Aktuelle Dermatologie 2020; 46(10): 414
DOI: 10.1055/a-1163-0050
Derma-Fokus

Neue Therapiestrategien bei autoimmunologischen Dermatosen

Vesely MD.
Getting Under the Skin: Targeting Cutaneous Autoimmune Disease.

Yale J Biol Med 2020;
93: 197-206 PMID:32226348
 

„Getting under the Skin“: Bereits in der Überschrift seines Reviews verdeutlicht Vesely, dass es sich bei Autoimmunkrankheiten der Haut nicht um lokale Probleme, sondern um systemische Dysregulationen handelt. Bisherige Therapien betrafen vor allem den Effektorarm des Immunsystems. Der Autor beobachtet einen Paradigmenshift zu Behandlungen, die in die regulatorische Seite eingreifen.


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Zur Bekämpfung von Infektionen und Tumoren bedient sich das angeborene und adaptive Immunsystem verschiedener molekularer Effektor-Mechanismen. Dies sind Antigen-präsentierende Zellen, Effektorlymphozyten, proinflammatorische Zytokine, aktivierende Rezeptoren und kostimulatorische Moleküle. Der regulatorische Arm gewährleistet die physiologische Homöostase und beugt überschießenden Immunreaktionen mit tolerogenen APC, regulatorischen T-Zellen (Breg und Treg), inhibitorischen Zytokinen, inhibitorischen Rezeptoren und Immuncheckpoint-Molekülen vor. Die innovative Therapie autoimmunologischer Hauterkrankungen mit dem Target Effektor-Arm besteht in:

  • Zytokinblockade,

  • zellulärer Depletion,

  • intrazellulärer Signalblockade und

  • kostimulatorischer Blockade.

Die Zytokinblockade hat die Behandlung der Psoriasis und Neurodermitis revolutioniert. Monoklonale Antikörper (mAb) beugen der exzessiven Aktivierung von IL-23/IL-17 respektive IL-4/IL-13/IL-31/TSLP vor. Ein Beispiel ist das von der FDA zugelassene Dupilumab, das IL-4- und IL-13-Signale unterbindet und bei der Neurodermitis effektiv ist. Das an den Interferonrezeptor bindende Anifrolumab wirkte in Studien beim kutanen Lupus. In einem präklinischen Modell konnte eine Vitiligo mit dem mAb anti-IL-15 erfolgreich behandelt werden. In Prüfung sind auch immunmodulatorische, zytokinblockierende Peptide (z. B. bei der Alopezia areata).

In der Rheumatologie hat die B-Zell-Depletion die Prognose der rheumatoiden Arthritis deutlich verbessert. Die Depletion von CD20+-Zellen mit Rituximab hat beim Pemphigus vulgaris das Behandlungsspektrum erweitert. Nachteil ist der generelle Verlust an humoraler Immunität und die fehlende Depletion von B-Vorläuferzellen. Eine Signalblockade mit JAK-STAT-Inhibitoren ist denkbar für u. a. die Alopezia areata, Vitiligo, Sarkoidose und Dermatomyositis. JAK-Inhibitoren wirkten bei der Psoriasis und atopischen Dermatitis. Eine Unterstützung der Immuncheckpoints zur Reduzierung der T-Zell-Aktivität mit Abatacept (CTLA-4-Ig) wird bei Patienten mit Alopezia areata geprüft.

Wiederherstellung des immunologischen Gleichgewichts

Die Behandlung der dermatologischen Autoimmunkrankheiten hat zunehmend die Wiederherstellung und Erhaltung des immunologischen Gleichgewichts im regulatorischen Arm zum Ziel. Die Unterstützung regulatorischer T-Zellen durch eine niedrigdosierte IL-2-Therapie wird in einer Phase-3-Studie erprobt. Der adoptive Zelltransfer mit autologen, polyklonalen Treg war bei einem Patienten mit kutanem und systemischen Lupus erythematodes effektiv. Die infundierten T-Zellen infiltrierten die entzündete Haut und supprimierten Interferon-γ-Signale. Auch beim Pemphigus vulgaris sind Treg in der Erprobung. Weiterentwicklungen sind virustransduzierte T-Zellen und autoantigenspezifische, chimäre Autoantikörper-Rezeptoren.

Eine koinhibitorische Stimulation der Immuncheckpoints PD-1, CTLA-4 oder Anti-BDCA2 wird bei der Psoriasis und dem kutanen Lupus getestet. Tolerogene Vakzinen zeigten zwar eine gewisse Wirksamkeit, seien aber wegen Epitopverschiebungen wahrscheinlich nicht langfristig wirksam.

Schließlich verweist der Autor auf die Relevanz des kutanen und intestinalen Mikrobioms. Als Biotherapie konnten bei der Neurodermitis Koagulase-negative Staphylokokken einer kutanen Dysbiose entgegenwirken (Tierexperimente). In einer kleinen Studie profitierten 3 Patienten mit Alopezia areata, die Fäkalkeime einnahmen.

Fazit

Bei der Vielfalt der modernen Therapieansätze sei es wichtig zu verstehen, ob die Behandlung Immunmechanismen entgegenwirkt oder Regulatorfunktionen unterstützt. Vasely sieht die größten Chancen für eine erfolgreiche Behandlung autoimmunologischer Dermatosen in der Kombination. Weitere Forschungsprojekte sollten sich besonders auf den regulatorischen Arm des Immunsystems fokussieren, um langfristige Krankheitsremissionen zu generieren, so der Autor.

Dr. med. Susanne Krome, Melle


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Publication History

Article published online:
12 October 2020

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