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DOI: 10.1055/a-1135-3575
Sommer, Sonne, Hitzenotfall
Nicht selten lebensgefährlich- Physiologische Temperaturregulation
- Hitzenotfälle
- Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
- Literatur
Einige Sommer der letzten Jahre gehörten zu den heißesten seit Beginn der Temperaturaufzeichnung. Die Klimaveränderung hat nicht nur Auswirkungen auf Wetter, Flora und Fauna, sondern auch den Rettungsdienst: Die Zahl der Hitzenotfälle steigt [1].Viele Retter unterschätzen Sonnenstich, Hitzschlag und Co., dabei kann es zu teils lebensgefährlichen Komplikationen kommen.
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Physiologische Temperaturregulation
Ziel: konstante Temperatur Der Mensch ist ein homoiothermes (gleichwarmes) Lebewesen, d. h. er kann seine Körperkerntemperatur bei 37 °C konstant halten und so trotz unterschiedlicher Außentemperaturen aktiv sein [2]. Poikilotherme (wechselwarme) Tiere wie z. B. Eidechsen erfrieren dagegen bei Temperaturen < 3 °C – sie sind nicht in der Lage, ihre Körperkerntemperatur aktiv zu regulieren.
Die Fähigkeit zur Temperaturregulation ist für uns Menschen überlebenswichtig, denn bei einer Körperkerntemperatur < 35 °C laufen grundlegende Reaktionen des Stoffwechsels verlangsamt ab und bei > 41,5 °C zerfallen die beteiligten Enzyme [2].
Mechanismen der Thermoregulation Kontinuierlich messen Kalt- und Warmrezeptoren die Temperatur innerhalb des Körpers (Körperkern) und auf der Haut (Körperschale) und leiten ihre Werte über die Nervenbahnen an das thermoregulatorische Zentrum im Hypothalamus weiter. Stimmt nun der gemessene Wert nicht mit dem Sollwert überein, setzt der Körper die Wärmeregulation über folgende Mechanismen in Gang:
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Konvektion (Wärmeströmung): Die Konvektion beschreibt den Wärmetransport durch ein bewegtes Medium und findet sowohl innerhalb des Körpers durch den Blutfluss als auch außerhalb des Körpers durch bewegte Luft an der Hautoberfläche statt. Ihr kommt bei der Regulation der Temperatur die größte Bedeutung zu.
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Konduktion (Wärmeleitung): Die Konduktion bezeichnet den Wärmetransport durch ein ruhendes Medium, z. B. die Erwärmung eines Gegenstands durch die Haut.
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Radiation (Wärmestrahlung): Über elektromagnetische Strahlen gibt der Körper, ähnlich einem Heizkörper, Wärme nach außen ab.
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Evaporation (Verdunstung): Der Körper kann erhebliche Mengen von Wärme durch die Verdunstung von Schweiß abgeben [2].
Der Körper passt sich an Bei langfristig erhöhten Temperaturen finden im Körper Adaptationsprozesse statt, man spricht von einer thermischen Akklimatisation. Beispielsweise erhöht sich nicht nur die Menge des Schweißes, auch seine Salzkonzentration sinkt. Das hat eine schnellere Verdunstung des Schweißes ohne größere Salzverluste zur Folge, das Blutplasma wird leicht hyperton und der Mensch entwickelt ein größeres Durstgefühl [2].
Wenn die Thermoregulation gestört ist Ein Missverhältnis zwischen Wärmeaufnahme und Wärmeabgabe kombiniert mit Volumenmangel, Elektrolytverschiebungen und Störungen der Vasomotorik kann eine Reihe hitzeassoziierter Erkrankungen hervorrufen [3]. Drei davon sollen Fokus dieses Beitrags sein:
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Hitzeerschöpfung
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Hitzschlag
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Sonnenstich
Interessierte seien zu den Themen Hitzeohnmacht und Hitzekrämpfe auf die einschlägige Literatur verwiesen [4].
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Hitzenotfälle
Die gefühlte entspricht nicht der reellen Temperatur Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und die Wärmestrahlung der Atmosphäre sind als sog. thermischer Wirkungskomplex verantwortlich dafür, dass wir die reelle Temperatur als bis zu 15 °C höher oder niedriger empfinden.
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Bei < 10 °C Außentemperatur führt die durch Wind erhöhte Verdunstungsrate zum sog. Windchill-Effekt: Wir empfinden eine gemessene Temperatur von bspw. 0 °C bei einer Windgeschwindigkeit von 20 km/h wie eine Temperatur von − 5 °C bei Windstille [5].
-
Bei > 20 °C beeinflusst die relative Luftfeuchtigkeit, wie wir die Lufttemperatur empfinden, man spricht dabei vom sog. Hitzeindex. Er ist darauf zurückzuführen, dass eine hohe Luftfeuchtigkeit die Wärmeabgabe durch Verdunstung behindert und den Kreislauf stärker belastet als trockene Hitze [5].
Häufung der Hitzenotfälle bei erhöhter Wärmebelastung Die Gefahr der Hitzenotfälle steigt, wenn eine intensive Sonneneinstrahlung, hohe Luftfeuchtigkeit und geringe Windbewegung mit Außentemperaturen zusammenfallen, die
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über mehrere Tage um die 29 °C im Schatten betragen (starke Wärmebelastung) oder
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sogar für mehrere Tage auf ca. 35 °C steigen und auch nachts nur gering abkühlen (extreme Wärmebelastung) [6].
Dass sich diese Wärmebelastungen mit dem Klimawandel häufen und so für mehr gefährliche Hitzenotfälle und Hitzeopfer verantwortlich sind, zeigen deutlich die Zahlen der Todesopfer in heißen Sommern ([Infobox 1]).
Die deutliche Veränderung des Klimas lässt die Zahl der Todesfälle durch Hitzeschäden ansteigen. Im Jahrhundertsommer 2003 meldete ganz Europa eine enorme hitzebedingte Übersterblichkeit [7], [8]:
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Frankreich: 15 000 Hitzetote
-
Deutschland: 7000 Hitzetote
-
Spanien: > 2000 Hitzetote
-
Portugal: 1316 Hitzetote
-
Großbritannien: 907 Hitzetote
Insgesamt gehen Schätzungen für den Sommer 2003 von bis zu 70 000 Hitzeopfern in Europa aus [9].
Risikogruppen Eine Hitzeerschöpfung oder ein Hitzschlag kann prinzipiell jeden von uns treffen. Es gibt jedoch einige Menschen, die gefährdeter sind als andere und als Risikogruppen gelten ([Tab. 1], [Abb. 1]). Dazu gehören Personen, die auf Unterstützung und Hilfe anderer angewiesen sind und daher u. U. zu wenig Flüssigkeit zu sich nehmen. Zum anderen sind Menschen gefährdet, die ihren Körper mit Drogen, Alkohol und Medikamenten stimulieren und deren Fähigkeit zur Hitzeadaptation daher evtl. beeinträchtigt ist. In besonderem Maße gefährdet sind zudem chronisch Kranke mit neurologischen Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Problemen, Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten. Dies ist meist bedingt durch die Einnahme von Medikamenten (z. B. Diuretika bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Zur Risikogruppe zählen auch Menschen, die im Freien arbeiten (Dachdecker, Bauarbeiter, Straßenbauer), und Sportler, die sich ebenfalls überwiegend lange und unter Anstrengung im Freien aufhalten [6].
alte, alleinstehende und einsame Menschen |
Demenzkranke |
Säuglinge/Kleinkinder |
chronisch kranke Menschen |
Menschen mit Behinderung |
suchtkranke Menschen (v. a. Alkohol, Drogen und Medikamente) |
Berufsgruppen, die im Freien tätig sind |
Berufsgruppen, die mit Hitze arbeiten (z. B. Hochofen) |
Sportler |
Hitzeerschöpfung
Pathophysiologie Aufgrund übermäßigen Schwitzens, meist verbunden mit einer zu geringen Flüssigkeitszufuhr, kommt es zu einem erheblichen Verlust von Wasser und Elektrolyten (Dehydratation). Das zentrale Blutvolumen nimmt ab und verursacht u. a. eine zerebrale Minderperfusion, die mit einer Bewusstlosigkeit einhergehen kann. Gleichzeitig versucht der Körper, seine Temperatur mittels Konvektion zu regulieren, indem er die Blutgefäße erweitert (Vasodilatation).
Dies kann zu einem relativen Volumenmangel und in der Folge zu einem Volumenmangelschock führen [10].
Symptome Je nach Ausprägung zeigt sich eine Hitzeerschöpfung ([Tab. 2]) in
-
blasser, kaltschweißiger Haut,
-
Schwächegefühl, Abgeschlagenheit bis hin zur Bewusstlosigkeit,
-
Tachykardie, Hypotonie,
-
Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Schwindel, Übelkeit,
-
Durst, vermehrtem Schwitzen und
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Atemnot [12].
Form |
Ursache |
Symptome |
Folgen |
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Hitzeerschöpfung |
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Hitzschlag |
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Sonnenstich |
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Was ist zu tun? Die zu ergreifenden Maßnahmen richten sich nach dem Zustand des Patienten. In jedem Fall sollten Sie ihn in eine kühlere Umgebung bringen und seine Vitalzeichen nach dem ABCDE-Schema überprüfen und überwachen. Anschließend gilt:
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Ansprechbarer Patient:
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Bringen Sie den Patienten (je nach Toleranz) in die Schock- oder Flachlage.
-
Geben Sie ihm schluckweise Apfelschorle oder Elektrolytdrinks zu trinken. Cave: Lassen Sie ihn erst trinken, wenn sein Zustand ein Aufsitzen erlaubt. Trinken im Liegen birgt die Gefahr einer Aspiration!
-
Öffnen Sie die Kleidung und bieten Sie dem Patienten Kühlung durch einen (nicht zu) kalten Waschlappen auf der Stirn an.
-
Versorgen Sie ihn ggf. über eine Venenverweilkanüle mit kristalloiden Volumenersatzinfusionen.
-
-
Bewusstloser Patient:
-
Bringen Sie den Patienten in die stabile Seitenlage.
-
Geben Sie Sauerstoff je nach Bedarf über eine Sauerstoffbrille oder -maske (bei Versorgung mit Sauerstoffmaske mind. 6 l Sauerstoff, bei zu wenig Sauerstoff in der Maske besteht sonst die Gefahr der Hyperkapnie).
-
Versorgen Sie den Patienten über eine Venenverweilkanüle mit kristalloiden Volumenersatzinfusionen und ggf. benötigten Medikamenten.
-
Stellen Sie Intubations- und Reanimationsbereitschaft (übliches Vorgehen) her [12].
-
Die Gitarren jaulen, die Bässe wummern, Tausende drängen sich an einem brütend heißen Sommernachmittag an die Seebühne am Härtsfeldsee – die Band Frei.Wild gibt ihr Bestes. Aufgeregt kommen einige junge Leute auf Sie als diensthabenden Notfallsanitäter zu, in den Armen ein regloses, blasses, etwa 16-jähriges Mädchen, das in einen langen schwarzen Mantel gehüllt ist [12]. Eine erste Untersuchung der Patientin ergibt:
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nicht ansprechbar, reagiert auf Schmerzreiz
-
Atmung vorhanden, unauffällig
-
Atemfrequenz (AF): 22/min, Sauerstoffsättigung (SpO2): 96%
-
Herzfrequenz (HF): 120/min, Sinusrhythmus
-
Blutdruck (RR): 70/50 mmHg
-
Hauttemperatur normal, Hautfarbe blass
-
Schweißperlen auf der Stirn, durchgeschwitzte Kleidung
-
neurologischer Status: GCS (Glasgow Coma Score) = 8
-
Fremdanamnestisch (nach SAMPLER-Schema) ergeben sich keine aktuellen oder vorbestehenden Erkrankungen [12].
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Hitzschlag
Pathophysiologie Übersteigt die Körperkerntemperatur die 41,5 °C-Marke, versagen sämtliche Mechanismen, über die das thermoregulatorische Zentrum die Temperatur einstellt. Kutane Vasodilatation und Flüssigkeitsverluste (ebenfalls durch die Haut) führen zu einer Hypovolämie. Infolgedessen kommt es zu einer Hypotonie mit verminderter Perfusion der Nieren, es entwickelt sich eine Oligurie (Urinmenge < 500 ml pro Tag) und die Harnstoffkonzentration steigt. Weiter löst der Flüssigkeitsverlust eine sog. Eindickung des Blutes (Hämokonzentration) aus. Tachykardie, Hypovolämie, Hypotonie und die Zunahme der Viskosität des Blutes steigern den Sauerstoffverbrauch und die CO2-Produktion, die Atemfrequenz nimmt zu. Abhängig von Dauer und Ausmaß dieser enormen Hitzebelastung kommt es zu einer direkten Zellschädigung v. a. der Hepatozyten, vaskulären Endothelzellen und Neuronen. Die Konsequenzen dieser Zellschädigungen können eine systemische Entzündungsreaktion mit Ausschüttung von Zytokinen und einem damit verbundenen Multiorganversagen (MODS = multiple organ dysfunction syndrome) sein [4], [13], [14].
Klassischer Hitzschlag Man unterscheidet 2 Formen des Hitzschlags. Der klassische Hitzschlag beruht auf einer passiven Aufwärmung bei einer Hitzewelle mit schwülheißem Wetter. Vor allem ältere Menschen mit Vorerkrankungen sind anfällig für einen klassischen Hitzschlag, insb. wenn sie Medikamente wie Diuretika oder Anticholinergika einnehmen, die den Körper entwässern bzw. die Schweißbildung hemmen. Ein Saunagang oder die Einnahme von bspw. Amphetaminen oder LSD, die die endogene Wärmeproduktion antreiben, kann aber auch bei jüngeren Menschen zu einem klassischen Hitzschlag führen [4].
Überanstrengungshitzschlag Diese 2. Form des Hitzschlags kann auch bei Außentemperaturen von 10 °C auftreten und trifft eher junge und gesunde Menschen. Grund hierfür ist eine aktive Wärmeproduktion durch extreme Muskelaktivität. Die hitzschlagprovozierenden Faktoren werden meist durch bewusst herbeigeführte Dehydratation und isolierende Kleidung verstärkt – in der Sportbranche nennt sich dieses Phänomen „Anschwitzen“. Bei älteren, wohnungslosen oder auch psychisch kranken Menschen liegt die Ursache für einen Überanstrengungshitzschlag häufig in zu warmer Kleidung. In 50% der Fälle bleibt die Schweißbildung erhalten [4].
Ein klassischer Hitzschlag tritt bei schwülheißem Wetter auf und trifft meist vorbelastete Menschen. Gesunde Menschen ereilt eher ein Überanstrengungshitzschlag – und zwar bei jedem Wetter [4].
Symptome Die ersten Symptome manifestieren sich je nach Ausprägung des Hitzschlags in
-
einer rektal gemessenen Körpertemperatur von > 40 °C,
-
Erregung, Verwirrtheit, Krämpfen, Apathie, Kopfschmerzen, Übelkeit, Bewusstlosigkeit,
-
trockener, geröteter Haut,
-
Hypotonie, Tachykardie und Hyperventilation.
Im weiteren Verlauf können sich eine Rhabdomyolyse (Zerfall der Muskelfasern), Gerinnungsstörungen und ein Multiorganversagen präsentieren ([Tab. 3], [4], [11]).
Messort |
Messdauer |
Vorteile |
Nachteile |
---|---|---|---|
rektal (Rektum) |
ca. 2 – 4 min |
|
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axillar/inguinal (Achsel/Leiste) |
ca. 3 (− 10) min |
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oral/sublingual (Mundhöhle) |
ca. 2 – 5 min |
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|
tympanal (Paukenhöhle, Gehörgang) |
1 – 2 s |
|
|
An einem heißen Sommernachmittag im August entschließt sich Herr B., das Grab seiner Mutter auf dem Friedhof am anderen Ende der Stadt zu besuchen, um die Blumen dort zu gießen. Seinen Gewohnheiten entsprechend legt er diesen Weg mit dem Fahrrad zurück und trägt dabei seinen Anorak – ohne diesen geht er nämlich nie aus dem Haus. Spaziergängern am Friedhof fällt auf, dass Herr B. deutliche Schlangenlinien fährt, vor dem Eingangstor zum Friedhof langsam absteigt und samt seinem Fahrrad zu Boden gleitet. Die Ersthelfer finden einen kaum ansprechbaren Mann vor und setzen deshalb einen Notruf ab. Folgende Befunde können Sie erheben [3]:
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Bewusstseinszustand: somnolent
-
Atmung vorhanden, unauffällig
-
AF: 40/min, SpO2: 92%
-
HF: 140/min, Sinusrhythmus
-
RR: 75/50 mmHg
-
sehr heiße, trockene Haut; axilläre Temperatur: 41,6 °C
-
neurologischer Status: GCS = 11, BZ (Blutzucker) = 109 mg/dl
-
Fremdanamnestisch (nach SAMPLER-Schema) lassen sich keine weiteren Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten herausfinden.
Und jetzt? Temperatur senken! Oberstes Ziel ist es hier, möglichst schnell die Körpertemperatur auf 38,5 °C zu senken. Verwenden Sie dazu
-
kalte Infusionen,
-
Eisauflagen und kalte Tücher.
Antipyretisch (fiebersenkend) wirkende Medikamente sind in diesem Fall eher wirkungslos!
Vitalparameter beobachten Wie immer gilt es, die Vitalfunktionen anhand des ABCDE-Schemas zu überprüfen und zu sichern. Der Temperaturmessung kommt dabei besondere Bedeutung zu.
Messen Sie die Temperatur immer an der gleichen Stelle, um den Temperaturverlauf korrekt einschätzen zu können. Bedenken Sie für jeden Messort die Vor- und Nachteile ([Tab. 3]). Die Messung mit speziellen Infrarotthermometern auf der Stirn ist
für den medizinischen Gebrauch aufgrund der sehr oberflächlichen Messung zu ungenau.
Die Auswirkungen des Hitzschlags – oft unterschätzt Herr B. erhält auf der Intensivstation mehrere Liter Infusionen. Antipyretika und Kühlaggregate auf der Haut sollen seine Körperkerntemperatur senken. Im Laufe des Abends verschlechtert sich sein Zustand so sehr, dass er intubiert und beatmet werden muss. Es gelingt trotz mehrgleisiger Therapie erst nach knapp 5 h, die Temperatur zu senken. Am Tag darauf entwickelt Herr B. ein Leberversagen mit ausgeprägter Hyperbilirubinämie, die Transaminasen steigen enorm. Die erhöhte Serumkreatininkonzentration ist Zeichen für ein beginnendes Nierenversagen. Herr B. stirbt 3 Tage später [3].
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Sonnenstich
Pathophysiologie Der Entstehungsmechanismus des Sonnenstichs, auch Insolation genannt, unterscheidet sich grundlegend von den oben genannten Hitzeschäden. Beim Sonnenstich liegt die Ursache nicht in einer Störung der Temperaturregulation, sondern in einer (Über-)Reizung der Hirnhäute durch intensive Sonneneinstrahlung auf den ungeschützten Kopf [4].
Symptome Die typischen Symptome für einen Sonnenstich sind ([Tab. 2]):
-
ein heißer, hochroter Kopf
-
Kopfschmerzen
-
Meningismus (Nackensteifigkeit)
-
Schwindel, Übelkeit, Erbrechen
-
Unruhe
-
Ohrensausen
-
selten: Hirnödem mit Bewusstseinsstörungen, Krämpfen, Insolationsenzephalitis
Beim Sonnenstich tritt die Symptomatik oft mit zeitlicher Verzögerung zur Sonnenexposition auf (z. B. in der Nacht).
Als Mia an einem heißen Spätnachmittag im Juli ihren Freund Leon besucht, entdeckt sie ihn im Garten in der Sonne liegend. Er klagt über Kopfschmerzen, Übelkeit und Unwohlsein. Er hat außerdem einen hochroten Kopf und erzählt, dass er den ganzen Nachmittag hier in der Sonne ein Hochbeet aufgebaut hat.
Das ist zu tun Die Behandlung eines Sonnenstichs beschränkt sich auf folgende Maßnahmen:
-
Bringen Sie den Patienten in eine kühle Umgebung.
-
Lagern Sie ihn mit leicht erhöhtem Oberkörper.
-
Je nach Zustand des Patienten gilt es wie in jeder Notfallsituation, die Vitalfunktionen anhand des ABCDE-Schemas zu überprüfen und in nötigem Maße zu sichern.
-
Kühlen Sie seinen Kopf.
-
Leiten Sie bei Bewusstlosigkeit oder Hirndruckzeichen ([Infobox 2]) die entsprechenden rettungsdienstlichen Interventionen und die stationäre Aufnahme in die Klinik ein.
Hirndruckzeichen [15]
Folgende Symptome weisen auf einen erhöhten intrakraniellen Druck hin:
-
Kopfschmerzen (zunehmend), Übelkeit, Unruhe
-
Bewusstseinsstörungen bis zur Bewusstlosigkeit
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Atemstörungen bis zum Atemstillstand
-
Bradykardie
-
deutlicher Blutdruckanstieg (Cushing-Reflex)
-
Muskelkrämpfe der Streckmuskulatur (v. a. im Rücken) und Streckkrämpfe der Gliedmaßen
-
Pupillenstörungen (v. a. Pupillenerweiterung)
Während einer 12-h-Schicht im Hochsommer ist es nicht immer einfach, sich vor der Hitze – v. a. um die Mittagszeit – zu schützen.
Es gibt aber ein paar Tipps, um solche Tage gesund zu überstehen:
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Essen Sie wasserreiches Obst und Gemüse, auch zwischendurch. Dazu zählen Melonen, Erdbeeren, Pfirsiche, Gurken und Tomaten.
-
Nehmen Sie mehrere kleine und leichte Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich und verzichten Sie an sehr heißen Tagen auf das üppige Kantinen-Mittagessen.
-
Pfarrer Sebastian Kneipp hatte folgende Tipps für Hitzewellen: Lassen Sie mehrmals am Tag kühles Wasser über Ihre Handgelenke laufen, kühlen Sie das Gesicht und den Nacken mit kalten Kompressen (für die Schläfen eignen sich Eiswürfel), nehmen Sie ein kühles Fußbad und verwenden Sie Thermalwasserspray für Arme, Dekolleté und Gesicht [6].
-
Nehmen Sie 2 – 4 Gläser alkoholfreie und v. a. nicht zu kalte Getränke zu sich. Denken Sie auch daran, Getränke mit ins Fahrzeug zu nehmen! Für alle, die sich schwer tun, mind. 2 l Tee, Saft oder Mineralwasser zu trinken, gibt es 5 Rezepte für abwechslungsreichen Trinkgenuss:
Geben Sie (nach Belieben) Eiswürfel in 2 l Wasser. Fügen Sie dann hinzu:-
½ Zitrone (in Scheiben) und ¼ Gurke (in Scheiben) oder
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250 g Wassermelone (in kleinen Stücken) und 2 große (konzentrationsfördernde) Rosmarinzweige oder
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1 Apfel (in Scheiben) und 1 Zimtstange oder
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1 Zitrone (in Scheiben), 100 g TK-Blaubeeren und 10 Blätter Minze oder
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1 Stück geschälten Ingwer (ca. 3 cm groß) und 100 g Mango (gewürfelt)
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Hitzenotfälle werden sehr häufig unterschätzt – alle 3 Formen können tödlich enden! Deshalb ist es wichtig, an heißen Sommertagen insb. bei bewusstseinsgestörten Patienten an einen Hitzenotfall zu denken. Einsatztaktische Konsequenzen für den Rettungsdienst hat v. a. der Hitzschlag, hier ist vor Anfahren einer Klinik abzuklären, ob eine intensivmedizinische Betreuung mit Beatmung verfügbar ist.
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Die Körperkerntemperatur hat in vielen Bereichen der Notfallmedizin einen hohen Stellenwert, denn sowohl bei einer Temperatur von < 35 °C als auch > 41,5 °C sind lebenswichtige Enzymfunktionen gestört!
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Denken Sie bei unklaren Verschlechterungen des Allgemeinzustands im Sommer auch immer daran, die Körpertemperatur instrumentell zu messen!
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Missverhältnisse zwischen Wärmeaufnahme und -abgabe in Kombination mit Volumenmangel, Elektrolytverschiebungen und Störungen der Vasomotorik sind Auslöser für Hitzschlag und Hitzeerschöpfung.
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Der Hitzschlag – im Volksmund oft lapidar benannt – ist ein ernst zu nehmender Notfall, der in 50% aller Fälle tödlich endet!
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Durch starkes Schwitzen und den damit verbundenen Verlust von Wasser und Elektrolyten droht bei der Hitzeerschöpfung ein Volumenmangelschock.
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Auch der Sonnenstich löst in seltenen Fällen lebensgefährliche Komplikationen aus: Er kann zum Hirnödem führen (zu erkennen an den typischen Hirndruckzeichen).
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Auch Sie zählen an heißen Tagen zu den gefährdeten Risikogruppen für Hitzeerkrankungen – denken Sie deshalb im Dienst an geeignete Präventionsmaßnahmen!
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. E. Bauderer, Bad Wildbad.
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Notfallmedizin up2date 2020; 15: 137–146
Dieser Beitrag ist eine aktualisierte Version des Artikels: Jörg D, Bauderer E. Sommer, Sonne, Hitzenotfall – Nicht selten lebensgefährlich. retten! 2016; 5 (04): 266 – 273. doi:10.1055/s-0042-109220
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Interessenkonflikt
Erklärung zu finanziellen Interessen
Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein.
Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC). Klimaänderung 2007 – Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger. Im Internet (Stand: 05.08.2016): http://www.bmub.bund.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ipcc_entscheidungstraeger_gesamt.pdf
- 2 Menche N. Hrsg. Biologie Anatomie Physiologie. 8. Aufl.. München: Elsevier; 2016
- 3 Ziegenfuß T. Notfall Hitzschlag (22.09.2005). Im Internet (Stand: 03.07.2016): https://www.thieme.de/viamedici/klinik-faecher-notfallmedizin-1539/a/hitzschlag-4187.htm
- 4 Klose R. Verbrennungen und Hitzeschäden. In: Scholz J, Sefrin P, Böttinger BW, Dörges V, Wenzel V. Hrsg. Notfallmedizin. Stuttgart: Thieme; 2013: 428-444
- 5 Bischofberger J, Behrends JC, Ehmke H. Duale Reihe – Physiologie. 2. Aufl.. Stuttgart: Thieme; 2012
- 6 Umweltbundesamt, Pressestelle. Klimawandel und Gesundheit – Informationen zu gesundheitlichen Auswirkungen sommerlicher Hitze und Hitzewellen und Tipps zum vorbeugenden Gesundheitsschutz (August 2008). Im Internet (Stand: 05.08.2016): http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3519.pdf
- 7 Pfaffenberger D, Heckenhahn M. Hitzeextreme und Gesundheit – Konsequenzen für professionell Pflegende. Informationsveranstaltung der BTQ Kassel (10.09.2009). Im Internet (Stand: 05.08.2016): http://btq-kassel.de/upload/Pfaffenberger_Referat_09_09_10.pdf
- 8 Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin Nr. 25 18.06.2004;. Im Internet (Stand: 05.08.2016): http://edoc.rki.de/documents/rki_fv/reIKAvE9dGWY/PDF/28ZAh9AkmnrLY.pdf
- 9 Robine JM, Cheung SL, Le Roy S. et al. Robine JM, Cheung SL, Le Roy S et al. Report on excess mortality in Europe during summer 2003 (28.02.2007). Im Internet (Stand: 05.08.2016): http://ec.europa.eu/health/ph_projects/2005/action1/docs/action1_2005_a2_15_en.pdf
- 10 Dickhuth HH, Mayer F, Röcker K, Berg A. Hrsg. Sportmedizin für Ärzte – Thermoregulation und körperliche Aktivität. Köln: Deutscher Ärzteverlag; 2010
- 11 Herzog S. Regulation der Körpertemperatur. In: Ullrich L, Stolecki D, Grünewald M. Hrsg. Intensivpflege und Anästhesie. Stuttgart: Thieme; 2005: 390-403
- 12 Füeßl HS. Hitzekrankheit. MMW Fortschr Med 2014; 156: 47
- 13 Hoffmann-La Roche AG. Hrsg. Roche Lexikon Medizin. München: Elsevier; 2003
- 14 Wagner BP. Temperaturregulationsstörungen im Kindesalter. Monatsschr Kinderheilkd 2013; 161: 217-224
- 15 Mattle H, Mumenthaler M. Hrsg. Neurologie. 13. Aufl.. Stuttgart: Thieme; 2013
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
04 June 2020
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
-
Literatur
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