Osteologie 2021; 30(01): 2-3
DOI: 10.1055/a-1206-2888
Editorial

30 Jahre Osteologie – eine Zeitschrift im Wandel der Zeiten

30 years of osteology – a journal through the ages
Franz Jakob
Universität Würzburg, Bernhard-Heine-Centrum für Bewegungsforschung, Klinische und Experimentelle Osteologie, Deutschland
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Die Osteologie feiert Jubiläum. Drei Dekaden sind eine bemerkenswerte Zeit, auch und gerade für eine Zeitschrift. Denn es handelt sich hier natürlich um ein Jubiläum der Zeitschrift, nicht der Wissenschaft um den Knochen. Wenn man den Begriff „Osteology“ in Pubmed eingibt, findet man tatsächlich den ersten Eintrag bereits aus 1844: „Lectures on Osteology, Including the Ligaments. [No authors listed] Med Chir Rev. 1845 Jan;1[1]:87–90. PMID: 29,918,977“. Der Autor war Bransby Blake Cooper, Wundarzt und Anatom am Guy’s Hospital in London [1]. Ein erstes Buch zum Thema „Osteology“ findet man von eben diesem Autor in einer Übersetzung auf Deutsch bereits 1837, verlegt im „Verlage des Industrie-Comptoirs Weimar“. Eine Kopie kann man mit einem Stempel der Kaiserlich Königlichen Hofbibliothek Wien im Internet finden [2]. Wie wir alle wissen, hat sich der Begriff im englischsprachigen Wissenschaftsalltag nicht durchsetzen können, man bekommt jedoch eine ausführliche Erklärung in beiden Sprachen auf einer Seite von Wikipedia: „Die Osteologie (von griechisch osteon = Knochen, logos = Lehre; Knochenlehre) ist die Lehre vom Bau und den Krankheiten der Knochen bzw. des Skelettsystems.“ Und weiter: „Die Osteologie ist ein interdisziplinäres Themengebiet. Bei der Erforschung des gesunden sowie des krankhaft veränderten Knochengewebes wirken Naturwissenschaftler, Ärzte, Ingenieure und Vertreter anderer Fachgebiete mit.“ 30 Jahre Osteologie beinhalten einen Zeitraum, in dem auch international die Anzahl der Publikationen pro Jahr im Fachgebiet der Osteologie exponentiell anstieg, für „osteoporosis“ war es ein Anstieg von 843 Arbeiten pro Jahr in 1991 auf > 5000 pro Jahr im Jahr 2020.

Die Geschichte der „Hauszeitschrift“ der Osteologie in Deutschland begann 1991 auf der Basis eines Vertrags zwischen dem Gründungs-Editor, dem Göttinger Orthopäden Prof. Hans-Georg Willert, und dem schweizerischen Huber-Verlag. Im Jahr 2002 wurden die Deutsche Gesellschaft für Osteologie DGO und die Orthopädische Gesellschaft für Osteologie OGO unter geänderten Bedingungen als Partner in den Vertrag mit aufgenommen, eine Änderung, welche vor allem die wirtschaftlich immer schwierigere Situation stabilisierte. Mit der Gründung des interdisziplinären Dachverbands Osteologie DVO als gemeinsame Dachgesellschaft der drei DACH-Staaten wurde die Verantwortung für die Zeitschrift auf mehrere Schultern verteilt, und die Entwicklung verlief in enger Abstimmung mit den deutschsprachigen OsteologInnen und deren wissenschaftlichen Gesellschaften: Die Osteologie wurde als Organ des Dachverbands Osteologie DVO deutschsprachig international. Mit der Ausgabe 1/2008 (Hans-Georg Willert war 2006 verstorben) wechselte sowohl der Editor-in-Chief als auch der Verlag, Editor wurde der Schweizer Internist Prof. Peter Burckhardt, die Zeitschrift ging an den Schattauer Verlag über. Mit der Übernahme des Schattauer Verlags in die Thieme-Gruppe im Jahr 2017 wurde letztlich der jetzige verlegerische Status quo erreicht, Prof. Peter Burckhardt hat nach unschätzbar wertvoller langjähriger Tätigkeit in 2020 sein Amt weitergegeben.

Aus der Sicht der Wissenschaftler können wir konstatieren, dass es angesichts der großen und konstruktiven Kooperationsbereitschaft der wechselnden VerlagspartnerInnen gut machbar war, die Stabilität der Zeitschrift zu erhalten. Aber nicht nur das war eine Grundlage für eine Erfolgsgeschichte. Ohne eine kontinuierlich aufwärtsstrebende und perfektionierte inhaltliche Arbeit in der grundlagenwissenschaftlichen und klinischen Osteologie kann auch eine noch so geschickte Verlagspolitik eine Zeitschrift nicht zum Erfolg führen. Das eindrucksvollste Beispiel für die Weiterentwicklung des Faches ist die Volkskrankheit der Osteologie, die Osteoporose. Konnte man sich vor 30 Jahren nur auf sehr dünnem Eis bewegen, was die medikamentöse Therapie der Osteoporose betraf, können wir heute einen vollständig vollzogenen Wechsel von der Eminenz-basierten hin zur Evidenz-basierten Vorgehensweise konstatieren. Die Basis der Evidenz wurde so gut, dass Leitlinien der höchsten Qualitätsstufe erstellt werden konnten – ein Quantensprung, verglichen mit der Basis vor 30 Jahren. In allernächster Zukunft könnte eine weitere Dimension erreicht werden, die ersten Schritte für die Einführung eines Disease-Management-Programms Osteoporose sind gemacht, die Implementierung ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Man darf sich aus vielerlei Gründen davon eine deutliche Verbesserung der Versorgung der Betroffenen versprechen, vor allem aber, weil damit der Unterschätzung der Erkrankung im Kontext der Triage der Gesundheitsausgaben Einhalt geboten werden könnte.

Nicht genug damit, dass alle Beteiligten ihre Aufgaben in der Osteologie im Sinne der „Osteoporoseologie“ erfolgreich gemacht haben, auch jenseits der Volkskrankheiten ist eine bemerkenswerte Entwicklung in Gang gekommen. Im Zuge der Schaffung vieler universitärer Zentren für Seltene Erkrankungen hat auch die Osteologie für diesen Bereich einen Aufschwung erlebt. Die wissenschaftliche Bearbeitung der seltenen skelettalen Erkrankungen hat zur Aufklärung von Krankheitsmechanismen geführt und die Entwicklung neuer Therapieprinzipien ermöglicht, die für alle Segmente der Muskel- und Skeletterkrankungen eine enorme Bedeutung haben. Die molekulare Aufklärung von Erkrankungen mit hoher Knochenmasse und die daraus abgeleitete Entwicklung der Therapie der Osteoporose mit Sklerostin-Antikörpern, die Entwicklung der Enzym-Ersatztherapie bei der Hypophosphatasie, die Parathormon-Ersatztherapie und die FGF23-Antikörper-basierte Therapie von Phosphatverlust-Syndromen sind nur einige wichtige Beispiele. Nur auf der Basis solch umwälzender und zukunftsträchtiger Entwicklungen kann und konnte es gelingen, aus der interaktiven Gestaltung unseres Publikationsorgans und aus der Emanzipation des Faches als ernstzunehmende Evidenz-basierte Disziplin eine gemeinsame Erfolgsgeschichte zu machen. Die Geschichte ist umso bemerkenswerter, als sie wirklich – manchmal auf höchst komplexe Weise – viele Disziplinen einbeziehen muss, um erfolgreich zu sein. In Zeiten der segmentalen Diversifizierung ist das ein großer Erfolg, auf dem man weiter aufbauen sollte. Das Rezept dafür besteht neben all dem oben Gesagten in einer respektvollen beständigen Kommunikation auf Augenhöhe, für deren Gelingen in der Vergangenheit man sich bei allen bedanken muss. Unsere Zeitschrift Osteologie ist ein wichtiger Baustein dieser Kommunikation. Wir als die „Verwalter“ Ihrer Zeitschrift und als „Vermittler“ zwischen den Welten der Wissenschaft, der Medizin und des Verlagswesens werden unser Bestes geben, um von dieser Seite her die optimalen Voraussetzungen zu schaffen.

Beiden Seiten gilt unser Dank für das Erreichte, und die besten Wünsche begleiten Sie alle bei der Gestaltung der Zukunft!

Für das Team der Herausgeber und Berater herzlichst Ihr Franz Jakob



Publication History

Article published online:
05 March 2021

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