Arthritis und Rheuma 2020; 40(04): 223-224
DOI: 10.1055/a-1161-5221
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

arthritis + rheuma

Wolfgang Rüther
,
Uta Kiltz
,
Philipp Sewerin
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Publication History

Publication Date:
20 August 2020 (online)

 

Zeitschrift für Orthopädie und Rheumatologie


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Prof. Dr. Wolfgang Rüther
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Priv.-Doz. Dr. Uta Kiltz
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Priv.-Doz. Dr. Philipp Sewerin

Kristallarthropathien

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

auch wenn die Uratgicht von der Ärzteschaft nach wie vor als eher unterdiagnostiziert gilt, sind doch die Pathophysiologie, die Diagnostik und Therapie seit Jahren gut bekannt. Ganz anders verhält es sich bei der Chondrokalzinose: Wir kennen die Entstehungsweise der Ca/P-Ablagerungen im Gelenk nicht, wir haben keine guten diagnostischen Möglichkeiten und die therapeutischen Optionen müssen sich auf Symptomtherapie beschränken.

Beiden Krankheitsbildern gemein ist, dass endoartikulären Kristallen eine Schlüsselrolle zugeschrieben wird; Kristalle sollen bei beiden Krankheitsbildern entscheidend sein für Entzündungs- und Schmerzentstehung. So sprechen wir wegen ähnlicher Symptome auch von Gicht und Pseudogicht. Sieht man davon ab, dass sich beide Krankheiten in und am Gelenk abspielen, bestehen weitere Gemeinsamkeiten aber nicht.

Rieke Alten und Max Mischkewitz geben uns einen kurzen Überblick über die Uratgicht und das praktische therapeutische Vorgehen, vor allem auch bezüglich neuer Medikationsformen. Die Leitlinien sind aktuell, also ist klar, was wann wie zu tun ist – wenn es nicht die Differenzialdignostik gäbe, die sowohl im Anfall wie bei der chronischen Arthralgie sehr schwierig sein kann.

Inna Frohne, Claudia Dechant und Oliver Sander erinnern an die Synoviadiagnostik[ 1 ]. Vieles, was hier messbar ist, bleibt diagnostisches Beiwerk. Es sind nur wenige Parameter, denen im klinischen Alltag besondere Bedeutung zukommt. Sie sind dann aussagekräftig und nicht selten diagnostisch wegweisend.

Ca/P-Ablagerungen im Gelenkknorpel (Chondrokalzinose) firmieren als Pyrophosphat-Arthropathie, als Whitlockit-, Brushit-, Oktokalziumphosphat- oder Apatit-Arthropathie, je nachdem, welches Kristall nachgewiesen wurde. Ob das jeweils abgrenzbare Krankheitsbilder mit unterschiedlicher Entstehungsgeschichte sind, wird zu Recht bezweifelt, denn man kann bei näherer Betrachtung neben dem im Mikroskop leicht erkennbaren Pyrophosphat gleichzeitig auch basische Kalziumphosphate mit ihren verschiedenen Kristallformationen finden, die sich aber nicht im Lichtmikroskop erkennen lassen, sie sind zu klein – und nur das Pyrophosphat sticht ins Auge.

Kalziumphosphate sind – anders als Urate – „röntgendicht“. Größere Ca/P-Depots sieht man leicht im Röntgenbild des Kniegelenkes, gleichgroße Depots im Hüftgelenk sieht man nicht, weil sie in den knöchernen Überlagerungen untergehen. So entsteht eine landläufige Auffassung, die Chondrokalzinose sei eine Krankheit des Kniegelenkes. Chondrokalzinosen sind an den großen Gelenken aber in etwa gleich häufig. Das CT löst nicht hoch genug auf, im MRT gibt Ca/P kein Signal, das Serumlabor ist bezüglich der Chondrokalzinose unergiebig und für die Lichtmikroskopie des Punktates sind die Kristalle zu klein. Die Diagnostik der Chondrokalzinose ist ein Problem, vor allem in den früheren Stadien.

Andreas Niemeier schreibt zur Chondrokalzinose aus der Sicht des Klinikers, Jessica Bertrand aus der Sicht der Grundlagenforscherin. Beide Autoren liefern aktuelle Übersichten aus allererster Hand, beide Autoren arbeiten mit ihren Teams seit Jahren an der Chondrokalzinose.

Veit Krenn hat mit seinen Mitarbeitern verschiedene Algorithmen zur histopathologischen Diagnostik der Gelenkkrankheiten entwickelt, die internationale Beachtung finden. Hier stellt er seinen „Partikel-Algorithmus“ vor, der die Kristalle beinhaltet. Derartige Standards legen den Grundstein dafür, dass die Histopathologie in der Diagnostik der Gelenkkrankheiten wieder größere Bedeutung erlangen kann.

Bei der Hämochromatose handelt es sich um ein relativ häufiges Krankheitsbild, das nicht selten erst durch Ca/P-Depositionen an charakteristischen Gelenken erkannt wird. Der Arzt sollte differenzialdiagnostische Schritte einleiten und das auffällige Röntgenbild nicht als „Chondrokalzinose“ abtun. Valentin Schäfer und Lena Hatzmann geben viele praxisnahe Informationen.

Im Übrigen: „Kalk“ ist Kalziumkarbonat. Kalziumkarbonat hat in der Humanpathologie eine untergeordnete Bedeutung und bei der Chondrokalzinose gar keine.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und aufschlussreiche Information


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1 Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel kann leider erst in der folgenden Ausgabe 5/2020 der arthritis + rheuma erscheinen.




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