Phlebologie 2020; 49(04): 242-248
DOI: 10.1055/a-1191-8380
Originalarbeit

Lichtblattmikroskopie-basierte 3-dimensionale Histopathologie des Lymphgefäßsystems beim Emberger-Syndrom

Article in several languages: English | deutsch
René Hägerling
Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik, Charité-Universitätsmedizin Berlin
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Einleitung Lymphovaskuläre Erkrankungen stellen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen dar, die sowohl genetische als auch nichtgenetische Ursachen haben und in der zugrunde liegenden Pathologie und Pathogenese sowie in der Symptomatik sehr variieren können. Innerhalb der Gruppe der angeborenen lymphovaskulären Erkrankungen stellt das Emberger-Syndrom eine Ursache für bilaterale Beinlymphödeme dar, die obere Extremität ist hingegen in der Regel nicht betroffen.

Um die erkrankungsassoziierten histopathologischen Veränderungen im Vergleich zum Gesunden und histologische Unterschiede zwischen der oberen und unteren Extremität zu identifizieren und neue Einblicke in die Pathogenese zu erhalten, ist eine detaillierte Kenntnis der 3-dimensionalen Gewebe- und Gefäßarchitektur essenziell. Dies ist jedoch mittels des aktuellen histologischen Goldstandards, der 2-dimensionalen Histologie, nur sehr limitiert möglich.

Material und Methoden Um die zugrunde liegende Pathologie auf zellulärer Ebene zu identifizieren, nutzten wir das 3-dimensionale Visualisierungs- und Analyseverfahren VIPAR (volume information-based histopathological analysis by 3D reconstruction and data extraction). Hierbei handelt es sich um eine Lichtblattmikroskopie-basierte optische Schnittbildgebung von kompletten, intakten immunfluoreszenzgefärbten Gewebebiopsien. Im Anschluss an eine 3-dimensionale Rekonstruktion der optischen Schnittbilder erfolgt eine automatische bzw. semiautomatische Analyse verschiedener Gefäßparameter im 3-dimensionalen Raum.

Ergebnisse Es sollten Hautgewebeproben beim Emberger-Syndrom analysiert werden, um das vorwiegende Auftreten eines bilateralen Beinlymphödems bei regelhaftem Fehlen eines Armlymphödems zu untersuchen.

Mittels des VIPAR-Ansatzes wurden hierzu Gewebebiopsien der oberen und unteren Extremität bei Patienten mit Emberger-Syndrom untersucht. Es konnte bei den untersuchten Hautbiopsien gezeigt werden, dass das dermale lymphatische Gefäßnetzwerk der oberen und unteren Extremität intakt und somit nicht disruptiert war. Im Vergleich zur unteren Extremität, die jeweils ein hypoplastisches Gefäßnetzwerk sowie ein Fehlen der Lymphgefäßklappen in den lymphatischen Präkollektoren und Kollektoren aufwies, zeigten sich in der oberen Extremität keine numerischen oder morphologischen Unterschiede der Gefäßklappen im Vergleich zu einer Kontrollprobe.

Fazit Durch die 3-dimensionale histopathologische Untersuchung war es möglich, die Lymphgefäße der oberen und unteren Extremität beim Emberger-Syndrom detailliert zu beschreiben und die ursächliche vaskuläre Pathologie zu identifizieren. Ferner zeigten sich bei den untersuchten Proben anatomische Unterschiede zwischen oberer und unterer Extremität, die auf eine vaskuläre Heterogenität der dermalen Lymphgefäße hindeuten und somit die regelhafte Limitation des Lymphödems auf die untere Extremität erklären können.


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Einleitung

Lymphovaskuläre Erkrankungen umfassen neben lymphatischen Gefäßmalformationen (LM) unter anderem auch Lymphödemerkrankungen und stellen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen dar, die in Bezug auf Pathogenese sowie der zugrunde liegenden pathologischen Veränderungen im Gewebe sehr variieren können. Ursächlich hierfür können sowohl genetisch bedingte Fehlbildungen des Lymphgefäßsystems als auch Verletzungen, Bestrahlungen, operative Eingriffe oder Infektionen sein [1] [2].

Zu den genetisch bedingten Formen zählt das Emberger-Syndrom (ES). Das ES, auch Taubheit-Lymphödem-Leukämie-Syndrom genannt, wird durch heterozygote Mutationen im Gen GATA2 verursacht und autosomal-dominant mit variabler Penetranz und Expressivität vererbt. Neben einem Lymphödem der unteren Extremität, das meist bereits in den frühen Lebensjahren auftritt, sowie einer sensorisch-neuralen Schwerhörigkeit wurden für das ES hämatologische Anomalien (akute myeloische Leukämie, Zytopenie) und eine Immundefizienz beschrieben [3] [4] [5] [6].

Obwohl die genetische Ursache bekannt ist und Tiermodelle die Bedeutung des Zinkfinger-Transkriptionsfaktors GATA2 für die Entstehung und Funktion der Lymphgefäße und lymphatischen Gefäßklappen zeigen konnten, ist die durch die Mutation hervorgerufene Veränderung auf das Lymphgefäßsystem im Menschen nicht abschließend geklärt [3] [7] [8] [9]. Ebenso ist unklar, warum im Rahmen des ES regelhaft nur die untere Extremität betroffen ist, die obere Extremität in der Regel jedoch keine Zeichen eines Lymphödems aufweist [3] [10] [11].

Dieses fehlende Verständnis ist in den unzureichenden Bildgebungsmöglichkeiten begründet, die Gefäßarchitektur auf zellulärer Ebene und im 3-dimensionalen (3D) Kontext nicht ausreichend darstellen zu können [12].

So liefern makroskopische Bildgebungsverfahren Informationen über den Lymphfluss und über einen durch einen Klappendefekt bedingten möglichen Rückfluss, jedoch können keine Aussagen auf zellulärer Ebene getroffen werden. Mikroskopische Verfahren hingegen, z. B. die klassische 2-dimensionale (2D) Histologie, bieten eine zelluläre Auflösung und somit Informationen auf der Zellebene. Allerdings ist ein notwendiges, detailliertes Verständnis der räumlichen Gefäßarchitektur auf Basis 2D-histologischer Schnitte nur sehr limitiert möglich. Dies hat zur Folge, dass komplexe Gefäßnetzwerke und 3D-Gewebearchitekturen nur unzureichend dargestellt und analysiert werden können [12].

Ziel unserer Studie war es, die zugrunde liegende Gefäßpathologie im ES aufzudecken und mögliche Gründe für das regelhafte Ausbleiben von Lymphödemen der oberen Extremität zu identifizieren. Hierzu haben wir ein mesoskopisches Schnittbildgebungsverfahren verwendet und intakte Gewebebiopsien mittels Immunfluoreszenzfärbung für Lymphendothelzellen angefärbt und anschließend mittels eines Lichtblattmikroskops optisch geschnitten. Die hierbei generierten optischen Ebenen wurden im Anschluss mittels des 3D-Rekonstruktions- und Analyseverfahrens VIPAR (volume information-based histopathological analysis by 3D reconstruction and data extraction) 3D und 2D visualisiert und ausgewertet.


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Material und Methoden

Antikörper

Die folgenden Antikörper wurden verwendet: Kaninchen anti-humanes PROX1 (102-PA32, polyklonal, Relia Tech), Maus anti-humanes PDPN (Klon D2–40, monoklonal, Dako), Alexa-dye-gekoppelte Sekundärantikörper (LifeTechnologies).


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Immunfluoreszenzfärbung von Hautbiopsien

Hautbiopsien wurden für 4 h in 4 %-PFA/PBS bei 4 °C fixiert und anschließend permeabilisiert (0,5 %-Triton X-100/PBS). Nach Blockierung in PermBlock (1 %-BSA, 0,5 %-Tween-20 in PBS) erfolgte die Antikörperfärbung (verdünnt in PermBlock). Nach jedem Färbeschritt wurden die Proben 3-mal mit PBS-T gewaschen (0,1 %-Tween-20/PBS).


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Lichtblattmikroskopie

Im Anschluss an die Immunfluoreszenzfärbung der gesamten Probe wurden die Gewebeproben optisch geklärt und mittels eines LaVision Ultramicroscope II (LaVision BioTec) bei verschiedenen Vergrößerungen mikroskopiert. Die 3D-Rekonstruktion und Analyse der Aufnahmen erfolgten mittels VIPAR [12].


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Optische Klärung der Hautbiopsien

Immunfluoreszenzgefärbte Hautbiopsien wurden in 1 %-low-melting-point-Agarose eingebettet und in einer aufsteigenden Alkoholreihe dehydriert (50 %, 70 %, 95 %, > 99,0 %, > 99,0 %-Methanol, jeder Schritt 30 Minuten). Anschließend wurden die dehydrierten Proben für jeweils 4 h 2-mal in Benzylalkohol/Benzylbenzoat (BABB, Verhältnis 1:2 (v/v)) inkubiert und optisch geklärt. Die optisch geklärten Proben wurden in BABB gelagert [12] [13].


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Ethik

Die Studienteilnehmer wurden durch das St. George‘s Hospital Genetic and Lymphovascular Clinic, London, Vereinigtes Königreich, rekrutiert (Votum der Ethikkommission des South West London Research Ethics Committee, London, Vereinigtes Königreich, REC ref: 05/Q0803/257). Die schriftliche Einverständniserklärung der Studienteilnehmer lag vor.


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Resultate

Der Lichtblattmikroskopie-basierte VIPAR-Ansatz erlaubt die optische Schnittbildgebung und 3D-Rekonstruktion der dermalen Lymphgefäßanatomie

Nach der Immunfluoreszenzfärbung der gesamten Gewebebiopsie wurde die Probe in einer aufsteigenden Alkoholreihe dehydriert und mittels Benzylalkohol-Benzylbenzoat optisch geklärt ([Abb. 1A]). Im Anschluss wurde die gesamte in toto immunfluoreszenzgefärbte, optisch geklärte Gewebeprobe mit einem LaVision UltraMicroscope II optisch geschnitten und die resultierenden 3000–6000 optischen Ebenen (1–2 µm Abstand der Schnittebenen in z) mit VIPAR digital 3D-rekonstruiert und analysiert ([Abb. 1B, C]).

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Abb. 1 Probenaufbereitung sowie Analyse-Workflow und 3D-Rekonstruktion humaner Gewebeproben mittels VIPAR. A Humane Gewebeproben werden in toto immunfluoreszenzgefärbt, dehydriert und in Benzylalkohol-Benzylbenzoat optisch geklärt. Optische geklärte Proben werden mittels eines Lichtblattmikroskops B optisch geschnitten und im Anschluss mittels des VIPAR-Workflows visualisiert und analysiert C. D, E 3-dimensionale Rekonstruktionen der dermalen Lymphgefäße ermöglichen die Darstellung der Lymphgefäßarchitektur sowie Identifizierung lymphatischer Gefäßklappen (identifiziert durch eine hohe PROX1-Expression).

Um die Lymphgefäße in den Gewebeproben darzustellen, wurden lymphatische Gefäße mittels des Oberflächenproteins Podoplanin (PDPN) sowie die Lymphendothelzellkerne mittels des lymphatischen Transkriptionsfaktors Prospero Homeobox Protein 1 (PROX1) spezifisch gefärbt [12] [15]. Dies ermöglichte eine eindeutige Identifizierung der Lymphgefäße in der Gewebeprobe ([Abb. 1D, E]).

Durch die 3D-Rekonstruktion der Lymphgefäße in der gesamten Biopsie war es möglich, die Gefäßarchitektur in gesunden wie auch erkrankten Gewebeproben zu visualisieren. So konnten sowohl lymphatische Kapillaren/Sinusoide wie auch Präkollektoren und Kollektoren dargestellt werden. Ebenfalls konnten Lymphgefäßklappen durch eine hohe PROX1-Expression im Bereich von Gefäßbifurkationen eindeutig identifiziert werden ([Abb. 1D, E], gelbe Pfeile).

Die durch dieses Verfahren beschriebene Möglichkeit, die 3D-Anatomie der Lymphgefäße in Gewebeproben darzustellen, bietet somit eine schnelle und einfache Interpretationsmöglichkeit der Gefäßarchitektur und ggf. Gefäßpathologie. Aufgrund der hohen Komplexität eines räumlichen Gefäßnetzwerks sind die Analyse und Quantifizierung von Gefäßparametern im 3-dimensionalen Raum jedoch nur erschwert möglich. Daher haben wir das in VIPAR integrierte Verfahren zur automatischen Segmentierung und Datenextraktion genutzt, um das lymphatische Gefäßsystem detailliert und erwartungsgetreu zu beschreiben und zu quantifizieren. Dies ermöglichte nicht nur den Vergleich zwischen Proben unterschiedlicher anatomischer Regionen, sondern auch zwischen Kontroll- und Patientenproben, sodass eine detaillierte Phänotypisierung der Gewebebiopsie und somit der vorliegenden Gefäßpathologie möglich war.


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Die 3D-histopathologische Analyse der Lymphgefäße der unteren Extremität im Emberger-Syndrom zeigt ein kontinuierliches, hypoplastisches Lymphgefäßsystem sowie ein Fehlen der Lymphgefäßklappen

Um die zugrunde liegende Gefäßpathologie im ES mittels VIPAR zu identifizieren, wurden Hautbiopsien von 2 Patienten mit ES untersucht und mit gesunden Kontrollproben verglichen. Da die Patienten ein ausgeprägtes Lymphödem der unteren Extremität aufwiesen und die klinischen Untersuchungen keine Hinweise auf ein Vorliegen eines Lymphödems der oberen Extremität erbrachten, wurde in einem ersten Schritt die untere Extremität genauer mittels VIPAR untersucht.

Die 3D-Visualisierung der Gewebeproben der unteren Extremität zeigte beim ES ein kontinuierliches, nicht disruptiertes Lymphgefäßnetzwerk ([Abb. 2A]). Im Vergleich zu Kontrollproben der unteren Extremität zeigte sich ein hypoplastisches Lymphgefäßsystem mit reduziertem Gefäßdurchmesser (Reduktion um 13 % und 17 %) sowie geringerem Lymphgefäßvolumen pro Gewebevolumen (Reduktion um 24 % bzw. 29 %). Ebenso konnte ein geringerer Gefäßverzweigungsgrad gezeigt werden. Eine eindeutige Unterscheidung zwischen Kollektoren, Präkollektoren und Kapillaren/Sinusoiden war nicht bzw. nur erschwert möglich ([Abb. 2A]).

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Abb. 2 Lichtblattmikroskopie-basierte 3-dimensionale Rekonstruktion und Analyse der dermalen Lymphgefäße ermöglichen die Identifizierung morphologischer Unterschiede in der Gefäßanatomie der oberen und unteren Extremität im Emberger-Syndrom. A–H In toto immunfluoreszenzgefärbte Gewebebiopsien der unteren und oberen Extremität von Patienten mit Emberger-Syndrom wurden mittels VIPAR visualisiert und analysiert. Die Lymphgefäße wurden mittels Antikörper gegen den Oberflächenmarker PODOPLANIN (PDPN) sowie den Transkriptionsfaktors PROX1 angefärbt. Es sind 3D-Rekonstruktionen A, B sowie einzelne repräsentative, 2-dimensionale optische Ebenen C–F der jeweiligen Extremität dargestellt. Lymphgefäßklappen (identifiziert durch eine hohe PROX1-Expression) sind mit gelben Pfeilen markiert. Im Vergleich zur oberen Extremität zeigt sich in der unteren Extremität ein deutlich hypoplastisches Lymphgefäßnetzwerk sowie ein Fehlen der Lymphgefäßklappen. G, H Vaskuläre 3D-Parameter sind mittels VIPAR quantifiziert und mit Kontrollgewebeproben verglichen worden.

Da GATA2 eine essenzielle Rolle bei der Transkription einer Vielzahl von Genen, die an der Gefäßklappenmorphogenese beteiligt sind, spielt und somit bedeutend für die Morphogenese und Funktion der Lymphgefäßklappen ist [4] [7] [8] [9] [14], sollten die Lymphgefäßklappen im Anschluss genauer untersucht werden.

Bei der Analyse fiel ein Fehlen der Klappen in den lymphatischen Gefäßen der untersuchten ES-Patienten auf ([Abb. 2A, C, E]), welche in Kontrollproben eindeutig anhand morphologischer wie auch molekularer Charakteristiken identifiziert werden konnten (nicht gezeigt) [12]. Um dies näher zu charakterisieren und mögliche molekulare Mechanismen zu identifizieren, führten wir Immunfluoreszenzfärbungen für den lymphatischen Transkriptionsfaktor PROX1 durch, welcher ebenfalls über GATA2 reguliert wird und dessen Expression für die Klappenmorphogenese essenziell ist [4] [7].

Bei der komparativen Analyse der Prox1-Expression im ES fiel eine um 44 % bzw. 39 % reduzierte relative Expression des Transkriptionsfaktors in allen lymphatischen Endothelzellen im Vergleich zu Kontrollproben auf. Dies ging ebenfalls mit einer 18 %igen bzw. 16 %igen Reduktion an Endothelzellen einher ([Abb. 2G]).


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Dermale Lymphgefäße der oberen Extremität im Emberger-Syndrom zeigen keine morphologischen Unterschiede oder eine Reduktion der Lymphgefäßklappen

Im Anschluss wurden Hautbiopsien der oberen Extremität nach der vorher beschriebenen Methodik untersucht. Hier konnte in der 3D-Rekonstruktion gezeigt werden ([Abb. 2B]), dass das lymphatische Gefäßsystem im ES in Bezug auf Gefäßarchitektur und Morphologie keine signifikanten Unterschiede zu Kontrollproben aufwies. Im Gegensatz zur unteren Extremität konnten anhand der Morphologie und Kondensation Prox1-positiver Zellkerne eindeutig Lymphgefäßklappen identifiziert werden ([Abb. 2B, D, E]), die auch numerisch den Kontrollproben ähnelten ([Abb. 2H]). Um zu untersuchen, ob das Vorhandensein der Gefäßklappen mit einer im Vergleich zur Kontrolle unveränderten relativen PROX1-Expression einhergeht, wurde eine Expressionsanalyse anhand der Immunfluoreszenzfärbungen durchgeführt. Hierbei konnte eine 37 %ige Reduktion der relativen Expression des Transkriptionsfaktors identifiziert werden. Die Anzahl lymphatischer Endothelzellen zeigte keine relevanten Unterschiede (6 %ige Reduktion bzw. 4 %ige Erhöhung). Weitere molekulare oder morphologische Auffälligkeiten konnten nicht detektiert werden ([Abb. 2H]).


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Diskussion

In dieser Studie konnten wir das neuartige 3D-Histopathologieverfahren VIPAR nutzen, um die zugrunde liegende Gefäßpathologie bei 2 Patienten mit ES aufzudecken. Durch den Vergleich mit gesunden Kontrollproben war es uns möglich, die Veränderungen nicht nur 3D zu visualisieren, sondern ebenfalls auch im 3-dimensionalen Raum zu quantifizieren. Hierzu bieten die in VIPAR integrierten automatischen und semiautomatischen Analyse-Algorithmen eine schnelle und erwartungsgetreue Quantifizierungsmöglichkeit, um beispielsweise Gefäßvolumen, Gefäßdurchmesser, Gefäßlänge oder den Verzweigungsgrad zu bestimmen.

Anhand der 3D-Rekonstruktion der Gewebeproben der unteren Extremität konnte gezeigt werden, dass in den untersuchten Proben der Patienten mit ES zwar ein kontinuierliches, d. h. nicht disruptiertes Lymphgefäßsystem vorlag, dieses jedoch deutlich hypoplastisch ausgebildet war ([Abb. 2A]). Die in der 3D-Rekonstruktion beschriebenen strukturellen Gefäßveränderungen im ES konnten in der anschließenden 3D-Gefäßparameter-Analyse bestätigt werden. So wiesen die Lymphgefäße der unteren Extremität im ES ein geringeres Gesamtvolumen pro Gewebevolumen sowie einen reduzierten Lymphgefäßdurchmesser auf. Zudem bestätigte die Analyse des Gefäßverzweigungsgrades, dass die Gefäße im ES geringer verzweigt sind, ohne jedoch fragmentiert vorzuliegen ([Abb. 2G]).

Ebenfalls konnte ein Fehlen der Gefäßklappen in den Lymphgefäßen der unteren Extremität identifiziert werden. Hierdurch wurde eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Lymphgefäßtypen (Kapillaren/Sinusoiden, Präkollektoren, Kollektoren) erschwert ([Abb. 2A, C, E]). Unter Berücksichtigung weiterer 3D-Gefäßparameter liegt eine veränderte Reifung der Lymphgefäße nahe, welche in zukünftigen Studien weiter untersucht werden muss.

Um zu verstehen, ob die bei den Patienten vorliegende pathogene Keimbahnmutation im Gen GATA2, die die Proteinexpression beeinflusst, als kausal für das Fehlen der Klappen und für das hypoplastische Gefäßnetzwerk anzusehen ist, haben wir Expressionsanalyse des lymphatischen Transkriptionsfaktors Prox1 durchgeführt. Im Vergleich zu gesunden Kontrollen zeigte sich im ES eine Reduktion der Prox1-Expression um 44 % bzw. 39 %. Eine anschließende Quantifizierung der lymphatischen Endothelzellkerne ergab eine Reduktion um 18 % bzw. 16 % ([Abb. 2G]).

Da GATA2 die Expression von PROX1 über Bindung im PROX1-Promoterbereich reguliert und essenziell für die Morphogenese der Lymphgefäßklappen ist [4], kann das Vorliegen der pathogenen Mutation in GATA2 als mögliche Ursache für das hypoplastische Gefäßnetzwerk und das Fehlen der Klappen angesehen werden.

Ferner kann durch das Fehlen der Gefäßklappen auf veränderte Flusseigenschaften in den Lymphgefäßen geschlossen werden, welches wiederum die Expression einer Vielzahl an Genen und hierdurch die Reifung der Gefäße beeinflusst [7] [8] [9].

Somit lässt sich durch die vorher beschriebenen Gefäßveränderungen die Ausbildung des Lymphödems der unteren Extremität beim ES erklären.

Da untersucht werden sollte, warum im ES regelhaft nur die untere Extremität vom Lymphödem betroffen ist [3] [11], haben wir die vorher beschriebene Analyse auch für Gewebeproben der oberen Extremität durchgeführt.

Hier konnten wir zeigen, dass die Lymphgefäße der untersuchten Hautbiopsien der oberen Extremität keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Volumen, Verzweigungsgrad oder Gefäßdurchmesser aufwiesen. Die Gefäße waren zu einem kontinuierlichen Netzwerk verbunden und zeigten keine Gefäßfragmentierung. Ferner konnten Lymphgefäßklappen detektiert werden, die in der Anzahl den Kontrollproben ähnelten ([Abb. 2B, D, F, H]).

In diesem Zusammenhang wurde auch eine Expressionsanalyse der lymphatischen Endothelzellkerne für PROX1 durchgeführt. Hier zeigte sich eine deutliche Reduktion in der relativen Expression trotz Vorhandenseins morphologisch unauffälliger Gefäßklappen ([Abb. 2H]).

Die Zusammenschau aller Ergebnisse deutet auf eine vaskuläre Heterogenität der dermalen Lymphgefäße der oberen und unteren Extremität hin, da sich die Gefäßnetzwerke der oberen und unteren Extremität im ES morphologisch unterscheiden und somit die regelhafte Ausbildung eines Lymphödems der unteren Extremität mit Auslassen der oberen Extremität erklären.

Dies kann darauf hindeuten, dass die Signalwege innerhalb lymphatischer Endothelzellen der oberen und unteren Extremität variieren oder unter Berücksichtigung der anatomischen Lage weitere Gene den veränderten GATA2-Signalweg und die Reduktion der PROX1-Expression kompensieren können.

Zur weiteren Interpretation der Ergebnisse sollen in zukünftigen Studien zusätzliche Parameter (z. B. Gravitation, Flussgeschwindigkeiten) beachtet werden, die ebenfalls einen Einfluss auf die Gefäßanatomie der oberen und unteren Extremität haben und somit den Phänotyp erklären können.


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Fazit

Durch die in dieser Studie verwendete neuartige Bildgebungsmöglichkeit zur 3D-Histopathologie war es möglich, neue Einblicke in die Gefäßpathologie beim ES zu gewinnen und Erkenntnisse über eine mögliche vaskuläre Heterogenität der dermalen Lymphgefäße zu sammeln. In zukünftigen Studien soll das Konzept der dermalen vaskulären Heterogenität der Lymphgefäße an einer größeren Kohorte sowie weiteren angeborenen Lymphödemerkrankungen, die sowohl nur die unteren als auch die unteren und oberen Extremitäten betreffen, weiter untersucht werden. Vor dem Hintergrund zukünftiger neuer therapeutischer Interventionen kann diese Kenntnis von großer Bedeutung sein, um kurative Behandlungskonzepte für Patienten mit ES zu entwickeln.

Finanzielle Unterstützung

Die Studie wurde unterstützt durch das Lymphatic Malformation Institute, USA, und die Deutsche Gesellschaft für Lymphologie (Forschungspreis 2019). Der Autor ist Teilnehmer des BIH-Charité Clinician Scientist Programms, welches von der Charité-Universitätsmedizin Berlin und dem Berlin Institute of Health finanziert wird.


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Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.

Danksagung

Ich bedanke mich bei Nils R. Hansmeier und Sascha Ulferts (Charité-Universitätsmedizin Berlin) für die Unterstützung bei der Probenvorbereitung und Auswertung. Weiterhin geht ein Dank an Herrn Dominik Drees aus dem Institut für Information der Universität Münster für die Unterstützung bei der Datenanalyse.

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Correspondence

René Hägerling
Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik, Charité Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Deutschland   

Publication History

Article published online:
21 August 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

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Fig. 1 Sample preparation, analysis workflow and 3D reconstruction of human tissue biopsies with VIPAR. A Whole-mount human tissue biopsies were immunofluorescence-stained dye, dehydrated and optically cleared in benzyl alcohol/benzyl benzoate. B Optically cleared samples were optically sectioned using a light sheet microscope and then C visualised and analysed with the VIPAR workflow. D, E 3-dimensional reconstructions of the dermal lymphatic vessels allowed the demonstration of the lymphatic architecture, as well as the identification of lymphatic valves (identified by high PROX1 expression).
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Fig. 2 Light sheet microscopy-based 3-dimensional reconstruction and analysis of the dermal lymphatic vessels allows us to identify morphological differences in the vascular anatomy of the upper and lower limbs in patients with Emberger syndrome. A–H Whole-mount immunofluorescence-stained tissue biopsies of the lower and upper limbs from patients with Emberger syndrome were visualized and analysed with VIPAR. The lymphatic vessels were stained with antibodies to the surface marker podoplanin (PDPN) and to the transcription factor PROX1. For each limb, 3D reconstructions are presented A, B as well as individual representative 2-dimensional optical planes C–F. Lymph valves (identified from the high PROX1 expression) are indicated by the yellow arrows. In comparison with the upper limbs, the lower limbs show a clearly hypoplastic lymphatic system with an absence of valves. G, H Vascular 3D parameters were quantified with VIPAR and compared with control tissue samples.
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Abb. 1 Probenaufbereitung sowie Analyse-Workflow und 3D-Rekonstruktion humaner Gewebeproben mittels VIPAR. A Humane Gewebeproben werden in toto immunfluoreszenzgefärbt, dehydriert und in Benzylalkohol-Benzylbenzoat optisch geklärt. Optische geklärte Proben werden mittels eines Lichtblattmikroskops B optisch geschnitten und im Anschluss mittels des VIPAR-Workflows visualisiert und analysiert C. D, E 3-dimensionale Rekonstruktionen der dermalen Lymphgefäße ermöglichen die Darstellung der Lymphgefäßarchitektur sowie Identifizierung lymphatischer Gefäßklappen (identifiziert durch eine hohe PROX1-Expression).
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Abb. 2 Lichtblattmikroskopie-basierte 3-dimensionale Rekonstruktion und Analyse der dermalen Lymphgefäße ermöglichen die Identifizierung morphologischer Unterschiede in der Gefäßanatomie der oberen und unteren Extremität im Emberger-Syndrom. A–H In toto immunfluoreszenzgefärbte Gewebebiopsien der unteren und oberen Extremität von Patienten mit Emberger-Syndrom wurden mittels VIPAR visualisiert und analysiert. Die Lymphgefäße wurden mittels Antikörper gegen den Oberflächenmarker PODOPLANIN (PDPN) sowie den Transkriptionsfaktors PROX1 angefärbt. Es sind 3D-Rekonstruktionen A, B sowie einzelne repräsentative, 2-dimensionale optische Ebenen C–F der jeweiligen Extremität dargestellt. Lymphgefäßklappen (identifiziert durch eine hohe PROX1-Expression) sind mit gelben Pfeilen markiert. Im Vergleich zur oberen Extremität zeigt sich in der unteren Extremität ein deutlich hypoplastisches Lymphgefäßnetzwerk sowie ein Fehlen der Lymphgefäßklappen. G, H Vaskuläre 3D-Parameter sind mittels VIPAR quantifiziert und mit Kontrollgewebeproben verglichen worden.