachhaltig verändert und das Spektrum der Therapien erweitert. Dabei muss zwischen einer reinen Erhaltungstherapie nach Beendigung der CTX, einer kontinuierlichen Erhaltungstherapie während der CTX und einem therapeutischen Einsatz dieser Substanzen unterschieden werden. Die PARP-Inhibitoren Niraparib, Olaparib und Rucaparib sind bereits von der FDA und der EMA zugelassen. Eine vorliegende BRCA-Mutation stellt dabei einen prädiktiven Faktor für ein besseres Ansprechen auf PARP-Inhibitoren dar.


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Einleitung

In der Krebsstatistik bei Frauen stellt das epitheliale Ovarialkarzinom die häufigste krebsbedingte Todesursache bei gynäkologischen Tumoren und die fünfthäufigste bei allen Tumoren dar [1].

Die Therapie des Ovarialkarzinomrezidivs zeigte in den letzten Jahren deutliche Fortschritte in der medikamentösen, aber auch der operativen Therapie.

Die Krebsmortalität konnte in der Primärsituation um 30% gesenkt werden. Die Mortalität hat von 10/100 000 auf 6,7/100 000 abgenommen, parallel hierzu hat auch die Inzidenz von 16/100 000 auf 11/100 000 abgenommen. Hierdurch ist die Mortalitätsreduktion im Wesentlichen zu erklären [1]. 70 – 80% der Patientinnen im FIGO-Stadium III – IV entwickeln ein Rezidiv innerhalb von 5 Jahren [2], [3].

Traditionellerweise wurde fast ausschließlich das platinfreie Intervall (PFI) benutzt, um Ovarialkarzinomrezidive in platinsensitiv und platinresistent einzuteilen und um daran medikamentöse, aber auch operative Therapieentscheidungen festzumachen. Patientinnen, die ein Rezidiv > 6 Monate nach Ende einer platinhaltigen Chemotherapie entwickeln, werden als platinsensibel klassifiziert. Patientinnen, die zunächst ein Therapieansprechen zeigen, aber dann ein Rezidiv in < 6 Monaten entwickeln, werden als platinresistent bezeichnet. Platinsensitive Patientinnen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, auf eine neue platinhaltige Therapie anzusprechen [4]. Allerdings handelt es sich hier um ein Kontinuum ohne strikten zeitlichen Cut-off. Daher wird diese Einteilung aktuell als überholt angesehen. Die Ovarian Cancer Consensus Group der Gynecologic Cancer Intergroup hat erstmalig diese Definition geändert, und die ESMO/ESGO haben dies aufgegriffen. Entsprechend den aktuellen Konsensus-Empfehlungen der ESMO/ESGO 2019 sollte vielmehr das therapiefreie Intervall nach letzter platinhaltiger, nicht platinhaltiger oder biologischer Therapie beschrieben werden [2], [5], [6]. Des Weiteren sollten differenziert verschiedene Behandlungskriterien bei der Therapiefestlegung berücksichtigt werden. Zu diesen sollten die Tumorbiologie/Histologie, die Anzahl der Vortherapien, das Ansprechen auf Vortherapien, persistierende Nebenwirkungen aus Vortherapien, aktuelle Symptome und natürlich der Patientenwunsch gehören [7].

Nach diesem Paradigmenwechsel werden Patientinnen nun als solche kategorisiert, für die eine erneute Platintherapie infrage kommt oder für die eine platinhaltige Chemotherapie keine Wahl darstellt.

Im Rahmen der Betrachtung der Tumorbiologie sollte insbesondere der BRCA-Status in der Keimbahn und im Tumor berücksichtigt werden. Auch stellen die vorherige Bevacizumab-Behandlung oder Behandlung mit anderen Erhaltungstherapien entscheidende Kriterien dar. Dabei ist auch zu diskutieren, welche Patientinnen eventuell weniger von einer Systemtherapie profitieren wie z. B. Patientinnen mit extrem schlechter Prognose, histologische Subtypen wie klarzellige, muzinöse, Low-grade seröse Tumore und asymptomatische Patientinnen mit ansteigendem CA-125 nach Ansprechen auf Erstlinientherapie [8].

Die operative Behandlung des Ovarialkarzinomrezidivs stellt eine zusätzliche Option unter bestimmten Voraussetzungen dar. Diese Möglichkeit sollte vor der Einleitung einer Systemtherapie geprüft werden ([Abb. 1]). Nach jahrelanger Kontroverse zeigt sich entsprechend den aktuellen Daten der DESKTOP-III-Studie vom ASCO 2020 ein deutlicher Vorteil im Sinne eines verlängerten Gesamtüberlebens für eine ausgewählte Patientinnengruppe [9].

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Abb. 1 Therapie des Ovarialkarzinomrezidivs (therapiefreies Intervall > 6 Monate). PARPi: PARP-Inhibitoren.

In diesem Übersichtsartikel werden die neusten Erkenntnisse zur Behandlung des Ovarialkarzinomrezidivs präsentiert und diskutiert, insbesondere die 2. zytoreduktive Operation (Rezidivoperation), die Therapie bei Platinresistenz und Platinsensibilität, Anwendung von PARP-Inhibitoren, Antiangiogenesetherapeutika und neue Therapien.


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Operation beim Ovarialkarzinomrezidiv

Die Operation beim Ovarialkarzinomrezidiv wurde über Jahre kontrovers diskutiert und rückt durch aktuelle Ergebnisse der DESKTOP-III-Studie [9] erneut in den Fokus. Grundsätzlich muss dabei zwischen 2 verschiedenen Zielen der Rezidivoperation unterschieden werden: eine palliative Zielsetzung zur Symptomkontrolle, z. B. zur Prävention eines mechanischen Ileus, oder eine zytoreduktive Operation mit dem Ziel der makroskopischen Tumorfreiheit, um so das krankheitsfreie und das Gesamtüberleben zu verlängern.

Im Folgenden wird Letzteres behandelt.

Um den Effekt der zytoreduktiven Operation beim Ovarialkarzinomrezidiv auf das krankheitsfreie und Gesamtüberleben erstmals systematisch zu untersuchen, wurde die DESKTOP-Studienserie der AGO initiiert. Hier konnte zunächst in der DESKTOP-I- und -II-Studie gezeigt werden, dass nur Patientinnen mit einer makroskopischen Komplettresektion zu profitieren scheinen.

Um den Erfolg für eine makroskopische Tumorresektion vorhersagen zu können, wurden im Rahmen dieser DESKTOP-Serie erstmals ein Score aus klinischen Faktoren, der sog. AGO-Score, implementiert [10]. Dieser besteht aus 3 Kriterien und wird in AGO-Score positiv und negativ eingeteilt. Ein positiver AGO-Score beinhaltet einen Performance Status nach der Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG) 0, Aszites ≤ 500 ml und den Zustand nach Komplettresektion bei der 1. Operation. Die Rate an makroskopischer Komplettresektion betrug 76% in der prospektiven DESKTOP-II-Studie [10] und 89,3% in einer weiteren Analyse von Harter et al. [11]. Aber auch Frauen mit negativem AGO-Score können eine Komplettresektion mit gutem klinischen Outcome erreichen, wenn sie in einem gynäkologischen Zentrum behandelt werden. Eine retrospektive, monozentrische Analyse von Muallem et al. [12] zeigte, dass von 127 Frauen, die mindestens 1 negatives AGO-Score-Kriterium aufwiesen, bei 48,5% der Patientinnen trotzdem makroskopische Tumorfreiheit in einer 2. OP erreicht werden konnte. Das progressionsfreie Überleben (PFS) war 22 Monate in der AGO-Score-positiven Gruppe verglichen zu 21 Monaten in der AGO-Score-negativen.

Weitere verschiedene Metaanalysen und schließlich 3 randomisiert-kontrollierte prospektive Studien, darunter die DESKTOP-III-Studie, wurden durchgeführt. Eine Cochrane-Analyse aus 2013 untersuchte die zytoreduktive Operation beim epithelialen Ovarialkarzinomrezidiv in 9 nicht randomisierten Studien, die 1194 Frauen umfassten [13], und kam zu dem Ergebnis, dass eine makroskopische Komplettresektion mit einem verbesserten Überleben assoziiert ist. Jedoch unter Vorbehalt, da randomisiert-kontrollierte Studien fehlen und ein Bias bei der Auswertung retrospektiver Studien durchaus vorhanden ist.

Drei große randomisiert-kontrollierte Phase-III-Studien wurden dann gestartet, um diese Thematik zu untersuchen: Die AGO-DESKTOP-III-Studie [9], die GOG-213- [14] und die niederländische SOCceR-Studie [15]. Bedauerlicherweise wurde die SOCceR-Studie eingestellt bei zu niedriger Rekrutierungsrate in den Niederlanden [16].

Auf dem ASCO 2018 wurden die Daten der GOG-213-Studie [14] präsentiert. GOG 213 zeigte ein negatives Ergebnis für die sekundäre zytoreduktive Operation beim platinsensitiven Ovarialkarzinomrezidiv gefolgt von Chemotherapie (n = 240) bezüglich des krankheitsfreien und des Gesamtüberlebens (PFS und OS) verglichen zu Frauen, die keine Operation und nur eine platinbasierte Kombinationschemotherapie mit oder ohne Bevacizumab erhalten haben (n = 245). In dieser Studie wurde kein strukturierter Score angewendet. Das mediane progressionsfreie Überleben war 18,2 Monate im Operationsarm und 16,5 Monate im Kontrollarm. Medianes Gesamtüberleben war 53,6 Monate in der OP-Gruppe vs. 65,7 Monate in der OP-freien Kontrollgruppe (HR 0,88; 95%-KI 0,7 – 1,11) [14].

Kritikpunkte bei der GOG-213-Studie waren die lange Rekrutierungszeit, der hohe Anteil an ostasiatischer Population und, dass 84% der Frauen Bevacizumab erhalten haben als Erhaltungstherapie, verglichen zu 20% in der DESKTOP-III-Studie.

Die finalen Gesamtüberlebensergebnisse der DESKTOP III der AGO wurden aktuell auf dem ASCO 2020 präsentiert. Eingeschlossen wurden Frauen mit 1. Rezidiv > 6 Monate nach letzter platinhaltiger Therapie und positivem AGO-Score. 407 Patientinnen wurden randomisiert, von denen 201 keine Operation erhielten. 206 Frauen wurden in den Operationsarm randomisiert, hiervon wurden letztlich 187 operiert. In 75% der Patientinnen wurde eine Komplettresektion erreicht. Die Analyse des primären Endpunkts zeigte ein medianes Gesamtüberleben von 53,7 Monaten mit und 46,2 Monaten ohne Operation (HR 0,76, 95%-KI 0,59 – 0,97, p = 0,03). Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 18,4 und 14 Monate (HR 0,66, 95%-KI 0,54 – 0,82, p < 0,001). Patientinnen, die eine OP erhielten und bei denen keine makroskopische Tumorfreiheit erreicht wurde, hatten ein medianes Gesamtüberleben von nur 28,8 Monaten. Daher bestätigt diese Studie die Ergebnisse der DESKTOP-Serie, wonach das Ziel einer Rezidivoperation eine Komplettresektion sein muss. Wird dieses Ziel erreicht, so haben die Patientinnen einen signifikanten und klinisch hoch relevanten Überlebensvorteil.

Basierend auf diesen aktuellen Ergebnissen sollte zukünftig die Operation bei 1. Ovarialkarzinomrezidiv mit dem Ziel der Komplettresektion bei der Patientinnensubgruppe mit platinsensitivem Tumor und positivem AGO-Score (ECOG 0, Aszites ≤ 500 ml, Komplettresektion bei der 1. Operation) als ein neuer Therapiestandard etabliert werden.


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Frühes (ehem. platinresistentes) Ovarialkarzinomrezidiv (PR-ROC)

Wenn Patientinnen mit Ovarialkarzinomrezidiv unter platinhaltiger Therapie oder < 6 Monate nach Abschluss der Therapie einen Progress aufweisen, sind sie in der Regel nicht mehr geeignet für eine weitere platinhaltige Therapie (ehemals platinresistent oder refraktär). Diese Patientinnen haben typischerweise schlechte Ansprech- und kurze Gesamtüberlebensraten. Es ist schwierig, die Frauen zu identifizieren, die einen klaren Nutzen von einer palliativen Chemotherapie haben, was die „Symptom Benefit“-Studie der Gynecologic Cancer Intergroup zeigt: 20% der 570 Patientinnen mit platinresistentem Ovarialkarzinom (PR-ROC), die vorher als geeignet für eine palliative Chemotherapie eingeordnet wurden, brachen innerhalb von 8 Wochen die Studie ab aufgrund von Krankheitsprogression, Tod oder Patientinnenwunsch. Das mediane PFS lag bei 1,2 Monaten und das mediane OS bei 2,9 Monaten [17]. Um die Prognose hinsichtlich des Überlebens einzuschätzen, können validierte Scores, wie z. B. der modifizierte Glasgow Prognostic Score [18], eingesetzt werden und Patientinnen und deren Familien hinsichtlich des Nutzens einer weiteren Therapie beraten werden. Insbesondere der Nutzen einer höheren Therapielinie > 3 ist fraglich im Rezidiv [19]. Auf der anderen Seite haben palliative Chemotherapien beim PR-ROC einen Nutzen zur Symptomkontrolle [20]. Aus diesem Grund sollte das oberste Therapieziel der Erhalt der Lebensqualität sein.

Wird eine weitere Therapie angestrebt, kommen Kombinationschemotherapien bei Patientinnen mit PR-ROC nicht mehr infrage. Der Einsatz von Monochemotherapien hat sich als wirksamer herausgestellt [21]. Hierbei kommen insbesondere nichtplatinhaltige Chemotherapien wie Topotecan, Gemcitabin, Paclitaxel oder PLD infrage [22], [23], [24], [25], [26]. Pegyliertes liposomales Doxorubicin (PLD) hat in verschiedenen Studien ein PFS von 2,1 – 3,7 Monaten mit einer 10 – 20% objektiven Ansprechrate und im Vergleich zu Topotecan ein besseres Sicherheitsprofil und bessere Aktivität gezeigt [25]. In retrospektiven Studien wurde ein besseres Ansprechen bei vorliegendem BRCA-Mutationsstatus beobachtet [27].

Auch wenn Patientinnen mit Paclitaxel in der Erstlinientherapie behandelt wurden, ist das wöchentliche Paclitaxel-Regime eine Option und hat eine objektive Ansprechrate von 20,9% gezeigt [23].

Bezüglich intermediär refraktärer Patientinnen wurden aktuell neue Daten auf dem ESMO 2020 präsentiert. Im INOVATYON Trial wurden Carboplatin/PLD vs. Trabectedin/PLD verglichen bei Patientinnen mit Rezidiv zwischen 6 – 12 Monaten nach letzter platinhaltiger Therapie. Es zeigte sich zwar kein Benefit für Trabectedin/PLD, aber ein ähnliches medianes Gesamtüberleben (21,3 und 21,5 Monate), sodass Trabectedin/PLD zwar nicht die Therapie der Wahl ist bei diesen Patientinnenkollektiv, jedoch durchaus als Option bei Platinhypersensitivität besteht [28].

Eine weitere Option bei PR-ROC stellt Bevacizumab dar. Bevacizumab wurde in der AGO-OVAR-2.15-Studie (AURELIA) bei Patientinnen, bei denen nur 7% Bevacizumab bereits in der Erstlinientherapie erhalten haben, untersucht. Patientinnen wurden randomisiert und erhielten entweder Bevacizumab oder Placebo in Kombination mit Paclitaxel, PLD oder Topotecan [29].

Das mediane PFS betrug 3,4 Monate mit alleiniger Chemotherapie vs. 6,7 Monate mit Bevacizumab-haltiger Therapie (p ≤ 0,001). Medianes OS war 13,3 vs. 14,6 Monate mit einer HR von 0,85 (95%-KI 0,66 – 1,08; p < 0,174). Die Hinzunahme von Bevacizumab verlängerte folglich das PFS signifikant bei nicht signifikantem Gesamtüberlebensgewinn und ist in Europa und den USA zugelassen für Frauen, die bisher kein Bevacizumab erhalten haben.


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Spätes (ehem. platinsensibles) Ovarialkarzinomrezidiv (PS-ROC)

Patientinnen mit Ovarialkarzinomrezidiv, die nach > 6 Monaten therapiefreien Intervalls rezidivieren, kommen in der Regel für eine erneute platinhaltige Chemotherapie infrage.

Der Grad des sekundären Therapieansprechens verbessert sich hierbei mit der Länge des platinfreien Intervalls kontinuierlich [30]. In der klinischen Praxis werden vor allem Carboplatin/Paclitaxel, Carboplatin/Gemcitabin und Carboplatin/PLD eingesetzt, da diese Regime Überlegenheit gegenüber einer Carboplatin-Monotherapie gezeigt haben. Carboplatin/PLD haben hierbei das günstigere Nebenwirkungsprofil unter den Kombinationstherapien gezeigt [2], [5].

Eine Hypothese in der Behandlung des platinsensiblen Rezidivs bei Patientinnen, die nach 6 – 12 Monaten rezidivierten, ist es, dass das platinfreie Intervall mit einer nicht platinhaltigen Therapie verlängert und das Ansprechen zur folgenden platinbasierten Therapie erhöht werden könnte.

In der randomisierten Phase-III-MITO-8-Studie [31] erhielten Frauen eine platinbasierte Chemotherapie gefolgt von einer nicht platinhaltigen (Standardarm) oder andersherum (experimenteller Arm). In > 85% war die nicht platinhaltige Therapie PLD. Es gab keinen Nutzen bezüglich des Gesamtüberlebens und das mediane PFS war signifikant kürzer im experimentellen Arm (median 12,8 vs. 16,4 Monate; Hazard Ratio 1,41; 95%-KI 1,04 – 1,92; p = 0,025). Die Autoren kamen folglich zu dem Ergebnis, dass die platinhaltige Therapie auf keinen Fall verzögert eingesetzt werden sollte. Die aktuell auf dem ESMO 2020 präsentierte INOVATYON-Studie konnte keinen Vorteil durch die platinfreie Kombination Trabectedin/PLD bez. der Effektivitätssteigerung einer folgenden platinhaltigen Kombination zeigen [32].

Trabectedin und PLD wurden in der Phase-III-OVA-301-Studie [33] evaluiert. Platinsensible Patientinnen erhielten Trabectedin/PLD oder PLD allein. Die Kombination erreichte eine signifikant bessere Gesamtüberlebensrate. Das mediane OS betrug 23,0 vs. 17,1 Monate (HR 0,59; 95%-KI 0,43 – 0,82; p = 0,015). Damit stellt die Kombination Trabectedin/PLD aktuell die Therapie der Wahl dar für Patientinnen, die potenziell platinsensibel wären, aber kein weiteres Platin erhalten können.


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Angiogenesehemmer

Die Einführung der Angiogenesehemmer zur kontinuierlichen Erhaltungstherapie, d. h. Hinzunahme der Antiangiogenese zur CTX und darüber hinaus, erbrachte einen weiteren Fortschritt in der Systemtherapie des PS-ROC.

Angiogenese ist wichtig für Tumorzellenwachstum, -überleben und Metastasenbildung. Inhibition der Angiogenese kann synergistisch mit vorhandenen Therapien arbeiten und wird durch z. B. Bindung von Vascular endothelial Growth Factor (VEGF) inhibiert. Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen der Angiogenesehemmer sind Hypertension, Proteinurie, Blutungen, thromboembolische Ereignisse, schlechte Wundheilung und gastrointestinale Perforation.

Bevacizumab

Bevacizumab ist ein Anti-VEGF-Antikörper, der in der Erstlinien- sowie Zweitlinientherapie beim epithelialen Ovarialkarzinom etabliert ist [34], [35].

Die Zulassung für Bevacizumab in Europa basiert auf der randomisiert-kontrollierten Phase-III-Studie OCEANS [36], die Bevacizumab oder Placebo in Kombination mit Carboplatin/Gemcitabin untersucht hat. Alle Patientinnen waren Bevacizumab-naiv. Der Bevacizumab-Arm erreichte ein signifikant verbessertes PFS (12,4 vs. 8,4 Monate, HR 0,485, p < 0,001) ohne Verbesserung des Gesamtüberlebens (33,6 vs. 32,9 Monate, HR 0,65, p = 0,65) [36].

Hierbei ist zu erwähnen, dass > 30% der Placebopatientinnen im Sinne eines „Cross-overs“ Bevacizumab nach Progression erhalten haben und bei vielen Patientinnen bereits eine weitere Therapie appliziert worden war, als das OS ausgewertet wurde, wodurch das OS möglicherweise beeinflusst wurde.

Die Phase-III-Studie GOG 213 untersuchte Carboplatin/Paclitaxel ± Bevacizumab beim platinsensitiven Ovarialkarzinomrezidiv und den Nutzen einer Rezidivoperation. Die Studie zeigte ein signifikant verlängertes PFS im Carboplatin/Paclitaxel-plus-Bevacizumab-Studienarm (23,8 vs. 10,4 Monate HR 0,63, p < 0,0001). Die OS-Analyse demonstrierte keinen Unterschied in den Studienarmen (42,2 vs. 37,1 Monate, HR 0,89, p = 0,056). Eine auf das therapiefreie Intervall korrigierte Sensitivitätsanalyse zeigte post hoc einen Überlebensvorteil für die Bevacizumab-Gruppe (HR 0,82, p = 0,045) [37].

Das präferierte Regime – aufgrund der Überlegenheit gegenüber Carboplatin/Gemcitabin und fehlender Alopezie – ist aktuell aber Carboplatin/PLD. Diese Kombinationschemotherapien inkl. Bevacizumab wurden in der AGO-OVAR-2.21-Studie untersucht. Hierbei ist zu erwähnen, dass auch die Subgruppe der Patientinnen, die bereits in der Erstlinientherapie Bevacizumab erhalten hatten, profitierten [34]. PLD/Carboplatin plus Bevacizumab demonstrierte im Rahmen dieser Studie ein signifikant verlängertes medianes PFS (13,3 vs. 11,7 Monate; HR 0,8; 95%-KI 0,68 – 0,96 p = 0,0128) und erstmals auch medianes OS (31,8 vs. 27,8; HR 0,81, 95%-KI 0,67 – 0,98; p = 0,032) verglichen zu Carboplatin/Gemcitabin plus Bevacizumab [34].

Die MITO 16B-MANGO OV2 Phase-III-Studie [38] wurde bei ROC-Patientinnen durchgeführt, die bereits eine Therapie mit Bevacizumab in der Erstlinie erhalten hatten, zur Klärung der Frage, ob eine Bevacizumab-Re-Induktion mit einer Kombinationschemotherapie sinnvoll erscheint.

Erste Ergebnisse zeigen ein signifikant besseres medianes PFS (8,8 vs. 11,8 Monate, HR 0,51, p < 0,0001) im Bevacizumab-Arm. Die Gesamtüberlebensdaten sind noch unreif. Die Patientinnen, die unter Erhaltungstherapie mit Bevacizumab, und solche, die nach Ende der Therapie rezidivierten, profitierten beide von einer Bevacizumab-Re-Induktion.


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Poly-(Adenosindiphosphat-ribose-)Polymerase-(PARP-)Inhibitoren

Die PARP-Inhibitoren (PARPi) können aktuell im Rahmen zweier unterschiedliche klinischer Szenarien eingesetzt werden. Zum einen als Monotherapie in der höheren Therapielinie bei progredienter Erkrankung oder als Erhaltungstherapie nach Beendigung der Chemotherapie. Nach Ansprechen auf eine platinhaltige Therapie beim ROC ist der Goldstandard nach den aktuellen Empfehlungen der ESMO-ESGO die PARPi-Erhaltungstherapie (Olaparib, Niraparib und Rucaparib) unabhängig von BRCA- oder Homologe-Rekombinations-Defizienz-(HRD-)Status ([Abb. 1]) [5]. Der Einsatz von Antiangiogenesetherapeutika im Sinne einer kontinuierlichen Erhaltungstherapie, d. h. Initiierung der Erhaltung bereits während der Chemotherapie, stellt eine weitere Option bei Patientinnen dar, die eine platinhaltige Therapie beim ROC erhalten sollen, wenn sie diese nicht in der Erstlinientherapie erhalten haben.

PARP Inhibitoren sind vor allem wirksam gegen Zellen mit BRCA-1- oder -2-Defizienz.

Ungefähr 15,5% aller epithelialen Ovarialkarzinome haben eine Keimbahn BRCA-1- und 5,2% eine BRCA-2-Mutation [39]. Vorliegen einer homologen Rekombinationsdefizienz (HRD) wird in 50% der High-grade serösen Ovarialkarzinome vermutet [40]. Den Hauptreparaturmechanismus bei Doppelstrangbrüchen stellt die sogenannte homologe Rekombinationsreparatur dar. Dabei wird im Rahmen der Reparatur, durch Nutzung der homologen DNA als Grundlage, die originale Sequenz der DNA wiederhergestellt. Insbesondere die Gene BRCA1 und BRCA2 sowie weitere Gene spielen eine wesentliche Rolle in diesem Prozess. Bei Schädigung der BRCA-Gene ist dieser Reparaturmechanismus gestört und die Zelle greift auf weniger effektive und somit fehleranfälligere Reparaturwege, wie Einzelstrangreparatur oder nicht homologe Rekombination, zurück. Eine wichtige Rolle in diesem „alternativen“ Reparaturprozess, insbesondere bei der Basenexzisionsreparatur im Rahmen der Einzelstrangreparatur, spielt die Poly-(Adenosindiphosphat-ribose-)Polymerase 1 (PARP1). Diese Zusammenhänge führten zu der Erkenntnis, dass Störungen der DNA-Reparatur und insbesondere der homologen Rekombination zur Entstehung verschiedener Tumoren beitragen und therapeutische Optionen bergen [41], [42]. Die Bestimmung der HRD eines Tumors hat seit Zulassung von Olaparib in Kombination mit Bevacizumab nach Platinansprechen in der Erstlinientherapie einen festen Platz in der Diagnostik des Ovarialkarzinoms erhalten.

In der AGO-TR-1-Studie wurde ein BRCA-like-Profil sogar in 58,1% der Tumorproben ohne vorliegende somatische oder Keimbahnmutation in BRCA 1/2 gefunden [43]. Patientinnen mit BRCA-Mutationen sind meistens platinsensibel und zeigen ein längeres Gesamtüberleben [44], [45].

Trotzdem bleibt es unklar, welche BRCA-Wildtyp-Ovarialkarzinome am ehesten auf eine PARP-Inhibition ansprechen.

Olaparib

Der PARPi Olaparib wurde als erstes in Europa für die Erhaltungstherapie bei ROC-Patientinnen nach Partial- oder Komplettansprechen auf platinhaltige Chemotherapie bei vorliegender BRCA-1- und -2-Mutation zugelassen.

Die erste randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde, Phase-II-Studie, die sog. Studie 19 wurde bei Patientinnen mit platinsensiblem ROC zur Evaluierung der Erhaltungstherapie mit Olaparib durchgeführt [46]. Die Patientinnen mussten ein partielles oder Komplettansprechen auf die letzte platinhaltige Chemotherapie gezeigt haben. Es wurden Patienten mit und ohne BRCA-Mutation eingeschlossen. Dabei wurden Tumoren untersucht, die eine BRCA-Mutation in der Keimbahn und somatisch vorliegend hatten. Das mediane PFS war 3,6 Monate länger in der Olaparib-Gruppe als in der Placebogruppe (8,4 vs. 4,8 Monate; HR 0,35, 95%-KI 0,25 – 0,49; p < 0,001). Die Gesamtüberlebensergebnisse zeigten einen Vorteil für Olaparib, der jedoch nicht den prädefinierten Grenzwert der statistischen Signifikanz erreichte (medianes OS 29,8 vs. 27,8 Monate, HR 0,73, 95%-KI 0,55 – 0,96, p = 0,025). Jedoch war diese Phase-II-Studie nicht gepowert, einen signifikanten Unterschied im Gesamtüberleben zu identifizieren [46].

In der doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie AGO-OVAR 2.23 (SOLO2) wurden das erste Mal Olaparib-Tabletten (300 mg 2 × tgl.) statt -Kapseln verwendet. Patientinnen mit ROC, die ein partielles oder Komplettansprechen auf die letzte der mindestens 2 platinbasierten Chemotherapien gezeigt und bei denen eine somatische oder Keimbahn-BRCA-Mutation vorlag, wurden eingeschlossen. Das mediane PFS war signifikant länger im Olaparib-Arm als im Placeboarm (19,1 vs. 5,5 Monate, HR 0,30, 95%-KI 0,22 – 0,41; p < 0,0001) [47].

Patientinnen, die ein Ansprechen zeigen, verbleiben interessanterweise sehr lange unter Olaparib-Therapie [46], [47]. Dieses Phänomen besteht bei allen PARP-Inhibitoren und keine biologischen Prognosekriterien wurden bisher gefunden, die ein langfristiges Ansprechen erklären. Die finalen Daten der SOLO2-Studie wurden auf dem ASCO 2020 vorgestellt. Das Gesamtüberleben zeigte sich im Median 12,9 Monate verlängert unter Olaparib-Therapie. Diese Verbesserung war jedoch nicht signifikant. Dieses könnte bedingt durch einen Cross-over-Effekt sein, da 38% der Patientinnen im Placeboarm später eine PARPi-Therapie erhielten. Eine post hoc adjustierte Analyse auf die Patientinnen ohne Cross-over zeigte ein signifikant verlängertes OS [48].

Die Wirksamkeit der PARPi in der Monotherapie konnte ebenfalls zuerst für Olaparib gezeigt werden. Im Rahmen der Phase-II-Studie zeigten sich hohe Ansprechraten trotz intensiver Vortherapie bei Patientinnen mit einem Ovarialkarzinomrezidiv [49]. Diese Daten führten zu einer FDA Zulassung ab der 4. Linie.

Eine aktuelle Phase-III-Studie (SOLO3) untersucht ebenfalls die Aktivität von Olaparib als Monotherapie bei Patientinnen mit BRCA-Keimbahnmutation. Patientinnen mit platinsensiblen ROC, die mindestens 2 paltinhaltige Therapien erhalten haben, wurden gegenüber nicht platinhaltiger Chemotherapie (pegyliertes liposomales Doxorubicin, Paclitaxel, Gemcitabin oder Topotecan) verglichen. Die objektive Ansprechrate war der primäre Endpunkt und war signifikant höher in der Olaparib-Gruppe (72,2 vs. 51,4%; Odds Ratio 2,53 [95%-KI 1,40 – 4,58]; p = 0,002). Das mediane PFS betrug 13,4 vs. 9,2 Monate zugunsten des Olaparib-Arms (HR 0,62 [95%-KI 0,43 – 0,91]; p = 0,013) [50].


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Niraparib

Im Gegensatz zu den anderen PARP-Inhibitoren werden die Cytochrom-P450-Enzyme und P-Glykoprotein (P-gp) durch Niraparib nicht inhibiert, wodurch weniger Medikamenteninteraktionen zu erwarten sind. In Europa ist Niraparib bei Patientinnen mit ROC zugelassen, die ein partielles oder Komplettansprechen auf die letzte platinbasierte Therapie gezeigt haben – unabhängig vom BRCA- oder HRD-Status basierend auf der Phase-III-Studie AGO-OVAR 2.22 (NOVA) [51]. Patientinnen, die Niraparib 300 mg/d erhielten, hatten ein längeres progressionsfreies Überleben als Patientinnen im Kontrollarm – egal ob eine BRCA-Mutation vorlag oder nicht, wobei die Gruppe der BRCA-Mutierten ein längeres PFS aufwies (BRCA-mutiert 21,0 vs. 5,5 Monate, HR 0,27, 95%-KI 0,17 – 0,41; nicht mutiert 12,9 vs. 3,8 Monate, HR 0,38, 95%-KI 0,34 – 0,61; p < 0,001) [51].

Im nicht mutierten Patientinnenkollektiv wurde versucht, auf Basis des HRD-Status, ermittelt durch den Myriad myChoice HRD Test, eine potenzielle Subgruppe zu identifizieren, die von Niraparib profitiert. Es zeigte sich allerdings, dass sowohl Patientinnen mit positiven als auch negativem HRD-Test vom Einsatz von Niraparib profitierten. Ein Gesamtüberlebensvorteil konnte bisher nicht gezeigt werden.

Weiterführend wurde Niraparib als Monotherapie in der Phase-II-Studie QUADRA getestet. Die Studie untersucht die Wirksamkeit bei platinsensiblen Frauen mit BRCA-positiven oder HRD-positiven Tumoren. Patientinnen waren mehrfach vorbehandelt. Im Median hatten die Patientinnen bereits 4 vorherige Therapien erhalten. 27,7% der Patientinnen (13 von 47) erreichten eine Tumorantwort nach RECIST (95%-KI: 15,6–42,6; p = 0,00053) [52]. Aufgrund dieser guten Ansprechraten erfolgte die Zulassung nach FDA im Oktober 2019 bei Patientinnen ab der 4. Linie, bei denen eine HRD vorliegt. Dieses wird definiert nach vorliegender BRCA-Mutation oder vorliegender genomischer Instabilität und Krankheitsprogress > 6 Monate nach letzter platinbasierter Therapie. Um die homologe Rekombinationsdefizienz festzustellen, wurde auch hier der Myriad myChoice HRD Test angewendet.


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Rucaparib

Rucaparib ist ein weiterer PARPi, der aktuell in 2 Indikationen in Europa zugelassen ist. Zum einen als Monotherapie bei BRCA-mutierten Patientinnen, die 2 oder mehr Therapielinien erhalten haben und keine weitere platinhaltige Therapie tolerieren können. Zum anderen besteht die Indikation in der Erhaltungstherapie nach Platinansprechen unabhängig vom BRCA- oder HRD-Status.

In der ARIEL2-Studie wurde Rucaparib als Monotherapie evaluiert. Es wurde eine Overall Response Rate von 54% erreicht und eine mediane Ansprechrate von 9,2 Monaten. Patientinnen wurden in 3 Gruppen eingeteilt: BRCA-positiv (Keimbahn oder somatisch), BRCA-Wildtyp mit High Loss of Heterozygosity (LOH) und BRCA-Wildtyp mit niedrigem LOH. Das mediane progressionsfreie Überleben war 12,8 Monate für die BRCA-mutierten Patientinnen, 5,7 und 5,2 Monate für die LOH-high- und LOH-low-Gruppen [53]. Eine gepoolte Analyse der Studie ARIEL2 und der sog. Studie 10 zeigte hohe Ansprechraten, insbesondere bei Patientinnen mit BRCA-Mutation und Spätrezidiv, und führte daher zur Zulassung von Rucaparib als Monotherapie ab der 3. Linie bei BRCA-mutierten o. g. Patientinnnen [54].

Die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte ARIEL3-Studie wurde bei Patientinnen mit platinsensitivem ROC durchgeführt, die bereits 2 platinhaltige Chemotherapie erhalten haben und bei der letzten ein partielles oder Komplettansprechen gezeigt haben. Die Patientinnen erhielten Rucaparib 600 mg 2 × tgl. vs. Placebo stratifiziert nach HRD-Status. Es wurden 3 Kohorten gebildet: eine BRCA-positive (Keimbahn und somatisch), eine HRD-positive Gruppe und eine Intention-to-treat-Gruppe (alle Patientinnen).

Das PFS bei Patientinnen mit BRCA-Mutation, die Rucaparib erhielten, betrug 16,6 Monate (95%-KI 13,4 – 22,9) vs. 6,4 Monate (95%-KI 3,4 – 6,7) in der Placebogruppe (HR 0,23, 95%-KI 0,16 – 0,34; p < 0,0001). Bei Patientinnen mit HRD-Positivität betrug das mediane PFS13,6 vs. 5,4 Monate (HR 0,32, 95%-KI 0,24 – 0,42; p < 0,0001). Für die ITT-Population war das PFS 10,8 vs. 5,4 Monate (p < 0,0001) in der Rucaparib- und der Placebogruppe [55]. ARIEL3 bestätigte folglich die Wirksamkeit von Rucaparib unabhängig vom HRD- oder BRCA-Status.


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Ausblick PARP-Inhibition

Bisher liegen keine Daten vor, die untersuchen, ob eine erneute PARP-Inhibition sinnvoll erscheint, wenn bereits in der Erstlinie ein PARP-Inhibitor eingesetzt wurde.

Hierzu wird aktuell die AGO-OVAR-2.31-(OReO-)Studie durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine randomisiert-kontrollierte Phase-III-Studie, die eine Olaparib-Erhaltungstherapie vs. Placebo bei Patientinnen untersucht, welche bereits eine PARP-Inhibition als Erhaltungstherapie erhalten haben und ein partielles oder Komplettansprechen auf die aktuelle platinhaltige Chemotherapie zeigen.

Zudem werden weiterhin prädiktive Marker gesucht für ein Therapieansprechen, Gründe für PARP-Inhibitor-Resistenz und wie man die Wirksamkeit von PARP-Inhibitoren durch z. B. Kombination mit Angiogenesehemmern oder Immunotherapien verstärken könnte.


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Weitere Therapien beim Ovarialkarzinomrezidiv

Hormonelle Therapien

Hormonelle Therapien mit Tamoxifen, Aromataseinhibitoren (Letrozol und Anastrozol), Leuprolidacetat oder Megestrolacetat stellen eine Möglichkeit bei Patientinnen dar, die keine zytotoxische Chemotherapie mehr vertragen oder nicht darauf angesprochen haben [56], [57], [58], [59], [60], [61].


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MEK-Inhibitor (Trametinib) bei Low-grade serösem Ovarialkarzinomrezidiv

Der MEK-Inhibitor Trametinib ist ein hochselektiver Inhibitor der MEK-Kinase 1 und 2. MEK-Proteine sind am extrazellulären ERK-Signalweg beteiligt. Bei Melanomen z. B. ist dieser Signalweg oft durch mutierte Formen von BRAF aktiviert.

Trametinib wurde beim Low-grade serösen Ovarialkarzinomrezidiv untersucht. Auf dem ESMO 2019 präsentierte Gershenson et al. Daten einer Phase-II/III-Studie von 260 Patienten, die entweder Trametinib oder Letrozol/Tamoxifen erhalten haben. Das mediane progressionsfreie Überleben war signifikant verlängert in der Trametinib-Gruppe (median 13,0 vs. 7,2 Monate; HR 0,48; 95%-KI 2,39 – 12,21; p < 0,0001). Auch das Gesamtüberleben war verbessert mit Trametinib (37 Monate; 95%-KI 30,3–NR) verglichen mit dem Kontrollarm (29,2 Monate; KI: 23,5 – 51,6) [62]. Allerdings ist hierbei zu erwähnen, dass Letrozol und Tamoxifen zwar eine Wirksamkeit gezeigt haben, aber keine Standardtherapeutika bei Low-grade serösem Ovarialkarzinomrezidiv sind [63].


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Immunotherapie

Die Immunotherapie zeigte zuletzt für die Primärsituation keinen Vorteil hinsichtlich PFS und OS für die Patientinnen, wenn man die Daten der Phase-III-IMagynp050/GOG 3015/ENGOT-OV39-Studie betrachtet, die auf dem ESMO 2020 vorgestellt wurden [64].

In der Rezidivsituation ist die Rolle der Immunotherapie noch nicht abschließend geklärt.

Durch die tumoragnostische Zulassung der FDA bei soliden Tumoren mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) oder Mismatch-Repair-Defizienz (dMMR), die auf vorherige Therapie progredient waren und für die keine weiteren Therapieoptionen zur Verfügung stehen, ist Pembrolizumab, ein PD1-Antikörper, auch beim ROC eine mögliche Alternative [65].

Pembrolizumab wurde bei 149 Patienten mit 15 verschiedenen Krebsarten mit MSI-H oder dMMR soliden Tumoren untersucht. 39,6% der Patienten zeigten ein komplettes oder partielles Ansprechen. Die Länge des Therapieansprechens war 6 Monate oder mehr bei 78% der Patienten [66].

Patientinnen mit ROC waren in den 5 KEYNOTE-Studien nicht eingeschlossen.

Ob die Zulassung von der FDA verlängert wird, hängt von den Ergebnissen weiterer Studien ab.

In der Phase-III-JAVELIN-200-Studie wurde Avelumab bei ROC untersucht (n = 566). Patienten erhielten entweder Avelumab-Monotherapie oder in Kombination mit PLD vs. PLD allein bei Patienten mit PR-ROC. Die Avelumab-Monotherapie zeigte kein verbessertes progressionsfreies Überleben oder Gesamtüberleben und nur geringe objektive Ansprechraten (3,7% für Avelumab-Monotherapie, 13,3% für Avelumab + PLD und 4,2% für PLD). Die Studie verfehlte somit ihre primären Endpunkte.

Retrospektiv wurden die PDL1-positiven Patienten ausgewertet, die einen Trend zu einem längeren krankheitsfreien und Gesamtüberleben zeigten.

Hier werden weitere Studien benötigt, um die Stellenwert der Immunotherapie beim PR-ROC festzulegen [67], [68]. Zahlreiche Studien, wie z. B. die AGO 2.29, die Atezolizumab in Kombination mit Bevacizumab und Chemotherapie vs. Bevacizumab und Chemotherapie in rezidivierendem Ovarialkarzinom untersucht, laufen aktuell und untersuchen den Nutzen und Sicherheit der Immunotherapie beim Ovarialkarzinom in verschiedenen Therapielinien.


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Schlussfolgerung

Zusammenfassend hat sich die Therapie des epithelialen Ovarialkarzinomrezidivs in den letzten Jahren signifikant verändert. Die Operation beim Rezidiv ist der neue Standard bei Patientinnen mit positivem AGO-Score, da sich ein deutlicher Überlebensvorteil zeigte. Durch die Hinzunahme von Anti-VEGF- und PARPi-Therapien konnten die progressionsfreien Überlebensraten verlängert werden. Bisher gibt es keine Studien, die diese neuen Therapien untereinander vergleichen oder die Sequenz für diese festlegen. Hierzu werden randomisiert-kontrollierte Studien benötigt. Aktuell gilt die PARP-Inhibition als Goldstandard unabhängig von BRCA- oder HRD-Status nach Therapieansprechen auf eine platinhaltige Chemotherapie.

Ein Ausblick auf zukünftige Therapieoptionen – auch beim platinresistenten ROC – bergen die Immunotherapie ggf. in Kombination von PARPi und Antiangiogenese, um sowohl auf die Tumorzellen als auch das Tumorstroma zu zielen. Die Therapie des Ovarialkarzinoms wird sich so weiter individualisiert auf die Tumorbiologie („tumoragnostischer Ansatz“) richten, mit dem Ziel, Fortschritte hinsichtlich des Gesamtüberlebens für die Patientinnen zu erreichen.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

Carlota Claussen states that she has received speakerʼs fees from Roche and compensation for travel expenses from Astra Zeneca and Pfizer which were not connected to this published review. Lars Hanker states that he has received fees from Astra Zeneca, GSK/Tesaro, Clovis, Roche, Pfizer, Pharma Mar which were not connected to this published review./
Carlota Claussen gibt an, Vortragshonoraria von Roche und Reisekostenerstattungen von Astra Zeneca und Pfizer außerhalb dieser Reviewarbeit erhalten zu haben. Lars Hanker gibt an, Honoraria von Astra Zeneca, GSK/Tesaro, Clovis, Roche, Pfizer, Pharma Mar außerhalb dieser Reviewarbeit erhalten zu haben.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. med. Carlota Claussen
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Germany   

Publication History

Received: 06 July 2020

Accepted after revision: 26 October 2020

Article published online:
03 December 2020

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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Treatment of ovarian cancer recurrence (therapy-free interval > 6 months). PARPi: PARP inhibitors.
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Abb. 1 Therapie des Ovarialkarzinomrezidivs (therapiefreies Intervall > 6 Monate). PARPi: PARP-Inhibitoren.