Aktuelle Dermatologie 2020; 46(07): 299-302
DOI: 10.1055/a-1141-4624
Histologisches Quiz

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M. V. Gatzka
1   Klinik für Dermatologie, Zentralklinikum Suhl, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Jena, Suhl
2   Fakultät für Medizin, Universitätsklinikum Ulm
,
F. Balázs
1   Klinik für Dermatologie, Zentralklinikum Suhl, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Jena, Suhl
,
M. J. Köhler
1   Klinik für Dermatologie, Zentralklinikum Suhl, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Jena, Suhl
› Author Affiliations
 

Anamnese

In der Sprechstunde präsentierte sich ein 64-jähriger Patient in gutem Allgemein- und leicht adipösem Ernährungszustand mit mehreren erythematösen kutanen Knoten im Gesicht und an Hals und Nacken. Die vor einigen Wochen erstmalig aufgetretenen und mäßig schmerzhaften Knoten seien trotz einer ambulant unter der Verdachtsdiagnose von Abszessen eingeleiteten Antibiotikatherapie mit Cefuroxim per os und antiseptischen Maßnahmen progredient. In der Eigenanamnese fanden sich keine Hauterkrankungen und keine Allergien. Die Medikation bestand aus Antihypertensiva, Allopurinol und ASS.


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Klinischer Befund

Im Gesicht, am Hals und im Nacken imponierten mehrere bis etwa pflaumengroße erythematöse Knoten mit Teleangiektasien. An der linken Flanke fanden sich zudem einige münzgroße Erytheme mit leichter Schuppung ([Abb. 1]). Bei Vorstellung bestand kein Fieber und nur eine geringe Lymphadenopathie. Die auskultatorische Untersuchung von Herz, Lunge und Abdomen sowie der grobe neurologische Befund waren unauffällig.

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Abb. 1 Erythematöse Maculae und Plaques in der Flanke (a) sowie größere Knoten im Gesicht (b).

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Labordiagnostik und Histologie

In den orientierenden Laboruntersuchungen waren folgende Parameter auffällig: Leukozyten 10,5 Gpt/l (Referenzwert 4 – 10 Gpt/l), CRP 8 mg/l (< 5 mg/l), Gesamt-IgE 2500 U/l (< 100 U/l), GTP 0,73 µmol/l (< 0,68 µmol/l) und LDH 4,1 µmol/l (< 3,75 µmol/l). Die aus einem kutanen Knoten entnommene Probebiopsie zeigte histologisch in der H&E-Färbung lymphozytäre Infiltrate mit Kernpleomorphie und mäßigem Epidermotropismus ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Histologischer Befund der H&E-Färbung der aus einem Knoten entnommenen Hautbiopsie. Noduläre dermale lymphozytäre Infiltrate mit Epidermo- und Follikulotropismus (a – d). Immunhistochemie einer Probebiopsie aus einem kutanen Knoten mit einem Antikörper gegen das Oberflächenantigen CD30, dabei überwiegende Positivität intraepidermaler Lymphozyten (e), jedoch nur teilweise Positivität dermal (f).
FRAGEN
  • Wie lautet Ihre Diagnose?


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Diagnose

Kutanes T-Zell Lymphom vom Typ der Mycosis fungoides im Tumorstadium.


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Weiterführende Diagnostik, Verlauf und Therapie

In der Immunhistochemie der läsionalen Probebiopsie konnten die Marker CD4+ und teilweise auch CD30+ nachgewiesen werden ([Abb. 2 e] und f). In der Zusammenschau ergab sich bei Nachweis klonaler Proliferation die Diagnose eines kutanen mittelgroßzelligen, teilweise CD30-positiven CD4+-T-Zell Lymphoms. In der FACS-Analyse des Blutes fanden sich keine atypischen T-Zellen und kein pathologischer Immunphänotyp (11,2 % CD4+-T-Zellen), sodass keine leukämische Aussaat vorlag. Entsprechend der Lymphknotensonografie zeigten sich im Kontrastmittel-CT bei sonst unauffälligem Organbefund vermehrte und teilweise vergrößerte Lymphknoten beidseits axillär und inguinal sowie zudem eine suspekte Verdickung der Dünndarmschleimhaut. Ein aus der Leiste entnommener Lymphknoten war frei von Lymphombefall, jedoch fanden sich Lymphominfiltrate in der umgebenden Haut. In einer Knochenmarksbiopsie waren keine Lymphominfiltrate nachweisbar.

Im Verlauf zeigten sich in der körperlichen Untersuchung unter der während des Tumorstagings stationär zunächst verordneten antiinflammatorischen Lokaltherapie weitere knotige Läsionen an Hals, Nacken und Rumpf, die teilweise ulzerierten ([Abb. 3]). Die am Rumpf in den Spaltlinien angeordneten erythrosquamösen Plaques imponierten verstärkt. In der interdisziplinären Tumorkonferenz wurde bei multiplen lokal- und radiotherapeutisch derzeit nicht therapierbaren Knoten mit rascher Progredienz des Lymphoms eine Polychemotherapie nach dem CHOP-Schema mit initial 2 Zyklen und nachfolgender Reevaluation empfohlen. In Abhängigkeit des Anteils der CD30-positiven Tumorlymphozyten wurde als Alternative eine Therapie mit Brentuximab-Vedotin (anti-CD30 mAb) diskutiert. Insgesamt erhielt der Patient 5 Zyklen der CHOP-Chemotherapie. Aufgrund der unter Therapie auftretenden Leukopenie erfolgte eine Isolation und eine Infektionsprophylaxe mit Filgrastim, Fluconazol und Ciprofloxacin sowie bei zusätzlicher Anämie die Gabe von Erythrozytenkonzentraten. Aufgrund anhaltender Nebenwirkungen wurde auf einen 6. Zyklus der Chemotherapie sowie eine Erhaltungstherapie verzichtet. Ein im weiteren Verlauf paranasal aufgetretener Knoten wurde strahlentherapeutisch mit einer Gesamtdosis von 36 Gy in Einzeldosen zu 2 Gy behandelt.

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Fig. 3 Klinischer Verlauf des CTCL mit rascher Progredienz der Hautveränderungen innerhalb weiterer 14 Tage vor Beginn der Chemotherapie.

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Diskussion

Primär kutane T-Zell-Lymphome der Haut (cutaneous T-cell lymphoma, CTCL) stellen eine heterogene Gruppe lymphoproliferativer Erkrankungen aus der Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) dar, bei der die transformierten T-Lymphozyten ihren Ursprung in der Haut als sekundärem lymphatischem Organ haben [1]. Zur leitliniengerechten Klassifikation des T-Zell-Lymphoms ist neben dem klinischen Befund die immunhistologische und molekularpathologische Beurteilung erforderlich [2]. Zu den eher chronisch verlaufenden T-Zell-Lymphomen zählen die typischerweise über ein Ekzem- und Plaque-Stadium verlaufende Mycosis fungoides (MF) mit ihren Unterformen, die CD30-positiven lymphoproliferativen Erkrankungen – wie die meisten Typen der lymphomatoiden Papulose (LyP) und das großzellige CD30+-CTCL – sowie seltenere Entitäten. Hämatoonkologisch spielen insbesondere die aggressiven CTCL, wie das Sézary-Syndrom, das aggressive T-Zell-Lymphom vom nasalen Typ sowie NK, γ/δ und CD8+-Lymphome eine Rolle. Eine Expression des an Aktivierung und Proliferation von Lymphoblasten beteiligten Oberflächenproteins CD30 (TNF-Rezeptor 8, TNFR8) tritt teilweise auch bei der MF auf – oft verbunden mit großzelliger Transformation und aggressivem klinischem Verlauf – sowie bei anderen peripheren Lymphomen und bei aktivierten T- und B-Zellen im Gewebe.

Im vorliegenden Fall eines teilweise CD30-positiven CD4+-T-Zell-Lymphoms zeigten sich klinisch bereits frühzeitig entzündliche Hautknoten ohne längere Vorgeschichte von Ekzemen. Differenzialdiagnostisch kommen daher neben der hier anfänglich extern vermuteten abszedierenden Follikulitis oder entzündeten epidermalen Zysten auch Pseudolymphome, Hautinfiltrate bei Leukämien und Tumoren oder granulomatöse Entzündungen, wie knotige Formen einer Sarkoidose, in Betracht. Die rasche Progredienz der Knoten spricht gegen eine lymphomatoide Papulose, die als niedrig-malignes Lymphom mit chronisch-rezidivierenden, spontan abheilenden Papeln und Knoten verläuft.

Nach der aktuellen S2k-Leitlinie sollte bei chronisch verlaufenden T-Zell-Lymphom-Formen eine zurückhaltende stadiengerechte Therapie erfolgen [3]. Als Basistherapie wird neben immunmodulierenden Lokaltherapeutika eine Bestrahlung mit UVB 311 nm, P-UVA oder die extrakorporale Photopherese empfohlen – bei Fortschreiten in Kombination mit systemischem Bexaroten, Interferon-alpha, niedrig dosiertem Methotrexat oder Monochemotherapie mit Doxorubricin oder Gemcitabin [3]. Bei einzelnen Läsionen oder Tumorknoten ist eine Radiatio oder Exzision sinnvoll. In späteren Stadien (Stadium IV) bei aggressivem Verlauf stellen Polychemotherapien wie das CHOP- (Cyclophosphamid, Daunorubricin, Vincristin/Oncovin, Prednisolon) oder CHO(E)P-Schema (zusätzlich Etoposid) eine Option dar, die jedoch unter Berücksichtigung der stärkeren Immunsuppression und Infektkomplikationen nur bedingt zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens führt [4]. Bei CD30-positiven Erkrankungen steht das anti-CD30-Antikörper-Zytostatikum-Konjugat Brentuximab-Vedotin (anti-CD30 mAB und Monomethylauristatin E) mit guten Ergebnissen zur Verfügung [3] [5]. In Einzelfällen kam Brentuximab-Vedotin auch bei nicht oder nur schwach CD30-positiven Lymphomen erfolgreich zum Einsatz [6] [7]. Zu den weiteren, bereits heute entsprechend der individuellen Charakterisierung bei fortgeschrittenen CTCL einsetzbaren, zielgerichteten Therapieoptionen zählen Antimetabolite, Histondeacetylase (HDAC-)Hemmer, Proteasominhibitoren und Inhibitoren der anaplastischen Lymphozytenkinase (ALK) und des JAK-/STAT-Signalwegs sowie der anti-CCR4-Antikörper Mogamulizumab [8] [9] [10].


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Danksagung

Wir danken PD Dr. H.-W. Bernd (Hämatopathologie Lübeck) für die histologische Mitbeurteilung.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Kempf W, Kazakov DV, Kerl KP. Cutaneous lymphomas: an update. Part 1: T cell and natural killer/t-cell lymphomas and related conditions. Am J Dermatopathol 2014; 36: 105-123
  • 2 Dippel E, Assaf C, Becker JC. et al. S2k-Leitlinie – Kutane Lymphome Update 2016 – Teil 1: Klassifikation und Diagnostik (ICD10 C82-C86). J Dtsch Dermatol Ges 2017; 15: 1266-1273
  • 3 Dippel E, Assaf C, Becker JC. et al. S2k-Leitlinie – Kutane Lymphome Update 2016 – Teil 2: Therapie und Nachsorge (ICD10 C82-C86). J Dtsch Dermatol Ges 2018; 16: 112-123
  • 4 Fierro MT, Quaglino P, Savoia P. et al. Systemic polychemotherapy in the treatment of primary cutaneous lymphomas: a clinical follow-up study of 81 patients treated with COP or CHOP. Leuk Lymphoma 1998; 31: 583-588
  • 5 Younes A, Bartlett NL, Leonard JP. et al. Brentuximab vedotin (SGN-35) for relapsed CD30-positive lymphomas. N Engl J Med 2010; 363: 1812-1821
  • 6 Mahévas T, Ram-Wolff C, Battistella M. et al. Dramatic response to brentuximab vedotin in a refractory non-transformed CD30 mycosis fungoides allowing allogeneic stem cells transplantation and long-term complete remission. Br J Dermatol 2019; 180: 1517-1520
  • 7 Pham AK, Carter JB, Ratcliffe NR. et al. Tumor-stage mycosis fungoides in palmoplantar localization with large-cell transformation and partial CD30 expression shows complete response to brentuximab vedotin. J Cutan Pathol 2018; 45: 458-462
  • 8 Gatzka M. Targeted Tumor Therapy Remixed – An Update on the Use of Small-Molecule Drugs in Combination Therapies. Cancers 2018; 10: pii: E155
  • 9 Kesavan M, Collins GP. Novel targets and therapies in T cell lymphoma. EMJ Oncol 2018; 6: 79-90
  • 10 Kim YN, Bagot M, Pinter-Brown L. et al. Mogamulizumab versus vorinostat in previously treated cutaneous T-cell lymphoma (MAVORIC): an international, open-label, randomized, controlled phase 3 trial. The Lancet Oncology 2018; 19: 1192-1204

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. habil. Johannes Köhler
SRH Zentralklinikum Suhl, Klinik für Dermatologie
Albert-Schweitzer-Str. 2
98527 Suhl

Publication History

Article published online:
14 July 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

  • Literatur

  • 1 Kempf W, Kazakov DV, Kerl KP. Cutaneous lymphomas: an update. Part 1: T cell and natural killer/t-cell lymphomas and related conditions. Am J Dermatopathol 2014; 36: 105-123
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  • 3 Dippel E, Assaf C, Becker JC. et al. S2k-Leitlinie – Kutane Lymphome Update 2016 – Teil 2: Therapie und Nachsorge (ICD10 C82-C86). J Dtsch Dermatol Ges 2018; 16: 112-123
  • 4 Fierro MT, Quaglino P, Savoia P. et al. Systemic polychemotherapy in the treatment of primary cutaneous lymphomas: a clinical follow-up study of 81 patients treated with COP or CHOP. Leuk Lymphoma 1998; 31: 583-588
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  • 6 Mahévas T, Ram-Wolff C, Battistella M. et al. Dramatic response to brentuximab vedotin in a refractory non-transformed CD30 mycosis fungoides allowing allogeneic stem cells transplantation and long-term complete remission. Br J Dermatol 2019; 180: 1517-1520
  • 7 Pham AK, Carter JB, Ratcliffe NR. et al. Tumor-stage mycosis fungoides in palmoplantar localization with large-cell transformation and partial CD30 expression shows complete response to brentuximab vedotin. J Cutan Pathol 2018; 45: 458-462
  • 8 Gatzka M. Targeted Tumor Therapy Remixed – An Update on the Use of Small-Molecule Drugs in Combination Therapies. Cancers 2018; 10: pii: E155
  • 9 Kesavan M, Collins GP. Novel targets and therapies in T cell lymphoma. EMJ Oncol 2018; 6: 79-90
  • 10 Kim YN, Bagot M, Pinter-Brown L. et al. Mogamulizumab versus vorinostat in previously treated cutaneous T-cell lymphoma (MAVORIC): an international, open-label, randomized, controlled phase 3 trial. The Lancet Oncology 2018; 19: 1192-1204

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Abb. 1 Erythematöse Maculae und Plaques in der Flanke (a) sowie größere Knoten im Gesicht (b).
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Abb. 2 Histologischer Befund der H&E-Färbung der aus einem Knoten entnommenen Hautbiopsie. Noduläre dermale lymphozytäre Infiltrate mit Epidermo- und Follikulotropismus (a – d). Immunhistochemie einer Probebiopsie aus einem kutanen Knoten mit einem Antikörper gegen das Oberflächenantigen CD30, dabei überwiegende Positivität intraepidermaler Lymphozyten (e), jedoch nur teilweise Positivität dermal (f).
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Fig. 3 Klinischer Verlauf des CTCL mit rascher Progredienz der Hautveränderungen innerhalb weiterer 14 Tage vor Beginn der Chemotherapie.