Aktuelle Dermatologie 2020; 46(10): 420-424
DOI: 10.1055/a-1131-1873
Übersicht

Impfen bei dermatologischen Patienten vor und unter immunmodulierenden Therapien – Erfahrungen aus einer ambulanten Spezialsprechstunde

Vaccination of Patients Before and During Immuno-Modulating Therapies – Findings from our Specialised Outpatient Clinic
S. Jahn
Praxis Dr. Herbst & Kollegen, Darmstadt
,
J. Föhr
Praxis Dr. Herbst & Kollegen, Darmstadt
,
M. Herbst
Praxis Dr. Herbst & Kollegen, Darmstadt
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Impfen heißt, durch Auslösen einer aktiven Immunität den entsprechenden (Infektions-)Krankheiten vorzubeugen. Dem kommt durch die immer zahlreicher verfügbaren immunmodulierenden Therapien für dermato-onkologische, Autoimmun- und allergische Erkrankungen eine zunehmende Bedeutung zu. Wir möchten darstellen, vor welche Herausforderungen wir uns beim Aufbau eines Impfmanagements für die derzeit über 80 Patientinnen und Patienten unserer Spezialsprechstunde „Immundermatologie“ gestellt sehen.


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Abstract

Vaccination aims to trigger an active immune response of mainly infectious diseases. This is of growing importance as more and more immuno-modulation treatments become available to dermatologists to treat patients with dermato-oncological and autoimmune diseases and allergies. In this review, we would like to demonstrate the challenges we are facing when developing a process of vaccination management for currently 80 patients in our specialised outpatient clinic.


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Abkürzungen

EULAR: European League Against Rheumatism
IL: Interleukin
STIKO: Ständige Impfkommission
TNF: Tumor Nekrose Faktor

Haben Patientinnen und Patienten mit immundermatologischen Erkrankungen häufiger Infektionserkrankungen und welche Rolle spielen hierbei immunmodulierende Therapien?

Vorweg sei gesagt: wir werden an dieser Stelle keinen Beitrag leisten zur derzeitigen Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Impfens. Das Autoren-Team fühlt sich in Sachen Impfstatus seinen Patientinnen und Patienten (im Weiteren nutzen wir geschlechtsneutral das Wort Patienten) und seinen Mitarbeiterinnen gegenüber verantwortlich. Die Autoren stehen aber auch im harten Praxis-Alltag und führen viele Diskussionen zum Thema Impfen mit Mitarbeiterinnen und Patienten (und selbstverständlich auch untereinander). Es gibt zahlreiche Fragen und nicht immer ist alles so klar, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Der Aufbau eines aktiven Impfschutzes hilft, die Entstehung von (zumeist Infektions-)Krankheiten zu verhindern, die im Falle eines Ausbruchs nur schwer, wenn überhaupt, medikamentös zu behandeln sind. Uns sind keine validen, systematischen Analysen bekannt, die Auskunft darüber geben könnten, ob Patienten mit chronischen Dermatosen häufiger an Infektionen erkranken, die durch Impfungen verhindert werden könnten. Möglicherweise kann ein Blick über den Tellerrand zu rheumatologischen Erkrankungen helfen. In einer Literaturrecherche als Beitrag zur Aktualisierung der EULAR-Impfempfehlungen kommen Furer et al. [1] zu folgenden Ergebnissen: Die Inzidenz von Influenza-Virus- und Pneumokokken-Infektionen ist bei Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen (Myositis, SLE, Rheumatoide Arthritis) signifikant erhöht. Hepatitis-Virus-Infektionen hingegen traten im Vergleich mit der Normal-Population nicht häufiger auf. Die Immunpathogenese-Mechanismen zwischen Psoriasis und Psoriasis Arthritis und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sind durchaus vergleichbar [2]. Daher kann indirekt abgeleitet werden, dass auch Patienten mit chronisch entzündlichen Dermatosen gefährdet sind, an einer Infektion zu erkranken, die mit einer Impfung zu verhindern wäre.


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Wogegen impfen?

Wir fassen uns an dieser Stelle kurz und verweisen auf diesbezügliche Empfehlungen der STIKO (2019/2020; in: [3]) bzw. daraus abgeleiteten Anwendungshinweisen für die Impfung bei Autoimmunkrankheiten [4]. Es werden zahlreiche gute Unterlagen wie Impfkalender, Impflücken-Analysen etc. durch Pharmaunternehmen (wir nutzen Material von GSK, Leo, Sanofi-Genzyme) angeboten. In Bezug auf Patienten mit einer immunmodulierenden Therapie (Biologicals) ist hervorzuheben, dass der Einsatz von Lebend-Impfstoffen (siehe [Tab. 1]) kontraindiziert ist, da hier die Gefahr schwerer bis tödlicher Komplikationen durch attenuierte Impfviren besteht. Interessanterweise gilt dies für jedwede Biologicals, unabhängig davon, ob TH1- (TNF, IL-17, IL-12/-23) oder TH2-Pathomechanismen (IL-4/-13) das therapeutische Target sind.

Tab. 1

Lebendimpfstoffe und Totimpfstoffe.

Lebendimpfstoffe

Totimpfstoffe/Toxoide

Vermehrungsfähige, abgeschwächte (attenuierte) Erreger, geringe Antigen-Menge, hoch immunogen, kurzes Impfschema, keine Auffrischung

  • Masern, Mumps, Röteln

  • Varizellen

  • Rotavirus

  • Gelbfieber

  • Herpes Zoster

  • Influenza (nasal)

  • Typhus (oral)

  • Dengue

Inaktivierte, nicht mehr vermehrungsfähige Erreger, Erregerbestandteile oder entgiftete Toxine, höhere Antigenmenge, geringer immunogen, mehrere Impfungen, Auffrischung notwendig

  • Tetanus, Diphtherie, Polio

  • Pertussis

  • Hämophilus influenzae b

  • HPV

  • Pneumokokken

  • Meningokokken

  • Hepatitis A und B

  • FSME

  • Tollwut

  • Japanische Enzephalitis

  • Cholera (oral)

  • Typhus (parenteral)

  • Herpes Zoster

Hinsichtlich der Impfabstände (Abschluss der Impfung vor einer immunmodulierenden Therapie) kann ebenso auf die o. g. Anwendungshinweise [4] verwiesen werden, da die dort beschriebenen Biologicals und andere Immunsuppressiva auch in der Dermatologie Anwendung finden. Im Einzelfall (neu zugelassene Biologicals) ist die Fachinformation zu Rate zu ziehen. Wenn man diesbezüglich ins Detail geht, fällt rasch auf, dass unterschiedliche Impfungen bei unterschiedlichen Therapeutika unterschiedlich lange Intervalle vor Beginn der immunmodulierenden Therapie haben. Dies gilt es ebenso zu koordinieren wie die Tatsache, dass laut STIKO-Empfehlung manche Impfungen (Varizellen, Zoster) nicht simultan mit anderen gegeben werden sollen. Für Dermatologinnen und Dermatologen von besonderem Interesse ist möglicherweise die Zoster-Impfung, für die der Totimpfstoff Shingrix® entwickelt wurde. Einen Impfschutz gegen Zoster-Viren gewährleistet dieser Impfstoff aber nur, wenn die Patienten im Verlauf ihres Lebens an Windpocken erkrankt waren (anamnestische Angaben, serologischer Nachweis im Falle der Vorbereitung auf eine Immunmodulation). Im Falle von Seronegativität ist zunächst eine Varizellen-Impfung empfohlen. Die STIKO-Empfehlungen für die Zoster-Impfung bei Immunsupprimierten vor Therapie beziehen sich auf Personen im Alter > 50 Jahren. Für andere Personen sei eine Off-Label-Entscheidung zu treffen. Über deren Erstattungsfähigkeit ist mit der jeweiligen Krankenkasse Rücksprache zu nehmen. Durch die Impfung soll die T-Lymphozyten-vermittelte Immunabwehr gegen Varizella-Zoster-Viren (VZV) verstärkt werden. Damit soll verhindert werden, dass es zur Reaktivierung von VZV kommt, die sich in den sensiblen Nervenganglien latent abgesiedelt haben. Die Impfserie für den Totimpfstoff Shingrix besteht aus 2 Impfdosen i. m. im Abstand von mindestens 2 bis max. 6 Monaten. Die Datenlage zur Anwendung des Impfstoffes nach einer vorausgegangenen Herpes Zoster-Erkrankung ist eher dünn. Es sollte erst geimpft werden, wenn die Symptome komplett abgeklungen sind [3].


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Was macht die Impfung mit der Krankheit?

Es handelt sich um eine im Internet sehr intensiv diskutierte Frage. Man liest von Schüben bei Autoimmunerkrankungen, die durch Impfungen jedweder Art ausgelöst werden sollen. Diese Berichte basieren häufig auf Einzelbeobachtungen. Diskutiert werden Autoimmunphänomene, die infolge einer Impfung bei prädisponierten Patienten (sehr selten) beobachtet wurden [5]. Systematische Untersuchungen sind rar, zumal in der Dermatologie. In einer kleinen Studie wurde in Brasilien gezeigt [6], dass die Impfung gegen Gelbfieber (Lebendimpfstoff) keinen Einfluss auf den Verlauf der Psoriasis hatte. Auch hier ein Blick zur Rheumatologie: Nach Auswertung aller diesbezüglich publizierten Studien kommen Rondaan et al. [7] und Goldacker et al. [8] zu dem Ergebnis, dass keiner der Impfstoffe in keiner der rheumatologischen Entitäten zu einer Exazerbation des Krankheitsverlaufes führte. Die Autoren verweisen darauf, dass nicht für jede Konstellation (Impfstoff, rheumatologische Erkrankung) Daten ausreichender Qualität vorliegen. Ebenso liegen keine Daten vor zum Effekt der Impfung von Mitgliedern im Haushalt von Autoimmunpatienten auf die Inzidenz von entsprechenden Infektionskrankheiten. Dies ist ebenso wenig der Fall für den Effekt der Impfung von Praxismitarbeitern. Die STIKO empfiehlt die Impfung von Kontaktpersonen in Haushalt und Arztpraxis (medizinisches Personal). Letzteres umzusetzen (viele unserer Patienten unter Immunmodulationstherapie werden interdisziplinär betreut) stellt ebenso eine Herausforderung dar.

Eine umfangreiche Literaturrecherche [8] zeigte, dass relevante klinische Daten zum Einfluss des Impfens auf die Krankheitsaktivität überwiegend bei Patienten mit mittelschweren Krankheitsverläufen erhoben wurden. Daraus ziehen die Autoren den Schluss, Impfungen bei Autoimmunpatienten möglichst nicht in hochaktiven Krankheitsphasen vorzunehmen. Biologicals werden gemäß Zulassung bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis oder Neurodermitis eingesetzt. Es sollte diskutiert werden, ob man also zunächst die Therapie startet und nach Ansprechen, also in einem weniger aktiven Krankheitsstadium, die ggf. benötigten Impfungen vornimmt, wenn notwendig. Dies gilt freilich nur für Totimpfstoffe, Lebendimpfstoffe sind bekanntlich kontraindiziert.


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Wie beeinflusst die Krankheit den Impferfolg? Wie messen wir diesen eigentlich?

Der Impferfolg ist das Nicht-Auftreten der impfpräventablen Infektionserkrankung. Dies zu messen, verlangt große klinische (Langzeit-)Studien, die es für die relativ kleinen Kollektive der Autoimmunpatienten nicht gibt. Für die meisten Impfungen stellen serologische Titer-Bestimmungen keine sinnvollen Surrogatparameter dar, weil die in klinischen Laboratorien angewandten Testmethoden über keine ausreichende Sensitivität und Spezifität verfügen. Es besteht keine Korrelation zwischen dem Nachweis von Antikörpern und klinischem Impfschutz. Hinzu kommt, dass Antikörper nur die eine Seite des Impfschutzes darstellen, die zellvermittelte Immunabwehr wird hier nicht dokumentiert. Grundsätzlich gilt, dass routinemäßige Antikörperbestimmungen vor und nach Standard-Impfungen nicht indiziert sind [3]. Ausnahmen sind die Überprüfung des Impferfolges (im Sinne des Auftretens von Antikörpern) bei immunsupprimierten Patienten. Dies würde bedeuten, dass nach einer Impfung (mit Totimpfstoff) von Patienten unter immunmodulierender (anti-TNF-, anti-IL-17, anti-IL-23, anti-IL-4, anti-IgE-) Therapie eine serologische Prüfung auf Antikörper ratsam wäre.

Über die Immunpathogenese der „großen“ Dermatosen (Psoriasis, Atopische Dermatitis, Urtikaria) gibt es umfangreiche Fachliteratur. Es gibt unseres Wissens keinen systematischen Nachweis, dass die Immundysregulation bei diesen Patientinnen und Patienten Einfluss auf den zu erwartenden Impferfolg haben sollte.


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Beeinträchtigt die Impfung den Erfolg einer immunmodulierenden Therapie?

Die Frage ist, nach unserem Kenntnisstand, nicht systematisch untersucht. Die immunstimulierende Wirkung von Impfstoffen (v. a. Tuberkulose-Impfstoff BCG) wurde immer wieder zur unspezifischen Immunstimulation z. B. bei Tumorpatienten genutzt. Ob jedoch eine im Therapieverlauf gegebene Impfung den Effekt von TNF-, IL-12/-23- oder IL-17-Blockade beeinträchtigt, z. B. durch eine verstärkte Produktion solcher Zytokine, ist unseres Wissens nach nicht bekannt und immunologisch wenig wahrscheinlich. Hinsichtlich der immunmodulierenden Behandlung allergischer/atopischer Erkrankungen mit Biologicals (Neurodermitis – Dupilumab anti IL-4/-13 R, Urtikaria – Omalizumab anti-IgE) liegen keine systematisch erhobenen Daten vor. Eine Verstärkung der allergischen Immunlage durch eine, selten auftretende, Sensibilisierung des Organismus gegen den Impfstoff oder Präparate-Bestandteile im Sinne von lokalen oder systemischen Impfreaktionen, scheint theoretisch möglich, wurde aber unseres Wissens nicht beschrieben.


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Beeinträchtigt die Therapie den Impferfolg?

Basierend auf einer Literaturrecherche zu rheumatologischen Erkrankungen und Psoriasis [7] [8] werden folgende Schlussfolgerungen für die einzelnen Systemtherapien gezogen:

  • Glukokortikoide: exemplarisch wurden Studien an COPD-Patienten ausgewertet, die keinen Einfluss einer Therapie mit 10–30 mg Prednisolonäquivalent pro Tag auf Pneumokokken und Influenza-Impfungen ergaben. Die STIKO-Empfehlungen erlauben Impfungen mit Lebendimpfstoffen bei Patienten mit einer Steroid-Tagesdosis von 10–20 mg.

  • Antimalariamittel: aus sehr kleinen Studien ergibt sich, dass wohl keine eingeschränkte Impfantwort bei diesen Therapeutika zu erwarten ist.

  • Azathioprin: möglicherweise ist die Impfantwort auf Influenza leicht eingeschränkt.

  • Cyclosporin A: es liegen keine Daten zu rheumatologischen oder dermatologischen Patienten vor. Bei Cyclosporin-behandelten Transplantierten ist die Impfantwort gegen Influenza eingeschränkt.

  • Methotrexat: gegen Pneumokokken wurde eine eingeschränkte Impfantwort festgestellt, gegen Influenza und Hepatitis B gab es normale Impfantworten.

  • TNF-Blocker: es wurde eine normale Impfantwort gegen Pneumokokken und Influenza beobachtet, eine leicht eingeschränkte Antikörper-Antwort auf Influenza.

  • anti-IL-17 oder anti-IL-17R: keine Daten zu Impfstudien publiziert, Impfempfehlung lt. Fachinformation der 3 für die Psoriasistherapie zugelassenen Präparate.

  • anti-IL-12/-23: keine Daten zu Impfstudien publiziert, Impfempfehlung lt. Fachinformation der 3 für die Psoriasistherapie zugelassenen Präparate.

  • anti-IL-4/-13 (Dupilumab): in entsprechenden Studien wurde der Impferfolg gegen Tetanus Toxoid und Meningokokken analysiert. Es wurde bei behandelten Patienten im Vergleich zur Placebo-Gruppe keine Beeinträchtigung festgestellt [9] (Fachinformation Dupixent® Sanofi, Oktober 2019).


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Ein paar Gedanken zu aktuellen Impf-Aufrufen

Die Diskussion um das Impfen wird mit großer Leidenschaft und manchem politischen Inhalt geführt, nicht zuletzt bei den Beteiligten im Gesundheitswesen und hier im Bereich Dermatologie selbst. Um dies an dieser Stelle nicht zu personalisieren, vermeiden wir es, die inzwischen zahlreichen Statements oder Editorials namentlich zu zitieren. Aber sind Aussagen, wie „Jetzt dürfen auch wir Dermatologen uns nicht mehr drücken…“ wirklich zielführend? Genauso könnte ja gefragt werden, warum sich ⅔ der dermatologischen Praxen und sicherlich etliche Kliniken vor dem Einsatz der hoch wirksamen Biologicals „drücken“, selbst dort, wo der Einsatz dringend geboten wäre [siehe auch www.PsoBest.de]. Es wäre vielleicht auch die Frage angebracht, warum sich dermatologische Praxen und sogar Kliniken vor der Systemtherapie als solcher „drücken“ oder bestimmte Entitäten (Onkologie, Psoriasis Arthritis) nicht selbst therapieren, sondern überweisen. Dies halten wir völlig wertungsfrei für eine Entscheidung, die eine Praxis auf der Basis medizinischer wie betriebswirtschaftlicher Aspekte selbst mit hoher Verantwortung zu treffen hat. Auch wir haben diskutiert (und diskutieren weiter), ob und wie wir die derzeit 80 Patienten in unserer Spezialsprechstunde (mehr als 80 % in Behandlung mit Systemtherapeutika) impfen. Ein paar Details, die vielleicht nicht repräsentativ sind (oder doch?) für unser gesamtes dermatologisches Patientengut. Seit 6 Monaten erheben wir bei allen Patienten in der „Spezialsprechstunde Immundermatologie“ den Impfstatus. Es sei betont, wir nehmen uns die Zeit dafür, denn mit diesem Ziel haben wir die Sprechstunde eingerichtet. Die „Taktung“ beträgt hier 20 min pro Patient, bei besonders komplexen Fällen und Studienpatienten 30 min. Die Sprechstunde wird 1-mal pro Woche über 4 (demnächst 8) Stunden durchgeführt von einer Weiterbildungsassistentin, einem Facharzt, 2 MFAs (bei regelmäßiger Konsultation des Praxis-Chefs). Unsere genauen Analysen haben ergeben, dass wir für Diagnosestellung, Dokumentation, Aufklärung der Patienten, Kontakte mit anderen Fachgruppen (Rheumatologie, Pulmologie, Labormedizin), Nebenwirkungsmeldungen etc. durchschnittlich etwa 4 Stunden pro Quartal (2 Ärzte, 2 MFAs) benötigen, bei Kassenpatientinnen und -patienten honoriert oft genug mit der Grundpauschale. Die ärztliche Impfleistung gem. STIKO [3] besteht aus:

  • Informationen über den Nutzen der Impfung und über die zu verhütende Krankheit,

  • Hinweise auf mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Komplikationen,

  • Erheben der Anamnese und der Impfanamnese einschließlich der Befragung über das Vorliegen möglicher Kontraindikationen

  • Feststellen der aktuellen Befindlichkeit zum Ausschluss akuter Erkrankungen,

  • Empfehlungen über Verhaltensmaßnahmen im Anschluss an die Impfung,

  • Aufklärung über Beginn und Dauer der Schutzwirkung,

  • Hinweise zu Auffrisch-Impfungen,

  • Dokumentation der Impfung im Impfausweis bzw. Ausstellung einer Impfbescheinigung.

Im Praxisalltag bedeutet dies: zahlreiche Patientenfragen; die wiederholte Bitte, den Impfausweis zu suchen und mitzubringen; die Durchsicht desselben (wenn er denn mitgebracht wird) und korrekte Dokumentation. Unsere Erfahrungen zeigen, dass mehr als 25 % (20 Patienten) keinen Impfausweis vorlegen können (Verlust, verlegt, nie einen gehabt, in einem anderen Gesundheitswesen aufgewachsen …). Diese 20 Patienten sind nunmehr (STIKO) als „nicht geimpft“ zu definieren. Bei weiteren 20 Patientinnen und Patienten ergab die Analyse Impflücken bei 2–5 Indikationen. Zusammengefasst sprechen wir also von ca. 250 Impfungen, die unserem Patientenkollektiv vor dem Beginn (Lebendimpfstoffe) oder bis kurz nach Beginn (Totimpfstoffe) zu verabreichen sind, inklusive Rezeptierung, Durchführung der Injektion, kurze Nachbeobachtung, Dokumentation und Aufklärung über ggf. Wiederholungs-Impfung nebst Terminsetzung dafür. Die Kassenpraxis erhält pro Impfung 7,18 € – 10,25 € (Stand 04/2019). Damit sind alle o. g. Tätigkeiten abgegolten. Für Reise-medizinische Impfberatung können andere Honorare eingenommen werden. Ob dies alles den betriebswirtschaftlichen Erlös für die Betreuung unserer Patienten mit immundermatologischen Erkrankungen unter immunmodulierenden Therapien „verbessert“, sei bezweifelt. Die Honorierung für diese (in vielen Praxen wachsende) Patientengruppe muss dringend verbessert werden. Dies ist jedoch an anderer Stelle zu diskutieren.

Wir hören in Vorträgen häufig, dass Impf-Tätigkeiten ja größtenteils „delegiert“ werden können. Es sei kurz bemerkt, dass Impfaufklärung, Abklärung von Kontraindikationen, Anamnese und Feststellung der Impffähigkeit sowie die Unterschrift im Impfpass nicht delegierbar sind. Ebenso ist die ärztliche Anwesenheit in der Praxis, während geimpft wird, unabdingbar. Das Thema „Delegieren“ klingt außerdem ein wenig so, als ob wir Personal hätten, dass nicht ausgelastet ist und daher bereit, sofort eine durchaus komplexe Tätigkeit (Impfen ist die meist intramuskuläre Injektion von Fremdprotein mit seltenen, aber potenziell möglichen Nebenwirkungen; siehe auch [Tab. 2]) zu übernehmen. Dies ist in unserer Praxis nicht der Fall. Es muss also überlegt werden, zu Lasten welcher wegfallenden Tätigkeiten das Impfen erfolgen soll. Es ist daher irrelevant, ob delegiert wird oder nicht. Es geht um Zeit, die zu erwirtschaften ist. Das ist, mit Verlaub, eine recht einfache betriebswirtschaftliche Rechnung.

Tab. 2

Praxis-Tipps Impfen (Quelle: Rund ums Impfen, Modul 1; GSK 2018, ergänzt).

  • Eine aktive Immunisierung (Impfung) ist das Auslösen einer Antigen- (Impfstoff-)spezifischen Immunreaktion durch Antikörper und/oder spezifische T-Lymphozyten. Die passive Immunisierung erfolgt durch Gabe von Antikörpern (Immunglobulinen).

  • Lebendimpfstoffe vor einer immunmodulierenden oder immunsuppressiven Therapie geben. Totimpfstoffe können auch unter der Therapie verabreicht werden.

  • Beim Vorbereiten des Impfstoffes selbigen auf Körpertemperatur bringen, nach Desinfektion abwarten, bis Desinfektionsmittel abtrocknet, ausreichend lange Kanüle für i. m. Injektion wählen.

  • Aspiration ist „out“, da an den für die Injektionen genutzten Körperstellen keine großen Gefäße existieren, es keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse darüber gibt, dass Aspiration eine zufällige Injektion in ein Blutgefäß wirklich verhindert und Aspiration unnötig Schmerz erzeugt.

  • Entsorgung in geeigneten Behälter (durchstichfest, feuchtigkeitsdicht, transportsicher) ohne Re-capping (Spritze nach Injektion lassen, wie sie ist). Es gelten möglicherweise besondere regionale Vorschriften.

  • Lagerung im Kühlschrank bei 2–8 ˚C (prüfen, wo im Kühlschrank dies der Fall ist!).

Wer also soll impfen? In (nicht repräsentativen) Gesprächen mit Dermatologen kristallisieren sich folgende Möglichkeiten heraus:

  • Impfstatus wird nicht erhoben,

  • Impfstatus wird erhoben, es erfolgt aber kein prozessuales Management der notwendigen Konsequenzen (hier sind wir gerade),

  • Impfstatus wird erfragt (oder nicht) und der Patient wird zum Hausarzt geschickt mit der Bitte um Gap-Impfen (zeitaufwendig, Patient ist ja schwer erkrankt, soll rasch ein Biological bekommen),

  • es wird selbst geimpft, das komplette Auffrischungs-Programm (eher bei der Minderheit der kontaktierten Kolleginnen und Kollegen). Vielleicht sollten wir Dermatologen uns v. a. um Impfungen gegen „unsere“ Indikationen kümmern, also die HZV-Impfung voranbringen. Vorausgesetzt, der Impfstoff ist verfügbar (siehe unten). Man dreht sich in dieser Frage schnell im Kreise.

Es sei auf einige weitere Aspekte hingewiesen. Wir halten uns für durchaus ordentlich ausgebildete Dermatologen, unterstützt von sehr gut ausgebildeten, motivierten MFAs. Aber wir sind keine „Impfärzte“. Das Knowhow muss also vorgehalten und ständig aktualisiert werden. Zumindest muss eine/r das STIKO-Bulletin lesen oder andere Quellen, wie www.forum-impfen.de oder www.impfakademie.de (GSK-gefördert) oder www.stiko.de verfolgen. Wir nutzen u. a. auch hausinterne Fortbildungen, die vom Unternehmen GSK angeboten werden und entsprechende Kurse, wie jüngst auf dem Kongress „Dermatologie kompakt und praxisnah 2020“. Für die Kolleginnen MFA gibt es zahlreiche Möglichkeiten einer Fortbildung zur qualifizierten Impfassistentin, z. B. online über www.besser-impfen.de. Über ImpfDocNE werden Möglichkeiten eines EDV-gestützten Impfmanagements angeboten (unterstützt von der Gesellschaft zur Förderung der Impfmedizin, GZIM mbH). Das kommende Masernschutzgesetz wird ab 1. März als eine wichtige Änderung mit sich bringen, dass alle Ärzte impfen dürfen. Im Ärzteblatt, Jg. 117, Heft 4 vom 24. Januar ist zu lesen: „Eines der Ziele ist, jeden Arztkontakt zur Überprüfung und ggf. Verbesserung des Impfstatus zu nutzen“. Und weiter: „Daher wird auch die Auseinandersetzung mit neuen Methoden und Forschungsergebnissen in diesem Feld immer wichtiger“. Dies alles kostet aber Zeit und geht möglicherweise zu Lasten anderer Spezialisierungen (Anwendung von Biologicals; Immunonkologie; Lasertherapie; …). Nicht zuletzt sei erwähnt, dass es Lieferschwierigkeiten für Impfstoffe gibt (der Zoster-Impfstoff war ein halbes Jahr in der Apotheke nicht vorhanden, etliche Grippe-Impfstoffe waren periodisch nicht verfügbar). Und obwohl wir sehr gut mit den umliegenden Apotheken zusammenarbeiten, kosten Nachfragen (häufig durch die MFAs) ebenfalls viel Zeit. Unser letzter Patient, den wir mit Shingrix impfen wollten, hat es auf der Apotheken-Warteliste immerhin auf Position 77 geschafft. Auch die Auswahl des Impfstoffes kann eine gewisse Herausforderung darstellen. Für die Saison 2019/2020 hatte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) 3 Spaltimpfstoffe, 2 Untereinheiten-Impfstoffe, 1 adjuvantierten Impfstoff, 1 attenuierten Lebendimpfstoff sowie 1 Zellkultur-basierten Impfstoff zugelassen, jeder mit gewissen Spezifika und unterschiedlich verfügbar.

Wir möchten nicht den Eindruck erwecken, uns hinter betriebswirtschaftlichen Aspekten zu verstecken und uns damit vor dem Impfen unserer Patienten „zu drücken“. Wir werden die entsprechenden Prozesse für die genannte Gruppe der Chroniker vor und unter Behandlung mit Biologicals (und anderen Systemtherapien) im 1. und 2. Quartal etablieren (mehr als nur gute Vorsätze zum Jahresbeginn). Wir werden dabei intensiv die Diskussion mit anderen dermatologischen Praxen suchen und auch mal über den Tellerrand (Allgemeinmediziner, Rheumatologen) schauen. Vielleicht nutzt die Leserschaft ja unsere Ausführungen, um mit uns und miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn heute haben wir es (noch) mit STIKO-Impf-„empfehlungen“ (gem. Infektionsschutzgesetz) zu tun. Es ist aber wohl nur noch eine Frage der Zeit, dass die Gewährleistung des Impfschutzes bei unseren Patienten mit immunmodulierenden Therapien essenzieller Bestandteil der Arzneimittelzulassung wird. Dann wird aus der Empfehlung eine Haftpflicht-relevante Forderung.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Furer V, Rondaan C, Heijstek M. et al. Incidence and prevalence of vaccine preventable infections in adult patients with autoimmune inflammatory rheumatic diseases (AIIRD): a systemic literature review informing the 2019 update of the EULAR recommendations for vaccination in adult patients with AIIRD. RMD Open 2019; 5: 001041 DOI: 10.1136/mdopen-2019-001041.
  • 2 Furue K, Ito T, Tsuji G. et al. Autoimunity and autoimune co-morbidities in psoriasis. Immunol 2018; 154: 21-27
  • 3 Ständige Impfkommission. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut 2019/2020. Epid Bull 2019; 34: 313-362
  • 4 Wagner N, Assmus F, Arendt G. et al. Impfen bei Immundefizienz. Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (IV) Impfen bei Autoimmunerkrankungen, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie. Bundesgesundheitsbl 2019; 62: 494-515
  • 5 Salemi S, DʼAmelio R. Could autoimmunity be induced by vaccination?. Int Rev Immunol 2010; 29: 247-269
  • 6 deBarros MH, Avelleira JCR, Mendes KAP. Impact of yellow fever vaccination on patients with psoriasis: preliminary results. An Bras Dermatol 2019; 94: 757-759
  • 7 Rondaan C, Furer V, Heijstek MW. et al. Efficacy, immunogenecity and safety of vaccination in adult patients with autoimmune inflammatory rheumatic diseases: a systematic literature review for the 2019 update of EULAR recommendations. RMD Open 2019; 5: e 001035 DOI: 10.1136/mdopen-2019-001035.
  • 8 Goldacker S, Gause AM, Warnatz K. et al. Impfung bei erwachsenen Patienten mit chronisch entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Z Rheumatol 2013; 72: 690-704
  • 9 Blauvelt A, Simpson EL, Tyring SK. et al. Dupilumab does not affect correlates of vaccine-induced immunity: A randomized, placebo-controlled trial in adults with moderate-to-severe atopic dermatitis. J Am Acad Dermatol 2019; 80: 158-167

Korrespondenzadresse

PD Dr. Sigbert Jahn
Hautärzte im Merckhaus Dr. Herbst & Kollegen
Rheinstraße. 7–9
64283 Darmstadt
Deutschland   

Publication History

Article published online:
17 June 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

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