Wir haben in dieser Rubrik vor 7 Jahren schon einmal eine Debatte mit nahezu gleichem
Titel publiziert [1]
[2]. Möglicherweise mag die Debatte damals mancher Leserin und manchem Leser etwas künstlich
erschienen sein, weil sie scheinbare Selbstverständlichkeiten infrage stellte. Inzwischen
hat das Thema aber eher an Fahrt aufgenommen, nachdem das Bundesverfassungsgericht
erst 2013 für die Zwangsbehandlung und 2018 auch für die Fixierung enge Grenzen gesetzt
hat, die sich mittlerweile auch in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen widerspiegeln.
In der Psychiatrie Tätige stellen sich vermehrt die Frage, wo unter den heute gültigen
rechtlichen und ethischen Auffassungen die Grenzen ihrer Zuständigkeit und Pflichten
liegen, insbesondere im Zusammenhang mit Fremdgefährdung. Unter Berufung auf die UN-Behindertenrechtskonvention
argumentiert u. a. ein UN-Komitee, dass jede Form von Zwang gegenüber Menschen mit
psychischen Erkrankungen zu verbieten sei, eine Auffassung, der sich das Bundesverfassungsgericht
in den genannten Entscheidungen allerdings explizit nicht angeschlossen hat. Martin
Zinkler und Sebastian von Peter haben kürzlich in einer Arbeit in Recht und Psychiatrie
[3] dargelegt, wie eine Psychiatrie mit vollständigem Verzicht auf die Ordnungsfunktion
ihrer Ansicht nach aussehen könnte und wie sich die Aufgabenverteilung mit Polizei
und Justiz dann darstellen müsste. Wir nehmen dies zum Anlass, das Thema noch einmal
mit einer Debatte aufzugreifen.
Tilman Steinert
tilman.steinert@zfp-zentrum.de