Schlüsselwörter
oberflächliche Venenthrombose - Oberflächenthrombose - Thrombose - Antikoagulation
Key words
superficial vein thrombosis - thrombosis - anticoagulation
Vorspann
Eine oberflächliche Venenthrombose ist die wichtigste akute Komplikation einer Varikose.
Riskant wird es dann, wenn durch Aszension des Thrombus eine tiefe Venenthrombose
und somit auch eine Lungenembolie drohen [1]. Daher gilt: Die frühzeitige Diagnose einer Oberflächenthrombose und die rechtzeitige
Therapieeinleitung sind entscheidend, um schwerwiegende Komplikationen zu verhindern.
In der Ambulanz stellte sich eine 54-jährige Frau vor. Die Patientin klagte über eine
druckschmerzhafte Verhärtung am linken Oberschenkel. Diese würde seit 8 Tagen bestehen.
In der klinischen Untersuchung zeigte sich eine druckdolente, längliche und überwärmte
Induration am linken Oberschenkel.
Terminologie
Entgegen der traditionellen, irreführenden Bezeichnung einer Thrombophlebitis wird
das Krankheitsbild gegenwärtig mit dem Terminus oberflächliche Venenthrombose bezeichnet.
Hierfür gibt es 2 wichtige Gründe: sinnlose antibiotische Therapien werden vermieden
und einer Verharmlosung des Krankheitsbildes wird entgegengewirkt [2]. Eine Antibiose ist nicht indiziert, weil keine bakterielle Erkrankung vorliegt.
Ätiologie
Oberflächenthrombosen können in 2 Gruppen unterteilt werden: solche, die auf dem Boden
einer Varikose entstehen, und solche, die ohne Varikose auftreten. Eine Varikose stellt
die häufigste Ursache einer oberflächlichen Thrombose dar – bedingt durch die Tortuosität
und Dilatation der Venen werden Stase und Thrombenbildung gefördert. Weitere Risikofaktoren
für die Entstehung von Oberflächenthrombosen sind:
-
Traumata (auch iatrogen bedingt, z. B. durch Venenverweilkanülen),
-
Immobilität,
-
Gravidität und Postpartalphase,
-
Hormonsubstitution,
-
Thrombophilie und
-
maligne Erkrankungen [2]
[3].
Klinik
Als subjektive Beschwerden werden vom Patienten zumeist Schmerzen und Berührungsempfindlichkeit
genannt. Klinisch können Rötung, Überwärmung und eine strangförmige Verhärtung im
Bereich der betroffenen Vene imponieren. Selten ist bei sehr ausgeprägtem Befund eine
Schwellung der betroffenen Extremität möglich [3].
Sonografisch zeigte sich eine Thrombosierung der Vena saphena magna ab der unteren
Hälfte des linken Oberschenkels sowie einer von dieser ausgehenden Seitenastvarize.
Zusätzlich war eine Stammvenenvarikose im Bereich der proximalen Vena saphena magna
am linken Bein zu erkennen. Eine tiefe Venenthrombose ließ sich nicht nachweisen.
Diagnostik
Da ein Teil der Patienten mit Oberflächenthrombosen an den Beinen auch eine tiefe
Venenthrombose aufweist, sollte in jedem Fall eine sonografische Untersuchung zur
Feststellung der tatsächlichen Ausbreitung des Prozesses bzw. zum Ausschluss einer
tiefen Beinvenenthrombose erfolgen. Dabei ist die Gesamtlänge des Thrombus sowie der
Abstand des proximalen Thrombusendes zur Einmündung ins tiefe Venensystem ausschlaggebend
[4].
Nach der POST-Studie kommen in bis zu 30 % der Fälle asymptomatische tiefe Venenthrombosen
und bis zu 4 % Lungenembolien vor [5].
Bei klinischem Verdacht auf eine Lungenembolie sollte zur weiteren Abklärung eine
entsprechende bildgebende Diagnostik erfolgen.
Eine Phlebografie wird nur in seltensten Fällen durchgeführt und spielt eine untergeordnete
Rolle [2].
Bei folgenden Gegebenheiten sollte eine erweiterte Diagnostik (z. B. mit Basislabor,
Aktualisierung der alters- und geschlechtsspezifischen Vorsorge, ggf. bei Risikofaktoren
z. B. Röntgen-Thorax) zum Ausschluss einer malignen Grunderkrankung erfolgen:
-
Die Oberflächenthrombose befindet sich in nichtvarikösen Venen.
-
Der Befund ist sehr ausgedehnt.
-
Die Oberflächenthrombose tritt idiopathisch oder rezidivierend auf [2].
Eine Thrombophiliediagnostik ist bei nicht erklärbaren Oberflächenthrombosen ohne
Varikose nach Ausschluss einer malignen Grunderkrankung indiziert. Man sollte eine
Thrombophilie ebenfalls abklären bei:
-
einem Auftreten einer Thrombusprogression trotz adäquater Antikoagulation,
-
einem Alter unter 45 Jahren,
-
Patienten mit rezidivierenden tiefen Thrombosen oder Oberflächenthrombosen in der
Vorgeschichte oder
-
mit einer eindeutigen Familienanamnese für tiefe Beinvenenthrombosen [2].
Da D-Dimer-Tests bei Oberflächenthrombosen der oberen Extremität in über 20 % [6] und an der unteren Extremität mit über 30 % [7] falsch negativ ausfallen, ist ein D-Dimer-Test zur Diagnose einer Oberflächenthrombose
nicht geeignet. Auch der Übergang einer Oberflächenthrombose der V. saphena magna
in eine beginnende tiefe Leitvenenthrombose der V. femoralis kann durch einen D-Dimer-Test
nicht ausreichend sicher detektiert werden [7].
Das Trousseau-Syndrom ist definiert durch klinisch relevante Gerinnungsstörungen bei
Tumorpatienten und ist gekennzeichnet durch rezidivierende venöse Oberflächenthrombosen
verschiedener Lokalisationen (Thrombophlebitis migrans sive saltans): an den oberen
und unteren Extremitäten, teils auch an ungewöhnlichen Lokalisationen, z. B. der Thoraxwand.
Es ist assoziiert mit viszeralen Malignomen, wie v. a. Adenokarzinome, Pankreas-,
Magen- und Bronchialkarzinome [2] und kann als paraneoplastisches Syndrom ein erster Hinweis für ein Karzinom sein
[8], noch bevor der Tumor anderweitig entdeckt wird.
Therapie
Zur Basisbehandlung einer oberflächlichen Venenthrombose gehört eine lokale Therapie
durch kühlende Maßnahmen sowie durch Heparin- und NSAR-Salben, wobei hier eine schwache
Evidenz vorliegt. Zudem können systemische Antiphlogistika zur Linderung von Schmerzen
eingesetzt werden. Eine klare Therapieempfehlung zur schnelleren Thrombusrückbildung
stellt die Kompressionstherapie mit medizinischen Kompressionsstrümpfen dar [2].
Bei Oberflächenthrombosen kann zusätzlich eine Punktion sowie Expression des Thrombusmaterials
zur schnelleren Schmerzlinderung erfolgen.
Das Risiko für ein appositionelles Wachstum, z. B. dass es zu einer Aszension des
Thrombus oder zu einer Ausbreitung auf das tiefe Venensystem kommt, ist bei Thrombosen
in den Stammvenen (V. saphena magna bzw. parva) oder in großlumigen Seitenästen erhöht
[4].
Daher sollte bei einer Thrombuslänge von über 5 cm in den Saphenavenen und in größeren
Seitenastvarizen zur Vorbeugung von thromboembolischen Komplikationen eine Antikoagulation
mit Fondaparinux in prophylaktischer Dosierung (2,5 mg s. c. 1-mal tgl.) über 30–45
Tage erfolgen [3]. Außerdem sind eine Thrombusausdehnung auf Ober- und Unterschenkel, ein multilokulärer
Befund sowie Oberflächenthrombosen in nichtvarikösen Venen weitere Indikationen für
eine systemische Therapie [9]. Welche Alternativen gibt es zu Fondaparinux? Die SURPRISE-Studie zeigte, dass Rivaroxaban
Fondaparinux nicht unterlegen ist [10]. Jedoch bleibt die Therapie der Oberflächenthrombose mit Rivaroxaban 10 mg ein Off-Label-Use
[11]. Zu berücksichtigen ist, dass niedermolekulares Heparin in halbtherapeutischer oder
therapeutischer Dosierung niedermolekularem Heparin in prophylaktischer Dosierung
überlegen ist [12].
Bei einer Crossen-nahen Beteiligung – d. h. befindet sich das proximale Thrombusende
weniger als 3 cm entfernt von der saphenofemoralen bzw. saphenopoplitealen Junktion
– wird wie bei einer tiefen Venenthrombose therapiert. Dementsprechend sollte eine
Antikoagulation in therapeutischer Dosierung, in der Regel für 3 Monate, durchgeführt
werden.
Die notfallmäßige Crossektomie und Saphenektomie ist gegenüber der konservativen Behandlung
in den Hintergrund getreten, da bezüglich der Inzidenz und der Komplikationen auf
tiefe Beinvenenthrombosen die Ergebnisse ähnlich wie bei den konservativen Maßnahmen
(Kompression und Antikoagulation) sind [13].
Da eine Oberflächenthrombose in einer Stammvene häufig eine Komplikation des varikös
veränderten Gefäßes darstellt, ist es sinnvoll, diese Komplikation zum Anlass einer
operativen Sanierung der Varikose zu nehmen. Dabei wurde in Studien ersichtlich, dass
eine zunächst konservative Therapie mit nachfolgender operativer Entfernung im beschwerdefreien
Zeitraum geringere Komplikationsraten mit sich bringt als eine sofortige Operation
[13].
Die Varikose stellt die häufigste Ursache der oberflächlichen Venenthrombose dar und
sollte nach Abschluss der Therapie der Oberflächenthrombose saniert werden!
Rekanalisierung von Oberflächenthrombosen
Rekanalisierung von Oberflächenthrombosen
Die Auflösung von thrombotischem Material ist ein langanhaltender Prozess, der abhängig
von Länge und Durchmesser der betroffenen Vene mehrere Monate dauert. So findet man
auch nach einem Jahr in weniger als 50 % der Patienten eine komplette Rekanalisation
vor.
In der akuten Phase der oberflächlichen Venenthrombose beobachtet man einen starken
Anstieg der Entzündungsmarker im Serum (insbesondere CRP und Interleukin-6), der 12
Wochen nach Diagnosestellung signifikant wieder abfällt. Je stärker dabei der Anstieg
von CRP und Interleukin-6 ist, desto geringer ist die Reduktion der Thrombuslänge
bzw. die Rekanalisationsrate [14]. Es wird angenommen, dass die Entzündungsreaktion in der Venenwand mit zunehmender
Ausprägung eine Rekanalisation der verschlossenen Vene verhindert. In welchem Maß
antiphlogistische Maßnahmen durch Medikamente zu einer verbesserten Rekanalisation
der Oberflächenthrombose führen, muss noch in weiteren Studien beobachtet werden [14].
Vier Wochen nach Einleitung einer Antikoagulation mit Fondaparinux 2,5 mg s. c. 1-mal
täglich stellte sich die Patientin zur Verlaufskontrolle vor. Schmerzen würden nicht
mehr bestehen. Sonografisch zeigte sich eine Teilrekanalisation der Vena saphena magna
und des Seitenastes. Es ließ sich keine Aszension der Oberflächenthrombose erkennen,
die tiefen Venen stellten sich weiterhin durchgängig dar. Sie vereinbarten mit der
Patientin einen Termin zur operativen Sanierung der Varikose.
-
Bei jeder oberflächlichen Thrombose sollte eine sonografische Untersuchung zum Ausschluss
einer tiefen Thrombose durchgeführt werden.
-
Bei einer Thrombusgesamtlänge von über 5 cm in den Stammvenen oder in größeren Seitenästen
wird prophylaktisch eine Antikoagulation mit Fondaparinux 2,5 mg s. c. 1-mal tgl.
für 30–45 Tage eingeleitet.
-
Crossen-nahe Oberflächenthrombosen (< 3 cm bis zur Junktion reichend) werden wie tiefe
Venenthrombosen therapiert.
-
Bei ätiologisch ungeklärter Venenthrombose sollte eine möglicherweise vorhandene maligne
Grunderkrankung abgeklärt werden.