Wichmann D.
et al.
Thromboembolism in Patients With COVID-19.
Ann Int Med 2020;
DOI:
10.7326/M20-2003
Die Pathologen obduzierten die ersten 12 COVID-19-positiven Toten unter hohen Sicherheitsvorkehrungen.
Die SARS-CoV-2-Infektionen hatte die PCR nach Nasen-Rachen-Abstrichen bestätigt. Das
Intervall zwischen Tod und Autopsie betrug 1 – 5 Tage. 10 Patienten starben im Krankenhaus
und 2 außerhalb. Bei der Obduktion wurden Gewebeproben von Herz, Lungen, Leber, Nieren,
Milz, Pankreas, Gehirn, Prostata/Hoden resp.Ovarien, Dünndarm, V. saphena, A. carotis
com., Pharynx und Muskeln genommen. Zusätzlich erfolgte eine virtuelle Obduktion mit
einer postmortalen Ganzkörper-CT (PMCT), die hoch-auflösende Lungensequenzen ergänzte.
Kleine Gewebeproben aus Herz, Lungen, Nieren, Leber, V. saphena und Pharynx wurden
auf SARS-CoV-2 getestet (PCR).
Das Alter der Patienten betrug median 73 Jahre. 75 % waren Männer. In allen Fällen
bestanden Vorerkrankungen (z. B. Übergewicht, koronare Herzkrankheit, Asthma, chronisch
obstruktive Lungenerkrankung, peripher arterielle Verschlusskrankheit, Typ-2-Diabetes,
neurodegenerative Erkrankung). 2 Patienten starben außerhalb der Klinik nach erfolgloser
Reanimation, 5 auf der Intensivstation und 5 auf der Normalstation. Die initialen
Labortests ergaben 4 Besonderheiten (jeweils median):
-
LDH 469,7 U/l,
-
D-Dimere 495,24 nmol/l (n = 5),
-
CRP 189 mg/l,
-
leichte Thrombozytopenie (n = 4).
Die PMCT (n = 10) der Lunge zeigten ein gemischtes Muster mit retikulären Infiltrationen
und schweren, dichten, konsolidierenden Infiltraten in beiden Lungen. Die Befunde
entsprachen weitgehend den kontrastverstärkten prämortalen CT, die bilaterale Milchglastrübungen
in den unteren Lungenabschnitten abbildeten.
Die Obduktion ergab in 7 Fällen ein frisches thromboembolisches Ereignis. Bei 4 Patienten
führte eine massive Lungenembolie bei tiefen Beinvenenthrombosen zum Tod. 3 Patienten
hatten Beinvenenthrombosen ohne Lungenembolie. Immer waren die Venen beider Beine
thrombosiert. 6 von 9 Männern wiesen Thrombosen im Plexus venosus prostaticus auf.
Bei allen Patienten lag die Todesursache im pulmonalen Gefäßsystem oder dem Lungengewebe.
Das kombinierte Lungengewicht betrug median 1988 g (normal Männer 840 g, Frauen 639 g).
Nur in 2 Fällen war das Lungengewicht nicht erhöht. Die Lungenoberfläche zeigte eine
leichte Pleuritis und ein fleckförmiges Muster mit blassen und tiefroten, hyperkapillarisierten
Arealen. Die Konsistenz war fest, aber mürbe. Bei 8 Patienten waren alle Lungenabschnitte
betroffen. Die 3 Frauen der Fallserie hatten Veränderungen ähnlich einer purulenten
Bronchopneumonie. Autoptisch bestätigten sich die kardialen Vorerkrankungen (koronare
Herzkrankheit, Myokardischämie, kongestive Herzinsuffizienz), das Herzgewicht lag
median bei 503 g (normal 300 g). In 6 Fällen bestand zudem ein Emphysem und bei 3
Patienten eine ischämische Enteritis. Mit Ausnahme eines kachektischen Tumorpatienten
bestand ein klarer Trend zu Übergewicht (durchschnittlicher BMI 28,7 kg/m2).
Die Histopathologie zeigte eine diffuse alveoläre Lungenschädigung, die in 8 Fällen
zu einem akuten Lungenversagen passte. Hyaline Membranen, aktivierte Pneumozyten,
Mikrothromben, Kapillarkongestion und interstitielle, proteinreiche Ödeme dominierten.
Bei 4 Patienten ähnelten die Veränderungen einer bakteriellen, fokalen Bronchopneumonie.
4 Erkrankte hatten histologisch pulmonale Thromboemboli. Regelmäßig lagen Mikrothromben
in den kleinen Lungenarterien und gelegentlich in der Prostata vor. Zudem bestanden
eine chronische Pharyngitis (n = 6 von 7), eine lymphozytäre Myokarditis (n = 1) und
virusunabhängige Pathologien in Zusammenhang mit den Vorerkrankungen.
Die PCR bestätigte eine hohe Viruslast in allen Lungen und im Pharynx von 9 Patienten.
6 Patienten waren moderat virämisch. In 5 dieser Fälle waren das Herz, die Leber oder
die Nieren infiziert. Bei Patienten ohne Virämie waren keine Organe neben der Lunge
betroffen.
58 % der häufig vorerkrankten, überwiegend männlichen, älteren Patienten hatten venöse
Thrombosen und 67 % eine diffuse Alveolarschädigung. Die hohe Inzidenz thromboembolischer
Ereignisse spricht dafür, dass ambulant und stationär behandelte Infizierte von einer
Antikoagulation profitieren könnten, so die Autoren. Insbesondere bei erhöhten D-Dimeren
sei Vorsicht geboten. Die Lungenpathologie und die pulmonalen CT mit basal konsolidierten,
luftfreien Lungen erklärten die Schwierigkeiten des Beatmungsmanagements. Die Infektion
weiterer Organe erfolge wahrscheinlich über eine Virämie.
Dr. med. Susanne Krome, Melle