Einleitung
Immer wieder wird die Zulässigkeit der Privatliquidation ärztlicher Krankenhausleistungen[1], die von Ärzten, die nicht im Krankenhaus angestellt oder beamtet sind, erbracht
werden, angezweifelt. Es wird argumentiert, die Ärzte seien nicht in die Wahlarztkette
des § 17 Abs. 3 S. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG)[2] einbezogen oder bei den abgerechneten Leistungen handle es sich um allgemeine Krankenhausleistungen
nach § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KHEntgG[3].
Honorararzturteil des BGH
Für Honorarärzte hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits am 16.10.2014 in dem sogenannten
Honorararztfall[4] entschieden, dass diese keine wahlärztlichen Leistungen erbringen können. Diese
Entscheidung hat der BGH zuletzt mit Urteil vom 10.01.2019 noch einmal bestätigt.[5] § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG lege den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend
fest. Die Leistungserbringung durch Honorarärzte erfolge jedoch zum einen im Krankenhaus
mit den von diesem bereitgestellten Ressourcen und nicht außerhalb desselben. Zum
anderen werde durch Honorarärzte regelmäßig eine Hauptleistung als Erfüllungsgehilfe
des Krankenhauses erbracht, die nicht durch einen angestellten oder beamteten Krankenhausarzt
veranlasst worden sei.
Beschluss des LG Stade
Für einiges Aufsehen hatte zudem vor einiger Zeit ein Beschluss des Landgerichts (LG)
Stade vom 20.05.2015, gesorgt.[6] Das LG Stade hatte die Auffassung vertreten, auch bei den von einem liquidationsberechtigten
Wahlarzt des Krankenhauses veranlassten Leistungen externer Ärzte handle es sich um
allgemeine Krankenhausleistungen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 KHEntgG. Der externe Arzt
dürfe seine Leistungen dem Patienten deshalb nicht in Rechnung stellen. Wenn eine
Kooperationsvereinbarung zwischen Krankenhaus und externem Arzt bestehe, das Krankenhaus
selbst nicht über die sachlichen und personellen Mitteln verfüge, die in Rede stehende
Leistung selbst zu erbringen, oder wenn die Wahlärzte des Krankenhauses den externen
Arzt regelhaft in Anspruch nähmen, stelle sich die Veranlassung der Leistungen des
externen Arztes durch den liquidationsberechtigten Krankenhausarzt als „bloße Formalie,
die nicht mit einer einzelfallbezogenen Hinzuziehung einer externen ärztlichen Leistung
im Sinne des § 17 Abs. 3 KHEntgG gleichgesetzt werden kann“, dar. Die Entscheidung
ist vielfach kritisiert worden.[7] In ihrer Folge verweigerten jedoch private Krankenversicherungen mit dem Verweis
auf Kooperationsvereinbarungen zwischen Krankenhäusern und externen Ärzten vielfach
die Erstattung für Kosten der Leistungen externer Ärzte.
Auch wir hatten in einem Beitrag in dieser Heftreihe auf das Urteil des LG Stade hingewiesen,
mögliche Folgen für die Praxis erläutert und Gestaltungshinweise für künftige Kooperationsvereinbarungen
gegeben.[8] Aufgrund des Urteils des LG Stade war zu bezweifeln, ob bei bestehender Kooperationsvereinbarung
zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Arzt, eine Privatliquidation wahlärztlicher
Leistungen durch den externen Arzt überhaupt zulässig war. Insbesondere empfahlen
wir deshalb, darauf zu achten, in einem Kooperationsvertrag eine Unterscheidung zwischen
allgemeinen und wahlärztlichen Krankenhausleistungen abzubilden. Ein gewisses Risiko
der Nichtdurchsetzbarkeit der Liquidationsansprüche des externen Arztes bestand jedoch
weiterhin. Denn das LG Stade argumentierte u. a. mit dem Begriff Standarduntersuchung.
Eine solche läge auch bei der Leistungsanforderung durch einen liquidationsberechtigten
Krankenhausarzt bei einem externen Arzt vor und schlösse wahlärztliche Leistungen
im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG aus.
Entscheidungen der Oberlandesgerichte München und Düsseldorf
Zwei neue obergerichtliche Entscheidungen aus dem vergangenen Jahr haben sich nun
erneut mit der Abgrenzung von allgemeinen und wahlärztlichen Krankenhausleistungen
bei der Beteiligung externer Ärzte befasst. Sowohl das Oberlandesgericht (OLG) München
als auch das OLG Düsseldorf kommen dabei letztlich zu dem zutreffenden Ergebnis, dass
allein das Bestehen einer Kooperationsvereinbarung zwischen Krankenhaus und externem
Arzt wahlärztliche Leistungen nicht ausschließt und dass der externe Arzt gleichwohl
in die Wahlarztkette des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG einbezogen sein kann.
Beschluss des OLG München
In dem seinem Beschluss vom 05.11.2019[9] zugrundeliegenden Berufungsverfahren hatte sich das OLG München mit der Frage zu
befassen, ob die von einer externen radiologischen Praxis auf Anforderung eines Wahlarztes
eines Krankenhauses erbrachten Krankenhausleistungen allgemeine oder ausnahmsweise
wahlärztliche Krankenhausleistungen und als solche durch die externe radiologische
Praxis gegenüber dem Patienten bzw. dessen privater Krankenversicherung liquidierbar
waren.
Obschon in dem betreffenden Krankenhaus keine eigene radiologische Abteilung mehr
bestand, das Krankenhaus die radiologischen Leistungen also nicht mit eigenen sachlichen
und personellen Mitteln erbringen konnte, und eine Kooperationsvereinbarung zwischen
Krankenhaus und Praxis bestand, kommt das OLG München zu dem Schluss, dass eine Abrechnung
als wahlärztliche Leistung dadurch nicht ausgeschlossen, sondern aufgrund der zwischen
Patient und Krankenhaus geschlossen Wahlarztvereinbarung vielmehr geboten war. Wörtlich
führt das OLG München aus:
Die „Wahlarztkette“ wird dabei von den Versicherungsnehmern der Klägerin bei Abschluss
der entsprechenden Vereinbarung in Gang gesetzt und jede weitere im Verlauf dieser
Kette erbrachte ärztliche Leistung kann und darf nur als Wahlleistung abgerechnet
werden, § 17 III KHEntgG.
Nicht einmal, so das OLG München weiter, obliege es der beklagten Praxis, die gesamte
Wahlarztkette bzw. den Wahlarzt des Krankenhauses, der die Leistung der Praxis veranlasst
habe, mitzuteilen oder der klagenden Versicherung den Vertrag mit dem Krankenhaus
vorzulegen. Soweit die Versicherung das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einer
wahlärztlichen Leistung[10] bezweifle, könne sie – ggf. über den bei ihr Versicherten Patienten – Einsicht in
die Behandlungsdokumentation des Krankenhauses nehmen.
Urteil des OLG Düsseldorf
Der vorgenannte Beschluss des OLG München folgt damit einem Urteil des OLG Düsseldorf
vom 12.09.2019.[11]
Das OLG Düsseldorf hatte sich mit einem sehr ähnlich gelagerten Sachverhalt zu befassen.
Eine Patientin hatte mit einem Krankenhaus die Erbringung wahlärztlicher Leistungen
vereinbart. Ein liquidationsberechtigter Chefarzt des Krankenhauses veranlasste eine
Leistungserbringung durch eine externe neurochirurgische Berufsausübungsgemeinschaft.
Die Erben der Patientin weigerten sich, die Rechnung der Praxis zu begleichen; u. a.
mit Verweis auf den Beschluss des LG Stade vom 20.05.2015, weil es sich bei den Leistungen
der Praxis um allgemeine Krankenhausleistungen nach § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KHEntgG
gehandelt habe.
Das OLG Düsseldorf entschied zugunsten der Praxis. Bei dieser habe es sich um einen
Teil einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit eigener Organisation und
Verwaltung gehandelt. In der Praxis seien sowohl Patienten des Krankenhauses als auch
eigene Patienten behandelt worden. Die Patienten seien somit außerhalb des Krankenhauses
behandelt worden. Die Leistungen der Praxis seien zudem bei bestehender Wahlarztvereinbarung
von einem liquidationsberechtigten Wahlarzt des Krankenhauses veranlasst worden. In
Abgrenzung von dem Beschluss des LG Stade führt das OLG Düsseldorf aus:
Gerade weil der Gesetzgeber den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte kontinuierlich
eingeengt hat, dabei aber dem klaren Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG nach
daran festgehalten hat, dass sich eine Wahlarztvereinbarung auf die von liquidationsberechtigten
Krankenhausärzten „veranlassten“ Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen
„außerhalb“ des Krankenhauses erstreckt, besteht kein Grund, diese vom Gesetzgeber
gewählten eindeutigen Abgrenzungskriterien nicht anzuwenden […].
Der Fall sei damit auch von dem Honorararztfall des BGH abzugrenzen, in dem die Leistungen
des Honorararztes im Krankenhaus und nicht auf Veranlassung eines liquidationsberechtigten
Wahlarztes des Krankenhauses veranlasst worden seien. Die Einbeziehung der Praxis
in die Wahlarztkette sei, „dem klaren Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG folgend“
auch dann nicht abzulehnen, wenn eine Kooperation zwischen Krankenhaus und Praxis
bestehe.[12] Weil es sich deshalb bei den Leistungen der Praxis um Wahlleistungen gehandelt habe,
seien diese nicht den allgemeinen Krankenhausleistungen nach § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2
KHEntgG zuzurechnen und als Wahlleistungen zu liquidieren.
Einordnung der Entscheidungen
Die Entscheidungen des OLG München und des OLG Düsseldorf sind zu begrüßen. Aufgrund
des Beschlusses des LG Stade bestanden über mehrere Jahre erhebliche, von den privaten
Krankenversicherungen gerne ausgenutzte Unsicherheiten in Bezug auf Kooperationen
zwischen Krankenhäusern und externen Ärzten, insbesondere im Hinblick auf die Liquidation
der Leistungen der externen Ärzte. Der Beschluss des LG Stade ist durch das OLG München
und das OLG Düsseldorf nunmehr korrigiert worden. Diese Korrektur ist auch konsistent
mit einer Entscheidung des BGH vom 04.11.2011.[13] Der BGH ging in dieser Entscheidung davon aus, dass die Leistungen einer externen
Praxis, die ihre Leistungen mit eigenen persönlichen und sachlichen Mitteln auf Anforderung
der liquidationsberechtigten Ärzte des Krankenhauses erbracht hatte, von der Praxis
gegenüber dem Patienten zu liquidieren waren.
Die Oberlandesgerichte München und Düsseldorf haben die Einbeziehung externer Ärzte
in die Wahlarztkette an den klaren Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG geprüft.
Sie unterscheiden allgemeine Krankenhausleistungen nach § 2 Abs. 2 KHEntG und wahlärztliche
Leistungen nach § 17 Abs. 3 S. 1 anhand der eindeutigen vom Gesetz vorgegebenen Distinktionsmerkmalen
und kommen darüber zu dem zutreffenden Schluss, dass allein das Bestehen eines Kooperationsvertrags
zwischen externem Arzt und Krankenhaus, jedenfalls soweit der Vertrag lediglich allgemeine
Krankenhausleistungen betrifft, eine Einbeziehung eines externen Arztes in die Wahlarztkette
nicht hindert.
Folgen für die Praxis
Für die Praxis der Vertragsgestaltung bedeutet dies, dass ein genereller Vorbehalt
gegen Kooperationsverträge zwischen externen Ärzten und Krankenhäusern nicht besteht.
Von niedergelassenen Ärzten wird im Rahmen der Auseinandersetzung mit einem Patienten
über die Vergütung wahlärztlicher Leistungen aufgrund der Entscheidungen des OLG München
und des OLG Düsseldorf nicht verlangt werden können, einen etwaigen Kooperationsvertrag
mit dem Krankenhaus, mit dem der Patient die wahlärztlichen Leistungen vereinbart
hat, vorzulegen.
Dabei ist allerdings einschränkend zu beachten, dass dies wohl nur soweit gilt, wie
die Kooperation zwischen externem Arzt und Krankenhaus allgemeine Krankenhausleistungen
betrifft. Ist etwa in einem Kooperationsvertrag eine Bezugsverpflichtung auch für
wahlärztliche Leistungen enthalten oder existiert im Krankenhaus eine Dienstanweisung
an die liquidationsberechtigten Wahlärzte, die vorschreibt, bei welchen Ärzten oder
ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses welche Leistungen zu
veranlassen sind, wird dies begründete Zweifel an der Einbeziehung der externen Ärzte
in die Wahlarztkette wecken können. Das OLG Düsseldorf versteht die Wahlarztkette
nämlich ausdrücklich und nachvollziehbar als Vertrauenskette:
Indem der Gesetzgeber vom liquidationsberechtigten Krankenhausarzt veranlasste Leistungen
von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses in eine
Wahlarztkette einbezieht, gibt er zu erkennen, dass dem Vertrauen auf die besonderen
Erfahrungen und die herausgehobene Kompetenz des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes
auch dann Rechnung getragen wird, wenn dieser Arzt eine Behandlung durch Drittärzte
veranlasst, die das besondere Vertrauen des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes
genießen (Vertrauenskette).
Diese Vertrauenskette wäre wohl erheblich betroffen, wenn Umstände außerhalb der ärztlichen
Behandlung wie ein Kooperationsvertrag oder eine Dienstanweisung des Arbeitgebers
die freie Entscheidung des Wahlarztes für einen externen Leistungserbringer beeinflussten.
Deshalb ist bei bestehenden und neu zu schließenden Kooperationsverträgen zwischen
Krankenhäusern und externen Ärzten, wie bereits in unserem Beitrag zum Urteil des
LG Stade empfohlen,[14] auf die Unterscheidung zwischen allgemeinen und wahlärztlichen Krankenhausleistungen
zu achten.
Zudem sind bei der Vertragsgestaltung die klaren vom OLG München und OLG Düsseldorf
geprüften Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG zu berücksichtigen. Danach
sind insbesondere Regelungen zur Verantwortlichkeit und Haftung für den Abschluss
einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung mit den Patienten oder für die Leistungsanforderung
bei dem externen Arzt durch einen Wahlarzt des Krankenhauses zu treffen.
Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Jonas Kaufhold
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