In der Pneumologie Heft 1, Januar 2020, wird die Studie von Bhatt SP et al. [1] in der Rubrik Pneumo-Fokus referiert. Wir können uns der Schlussfolgerung von Frau
Dr. Meinrenken nicht anschließen, dass der Grenzwert der FEV1/FVC-Ratio von 0,7 gegenüber anderen Grenzwerten durch diese Studie zur Diagnose einer
relevanten COPD gestützt wird. Die Gründe sind wie folgt:
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Es handelt sich bei den 24 207 ausgewerteten Protokollen um Teilnehmer aus 4 unterschiedlichen
Kohorten. Lediglich bei 26 % (FEV1/FVC < 0,7) bzw. 15 % (FEV1:FVC < lower limit of normal/LLN) der Teilnehmer lag die für die Diagnose einer COPD
zwingend notwendige spirometrische Obstruktion vor. Dabei waren wegen fehlender Reversibilitätstestungen
asthmatische Patienten nicht ausgeschlossen [1].
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Die Kriterien für das Vorliegen einer relevanten COPD waren respiratorische Ereignisse,
die zur Hospitalisierung oder Mortalität in einer im Mittel 15-jährigen Beobachtungszeit
führten (incidence density rate IDR) und wenn die Diagnose COPD kodiert war. 43 %
der respiratorischen Ereignisse betrafen Patienten mit einem FEV1:FVC-Quotienten von > 0,7 (10 % sogar mit > 0,8), sodass die Diagnose COPD falsch
kodiert war [1].
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Die COPD ist hinsichtlich der Patienten-relevanten Bedingungen vor allen Dingen durch
chronische Symptome (vorzugsweise Luftnot) und Einschränkungen der Lebensqualität
gekennzeichnet. Nur ein kleinerer Teil der Patienten hat Exazerbationen – ca. 26 %
in der DACCORD-Population (N = 5924) im Verlauf von 6 Monaten vor Studieneinschluss,
wobei die Hospitalisierungsrate hier bei unter 5 % lag [2]. Eine Behandlung der COPD erfolgt vorzugsweise zur Kontrolle von Symptomen. Eine
Definition der COPD anhand von Grenzwerten für den FEV1:FVC-Quotienten allein auf der Basis von Hospitalisierungs- und Mortalitätsraten trägt
somit der primären klinischen Präsentation der Patienten keinesfalls Rechnung.
Natürlich ist es methodisch nicht gerechtfertigt, an einem Kollektiv mit maximal 26 %
COPD-Patienten und 43 % fälschlich auf eine COPD zurückgeführten Ereignissen einen
spirometrischen Grenzwert für eine COPD zu entwickeln.
Patienten mit chronischen Atemwegssymptomen entwickeln auch ohne spirometrische Obstruktion
entsprechende respiratorische Ereignisse [3]. Dies dürfte der Grund für die klinische Überschätzung der COPD in 30 – 60 % in
Kohortenstudien sein [4]
[5]. Andererseits werden aber auch für die COPD typische Funktionsstörungen der Überblähung
und Diffusion international nicht zur COPD-Diagnose verwendet [6].
Ein unbestreitbares Ergebnis der vorliegenden Studie ist aber, dass bei den Patienten
mit COPD der Grenzwert FEV1:FVC < LLN einen weitaus schlechteren Verlauf der Erkrankung prognostiziert als der
Grenzwert < 0,7 (IDR 35,0 vs. 17,5).