Aktuelle Dermatologie 2020; 46(12): 528-531
DOI: 10.1055/a-1160-9873
Fehler und Irrtümer in der Dermatologie

Nichterkennung einer Skabies trotz positiver Familienanamnese

Non-recognition of Scabies Despite a Positive Family History
P. Elsner
1   Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena
,
J. Meyer
2   Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Bei einer Patientin wurde von einem Dermatologen trotz mehrfacher Konsultationen eine Skabies nicht diagnostiziert, obgleich die Tochter der Patientin von eben diesem Dermatologen zeitnah unter der Diagnose einer Skabies behandelt worden war. Erst nachdem die Patientin mit verschlechtertem Hautzustand in einer Hautklinik stationär aufgenommen wurde, erfolgte die korrekte Diagnosestellung und Therapie. Die Schlichtungsstelle bewertete die Nichtberücksichtigung der positiven Familienanamnese für Skabies als vorwerfbaren Diagnosefehler.

Bei pruriginösen Erkrankungen unklarer Genese sollte stets auch an eine Skabies gedacht und eine Familienanamnese erhoben werden. Falls diese positiv ist, sind die Familienangehörigen als Kontaktpersonen, d. h. Personen mit längerem Kontakt zu Patienten mit gewöhnlicher Skabies oder Personen auch mit nur kurzem Kontakt zu Patienten mit Scabies crustosa, zu behandeln. Diese erhalten zumindest eine einmalige Sicherheitsbehandlung mit Permethrin, dem aktuellen Behandlungsstandard.


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Abstract

A patient was not diagnosed with scabies by a dermatologist despite several consultations, although the patientʼs daughter was treated by the same dermatologist at the same time under the diagnosis of scabies. Only after the patient was admitted to a Department of Dermatology because of a worsened skin condition, the correct diagnosis was made and therapy was started. The Independent Medical Expert Council (IMEC) assessed the non-consideration of the positive family history for scabies as an accusable diagnostic error.

In the case of pruriginous diseases of unclear genesis, scabies should always be considered and a family history should be taken. If this is positive, family members should be treated as contact persons, i. e. persons with longer contact to patients with common scabies or persons with short contact to patients with scabies crustosa. These persons should receive at least one safety treatment with permethrin, the current standard for the management of scabies.


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Klinischer Fall

Aus den von der Schlichtungsstelle herangezogenen Krankenunterlagen, auch der vor- und nachbehandelnden Ärzte, ergab sich folgender Krankheits- und Behandlungsverlauf:

2010 erfolgte in einer Hautarztpraxis eine einmalige Konsultation der Patientin unter den Diagnosen „Hyperhidrose der Füße“ und „Handekzem rechts“.

2013 wurde die Patientin erneut in der Praxis vorstellig. Laut Arztdokumentation sind erythrosquamöse Hautveränderungen im Bereich der Hände und Unterarme, verbunden mit Juckreiz, aktenkundig. Eine ursächliche Einordnung der Diagnose Handekzem war laut Patientenkartei nicht möglich. Die Therapie erfolgte mittels topischer Glukokortikosteroide. Bei Wiedervorstellung nach 6 Wochen waren klinisch urtikarielle Hautveränderungen vorherrschend. Die Möglichkeit der Verursachung durch Schokoladeninhaltsstoffe wurde dokumentiert (IgE-Laborbefunde negativ) und eine Antihistaminikatherapie rezeptiert. Bei erneuter Konsultation 4 Wochen später wurden neu aufgetretene Papeln im Sinne einer Follikulitis, besonders im Oberschenkelbereich, diagnostiziert, die mittels Dermatoskopie unauffällig beurteilt wurden. Laut Patientenkartei wurde zur weiteren Diagnostik durch den Hautarzt eine Hautbiopsie bei Nichtabheilung in Erwägung gezogen und die Externa-Therapie mit Clobegalen durchgeführt. Weitere diagnostische Maßnahmen bzw. anamnestische Angaben u. a. zu einer vom Hautarzt behandelten Erkrankung der Tochter sind in diesem Zeitraum nicht aktenkundig.

Aufgrund des Nichtabheilens erfolgte nach Hausarzteinweisung 2 Wochen später die stationäre Behandlung in einer Hautklinik mit der laut Arztbericht aufgeführten Diagnose „generalisiertes Ekzem bei Skabies mit ausgeprägten Pruritus“. Bei Aufnahme lag ein Befund multipler Papeln, besonders im Leistenbereich, vor. Durch dermatoskopische Befunderhebung im Stammbereich wurde die Diagnose Skabies gesichert. Eine wiederholte antiskabiöse Therapie und nachfolgend antiekzematöse Behandlungen wurden durchgeführt. Eine intensive Aufklärung zu Hygienemaßnahmen ist im Arztbericht festgehalten. Im gleichen Zeitraum wurde die Tochter der Patientin aufgrund der Skabies stationär nochmals mitbehandelt.

Nachfolgend wurde laut hausärztlicher Dokumentation die Lokaltherapie postskabiöser Hautveränderungen über 4 Wochen fortgeführt.


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Konsequenzen für die Patientin

Die Patientin bemängelte die Behandlung durch den Hautarzt und war der Ansicht, dass das medizinische Vorgehen nicht korrekt gewesen sei. Durch das Nichterkennen einer Infektionserkrankung und Falschbehandlung sei es zu einer zunehmenden Verschlechterung der Hauterkrankung gekommen, sodass eine stationäre Diagnostik und Therapie erforderlich wurden.


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Stellungnahme des Hautarztes

Zu dem Vorwurf fehlerhaften Handelns wurde vom Hautarzt entgegnet, dass sich der bei Erstvorstellung initial klinisch ekzematöse Hautbefund bei den Wiedervorstellungen gewandelt hätte. Da topische Externa nicht zum Erfolg geführt hätten, sei eine diagnostische Biopsie empfohlen worden, die patientenseits nicht gewünscht worden sei. Die vorliegenden Hautveränderungen sowie die negative Dermatoskopie hätten ihrerseits keinen Hinweis für eine Skabies ergeben.


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Sachverständigen-Gutachten und Stellungnahmen der Beteiligten

Der beauftragte dermatologische Gutachter hat nach Darstellung des Sachverhaltes folgende Kernaussagen getroffen: In einem Zeitraum von mehr als 2 Monaten seien bei 3-maligen Konsultationen in der Praxis des Hautarztes klinisch gewandelte morphologische Hautveränderungen dokumentiert, die als ekzematöse Hauterkrankungen eingeordnet worden seien. Die geschilderten klinischen Hautbefunde seien gemäß Standard behandelt worden. Die Allergiediagnostik zum Ausschluss eines allergischen Geschehens sei fachgerecht erfolgt. Nach Ausführungen des Hautarztes sei eine dermatoskopische Untersuchung, die zum Ausschluss einer Skabies erforderlich sei, mehrfach durchgeführt worden. Es seien keine Zeichen einer Skabies für ihn erkennbar gewesen. Folgerichtig sei aufgrund ungeklärter Ursache bei der 3. Konsultation eine Hautbiopsie vorgeschlagen worden.

Nach vorliegenden Unterlagen sei eine genaue Verteilung der klinischen Hautveränderungen nicht nachvollziehbar, sodass die klinische Symptomeinordnung nicht sicher zu bewerten sei. Die Diagnosestellung einer Skabies erfolge nicht selten mit Zeitverzug, da das klinische Bild nicht immer eindeutig sei. Nach den zu bewertenden Hauterscheinungen und gemäß Stellungnahme des Hautarztes zur Durchführung der Dermatoskopie zu den entsprechenden Untersuchungszeiten sei die Diagnostik standardgemäß erfolgt. Bei der Diagnose einer Erkrankung des ekzematösen Formenkreises sei die Behandlung mit antientzündlichen Kortikoiden standardgemäß erfolgt.

Zu dem Gutachten ließ die Patientin vortragen, dass keinerlei Untersuchungen, einschließlich mikroskopischer Diagnostik, vorgenommen worden seien. Eine ärztliche Dokumentation sei nicht vorgelegt worden, sodass diese als nicht durchgeführt gelte. Bei Erhebung der medizinisch gebotenen Befunde hätte die Skabieserkrankung zu einem früheren Zeitpunkt in Betracht gezogen und ausgeschlossen werden müssen. Der Aussage des Gutachters, dass aufgrund der klinischen Befunde eine infektiöse Hauterkrankung nicht erkannt werden konnte, werde widersprochen.

Zu dem Gutachten wurde hautärztlicherseits dargelegt, dass die Patientenkartei dem Gutachter zur Verfügung gestellt worden sei und dass davon auszugehen sei, dass diese in der gutachterlichen Bewertung Berücksichtigung gefunden habe.


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Stellungnahme der Schlichtungsstelle

In Würdigung der medizinischen Dokumentation, der Stellungnahmen der Beteiligten und der gutachterlichen Erwägungen schloss sich die Schlichtungsstelle im Hinblick auf die Fehlerfrage im Ergebnis dem medizinischen Gutachten nicht an, weil dem Gutachter nicht alle entscheidungserheblichen Dokumente vorlagen.

Die Patientin war im Zeitraum von mehr als 2 Monaten bei dem angeschuldigten Hautarzt 3-mal vorstellig. Laut Krankenkartei wurden gewandelte morphologische Hautbefunde dokumentiert, die bei alleiniger Berücksichtigung des klinischen Bildes die diagnostische Einordnung in eine Erkrankung des ekzematösen Formenkreises nachvollziehbar stellen lassen. Eine Skabieserkrankung besonders zu Krankheitsbeginn weist nicht selten kein typisches klinisches Vollbild auf bzw. kann bei guten hygienischen Verhältnissen maskierte klinische Hautveränderungen aufweisen, sodass die dokumentierten Hautbefunde keinen sicheren Hinweis für eine Skabieserkrankung aufweisen müssen. Eine Dokumentation, welche Lokalisationen des Gesamtintegumentes befallen waren bzw. ob eine Gesamtinspektion des Integumentes erfolgte, war nicht aktenkundig. Somit war die Bewertung des klinischen Hautbefundes begrenzt.

Die zu einem Ausschluss einer Skabieserkrankung fachstandardgerechte mikrobiologische Diagnostik erfolgte mittels Dermatoskopie aktenkundig bei der letzten Konsultation der Patientin. Ausweislich der Dokumentation war der Dermatoskopiebefund negativ. Dass darüber hinaus zu anderen Terminen weitere Untersuchungen, wie durch die Stellungnahme des Hautarztes oder im Gutachten ausgeführt, erfolgt und hierbei verschiedene Hautlokalisationen dermatoskopisch untersucht worden wären, ist nicht dokumentiert. Derartige Untersuchungen dienen der Differenzialdiagnostik, da besonders an stark ekzematösen Bereichen bzw. durch Kratzeffekte typische Gangformationen bzw. der Milbennachweis erschwert seien können. Aufgrund des dokumentierten negativen Dermatoskopiebefundes bei der Letztkonsultation kann dem Hautarzt jedoch die Unterlassung einer dahingehenden Skabiesdiagnostik nicht zur Last gelegt werden, derartige Untersuchungen waren zu den früheren Konsultationszeitpunkten nicht zwingend indiziert.

Fehlerhaft habe der Hautarzt in der Diagnosestellung jedoch nicht berücksichtigt, dass er im Zeitraum unmittelbar vor der Erstkonsultation der Patientin in seiner Praxis auch die Tochter der Patientin unter der Diagnose Skabies behandelte. Laut Patientenkartei liegt keine Dokumentation zu einer Anamneseerhebung bzw. erfolgter Umgebungsbehandlung einer Skabies vor. Bei Berücksichtigung der Angabe einer Akuterkrankung der Haut bei der Patientin, unklarer ätiologischer Einordnung sowie vorliegender Kenntnis einer Skabieserkrankung in der Familie wäre eine frühere Infektionsdiagnostik naheliegend indiziert gewesen bzw. war die Erwägung einer Familienmitbehandlung einzubeziehen. Bei vorliegendem anamnestischen Kenntnisstand ist das Nichterkennen einer Skabiesinfektion als vermeidbarer Diagnosefehler zu bewerten.

Bei korrektem Vorgehen wäre nach ärztlicher Erfahrung mit folgendem Verlauf zu rechnen gewesen:

Es wäre frühzeitig die richtige Diagnosestellung und eine antiinfektiöse Therapie erfolgt. Mit einem Abklingen der Beschwerden wäre binnen ca. 28 Tagen zu rechnen gewesen. Fehlerbedingt kam es zu einer Verschlechterung des Hautzustandes mit einhergehenden vermehrten Beschwerden, die einen stationären Aufenthalt im Zeitraum erforderlich machte. Ein Dauerschaden ist nicht eingetreten.

Die Schlichtungsstelle hielt Schadensersatzansprüche für begründet und empfahl, die Frage einer außergerichtlichen Regulierung zu prüfen.


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Medizinische und rechtliche Interpretation

Die Skabies ist eine durch die Krätzemilbe Sarcoptes scabiei var. hominis ([Abb. 1]) hervorgerufene Infektionskrankheit des Menschen, die weltweit vorkommt und Menschen jeden Alters betrifft [1] [2].

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Abb. 1 Weibliche Skabiesmilbe (Vergr. 10 × 0,63).

Die Milbe ist ausschließlich auf den Menschen als Wirt spezialisiert [2]. Die weiblichen Krätzemilben graben sich in das Stratum corneum ein. Tiefere epidermale Schichten werden nicht penetriert. Sie legen in den Gängen täglich 2 – 3 Eier ab und scheiden Kotballen (Skybala) aus [3]. Bei infizierten immunkompetenten Personen sind nur etwa 10 – 50 lebende Milbenweibchen vorhanden; bei einer „Scabies norvegica“ kann die Zahl der Milben auf mehrere Hundert ansteigen [2].

Die Übertragung der Skabies erfolgt hauptsächlich direkt von Mensch zu Mensch durch engen Hautkontakt [2]. Unter optimalen Bedingungen (z. B. niedriger Temperatur, hoher Luftfeuchtigkeit) können die Milben wenige Tage in der Umwelt ohne Wirt überleben [3].

Zwischen Erstinfektion und Auftreten der Symptome vergehen typischerweise mehrere Wochen [3]. Gegen Milbenprodukte (Skybala) tritt eine Ekzemreaktion (Spätreaktion vom Typ IV nach Gell und Coombs) mit der Bildung von kleinen Papeln und Papulovesikeln auf [3]. Der Verlauf ist geprägt durch starken Juckreiz, der sich insbesondere nachts steigert. An der Haut zeigen sich erythematöse, meist striär angeordnete Papeln und kratzbedingte Exkoriationen ([Abb. 2]), die zu bakteriellen Sekundärinfektionen führen können.

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Abb. 2 Skabies im Handbereich (Foto nicht vom berichteten Fall).

Die Diagnose wird durch den Nachweis eines Milbengangs, von Eiern oder Skybala gesichert [2]. Auflichtmikroskopisch lassen sich Skabiesmilben nachweisen. Am Ende eines Milbenganges zeigt sich ein bräunliches Dreieck, das dermatoskopische Korrelat des Vorderleibes der Milbe [4]. Milbengänge können auch dargestellt werden durch Auftupfen von Farbstoff mit einem Filzschreiber und Applikation eines Tropfens Alkohol. Durch Kapillarkräfte zieht die Farbe in den Gang, der Überschuss wird abgewischt [3]. Auch in der konventionellen histologischen Untersuchung aus einer Hautbiopsie lässt sich ggf. die Skabiesmilbe nachweisen.

Zur Diagnose der Skabies führt die aktuelle deutsche Leitlinie aus:

„Die Verdachtsdiagnose wird gestellt bei starkem Juckreiz und den oben genannten klinischen Symptomen im Zusammenhang mit anamnestischen Angaben über mögliche Expositionen. Die Verdachtsdiagnose kann durch mehrere Verfahren gesichert werden“ [2]. Als mögliche Verfahren werden genannt der mikroskopische Nachweis von Milben aus einem Kratzpräparat, der Klebebandtest und die Dermatoskopie [2]. Die histologische Untersuchung einer Biopsie zur Diagnose einer Skabies wird als i. d. R. nicht geeignet eingeschätzt, da andere Nachweismethoden einfacher durchzuführen sind [2]. Wie häufig bei wiederholten Konsultationen die genannten Nachweisverfahren durchzuführen sind, wird in der Leitlinie nicht erörtert; bei fortbestehendem Verdacht auf eine Skabies dürfte jedoch zu empfehlen sein, wiederholt nach Milben oder Milbengängen zu suchen.

Die Leitlinie weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass eine Skabies bei jeder juckenden Dermatose in Betracht gezogen werden sollte, deren Hautveränderungen nicht sicher einer anderen Erkrankung zugeordnet werden können, und insbesondere dann, wenn Juckreiz und Hautveränderungen auch bei anderen Familienmitgliedern bestehen [2]. Eine italienische epidemiologische Studie zur Skabies zeigte, dass die Ausbrüche dort v. a. innerhalb Familien und Mitgliedern des gemeinsamen Haushaltes auftraten, wie dies auch die Erfahrung vieler dermatologischer Kliniken in Deutschland bestätigt, ohne dass systematische Studien vorliegen [5]. So wurden dort bei der systematischen epidemiologischen Untersuchung der Familienangehörigen eines 2-jährigen Kindes 8 Scabies-Infizierte festgestellt [5].

Bei jeder mit Juckreiz verbundenen Dermatose sollte auch entsprechend der europäischen Pruritus-Leitlinie eine Familienanamnese erhoben werden, die einen Hinweis auf eine Skabies geben könnte [6]. Im vorliegenden Fall war dies offenbar nicht erfolgt, obgleich der behandelnde Hautarzt in seiner Praxis kurz vor der Patientin die Tochter der Patientin unter genau dieser Diagnose behandelt hatte.

Die Rechtsprechung ist bez. der Beurteilung von Diagnosefehlern als Behandlungsfehler zurückhaltend, weil es für den Arzt schwierig sein kann, auf der Grundlage von Anamnese und klinischem Befund eine Diagnose zu stellen.

Unterlässt es der Arzt jedoch, Befunde zu erheben, obgleich dies im konkreten Fall geboten wäre, liegt ein Befunderhebungsfehler vor, der sogar ein „grober Behandlungsfehler“ mit der Folge einer Beweislastumkehr sein könnte: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „lässt ein Verstoß des Arztes gegen die Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde im Wege der Beweiserleichterung für den Patienten zwar zunächst nur auf ein reaktionspflichtiges positives Befundergebnis schließen, wenn ein solches hinreichend wahrscheinlich war. Ein solcher Verstoß kann aber darüber hinaus auch für die Kausalitätsfrage beweiserleichternd Bedeutung gewinnen, nämlich dann, wenn im Einzelfall zugleich auf einen groben Behandlungsfehler zu schließen ist, weil sich bei der unterlassenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental fehlerhaft darstellen müsste“ [7].

Die Nichterhebung der Familienanamnese bzw. die trotz bekannter Familienanamnese einer Skabies bei der Tochter der Patientin unterbliebene systematische Diagnostik im Sinne einer Sicherung des Verdachtes auf Skabies hat die Schlichtungsstelle daher konsequenterweise als Behandlungsfehler gewertet, da bei entsprechender Diagnostik, wie sie anschließend in der Hautklinik erfolgte, die Diagnose Skabies hätte gestellt und eine adäquate Therapie hätte eingeleitet werden können.

Take Home Message

Bei pruriginösen Erkrankungen unklarer Genese sollte stets auch an eine Skabies gedacht und eine Familienanamnese erhoben werden. Falls diese positiv ist, sind die Familienangehörigen als Kontaktpersonen, d. h. Personen mit längerem Kontakt zu Patienten mit gewöhnlicher Skabies oder Personen auch mit nur kurzem Kontakt zu Patienten mit Scabies crustosa, zu behandeln. Diese erhalten zumindest eine einmalige Sicherheitsbehandlung mit Permethrin. Obgleich eine einzige Behandlung für viele Patienten ausreichend sein kann, wird inzwischen eine Wiederholungsbehandlung mit Permethrin oder Ivermectin nach 7 – 14 Tagen in Abhängigkeit von der Schwere des Befalls, des Immunstatus und der Adhärenz des Patienten oder der Familie empfohlen [8].


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

  • Literatur

  • 1 Lukács J, Schliemann S, Elsner P. Scabies as an occupational disease. Hautarzt 2015; 66: 179-183
  • 2 Sunderkötter C, Feldmeier H, Fölster-Holst R. et al. S1 guidelines on the diagnosis and treatment of scabies – short version. J Dtsch Dermatol Ges 2016; 14: 1155-1167
  • 3 Hafner C. Scabies. Hautarzt 2009; 60: 145-159, quiz 160–161
  • 4 Eigelshoven S, Hengge UR, Stege H. Clinical and therapeutic multiplicity of scabies. Hautarzt 2007; 58: 827-828
  • 5 Marotta M, Toni F, Dallolio L. et al. Management of a family outbreak of scabies with high risk of spread to other community and hospital facilities. Am J Infect Control 2018; 46: 808-813
  • 6 Weisshaar E, Szepietowski JC, Dalgard FJ. et al. European S2k Guideline on Chronic Pruritus. Acta Derm Venereol 2019; 99: 469-506
  • 7 BGH 6. Zivilsenat Entscheidung vom 06.10.1998 VI ZR 239/97.
  • 8 Sunderkötter C, Aebischer A, Neufeld M. et al. Increase of scabies in Germany and development of resistant mites? Evidence and consequences. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17: 15-23

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Peter Elsner
Klinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Jena
Erfurter Str. 35
07743 Jena
Deutschland   

Publication History

Article published online:
30 June 2020

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Lukács J, Schliemann S, Elsner P. Scabies as an occupational disease. Hautarzt 2015; 66: 179-183
  • 2 Sunderkötter C, Feldmeier H, Fölster-Holst R. et al. S1 guidelines on the diagnosis and treatment of scabies – short version. J Dtsch Dermatol Ges 2016; 14: 1155-1167
  • 3 Hafner C. Scabies. Hautarzt 2009; 60: 145-159, quiz 160–161
  • 4 Eigelshoven S, Hengge UR, Stege H. Clinical and therapeutic multiplicity of scabies. Hautarzt 2007; 58: 827-828
  • 5 Marotta M, Toni F, Dallolio L. et al. Management of a family outbreak of scabies with high risk of spread to other community and hospital facilities. Am J Infect Control 2018; 46: 808-813
  • 6 Weisshaar E, Szepietowski JC, Dalgard FJ. et al. European S2k Guideline on Chronic Pruritus. Acta Derm Venereol 2019; 99: 469-506
  • 7 BGH 6. Zivilsenat Entscheidung vom 06.10.1998 VI ZR 239/97.
  • 8 Sunderkötter C, Aebischer A, Neufeld M. et al. Increase of scabies in Germany and development of resistant mites? Evidence and consequences. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17: 15-23

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Abb. 1 Weibliche Skabiesmilbe (Vergr. 10 × 0,63).
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Abb. 2 Skabies im Handbereich (Foto nicht vom berichteten Fall).