Schlüsselwörter
SARS-CoV-2 - COVID-19 - Intensivtherapie - ARDS - akutes Lungenversagen - persönliche
Schutzausrüstung - FFP3
Abkürzungen
ARDS:
Acute respiratory Distress Syndrome
COVID-19:
Corona Virus Disease 2019
CRP:
C-reaktives Protein
ECMO:
extrakorporale Membranoxygenierung
FFP2/FFP3:
Filtering Face Piece (Schutzklasse 2/3)
IL:
Interleukin
ITN:
Intubationsnarkose
LDH:
Laktatdehydrogenase
NIV:
nichtinvasive Beatmung
NSAID:
Nonsteroidal anti-inflammatory Drug (nichtsteroidales Antiphlogistikum)
PSA:
persönliche Schutzausrüstung
RKI:
Robert Koch-Institut
RT-CPR:
Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion
SARS-CoV-2:
Severe acute Respiratory Syndrome-Coronavirus 2
SSC:
Surviving Sepsis Campaign
TNF:
Tumornekrosefaktor
Einleitung
Das neuartige Coronavirus mit der Bezeichnung SARS-CoV-2 (Severe acute Respiratory
Syndrome-Coronavirus 2) hat in kurzer Zeit zu einer weltweiten Pandemie geführt. Das
klinische Erscheinungsbild bzw. die Erkrankung selbst hat den Namen COVID-19 (Corona
Virus Disease 2019) erhalten. Da in der Volksrepublik China und in zahlreihen europäischen
Ländern zu Beginn des Infektionsgeschehens ein exponentieller Anstieg der Erkrankungen
beobachtet werden konnte [1], der die Kapazität der Gesundheitssysteme z. B. in Italien deutlich überstieg, besteht
bei den mit Diagnostik und Therapie der Erkrankung befassten Ärzten und dem Pflegepersonal
ein erheblicher Informationsbedarf bezüglich einer rationellen Diagnostik und einer
möglichst evidenzbasierten Therapie.
Epidemiologie
Nach aktuellem Stand gehen wir davon aus, dass SARS-CoV-2 aus einem tierischen Reservoir
(Markt für Meeresfrüchte und Reptilien in Wuhan, VR China) Anfang Dezember 2019 auf
den Menschen übergesprungen ist [2]. Die verantwortliche Spezies ist nach wie vor unbekannt, Fledermäuse gelten als
wahrscheinlichste Quelle [3]. Ausgehend von Wuhan verbreitete sich das Virus in ganz Festlandchina mit einer
deutlichen Häufung in der Provinz Hubei [4].
In allen betroffenen Ländern zeigte sich initial eine exponentielle Zunahme der Erkrankungen,
welche durch teils drastische Maßnahmen zur Verminderung sozialer Kontakte in einigen
Ländern (VR China, Taiwan, Singapur) jedoch abgeflacht werden konnte [5]. Die exponentielle Infektionscharakteristik beruht wahrscheinlich auf der hohen
Kontagiosität von SARS-CoV-2. Die entsprechende Kennziffer (Basisreproduktionsziffer)
liegt in einer Metaanalyse von 12 Studien, die bis zum 7. Februar 2020 veröffentlicht
wurden, aktuell mit im Mittel 3,28 Angesteckten pro Infizierten über der von SARS.
Jeder Infizierte hat im Durchschnitt 3,28 andere Personen angesteckt [6].
Die Case Fatality Rate (Zahl der Infizierten, die verstirbt; Letalität) von SARS-CoV-2
beträgt aktuellen Berechnungen nach nur 1,4%, wobei das Risiko für eine symptomatische
Infektion mit zunehmendem Alter ansteigt (ca. 4% pro Jahr bei Erwachsenen zwischen
30 – 60 Jahren) [7]. Patienten über 59 Jahre haben ein 5-fach erhöhtes Risiko, an COVID-19 zu versterben.
Kinder sind häufig nicht oder nur in geringem Ausmaß betroffen, können jedoch die
Erkrankung übertragen; mit einer größeren Zahl schwer betroffener Kinder wird aber
derzeit nicht gerechnet [8].
Die Inkubationszeit beträgt im Mittel zwischen 5 – 6 Tage (Spanne: 0 – 14 Tage). Das
Virus wird bei Infizierten noch bis 30 Tage nach Erkrankungsbeginn nachgewiesen, was
es erschwert, asymptomatische Patienten nach durchgemachter Infektion als geheilt
zu klassifizieren [9].
Inwieweit sich nach durchgemachter Infektion eine Immunität ausbildet und wie lange
diese bestehen bleiben würde, ist aktuell nicht mit ausreichender Evidenz zu beantworten
[10]; tierexperimentelle Daten deuten aber darauf hin, dass sich vergleichbar mit anderen
Viruserkrankungen eine Immunität ausbildet, die eine klinisch apparente Neuinfektion
verhindert [11].
Klinische Charakteristik
Bei COVID-19 handelt es sich im Wesentlichen um eine Infektion der oberen und unteren
Atemwege. Die starke Vermehrung des Virus im Nasen-Rachen-Raum wird ebenfalls als
Ursache für die hohe Kontagiosität angesehen [12]. Ansonsten ähnelt die klinische Charakteristik anderen Viruserkrankungen, die die
Lunge befallen: Fieber, Husten, Abgeschlagenheit.
Nach den verfügbaren Daten aus der Volksrepublik China sind mehr als 80% der betroffenen
Patienten asymptomatisch oder zeigen eine milde Symptomatik, bei ca. 15% entwickeln
sich schwerere Allgemeinsymptome inkl. einer Pneumonie, und ca. 5% der Patienten sind
kritisch krank mit Entwicklung einer Sepsis, eines septischen Schocks oder eines Multiorganversagens
[13], [14], [15], [16], [17], [18] ([Tab. 1]). Die Letalität beträgt ca. 1 – 2%. Männer sind deutlich häufiger betroffen als
Frauen [16], [23]. Abhängig von Intensität und Zeitpunkt der Testung können abweichende Zahlen beobachtet
werden. Dies scheint z. B. in Italien der Fall zu sein.
Tab. 1 Einteilung von Symptomen und Schweregrad bei an COVID-19 Erkrankten (Daten aus [18]).
Schweregrad
|
Symptome
|
leicht (ambulant/ Normalstation)
|
Fieber
Husten
Abgeschlagenheit
|
schwer (IMC = intermediate Care)
|
Dyspnoe
Atemfrequenz ≥ 30/min
SaO2 ≤ 93%
paO2/FiO2 < 300
Lungeninfiltrate > 50% innerhalb von 24 – 48 h
|
kritisch krank (ITS = Intensivstation)
|
Lungenversagen
septischer Schock
Multiorganversagen
|
Bei den kritisch kranken Patienten kann sich das klassische Bild eines ARDS ausbilden
mit hyalinen Membranen, konsolidierten Lungenarealen und Atelektasen [19]. In der Computertomografie des Thorax bei Aufnahme imponieren in über 50% der Fälle
Milchglasinfiltrate und bilaterale Verschattungen [16]; im konventionellen Röntgenbild [20] zeigen sich ebenfalls in > 50% der Fälle bilaterale Verschattungen.
Bei über 80% der Patienten zeigt sich zum Aufnahmezeitpunkt eine Lymphozytopenie;
im Labor waren bei einer Kohorte von 173 Patienten aus Wuhan mit schweren Krankheitsverläufen
das CRP (≥ 10 mg/l, 81,5%), die LDH (≥ 250 U/l, 58,1%) und die D-Dimere (≥ 0,5 mg/l,
59,8%) erhöht, während das Procalcitonin nur bei 13,7% der Patienten ≥ 0,5 ng/l lag
[16]. In anderen Kohorten wird auch von erhöhten D-Dimeren und erhöhtem Serum-Ferritin
berichtet [21], [22].
Generell scheinen ältere Männer mit Komorbiditäten häufiger schwer zu erkranken und
häufiger zu sterben.
Ungefähr die Hälfte der Patienten mit COVID-19 leidet unter chronischen Begleiterkrankungen,
überwiegend kardiovaskulären und zerebrovaskulären Komorbiditäten und Diabetes mellitus
[23]. Einige Patienten mit schweren Verläufen zeigten Koinfektionen mit Bakterien und
Pilzen. In der Kultur wurden u. a. Acinetobacter baumannii, Klebsiella pneumoniae,
Aspergillus flavus, Candida glabrata und Candida albicans gefunden [23].
Diagnostik
Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt, bei Verdacht auf das Vorliegen einer Infektion
mit SARS-CoV-2 je nach klinischer Situation möglichst Proben parallel aus den oberen
und den tiefen Atemwegen zu entnehmen. Dabei ist zu beachten, dass für den Virusnachweis
geeignete Tupfer verwendet werden müssen (Virustupfer mit entsprechendem Transportmedium
oder notfalls trockene Tupfer mit kleiner Menge NaCl-Lösung; keine Agar-Tupfer).
Anschließend wird das Material mittels RT-CPR auf Vorliegen von Virus-RNA untersucht
[24]. Bei längerer Aufbewahrungszeit sollte das Material bei 4 °C gelagert werden.
Entsprechend den Empfehlungen des RKI (www.rki.de/covid-19-falldefinition; Stand: 28.03.2020) sollen prinzipiell symptomatische Personen sowie Personen, bei
denen im Rahmen einer differenzialdiagnostischen Abklärung ein Verdacht besteht, getestet
werden.
Ein klinischer Verdacht besteht aufgrund von Anamnese, Symptomen oder Befunden, die
mit einer COVID-19-Erkrankung vereinbar sind und wenn eine Diagnose für eine andere
Erkrankung fehlt, die das Krankheitsbild ausreichend erklärt [25].
In der Praxis stellt sich bei medizinischem Personal immer wieder die Frage, welche
Kontakte zu einer Testung führen sollten.
Kontaktpersonen 1. Grades sind definiert als Personen, die kumulativ einen mindestens
15-minütigen Gesichtskontakt zu gesicherten COVID-19-Patienten hatten, z. B. im Rahmen
eines Gesprächs [25]. Diese Personen sollen zunächst in eine 14-tägige häusliche Quarantäne geschickt
werden. Bei medizinischem Personal wurde eine weitere Unterteilung in Kontaktpersonen
der Kategorie Ia und Ib durchgeführt.
Ein Kategorie-Ia-Kontakt liegt demnach bei Personen mit hohem Expositionsrisiko vor,
z. B. bei ungeschützter, relevanter Exposition zu Sekreten und Exposition gegenüber
Aerosolen von COVID-19-Patienten (Intubation und Extubation des Patienten, Bronchoskopie,
Absaugung, Verneblung, manuelle Beatmung vor ITN, Verbringen des Patienten in Bauchlage,
NIV, Tracheotomie und kardiopulmonale Wiederbelebung) [26]. Diese Personengruppe soll normalerweise in eine 14-tägige, häusliche Quarantäne
geschickt werden. Da medizinisches Personal eine sehr knappe Ressource darstellt,
hat das RKI bei relevantem Personalmangel für diese Personengruppe eine verkürzte
Isolation von 7 Tagen empfohlen.
Personal der Kontaktkategorie Ib hatte Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall
im Rahmen von Pflege oder medizinischer Untersuchung (> 15 min, ≤ 2 m) ohne verwendete
Schutzausrüstung, aber ohne Beteiligung an einer Risikoprozedur. Diese Personengruppe
kann bei Personalmangel unter Verwendung eines Mund-Nasen-Schutzes für 14 Tage unmittelbar
weiterarbeiten.
Bei Kontaktpersonen 3. Grades, z. B. medizinisches Personal, das sich ohne Verwendung
adäquater Schutzbekleidung im selben Raum wie ein bestätigter COVID-19-Fall aufhielt,
aber eine Distanz von 2 Metern nie unterschritten hat und keinen direkten Kontakt
mit Sekreten oder Ausscheidungen des Patienten und keine Aerosolexposition hatte,
oder medizinisches Personal mit Kontakt ≤ 2 m, wenn eine adäquate Schutzbekleidung
während der gesamten Zeit des Kontakts getragen wurde, sind keine besonderen Vorkehrungen
erforderlich [26].
Die Übersicht fasst die Kontaktkategorien und das Vorgehen zusammen.
Übersicht
Die 3 Kontaktkategorien des medizinischen Personals
Bei medizinischem Personal werden 3 Kontaktkategorien unterschieden.
Kategorie Ia
Risikokontakt mit Aerosolproduktion.
→ Bei Personalmangel 7 Tage häusliche Isolation, dann Testung.
Kategorie Ib
Risikokontakt ohne Aerosolexposition, Distanz zum Patienten < 2 Meter, Kontaktdauer
> 15 Minuten.
→ Bei Personalmangel unmittelbar mit Mund-Nasen-Schutz am Patienten einsetzbar.
Kategorie III
Kein Aerosolkontakt, Distanz zum Patienten > 2 Meter, Kontaktdauer < 15 Minuten oder
Aerosol + adäquate Schutzausrüstung.
→ Keine besonderen Maßnahmen erforderlich.
Hygienemaßnahmen
Cave
Daten aus Wuhan und Italien zeigen, dass sich ca. 4 – 20% des medizinischen Personals
während der Versorgung von COVID-19-Patienten selbst infiziert haben [18], [27].
Insofern kommt neben einer strikten Beachtung der Basishygiene einer adäquaten Ausstattung
des Personals mit Schutzausrüstung eine entscheidende Bedeutung zu. Aufgrund der hohen
Kontagiosität wird die Verwendung einer FFP2/FFP3-(Face Filtering Piece-)Maske bei
allen Verrichtungen am Patienten mit Aerosolbildung empfohlen. Außerdem müssen eine
Schutzbrille und eine wasserdichte Schürze oder ein wasserdichter Kittel getragen
werden [28].
FFP-Masken der Klassen 2 und 3 zeichnen sich durch eine sehr niedrige Gesamtleckage
aus, was ihre gute Schutzwirkung gegen Aerosole („Tröpfcheninfektion“) erklärt; andererseits
ist eine Arbeit mit FFP2/FFP3-Atemschutz wegen des hohen Widerstands nur für einen
begrenzten Zeitraum möglich [29].
Da im Rahmen der Pandemie mit einer unzureichenden Versorgung mit FFP2/FFP3-Masken
gerechnet werden muss, muss im Notfall auch über alternative Konzepte nachgedacht
werden. Die Surviving Sepsis Campaign (SSC) zitiert in ihren kürzlich publizierten
Empfehlungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 eine aktuelle Metaanalyse,
in der keine Überlegenheit von speziellen „respiratory masks“ (analog unseren FFP2/FFP3-Masken)
gegenüber konventionellem Mund-Nasen-Schutz bezüglich einer Ansteckung von medizinischem
Personal, das infektiöse Patienten betreut hatte, gefunden werden konnte [30]. Auch in einer randomisierten Studie zur Behandlung von Patienten, unter denen sich
auch solche mit Coronavirusinfektion befanden, war der Mund-Nasen-Schutz der N95-Spezialmaske
nicht unterlegen [31]. Insofern könnte in Ausnahmesituationen zumindest bei spontan atmenden Patienten
eine Ausstattung von Patient und medizinischem Personal mit Mund-Nasen-Schutz das Ansteckungsrisiko für die Mitarbeiter
sinnvoll vermindern.
Demgegenüber ist bei allen Aerosol produzierenden Maßnahmen das Tragen mindestens
einer FFP2-Maske, besser einer FFP3-Maske (s. o.), zum Selbstschutz unbedingt erforderlich.
Detaillierte Empfehlungen hat z. B. die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und
Beatmungsmedizin kürzlich publiziert [32]. Zur Verminderung des Verbrauchs an FFP2/FFP3-Masken wird empfohlen, mit einer persönlichen
Schutzausrüstung (PSA) möglichst viele Verrichtungen am Patienten zu erledigen. Bei
Kohortierung können auch mehrere Patienten mit einer PSA versorgt werden. Zwischen
den Patientenkontakten kann die FFP-Maske z. B. zwischen 2 keimarmen Nierenschalen
aus Pappe gelagert werden, wenn eine Kontamination der Maskeninnenseite sicher ausgeschlossen
werden kann.
Nicht zuletzt wird derzeit die Wiederaufbereitung benutzter FFP3-Masken durch geeignete
Aufbereitung erprobt, um trotz erhöhtem Verbrauch im Rahmen der Pandemie jederzeit
eine adäquate Ausstattung der Mitarbeiter mit PSA sicherstellen zu können. Ob die
Masken nach Aufbereitung weiter ihre Funktion erfüllen, muss vor Freigabe noch getestet
werden.
Therapie
Bei ca. 20% der Patienten kommt es zu einer schwereren Symptomatik ([Tab. 1]), bei ca. 5% ist eine Intensivtherapie erforderlich. Die Lunge reagiert auf das
schädigende Agens SARS-CoV-2 ähnlich wie auf andere Viren, die das respiratorische
System befallen. Es zeigen sich pathophysiologische Veränderungen, die von Patienten
mit Influenza- oder SARS-Viruspneumonien bekannt sind. Das bedeutet konkret, dass
die Behandlung von Patienten mit COVID-19 zuallererst auf „Best Standard Care“ beruht,
also auf einer optimalen Anwendung evidenzbasierter Therapieempfehlungen, die für
die Therapie des akuten Lungenversagens (Acute respiratory Distress Syndrome, ARDS)
erarbeitet wurden [33].
Die anlässlich der Coronapandemie ganz aktuell publizierten Empfehlungen der Surviving
Sepsis Campaign (SSC) umfassen insgesamt 50 Aussagen, die mit unterschiedlichem Empfehlungsgrad
versehen wurden [34].
Eine starke Empfehlung wurde nur ausgesprochen für folgende Maßnahmen (s. a. [Abb. 1]):
Abb. 1 Zusammenfassung der klinischen Handlungsempfehlungen für COVID-19-Patienten [Daten
aus: Alhazzani W, Moller MH, Arabi YM et al. Surviving Sepsis Campaign: Guidelines
on the Management of Critically Ill Adults with Coronavirus Disease 2019 (COVID-19)
(in press). doi:10.1007/s00134-020-06022-5].(Copyright © 2020 by the Society of Critical Care Medicine and the European Society
of Intensive Care Medicine)
-
Verzicht auf Dopamin,
-
lungenprotektive Ventilation: Vt 4 – 8 ml/kg ideales Körpergewicht, PEEP > 10 cm H2O, keine stufenweise Rekrutierung,
-
Sauerstoffgabe bei einer SpO2 < 90% (dabei sollte die SpO2 aber auch nicht > 96% betragen).
Weitere Maßnahmen (z. B. Lagerungstherapie, restriktive Flüssigkeitsgabe und eine
venovenöse ECMO als Notfalltherapie) können erwogen werden.
Das Vorgehen bei einer Hypoxämie zeigt [Abb. 2]. Normalerweise stellt die nichtinvasive Beatmung eine wichtige Komponente bei der
Therapie des akuten Lungenversagens dar. Allerdings geht die Anwendung von nichtinvasiver
Beatmung bzw. nasaler High-Flow-Sauerstofftherapie mit einer Aerosolbildung einher.
Abb. 2 Therapiealgorithmus für Patienten mit akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz
als Folge von COVID-19 [Daten aus: Alhazzani W, Moller MH, Arabi YM et al. Surviving
Sepsis Campaign: Guidelines on the Management of Critically Ill Adults with Coronavirus
Disease 2019 (COVID-19) (in press). doi:10.1007/s00134-020-06022-5].(Copyright © 2020 by the Society of Critical Care Medicine and the European Society
of Intensive Care Medicine)
Insofern ist bei Durchführung dieser Therapieformen auf einen optimal dichten Sitz
der nasalen High-Flow-Brille bzw. der NIV-Maske zu achten. Wenn vom Patienten toleriert,
sollten hierfür NIV-Helme bevorzugt eingesetzt werden.
Aufgrund der geschilderten Aerosolproblematik ist bei Patienten mit akuter hypoxämischer
respiratorischer Insuffizienz die Beatmung mittels Endotrachealtubus zu bevorzugen
[35].
Zur Steuerung der restriktiven Flüssigkeitstherapie kann die transpulmonale Thermodilution
(PiCCO2, Pulsion-Maquet bzw. EV1000, Edwards Life Sciences) genutzt werden, die auch
eine Bestimmung des extravasalen Lungenwassers erlaubt, das im Rahmen eines akuten
Lungenversagens auch von prognostischer Bedeutung ist [36], [37].
Zur Fiebersenkung können Paracetamol oder Metamizol verwendet werden. Die Datenlage
zu Ibuprofen ist trotz Rücknahme der WHO-Warnung unklar, NSAID sind auf jeden Fall
mit einer erhöhten Blutungsneigung assoziiert [38].
Experimentelle Verfahren
Jenseits von „Best Standard Care“ ist allerdings auch das Interesse an neuen bzw.
experimentellen Behandlungsverfahren sehr groß, obwohl für die allermeisten neuen
Verfahren aktuell noch keine Daten vorliegen. Eine ganz aktuell publizierte Verwendung
einer Kombination aus Lopinavir und Ritonavir konnte bei COVID-19-Patienten keinen
Überlebensvorteil zeigen [39].
Remdesivir (pharmazeutischer Unternehmer: Gilead Sciences, Inc.) als weitere, antiviral
wirksame Substanz wurde ursprünglich zur Therapie bei Infektionen durch das Ebolavirus
entwickelt. Seine Wirksamkeit deckt ein breites Spektrum unterschiedlicher Viren ab,
darunter Filoviren, Paramyxoviren, Pneumoviren, und pathogene Coronaviren [40]. In mit Middle-East-respiratory-Syndrome-Coronaviren beimpften Zellkulturen war
es der Kombination aus Lopinavir/Ritonavir überlegen [30]. Erste Daten aus China werden für Anfang April erwartet. Allerdings ist die Substanz
derzeit in Deutschland außerhalb von kontrollierten Studien nicht erhältlich.
Schon früher bestand Interesse an Chloroquin als möglicherweise antiviral wirksamer
Substanz; positive Resultate in Zellkulturen und Tierexperimenten konnten jedoch nicht
in der klinischen Praxis verifiziert werden [41]. Aktuell existiert ein Letter to the Editor [42], in dem von positiven Effekten bei 100 Patienten im Rahmen einer chinesischen Multicenterstudie
berichtet wird. In der Verumgruppe seien die Exazerbation der Pneumonie verhindert,
die Befunde der radiologischen Bildgebung verbessert und der Krankheitsverlauf insgesamt
verkürzt worden. Relevante Nebenwirkungen seien nicht aufgetreten. Eine Peer reviewed
Publikation dazu liegt derzeit nicht vor; in einer Übersichtsarbeit wird empfohlen,
Chloroquin nur unter den Bedingungen des „monitored Emergency Use of unregistered
Interventions“ einzusetzen [43].
Evidenzbasiert kann für keine dieser Therapien derzeit eine Empfehlung ausgesprochen
werden. In jedem Fall ist vor Verwendung einer Substanz als Off-Label Use eine individuelle
Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich, da auch die jeweiligen Nebenwirkungen beachtet
werden müssen [44].
Großes Interesse besteht auch bezüglich einer Notfalltherapie mittels extrakorporaler
Membranoxygenierung (ECMO) [45]. Dieses Therapieverfahren ist mittlerweile in der Behandlung des therapierefraktären
Lungenversagens als venovenöses Verfahren (vv-ECMO) etabliert und scheint zumindest
in einer Subgruppe mit einem Überlebensvorteil assoziiert zu sein [46], [47]. Einigkeit besteht darin, dass diese Therapie nur in erfahrenen Zentren durchgeführt
werden sollte. Analog zu anderen Mindestmengen in der Medizin scheint eine Zahl von
mindestens 20 venovenösen ECMO-Runs pro Jahr hier ein sinnvolles Eingangskriterium
zu sein [20].
Eine kleine Subgruppe von COVID-19-Patienten erleidet während der Infektion einen
sog. Zytokinsturm, der durch die überschießende und exzessive Freisetzung von proinflammatorischen
Zytokinen (z. B. IL-2, IL-7, Interferon-γ, TNF-α) ausgelöst wird [22]. In dieser Subgruppe waren außerdem das Serum-Ferritin und IL-6 bei Verstorbenen
signifikant erhöht [48]. Diese Beobachtung ist die Rationale für eine antiinflammatorische Therapie mit
z. B. Interferon β-1b, dem IL-1-Blocker Anakinra, dem IL-6-Rezeptorblocker Tocilizumab
und Kortikosteroiden. Evidenzbasierte Daten existieren für keine der hier erwähnten
therapeutischen Alternativen; Kortikosteroide können – analog zu den Empfehlungen
zur Therapie des septischen Schocks – bei Patienten mit sehr hohen Vasopressor-Dosen
im Rahmen einer Hydrokortisontherapie (200 mg/24 h) erwogen werden.
Bei Patienten im septischen Schock mit hohen Zytokinkonzentrationen (z. B. ab einem
IL-6 ≥ 1000 pg/ml) konnte in Fallserien das Outcome durch die Verwendung eines Zytokinfilters
(Cytosorbents, Berlin) verbessert werden [49]. Voraussetzung ist ein extrakorporaler Kreislauf (Hämofiltration und/oder ECMO),
in den der Filter eingebaut werden kann. Bei Patienten, die obige Voraussetzungen
erfüllen, könnte die Zytokinentfernung eine interessante Therapieoption darstellen.
Auf eine Anpassung der Antibiotikadosierungen ist ggf. zu achten.
Kernaussagen
-
COVID-19 ist eine neuartige virale Erkrankung, die die Atemwege befällt. Aktuell verfügbare
Daten legen nahe, dass es in ca. 20% der Fälle es zu einem schwereren Krankheitsverlauf
kommt, der in ca. 5% aller Fälle auch intensivmedizinische Maßnahmen erforderlich
macht. Die Letalität beträgt zwischen 1 und 2% aller Erkrankten.
-
Eigenschutz des Personals ist essenziell, um eine nosokomiale Infektion zu vermeiden.
Bei allen Aerosol produzierenden Maßnahmen ist daher eine Schutzausrüstung mit FFP2/FFP3-Maske,
Schutzbrille und flüssigkeitsdichtem Kittel zu tragen.
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Die Therapie intensivpflichtiger Patienten mit Lungenversagen basiert auf den etablierten
Empfehlungen der Fachgesellschaften zur Behandlung von Patienten mit ARDS. Lungenprotektive
Ventilation, Lagerungstherapie, restriktive Flüssigkeitsgabe und adäquate Beherrschung
weiterer Organinsuffizienzen stehen hier im Mittelpunkt. Wenn eine Behandlung mittels
extrakorporaler Membranoxygenierung nötig ist, sollte die Behandlung in erfahrenen
Zentren durchgeführt werden.
-
Neue und experimentelle Therapieoptionen mit unterschiedlichsten Angriffspunkten werden
zunehmend diskutiert; evidenzbasiert kann für keine dieser Therapien derzeit eine
Empfehlung ausgesprochen werden. In jedem Fall ist vor Verwendung einer Substanz als
Off-Label Use eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich, da auch die jeweiligen
Nebenwirkungen beachtet werden müssen.
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