Nervenheilkunde 2020; 39(10): 607
DOI: 10.1055/a-1191-9517
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nervenheilkunde

Zeitschrift für interdisziplinäre Fortbildung
Hans-Christoph Diener
1   Essen
,
Karl Georg Häusler
2   Würzburg
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Publication Date:
09 October 2020 (online)

 
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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen
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Prof. Dr. med. Karl Georg Häusler Universitätsklinikum Würzburg

Neues beim Schlaganfall

Gerne haben wir die Aufforderung der Herausgeber der Nervenheilkunde angenommen, ein Schwerpunktheft mit dem Thema „Neues beim Schlaganfall“ zu organisieren. Unser Dank gilt den Autorinnen und Autoren, die ein aktuelles Bild der Prävention und Therapie zerebraler Durchblutungsstörungen darstellen.

Deutschland hat wahrscheinlich die beste Schlaganfallversorgung der Welt. Es gibt fast nirgendwo eine vergleichbare Dichte von Stroke Units und in keinem anderen Land wird ein so hoher Prozentsatz der Schlaganfallpatienten auf einer Stroke Unit behandelt. Zudem tragen 23 Telemedizinnetzwerke dazu bei, die Schlaganfall-Akutversorgung auch in ländlich geprägten Gebieten zu optimieren. Daher kann es nicht überraschen, dass Deutschland im weltweiten Vergleich einen sehr hohen prozentualen Anteil der Patienten mit zerebraler Ischämie aufweist, die eine systemische Thrombolyse bzw. eine mechanische Thrombektomie erhalten, wie Tobias Neumann-Haefelin und Kollegen in diesem Heft diskutieren. Wie Hans C. Diener und Christian Gerloff berichten, ist für die Primärprävention des Schlaganfalls nunmehr eindeutig erwiesen, dass Acetylsalicylsäure keine präventive Wirkung hat, sondern lediglich die Rate an Blutungskomplikationen erhöht. Erfreulich ist die Beobachtung, dass mit den GLP1-Agonisten zum ersten Mal eine Gruppe von Antidiabetika bei Patienten mit Diabetes mellitus auch das Schlaganfallrisiko reduziert. Wie von Peter A. Ringleb et al. dargestellt, lag ein Forschungsschwerpunkt in der Sekundärprävention des Schlaganfalls zuletzt auf Studien zur dualen Thrombozytenaggregationshemmung in der Frühphase nach Hochrisiko-TIA oder leichtem bis mittelschwerem ischämischem Schlaganfall. Hier weisen sowohl Clopidogrel plus Acetylsalicylsäure als auch Ticagrelor plus Acetylsalicylsäure eine höhere Effektivität gegenüber einer Monotherapie mittels Acetylsalicylsäure auf, wobei die duale Thrombozytenaggregationshemmung allerdings mit einer erhöhten Blutungsrate einhergeht, die den Einsatz in der Praxis limitiert. Nachdem randomisierte Studien keine höhere Effizienz einer oralen Antikoagulation gegenüber Acetylsalicylsäure nach Embolic Stroke of Undetermined Source (ESUS) nachweisen konnten, suggerieren Subgruppenanalysen, dass selektierte ESUS-Patienten von einer oralen Antikoagulation profitieren könnten, was derzeit Gegenstand randomisierter Studien ist. Eckhard Schlemm et al. fokussieren in ihrem Artikel zur Therapie des akuten ischämischen Schlaganfalls auf die Datenlage zu rekanalisierenden Akuttherapien, zu adjuvanten neuroprotektiven bzw. immunmodulatorischen Behandlungsansätzen und zur Prozessoptimierung in der hospitalen Akutversorgung. Wie von Maximilian Sprügel, Hagen Huttner und Stefan Gerner zusammengefasst, hat sich die Therapie der zerebralen Blutungen in den letzten Jahren nur wenig geändert. Leider waren eine ganze Reihe von prospektiven Therapiestudien negativ oder neutral. In der Sekundärprävention von zerebralen Sinus- oder Venenthrombosen erscheint der Einsatz von nicht Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulantien eine mögliche Alternative zur Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten zu sein, wie in der Übersichtsarbeit von Christian Weimar und Florian Masur dargestellt. Eine orale Antikoagulation ist zudem für die Schlaganfallprävention im Zuge einer Kardioversion oder der linksatrialen Katheterablation bei Vorhofflimmern relevant. Im Kontext der „weltmeisterlichen“ Zahlen kardialer Interventionen in Deutschland sei auf den diesbezüglichen Übersichtsartikel verwiesen.

Die Artikel dieses Themenheftes verdeutlichen erneut, dass der Schlaganfall ein attraktives Forschungsthema und seine Prävention und Akutbehandlung von immanenter Bedeutung ist. So sind allein im Jahr 2019 etwa 26752 Publikationen zum Thema Schlaganfall erschienen. In diesem Jahr stellt allerdings die COVID-19-Pandemie im Mittelpunkt des weltweiten Forschungsinteresses. So wurden zu diesem Thema allein in den ersten 6 Monaten des Jahres 2020 bereits 36152 Artikel veröffentlicht. Konsekutiv haben Hans-Christoph Diener und Peter Berlit diesem Themenheft einen Artikel zur Relevanz der COVID-19-Pandemie für die Schlaganfallversorgung vorangestellt.


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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen
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Prof. Dr. med. Karl Georg Häusler Universitätsklinikum Würzburg