Allgemeine Homöopathische Zeitung 2020; 265(03): 3
DOI: 10.1055/a-1141-1837
Editorial

Corona-Insuffizienz

Seit etwa 2 Monaten vor Entstehung dieses Editorials ist das Coronavirus das alles beherrschende Thema, und ich bin überzeugt, dass dies einen Monat später, wenn dieses Heft erscheint, immer noch so sein wird.

Neben der Corona-Pandemie besteht definitiv auch eine Corona-Angst-Epidemie.

Vor 10 – 15 Jahren bekamen wir gesagt, in Deutschland gäbe es jährlich 20.000 – 40.000 Grippetote. Aber die Panik wollte nicht so richtig angehen. Nur einmal, bei der „Schweinegrippe“ im Herbst 2009, erkrankten ängstliche Menschen schneller als gelassenere Naturen. Jetzt rechnet man angeblich genauer. Die Zahl der Corona-Toten in Deutschland wird Mitte April mit knapp 3000 angegeben, was einer Sterberate von ca. 1–2 % entspricht.

Unter den Homöopathen ist eine neue Form der Verunsicherung entstanden. Mit welchen Mitteln können wir helfen? Können wir die Mittel schnell finden oder brauchen wir genaue Fallberichte und entsprechende Erfahrung? Auf die Nachricht aus Indien, dass das dortige „AYUSH“-Ministerium die prophylaktische Gabe von Arsenicum album C30 empfiehlt, gab es einen Ausverkauf dieses häufig angewendeten Mittels.

Der Aufruhr unter den Pseudoskeptikern und den ihnen zugehörigen Medien war groß. Die „Kronen-Zeitung“ (sic!) aus Wien ereiferte sich, es sei doch unverantwortlich, so eine gefährliche Krankheit wie die Corona-Infektion homöopathisch zu behandeln, was doch erwiesenermaßen gar nicht wirke.

Also lieber – außer Allgemeinmaßnahmen, deren Effekte nicht verifiziert sind – nichts tun, anstatt zusätzlich „Placebo“ zu geben, damit – ja, was denn – der Teufel nicht mit einem vermeintlichen Beelzebub ausgetrieben würde?

Unter den Homöopathen waren vor allem 2 Reaktionen führend:

  • sofort der indischen Empfehlung zu folgen bzw. auf die Schnelle ein epidemisches Mittel aus dem homöopathischen Arzneischatz zu bestimmen

  • oder in Ruhe vollständige Fallberichte abzuwarten, an denen man eine Wirksamkeit sicher nachweisen konnte.

Für den zweiten Weg haben sich DZVhÄ und WissHom entschieden: keine vorschnellen Empfehlungen einzelner, vermeintlich spezifischer Mittel ohne eine ausreichende Anzahl an Erfahrungsberichten. Dabei wird der wissenschaftlich fundierten und möglichst vollständigen Datensammlung eine besondere Rolle zugewiesen.

Eine Gruppe von Homöopathen hat sich auf Initiative von Andreas Holling organisiert und hält seit Wochen fast täglich Telefonkonferenzen ab. Eine zweite Gruppe wurde von WissHom gegründet und hat einen wissenschaftlich fundierten Fragebogen entwickelt, aufgrund dessen jetzt eine Fallsammlung begonnen wurde. Es gibt inzwischen weit über 50 eindrucksvolle Verlaufsberichte, in denen der Homöopathie erstaunliche Wirkungen zuzuordnen sind.

Schwerpunkt dieses Heftes ist die Falldokumentation. 2 Artikel befassen sich mit der Entwicklung eines internationalen Symptom-Codes sowie den Grundlagen und Empfehlungen für die Abfassung von Fallberichten. Es folgt ein engagierter, teilweise polemischer Aufruf zu Ehrlichkeit und wissenschaftlicher Genauigkeit bei der Publikation von Fallberichten, speziell auch in Seminaren. Die kurzen Fallberichte des anschließenden Artikels sind von ganz anderer Güte, prosaisch beschrieben, mit wenigen Angaben exakter Daten und doch sehr instruktiv. Sie vermitteln ein tiefgehendes Verständnis von Kalium jodatum. Abschließend finden Sie einen sehr interessanten Kongressbericht aus Japan und die aktuellen Mitteilungen von DZVhÄ und WissHom.

Wir wünschen uns, dass Sie auch aus diesem Heft einen Nutzen ziehen.

Gerhard Bleul



Publication History

Article published online:
02 June 2020

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Stuttgart · New York