Allgemeinmedizin up2date 2021; 2(01): 27-36
DOI: 10.1055/a-1180-2771
Symptome – Syndrome

Gicht und Hyperurikämie

Horst Prautzsch

Nicht jede Gichtsymptomatik zeigt erhöhte Harnsäurewerte, und nicht jeder erhöhte Harnsäurewert deutet zwingend auf ein Gichtleiden hin. Wann also besteht Handlungsbedarf für eine weiterführende Diagnostik, und welche Maßnahmen empfehlen die Fachgesellschaften? Dieser Beitrag gibt strukturierte Antworten anhand von drei praxisnahen Fallbeispielen und präsentiert einen Algorithmus, der Über- und Untertherapie vermeiden hilft.

Kernaussagen

Akute Gicht

  • Die Diagnose einer Gicht wird in der primärärztlichen Versorgung rein klinisch gestellt.

  • Bildgebung, Punktionen oder Labor werden nicht empfohlen bzw. nur in unklaren Fällen.

  • Ein Gichtanfall wird behandelt mit oralen Kortikoiden oder NSAR oder Colchizin, in Ausnahmefällen mit einer Zweierkombination.

Harnsäuresenkende Therapie

  • Sie sollte nicht gleichzeitig mit der Behandlung eines Gichtanfalls begonnen werden, frühestens nach Abklingen der Symptome.

  • Durch den Beginn der harnsäuresenkenden Therapie erhöht sich die Gichtanfallshäufigkeit zunächst erheblich, und ca. 6 Monate nach Beginn der Therapie ist die Anfallshäufigkeit wieder so wie zu Anfang.

  • Bei häufigen Gichtanfällen kann deshalb für maximal 6 Monate eine Anfallsprophylaxe mit Colchizin erwogen werden, alternativ mit Naproxen.

  • Der Nutzen der harnsäuresenkenden Therapie beginnt erst nach ca. 1 Jahr; die absolute Risikoreduktion für Gichtanfälle beträgt innerhalb der ersten 2 Jahre nur ca. 12 %.

  • Einheitliche Zielgrößen für Serumharnsäurewerte bei Gichtpatienten können evidenzbasiert nicht angegeben werden.

  • Die Adhärenz zu dieser Therapie ist nicht hoch. Die Bestimmung der Serumharnsäure kann evtl. die Adhärenz verbessern.

  • Mittel der Wahl ist Allopurinol (Durchschnittsdosis in einer Studie 460 mg/Tag).

  • Eine solche Therapie sollte erst bei mindestens 2 Gichtanfällen/Jahr erwogen werden.

  • Febuxostat sollte nicht mehr angewendet werden (erhöhte Sterblichkeit im Vergleich zu Allopurinol).

Symptomfreie Hyperurikämie

  • Gemäß den vorliegenden Evidenzen kann derzeit eine harnsäuresenkende Therapie nur für Menschen mit häufiger (mind. 2 pro Jahr) oder chronischer Gicht (Tophi) oder Uratnephrolithiasis empfohlen werden.

  • Die Uratnephropathie ist extrem selten und spielt in der Primärversorgung keine Rolle

  • Die Behandlung von Herzkreislauferkrankungen und Niereninsuffizienz mit Harnsäuresenkern wird nicht empfohlen.

  • Von einer Routinebestimmung der Serum-Harnsäure bei Gesunden wird abgeraten. Sie ist in der Lage, die Überversorgung mit Harnsäuresenkern zu begünstigen.



Publication History

Article published online:
19 February 2021

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