Aktuelle Dermatologie 2020; 46(10): 425-433
DOI: 10.1055/a-1209-0885
Übersicht

Immunmodulatoren (Biologicals) in der Therapie von Patienten mit chronischen Dermatosen in der dermatologischen Praxis

Immunomodulators (Biologicals) in the Treatment of Patients with Chronic Dermatoses in the Dermatological Practice
S. Jahn
Hautarztpraxis Dr. Herbst & Kollegen, Darmstadt
,
J. Föhr
Hautarztpraxis Dr. Herbst & Kollegen, Darmstadt
,
M. Herbst
Hautarztpraxis Dr. Herbst & Kollegen, Darmstadt
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Wir fassen Erfahrungen zusammen, die in unserer dermatologischen Praxis in den letzten Jahren, besonders seit der Einrichtung einer Spezialsprechstunde Immundermatologie, mit dem Einsatz von Biologicals gemacht wurden. Dazu charakterisieren wir mittels retrospektiver Auswertung die behandelten Patienten mit Psoriasis (mit und ohne Psoriasis-Arthritis), Neurodermitis, Urtikaria und Akne inversa. Es werden klinische Aspekte der Immunmodulation mittels der Blockade von Zytokinen (TNFα, IL-17, IL-23), deren Rezeptoren (IL-4/13R, IL-17R) bzw. IgE analysiert. Wir zeigen, dass der konsequente Einsatz von Biologicals eine klare organisatorische Entscheidung mit mannigfaltigen Konsequenzen für die gesamte Praxis und das Team darstellt.


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Abstract

This report summarizes our experiences with patients who were treated with Biologicals during our specialized consultation hours, called Immunodermatology, which we established in our practice. We provide retrospective analysis of patients with Psoriasis (with and without Arthritis), Atopic Dermatitis, Urticaria and Acne inversa as well as on patients treated with cytokine (TNFα, IL-17, IL-23) or receptor blockade (IL-4/13R) as well as IgE binding. We show that the appropriate usage of Biologicals is a decision with significant influence on the entire practice and the team.


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Abkürzungen

IL: Interleukin
MFA: Medizinische Fachangestellte
TNF: Tumor-Nekrose-Faktor

Einleitung

Mit der Einführung der ersten Immunmodulatoren (gemeint sind hier rekombinante monoklonale Antikörper und Fusionsproteine) in die Therapie der Psoriasis vulgaris hat die Dermatologie als Fachdisziplin einen enormen Schub erhalten. Der Werbe-Slogan des ersten Unternehmens, das ein Biological in den Markt bringen wollte (Biogen: Alefacept, Amevive®, erhielt keine Zulassung) in den frühen 2000ern („… bringt Immunologie in die Dermatologie“), hat sich in einem Maße bewahrheitet, wie es damals kaum zu erwarten war. Im Jahr 2003 startete dann die Anwendung des ersten monoklonalen Antikörpers in der Psoriasistherapie (Serono: Efalizumab, Raptiva®), dicht gefolgt vom Fusionsprotein Etanercept (Pfizer: Enbrel®), das vorher bereits einige Jahre in der Rheumatologie eingesetzt worden war. Heute stehen mehr als 10 Biologicals (die Biosimilars mitgezählt) für die Psoriasistherapie und die Behandlung der Akne inversa zur Verfügung, und längst können auch die allergischen Erkrankungen mit monoklonalen Antikörpern behandelt werden. Diese Entwicklungen haben das Arsenal dermatologischer Therapien enorm erweitert, ohne dass die topische Therapie [1] oder der Einsatz bewährter Therapeutika (MTX, Fumarsäure-Ester, Vitamin-A-Säure-Analoga, Cyclosporin) dadurch obsolet geworden wären. Im Gegenteil: Die dermatologische Therapie kann viel individueller gestaltet werden. In Anbetracht der hervorragenden Wirksamkeit von Biologicals als Immunmodulatoren bei chronisch entzündlichen Dermatosen haben viele Dermatologen wahrscheinlich schon vergessen, wo „wir herkommen“. Wurde vor gut 15 Jahren noch PASI 50 bei 30 % der Psoriasispatienten als therapeutischer Erfolg dargestellt, sprechen wir heute von PASI 100 als Therapieziel für die Mehrheit der Patienten. Die Immunologie ist also in vollem Maße in der Dermatologie angekommen. Wir fokussieren uns hier auf Psoriasis, Atopische Dermatitis, Urtikaria, Akne inversa und überlassen die Beurteilung der Entwicklungen in der Dermato-Onkologie den Fachexperten. Soweit wir öffentlich zugänglichen Statistiken entnehmen können, verordnen etwa 1000 dermatologische Praxen (also etwa 20 %) regelmäßig Biologicals. Es wird seine Gründe haben, warum diese Zahl recht niedrig erscheint. Wir möchten die Erfahrungen darstellen, die wir in unserer Praxis bei der Umsetzung der entsprechenden Strategie, schwere chronisch entzündliche Dermatosen leitliniengerecht mit Biologicals zu therapieren, gesammelt haben. Wir wollen zeigen, dass dies eine Entscheidung ist, die durchaus Einfluss auf die gesamte Praxis und ihr Leistungsspektrum hat. Wir wollen hier nicht im Einzelnen erläutern, wie die Biologicals als Immunmodulatoren wirken und welche Studienergebnisse zu Wirksamkeit und Sicherheit vorliegen. Das überlassen wir Publikationen und Referaten angesehener Experten [2] [3] [4]. Vielmehr wollen wir darstellen, was es heißt, Biologicals unter den Bedingungen des Alltags in einer dermatologischen GKV-Praxis zu verordnen und die Therapie zu managen.

Wir möchten an dieser Stelle keine Diskussion über Pathogenese und Immunmechanismen beginnen. Dies ist Inhalt hochkarätiger dermatologisch-immunologischer Publikationen [5] [6] [7]. Der Einfachheit halber unterteilen wir die Dermatosen, welche in der Praxis mit Biologicals behandelt werden in „ T1“ (pro-entzündliche Zytokine an der Pathogenese beteiligt, wie IL-6, TNF, IL-17, IL-12/23), und „T2“ (anti-entzündliche Zytokine an der Pathogenese beteiligt, wie IL-4, IL-13 sowie, damit wohl assoziiert, das IgE). Diese Einteilung ist natürlich sehr vereinfacht, sie hilft uns aber im klinischen Alltag, weil sie uns direkt (oder indirekt) zu den Targets der Immunmodulation und damit zu den anzuwendenden Biologicals führt. Wir werden im Folgenden mit den generischen Namen („ximabs, zumabs, umabs“ etc.) arbeiten. In [Tab. 2] sind die entsprechenden Handelsnamen einmalig aufgeführt.


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Ergebnisse

Spezialsprechstunde Immundermatologie – Management der Therapie mit Biologicals (und anderen Systemtherapeutika) in der dermatologischen Praxis

Unsere internen Analysen von 2000 Patientenkontakten eines Praxis-Arztes zeigen einen Anteil von etwa 160 Kontakten zu Patienten mit Psoriasis mit oder ohne begleitende Psoriasis-Arthritis sowie zu etwa 170 Patienten mit Atopischer Dermatitis (inklusive dyshidrotisches Handekzem) und zu etwa 50 Patienten mit chronisch spontaner und induzierbarer Urtikaria. In diesem Patientenkollektiv sind natürlich alle Schweregrade vertreten. Bei aller Individualität eint diese Patienten eines: eine lange Erkrankungsdauer mit einer sehr heterogenen „Therapiegeschichte“. Hier einen schnellen Überblick zu bekommen, therapeutische Entscheidungen zu treffen, Patienten aufzuklären etc. übersteigt den Zeitrahmen der „normalen“ Sprechstunde eindeutig. Eingedenk dieser Analysen beschlossen wir, eine Spezialsprechstunde Immundermatologie zu etablieren. Patienten, die entsprechend in der normalen Sprechstunde selektiert worden waren, wurden zu 20- bis 30-minütigen Konsultationen einbestellt und hier von 2 Ärzten und 2 MFAs betreut (Details siehe unten). Zunächst fand diese Sprechstunde an einem Nachmittag statt. Später haben wir der Sprechstunde einen ganzen Tag gewidmet. Die Gründe dafür sind vielfältig und haben mit der Zunahme von Patienten mit chronischen Dermatosen zu tun, die wir zurückführen auf: Patienten aus Kliniken, die an Studien teilgenommen haben und nun ambulant weiter betreut werden sollen; Patienten aus der eigenen Praxis, die in Anbetracht positiver Therapie-Neuigkeiten „wieder erscheinen“; steigende Anzahl von Überweisungen aus anderen dermatologischen und Hausarztpraxen. Wir betreuen derzeit etwas mehr als 100 Patienten pro Quartal mit chronischen, immunologisch bedingten Hautkrankheiten sowie weiteren Autoimmunerkrankungen in der Spezialsprechstunde ([Tab. 1]). Davon erhalten etwa 60 Patienten eine Systemtherapie, davon werden etwa 50 mit Biologicals behandelt ([Tab. 2]). Termine in der Spezialsprechstunde werden v. a. an Patienten vergeben, die auf eine Therapie eingestellt, ggf. umgestellt und, einem entsprechenden Algorithmus folgend (siehe unten), dokumentiert werden. Ebenso erhalten alle Patienten unter Systemtherapie zeitnah einen Termin, wenn Probleme auftreten (Nebenwirkungen, mangelnde Therapieeffizienz). In den Phasen „zwischendurch“, also wenn lediglich injiziert wird, erfolgt die Terminvergabe für die normale Sprechstunde.

Tab. 1

Diagnosen bei Patientinnen und Patienten in der Spezialsprechstunde Immundermatologie[*].

Diagnose

Anzahl Patienten

Psoriasis vulgaris (inkl. Psoriasis guttata, Psoriasis inversa)

55

Psoriasis-Arthritis (klinisch im Vordergrund stehend)

15

Atopische Dermatitis

34

Urtikaria

 8

Acne inversa

 5

Systemischer Lupus Erythematosus (SLE)

 3

M. Sjögren

 2

M. Behçet

 2

Psoriasis mit reaktiven Arthritiden bei CVID (Verdachtsdiagnose)

Systemische Sklerodermie

 1

Mycosis fungoides und Parapsoriasis en plaques

 3

* Es wurden Patienten gezählt, die mindestens einmal im Rahmen der Spezialsprechstunde in den letzten 6 Monaten betreut wurden, nachdem sie vorher in der Akut-Sprechstunde vorgesprochen und dort einen Termin bekommen hatten.


Tab. 2

Systemtherapie bei Patienten mit chronischen Dermatosen in der Spezialsprechstunde Immundermatologie[*].

Diagnose

Therapie

Anzahl Patientinnen/Patienten

Psoriasis vulgaris

Secukinumab (Cosentyx®)

 9

Psoriasis vulgaris

Ixekizumab (Taltz®)

 4

Psoriasis vulgaris

Tildrakizumab (Ilumetri®)

 3

Psoriasis vulgaris

Brodalumab (Kyntheum®)

 1

Psoriasis vulgaris

Risankizumab (Skyrizi®)

 1

Psoriasis vulgaris und Psoriasis-Arthritis

Ustekinumab (Stelara®)

 1 (Mitbetreuung Rheumatologe

Psoriasis-Arthritis (im Vordergrund)

Adalimumab Biosimilars (Amgevita®, Hulio®, Idacio®)

 3

Psoriasis-Arthritis (im Vordergrund)

MTX

 4

Psoriasis palmoplantaris

Adalimumab Biosimilar

 1

Psoriasis vulgaris

Dimethylfumarat (Skilarence®)

 7

Handekzem (atopisch, Kontaktekzem)

Alitretinoin (Toctino®)

 3

Acne inversa

Adalimumab Biosimilar

 1

Atopische Dermatitis

Cyclosporin

 1

Atopische Dermatitis

Dupilumab (Dupixent®)

19

Chronische spontane Urtikaria

Omalizumab (Xolair®)

 5

Gesamt

Alle Systemtherapien

63

* Es wurden Patienten gezählt, die im analysierten Halbjahr mindestens einmal mit der Therapie behandelt wurden, unabhängig von ggf. Therapie-Abbruch, Umstellung oder Verlassen unserer Betreuung (Umzug). Kurzzeittherapie mit hoch-dosierten Steroiden (intern) z. B. bei Atopischer Dermatitis und Urtikaria wurden hier nicht aufgeführt.


Die Auswahl der Patienten zur Einstellung auf eine Systemtherapie (speziell Biologicals) folgt streng den Angaben der Fachinformation der entsprechenden Präparate sowie den Leitlinien der Fachgesellschaften und entsprechenden Check-Listen (siehe: BVDD Checkliste Systemtherapie Atopische Dermatitis). Aus diesen Materialien wurden entsprechende Kriterien zur Therapieeinstellung erarbeitet. Diese werden in der Krankenakte dokumentiert. Hinsichtlich der einzelnen Präparate wurden sog. Therapiealgorithmen erarbeitet, die jeden Arbeitsschritt beschreiben. Bei allen Patienten mit Biological-Therapie erfolgt vor Beginn der Behandlung die Erhebung von klinischen Daten, der Lebensqualität-Parameter, der entsprechenden Laborwerte (bei den T1-Therapien immer und nur zu Beginn mit Quantiferon®-Test) sowie die Überprüfung des Impfstatus ([Abb. 1], beispielhaft für Ixekizumab). Ebenso wird der Schweregrad der Erkrankung fotodokumentiert. Bei allen Biological-Patienten erfolgt die Erhebung dieser Daten im ersten Quartal der Behandlung monatlich (Dupilumab- und Omalizumab-Patienten ohne Labor), danach einmal im Quartal. Basierend auf diesen Algorithmen wurden „Laufzettel“ erstellt ([Abb. 2], beispielhaft für Tildrakizumab) und jeder Patientenakte beigefügt. Diese ermöglichen einen raschen Überblick, in welcher Phase sich die Behandlung befindet und welche Aufgaben zum Termin zu erledigen sind.

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Abb. 1 Therapiealgorithmus am Beispiel der Behandlung der Psoriasis mit Taltz (Therapie-Einstellung und -Start).
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Abb. 2 „Laufzettel“ für Patienten mit Tildrakizumab-Therapie der Psoriasis.

In den ersten 3 Monaten der Behandlung mit einem Biological erfolgt die Injektion grundsätzlich in der Praxis, nachfolgend können Patienten die Injektion in häuslicher Umgebung vornehmen. Zum Erlernen dieser Fertigkeit wird eine kleine Schulung durch unsere MFA-Kolleginnen angeboten.

Unsere Analysen zeigen, dass wir für die Umsetzung der Algorithmen für Einleitung, Dokumentation und Management der Therapie mit Biologicals (und durchaus auch anderen Systemtherapeutika) etwa 4 Stunden pro Quartal benötigen. Unsere Arbeitsaufteilung verlangt knapp 2 Stunden ärztlicher Tätigkeit pro Quartal und Patient sowie etwas mehr als 2 Stunden Tätigkeit der MFAs. Von den über 60 Patienten, die bei uns mit Systemtherapie behandelt werden, sind 3 PKV versichert. Bisher werden 6 Patienten in Registern und Beobachtungsstudien dokumentiert.


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Immunmodulation in der Therapie von T1-Dermatosen

Zu den T1-Erkrankungen, die wir in der dermatologischen Praxis mit Systemtherapeutika behandeln, gehören Psoriasis, Psoriasis-Arthritis und Akne inversa. Bevor wir näher auf unseren Umgang mit Biologicals eingehen, sei ausdrücklich bemerkt, dass wir Psoriasis und Psoriasis-Arthritis entsprechend der Leitlinien und gemäß der Zulassung der Medikamente häufig initial mit Dimethylfumarat (DMF; Plaque-Psoriasis im Vordergrund) und MTX (Arthritis im Vordergrund) erfolgreich behandeln. Der Langzeitanwendung sind bei etwa der Hälfte der ursprünglich eingestellten Patienten (ca. n = 20 im Analyse-Zeitraum) wegen der Nebenwirkungen (Magen-Darm-Probleme, Erhöhung der Leberwerte) Grenzen gesetzt. Jedoch führen wir über einen mehrmonatigen bis mehrjährigen Zeitraum 7 Patienten mit DMF und 4 Patienten mit MTX. Erstere profitieren häufig von der variablen Dosierung, die sie dem Krankheitsverlauf und evtl. auftretenden Nebenwirkungen (Flash, Magen-Darm-Probleme) selbstständig anpassen und uns darüber informieren. Dies muss den Patienten im Aufklärungsgespräch ebenso gründlich und verständlich erläutert werden wie die Notwendigkeit regelmäßiger Blutabnahmen. Beim MTX erläutern wir den Patienten die häufig etwas später einsetzende Wirkung (auf die Gelenkerkrankung) und weisen auf die regelmäßigen Laborkontrollen hin.

Entsprechend dem Titel dieser Arbeit legen wir den Schwerpunkt auf die Biologicals. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, möglichst alle therapeutischen Prinzipien der Immunmodulation einzusetzen (IL-17, IL-12/23, TNFα), auch um unsere eigenen Erfahrungen zu sammeln. Wo wir diesbezüglich stehen, zeigt [Abb. 3], die die Therapiedauer der einzelnen Patienten darstellt. In keinem Fall würden wir einen Wirksamkeitsvergleich wagen und vergleichende Aussagen machen zum Nebenwirkungsprofil. Die Biologicals haben sich in unseren Händen in nahezu allen Fällen als hervorragend wirksam und gut beherrschbar hinsichtlich der sehr seltenen Nebenwirkungen gezeigt, wobei wir natürlich keine Aussagen zum Langzeitverlauf wagen. Wir haben bisher ([Tab. 2]) im Falle der mittelschweren bis schweren Plaque-Psoriasis ohne nachweisliche Gelenkbeteiligung die IL-17-Blockade (Ixekizumab, Secukinumab), die IL-17-Rezeptor-Blockade (Brodalumab) sowie die IL-23-Blockade (Tildrakizumab, Risankizumab) verwendet. Wir betreuen gemeinsam mit einer rheumatologischen Praxis einen Patienten mit Ustekinumab (IL-12/23-Blockade). Im Falle einer Psoriasis-Arthritis bei eher mäßigem Plaquebefall der Haut setzen wir Adalimumab-Biosimilars ein. Hier vertrauen wir auf die jahrelangen Erfahrungen, v. a. auch in der Rheumatologie, die ein hohes antientzündliches therapeutisches Potenzial nahelegen. Dies ist auch der Grund für den Einsatz eines Adalimumab-Biosimilars bei bisher einem Patienten mit Akne inversa. In einem weiteren Fall haben wir eine letztendlich sehr erfolgreiche Therapie eines Patienten mit massiver Psoriasis vulgaris und starkem palmo-plantaren Befall mit einem Adalimumab-Biosimilar erreicht nach erfolgloser vorheriger MTX-Therapie (s. c.) und abgebrochener DMF-Behandlung. Psoriasis-Arthritis sowie sehr hohe Entzündungslast (palmo-plantarer Befall) sind für uns Kriterien für den Einsatz der TNF-Blockade. Und bei der klassischen mittelschweren bis schweren Plaque-Psoriasis? Wir haben bisher keine klare Idee, welche Auswahlkriterien für die 3 IL-17(R)-blockierenden oder die 3 IL-23-hemmenden Substanzen angelegt werden können. Wir haben bei einem unserer 4 Ixekizumab-Patienten (entsprechend 1/13 Patienten mit IL-17-Blockade) nach gutem initialem Ansprechen (PASI von 16 auf 6 in 4 Wochen) ein Rezidiv gesehen, welches zu einer Suberythrodermie führte. Wir haben für diese Verschlechterung keine Erklärung. Möglicherweise hat eine (nicht bemerkte) subklinische Infektion dazu geführt, vielleicht war ein temporärer Alkoholabusus im Spiel. Jedoch scheinen Infektionen unter Biological-Therapie (IL-17- oder IL-23-Blockade) die Psoriasis nicht in dem Maße zum Rezidiv zu triggern, wie wir das von der topischen Therapie und dem MTX her kennen. Wir haben unseren Patienten von Ixekizumab auf Risankizumab umgestellt, eine Team-Mehrheitsentscheidung. Der zweite Vorschlag war TNF-Blockade mit Adalimumab-Biosimilar (Entzündungslast). Unter IL-23-Blockade gab es eine rasche, deutliche Besserung, aber wir bleiben vorsichtig. Als weiteren Grund eines Nichterreichens von PASI 75 oder gar PASI 100 haben wir die Komedikation mit einem Betablocker vermutet (5 von 16 Patienten). Unsere Versuche, beim Hausarzt/Internisten einen Wechsel der Therapie durchzusetzen, waren nicht immer erfolgreich. Wir haben bei allen 23 Patienten mit den Diagnosen Psoriasis, Psoriasis-Arthritis und Akne inversa, die wir im analysierten Zeitraum mit Biologicals therapierten, keinerlei schwere Nebenwirkungen registriert. Die bei wenigen Patienten beobachteten (und gemeldeten) Infekte der oberen Atemwege verliefen leicht und wurden von uns eher der Jahreszeit (Oktober-Januar) zugeordnet und hatten wohl nichts mit den Biological-Wirkmechanismen zu tun. Ein Patient (IL-17-Blockade) hatte nach 8 Wochen die Therapie beendet, offenbar der hervorragenden Besserung des Krankheitsbildes geschuldet. Mehrfache Telefonate konnten ihn nicht dazu bewegen, die Praxis wieder aufzusuchen. Ein Patient ist offensichtlich umgezogen. Bei 5 Patienten unter Secukinumab haben wir kurze Zeit (3–8 Wochen) nach Therapieabbruch aus unterschiedlichen Gründen (Patientenwunsch, weil Besserung; berufliche Gründe mit mehrmonatiger Abwesenheit) Rezidive gesehen, die schnell und heftig einsetzten und fast wie Rebound-Phänomene wirkten (PASI-Rezidiv > > PASI-Anamnese). Unser Ixekizumab-Abbrecher ist laut (nicht überprüfbarer) telefonischer Auskunft einer Angehörigen seit Monaten rezidivfrei. Unter unseren 20 Patienten mit T1-Erkrankungen auf Biologicals injizieren sich 7 das jeweilige Präparat selbst in häuslicher Umgebung oder lassen einen Verwandten/Partner injizieren.

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Abb. 3 Dauer der Biological-Therapie bei Patienten mit Atopischer Dermatitis und Psoriasis.

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Immunmodulation in der Therapie von T2-Dermatosen

Gleich zu Beginn: Wir betreuen eine Patientin, die seit mehr als 4 Jahren die anamnestisch schwere Atopische Dermatitis mit Cyclosporin A (0,5 mg/kg Körpergewicht pro Tag ohne Unterbrechung) sehr gut beherrscht (EASI-Werte 1–5). Es sind keine Laborwert-Anomalien feststellbar, der Blutdruck ist normal. Im Analysezeitraum wurden 19 Patienten betreut, deren mittelschwere bis schwere Atopische Dermatitis (EASI 12–36) mit Dupilumab behandelt wird. Alle Patienten haben über ein sofortiges Ansprechen berichtet, wobei der Juckreiz immer etwas „schneller ansprach“ und bereits wenige Tage bis max. 2 Wochen nach Erstinjektion deutlich nachließ. Wir beobachten durchaus, dass die Patienten eine 50 %-ige rasche EASI-Reduktion als großartig empfinden, wo das Behandlungsteam deutlichen Raum für Verbesserung sieht. 12 von 19 Patienten berichten, dass sie zunächst noch parallel topische Steroide angewendet haben, diese aber langsam ausschleichen. Mehrfach haben wir nach wenigen Wochen den fast euphorischen Bericht gehört: „Ich brauche kein Kortison mehr!“. 3 Patienten, die eine nachgewiesene Sensibilisierung (IgE RAST) gegen Baumpollen und Gräser-Frühblüher aufweisen, berichten vom Ausbleiben der jahrelang beobachteten saisonalen Krankheits-Exazerbation. Bei mehreren Patienten wird, parallel zur Dupilumab-Therapie, eine Hyposensibilisierung weitergeführt. 3/19 Patienten hatten ein behandeltes Asthma bronchiale, wurden aber wegen der entsprechend schweren Atopischen Dermatitis auf Dupilumab (300 mg s. c. alle 14 Tage nach einmaliger Gabe von 2 × 300 mg s. c. zur Aufsättigung) eingestellt. In Zusammenarbeit mit dem Pulmologen erfolgte eine Reduzierung der Asthmatherapie (nicht im Detail gezeigt). Wir sehen bei einer Subgruppe unserer Patienten (7/19) eine vergleichsweise geringere Verbesserung des klinischen (Haut-)Zustandes (EASI-Verbesserung in Woche 8 bei ca. 50 %) bei deutlicher Juckreizreduzierung. Diese Patienten (und andere nicht) schildern ein „Wiederaufflammen“ der Erkrankung wenige Tage vor der folgenden Dupilumab-Injektion. Uns fällt die Parallelität (weniger EASI-Reduktion, Auf-und-Ab der Erkrankung) auf, ohne dass wir den Befund objektivieren könnten. Weder die IgE-Werte noch spezifische Sensibilisierungen (RAST), Geschlecht, Alter, Schweregrad etc., geben einen Hinweis (CAVE: niedrige Fallzahl), jedoch werden wir das weiter beobachten. Allen 7 Patienten gemeinsam ist der starke Hautbefall im Gesicht mit Erythem, Infiltration, teils Schuppenkrusten. Alle Patienten hatten ein starkes Lidrandekzem sowie eine periorbital ausgeprägte Dermatitis. 5 Patienten wurden wegen einer meist geringgradig ausgeprägten Konjunktivitis von Augenärzten mitbetreut. Die Augenbeteiligung bestand bei den entsprechenden Patienten dauerhaft oder periodisch auch vor Einleitung der Behandlung mit Dupilumab. Unsere bisher 6 Behandlungen mit Omalizumab ergaben 1-mal komplette Remission nach 6 Monaten, 2-mal teilweise Besserung und 1-mal keinen klinischen Effekt nach 4 Monaten. Die 2 übrigen Anwendungen wurden gerade erst gestartet.

Die mit Biologicals behandelten Patienten waren bei den T2-Erkrankungen im Durchschnitt etwas jünger und weiblicher ([Abb. 4]). 3 Patienten (2 weiblich) waren jünger als 18 Jahre und profitierten von der diesbezüglichen Zulassungserweiterung für Dupilumab. 2 von ihnen wurden mit der Gewichts-adjustierten Dosis von 200 mg, ein Patient mit 300 mg behandelt. Wir sahen keine Unterschiede in der Wirksamkeit, weder untereinander noch im Vergleich zur adulten Patientengruppe. Bei einem Patienten, der an einer Phase-3-Studie mit Dupilumab teilgenommen hatte, ergab sich eine mehrmonatige Therapiepause ([Abb. 3]). Trotz des Einsatzes von hoch potenten topischen Steroiden kam es nach wenigen Wochen zu einem schweren Rezidiv, der schwerste anamnestische EASI wurde erreicht. Nach Wiedereinstellung auf Dupilumab-Therapie kam es innerhalb von 4 Wochen zur deutlichen Besserung (EASI 26 auf EASI 5).

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Abb. 4 Alters- und Geschlechterverteilung unserer Patienten mit systemischen Therapien.

Von unseren 19 Dupilumab-Patienten injizieren 10 ab dem 4. Behandlungsmonat selbst oder lassen einen Verwandten/Partner in häuslicher Umgebung injizieren. Sogar einige Patienten, die mit erheblicher Spritzenangst in die Praxis kamen, haben diese Fertigkeit in einer kleinen Schulung durch unsere MFA-Kolleginnen rasch erlernt.


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Diskussion

Seit mehr als 15 Jahren sind Biologicals (monoklonale Antikörper und Fusionsproteine) fester Bestandteil der Therapie chronisch entzündlicher und allergischer Dermatosen. Die modernen Therapien sind Inhalt entsprechender Leitlinien (Nast A et al., AWMF-S3-Leitlinie 013-100) und publizierter Experten-Konsens-Empfehlungen [8]. Mit der Entdeckung neuer Targets werden neue Biologicals hinzukommen [3]. Neue Stoffklassen (z. B. Kinase-Inhibitoren) stehen kurz vor Marktzulassung. In unserer Praxis wurde im letzten Jahr die Entscheidung getroffen, Biologicals bei entzündlichen (T1-) und allergischen (T2-)Dermatosen im Rahmen einer Spezialsprechstunde konsequent leitliniengerecht einzusetzen, wenn die entsprechende Indikation besteht. Dies ist eine strategische Entscheidung, welche durchaus betriebswirtschaftliche, organisatorische und medizinische Konsequenzen für die gesamte Praxis hat. Sieht man sich beispielhaft die betriebswirtschaftliche Imbalance an (Honorar pro Quartal vs. Personalkosten v. a. für Dokumentationsaufwand), dann verwundert es nicht, dass nur ein Teil der dermatologischen Praxen in Deutschland Biologicals einsetzt, was dem Versorgungsstandard für die Psoriasis-Patienten nicht zuträglich ist [9]. Einen aktuellen Überblick über die Nutzung von Biologicals für die Therapie der Psoriasis erhält man im PsoBest-Register (https://www.psobest.de/informationen-fuer-pruefaerzte/). Etwas jünger, aber von wachsender Bedeutung, ist das TREAT-Register für Patienten mit Atopischer Dermatitis (http://www.treatgermany.org/treatgermany/aktuelles/).

Wir haben uns mit dieser Arbeit u. a. das Ziel gestellt, retrospektiv den Behandlungsverlauf von Patienten mit chronischen T1- und T2-Dermatosen auszuwerten. Wenn auch in kleinem Maßstab, so erheben wir hier wirkliche „Real World Data“, denn die Patienten waren natürlich in keiner Weise selektiert, eine Dokumentation der Patienten in Nicht-Interventionellen Studien (finanziert durch die Herstellerfirmen) erfolgte nur bei sehr wenigen Patienten, und auch die Register PsoBest und TREAT wurden noch sehr (zu) wenig genutzt, was sich ändern wird auf der Basis der geschaffenen Strukturen und Abläufe.

Wir haben dem hohen Aufwand der Dokumentation der Therapie mit Biologicals Rechnung getragen mit der Etablierung einer Spezialsprechstunde Immundermatologie. Hier und im normalen Sprechstundenbetrieb sehen die behandelnden Ärzte und MFA jeden Patienten, der eine Immunmodulation mit Biologicals erhält, bei jedem Praxiskontakt. Dies mag übertrieben anmuten, ist aber eine bewusste Entscheidung unseres Teams, resultierend aus der Tatsache, dass es sich um die am schwersten kranken Patienten (abgesehen von onkologischen Patienten) in der Praxis handelt, die mit den teuersten Therapeutika, die wir einsetzen, behandelt werden. Hinzu kommt, dass wir uns in einem ständigen Lern-Prozess befinden und beim Management der Biological-Therapien sehr viel über Präparate, Krankheiten, Patienten und den Praxisalltag lernen. Die Patienten erhalten viel Zeit, ihre Fragen zu stellen, deren Beantwortung häufig genug eine Herausforderung darstellt (Box 1). Die Gespräche sind uns und den Patienten auch deshalb sehr wichtig, weil psychosoziale Komorbidität bei Atopischer Dermatitis und Psoriasis ein bekanntes Phänomen darstellt [10]. Wir wollen also die Patienten unter der immunmodulierenden Therapie mit Biologicals gut führen und haben uns deshalb entschlossen, konsequent den „1 ×  im Quartal“-Modus zu negieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass trotz ausführlicher Aufklärungsgespräche nicht alle Patienten in eine Behandlung mit Biologicals einwilligten, trotz des Bestehens schwerer Erkrankungen. Bei den Psoriatikern sahen wir dies in 3 von etwa 20 Gesprächen, bei Urtikaria-Patienten in 1 von 7, und selbst bei schweren Ekzemerkrankungen lehnten 4 von ca. 15 Patienten es ab, mit Biologicals behandelt zu werden. Die Gründe dafür ergaben sich zumeist aus den gestellten Fragen (Box 1). Die meisten unserer Patienten haben einen sehr wechselhaften Verlauf ihrer chronischen Dermatosen, sodass die Dokumentation von Schweregrad-Scores (PASI, EASI, USS) in „Woche 0“ nur eine Momentaufnahme in einer langen Krankheitsgeschichte darstellt. Wo dies geboten schien, erhoben wir also einen „anamnestischen Score“, d. h. unsere MFAs erfragten und dokumentierten während des Scorings den schwersten Hautbefall, der erinnerlich war. In zahlreichen Fällen konnten Fotos, die uns die Patienten zur Verfügung stellten (Handyaufnahmen), zu einer guten Dokumentation beitragen.

Box 1: Was fragen Biological-Patienten – das Aufklärungsgespräch
  • Immunmodulation bei Schuppenflechte, Neurodermitis und Quaddelsucht: Bekomme ich dann AIDS?

  • Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?

  • Muss ich nun ein Leben lang gespritzt werden? Wann kann die Therapie beendet werden? Sind Unterbrechungen, z. B. bei Schwangerschaft, möglich?

  • Die Herstellung der Biologicals erfolgt durch Gentechnik – Gentechnik ist gefährlich!

  • Die Therapie ist sehr teuer – bezahlt das meine Krankenkasse oder muss ich zuzahlen?

  • Wie sind die Langzeiterfahrungen mit den Biologicals hinsichtlich des Auftretens von Infektionen und Krebs?

  • Darf eine Hautkrankheit mit so teuren Medikamenten behandelt werden? Wenn ich nicht zustimme, behandeln Sie mich dann anders weiter?

  • Warum soll ich mich impfen lassen vor der Therapie? Verschlimmert das nicht meine Hautkrankheit?

  • Warum soll ich eine Tumor-Nekrose-Faktor-Blockade bekommen, das erhöht doch die Gefahr von Tumoren?

Wir haben bisher im Fall der ausgeprägten mittelschweren bis schweren Plaque-Psoriasis ohne nachweisliche Gelenkbeteiligung die IL-17-Blockade (Ixekizumab, Secukinumab), die IL-17-Rezeptor-Blockade (Brodalumab) sowie die IL-23-Blockade (Tildrakizumab, Risankizumab) verwendet. Wir werden in nächster Zeit ebenso den dritten IL-23-Antikörper (Guselkumab) einsetzen. Wir haben mehrfach überlegt, den Kinase-Inhibitor Tofaticinib als orales Therapeutikum bei der Psoriasis-Arthritis einzusetzen. Diese Stoffklasse wird unser therapeutisches Arsenal für die chronisch entzündlichen Dermatosen in den kommenden Jahren wesentlich erweitern. Dass wir hier noch keine Erfahrungen gesammelt haben, liegt v. a. daran, dass wir mangels des Impfstoffs (Shingrix®) keine Impfung gegen Herpes Zoster vornehmen können, was uns bei der Therapie mit Kinaseinhibitoren unabdingbar erscheint [11]. Auch liegen mittlerweile Beobachtungen von Nebenwirkungen dieser Impfung vor, die zusätzlich zu diskutieren sind. Wir haben in nahezu allen Fällen der Anwendung der Biologicals sowohl bei T1- als auch bei T2-Erkrankungen sehr positive Erfahrungen hinsichtlich der Wirksamkeit gemacht. Häufig werden in Referaten vergleichende Aussagen gemacht, die dann (die Abbildung an der Wand) relativiert werden. Dies ist wissenschaftlich nicht seriös. Ohne vergleichende (Head-to-Head-)Studie kein Wirksamkeitsvergleich! Und selbst die Studienergebnisse sind, auf den einzelnen Patienten übertragen, wenig aussagestark. Solche „Head-to-Head“-Studien gab es u. a. zum Vergleich von Ixekizumab mit Guselkumab [12] und Ixekizumab mit Adalimumab [13] sowie Risankizumab als IL-23 p19-Blocker mit Ustekinumab, das IL-12 und IL-23 blockiert [14]. Trotz dieser wichtigen Studienergebnisse haben wir für uns die Frage nach Kriterien für die Auswahl von IL-17- (oder IL-17R-) vs. IL-23-blockierenden Immunmodulatoren bei der Psoriasis noch nicht beantwortet. In bestimmten Situationen wie langer dienstlicher Abwesenheit, häufigem Reisen, psychologischen Problemen mit häufigen Praxisbesuchen kann der Injektions-Wochenrhythmus der IL-23-Hemmer (0–4-16–28 …) günstig sein. Die Pausen machen möglicherweise bei anderen Patienten Mühe, sind doch die Patienten aus der Vergangenheit einen anderen Therapierhythmus gewohnt. Die Bewerbung der Injektionshäufigkeit halten wir eher für eine Marketingmaßnahme. Wir können uns nach wie vor nicht vorstellen, Patienten mit derart schweren Erkrankungen und der entsprechend wichtigen (und teuren) Therapie nur deshalb nur einmal im Quartal zu sehen, weil dies bez. Injektionsmodus so in der Fachinformation steht.

Wie lange sollen wir therapieren? Diese Frage stellt sich nicht nur ein großer Teil unserer Patienten (Box 1), sondern auch wir Ärzte. Trotz Vorliegens immer länger reichender Fortsetzungsstudien (Long Term Follow-up Study) zu verschiedenen Präparaten [15] [16] und der sorgfältigen Überwachung durch die Behörden weltweit hinsichtlich Arzneimittelsicherheit, ist es kaum vorstellbar, dass wir lebenslang das IL-17 oder das IL-23 blockieren. Abgesehen von den entstehenden Kosten ist das auch eine Frage der Ressourcen in der Praxis. Wir glauben, dass mit 60–80 Patienten auf Biologicals die Kapazitätsgrenze für eine sorgfältige medizinische Patientenbetreuung und v. a. gute Dokumentation in einer Praxis unserer Größe und Ausstattung erreicht ist. Fragt sich nur, was wir dann zukünftig den Patienten mit schwerer Atopischer Dermatitis (1–2 Kandidaten für Biological-Therapie pro Monat stellen sich vor) oder schwerer Psoriasis (1–2 pro Quartal) anbieten. Wenn wir Patienten nicht aus einer Biological-Therapie wieder „herausbekommen“ (also de facto heilen, denn unterbrechen und auf das Rezidiv warten bringt wenig, siehe unsere Erfahrungen), dann werden die Patientenkollektive unter Biological-Therapie auf Größen anwachsen, die wir nicht mehr managen können. Zentrumsbildung als Schlagwort nutzt bei den derzeitigen „Durchschnitts-Honoraren“ wenig.


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Schlussbemerkung

Diese Arbeit entstand zu Beginn der Corona-Krise. Es stellte sich natürlich sofort die Frage nach dem Umgang mit unseren Patienten unter Immunmodulation (Biologicals). Nach persönlicher Rücksprache mit 2 Universitätshautkliniken haben wir uns zu diesem Zeitpunkt entschlossen, keine Therapie abzubrechen, was beim Injektionsrhythmus über Wochen oder gar Monate ohnehin nicht relevant ist. Dies wurde bestätigt durch ein Rundschreiben von PsoNet und PsoBest „Verfahrensweise bei der Systemtherapie bei Patienten mit Psoriasis während der pandemischen Phase von SARS-CoV-2 (Coronavirus)“ vom 18. 03. 2020. Jedoch verzichteten wir vorübergehend auf Neueinstellung der T1-Patienten auf Systemtherapien wie MTX, DMF und Adalimumab (Bauchgefühl). Wir haben weiterhin Patienten auf Dupilumab eingestellt, wo dies indiziert war. Wir haben die T1-Patienten schriftlich über die besondere Situation und notwendige Hygiene-Maßnahmen aufgeklärt. Den T2-Patienten wurden die Fragen reaktiv beantwortet. Alle Patienten erwiesen sich als sachlich, ruhig und zu diesem Zeitpunkt sehr kooperativ. Alle Patienten setzten ihre jeweiligen Therapien fort. Es ergab sich jedoch ein deutlich erhöhter Rede- und Informationsbedarf. Zum Glück hatten wir unsere Spezialsprechstunde Immundermatologie.


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Interessenkonflikt

S. Jahn war mehrjährig in der Pharmaindustrie tätig und hat Gehälter erhalten u. a. von Merck-Serono, Schering (heute Bayer), Biogen-Idec, Roche und Sanofi. Darüber hinaus erhielt er Honorare und Kongress-Teilnahme-Unterstützung von Sanofi, Almirall und Pfizer.

Danksagung

Wir danken unseren MFA Tatjana Heller und Katharina Emmerich für die hervorragende Zusammenarbeit.

  • Literatur

  • 1 Körber A, Wilsmann-Theis D, Augustin M. et al. Topische Therapie bei Psoriasis vulgaris – ein Behandlungspfad. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17 (Suppl. 04) 3-14
  • 2 Sawyer LM, Malottki K, Sabry-Grant C. et al. Assessing the relative efficacy of interleukin-17 and interleukin-23 targeted treatments for moderate-to-severe plaque psoriasis: A systemic review and network meta-analysis of PASI response. PLoS One 2019; 14: e0220868 DOI: 10.1371/journal.pone.0220868. eCollection 2019
  • 3 Bieber T. Novel therapies based on the pathophysiology of atopic dermatitis. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17: 1150-1162
  • 4 Armstrong AW, Puig L, Joshi A. et al. Comparison of Biologics and Oral Treatments for Plaque Psoriasis: A Meta-analysis. JAMA Dermatol 2020; DOI: 10.1001/jamadermatol.2019.4029.
  • 5 Boehncke WH, Schön MP. Psoriasis. Lancet 2015; 386: 983-994
  • 6 Grobe W, Bieber T, Novak N. Pathophysiology of atopic dermatitis. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17: 433-440
  • 7 Sabat R, Jemec GBE, Matusiak L. et al. Hidradenitis suppurativa. Nat Rev Dis Primers 2020; 6: 18
  • 8 Von Kiedrowski R, Dirschka T, Kirchesch H. et al. Psoriasis vulgaris – ein praxisnaher Behandlungspfad. Der Deutsche Dermatologe 2011; 9: 1-8
  • 9 Augustin M. Plenarvortrag auf der Jahrestagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Berlin: 02.05.2019
  • 10 Kage P, Simon J-C, Treudler R. Atopische Dermatitis und psychosoziale Komorbidität. J Dtsch Dermatol Ges 2020; 18: 93-102
  • 11 Jahn S, Föhr J, Herbst M. Impfen bei dermatologischen Patienten vor und unter immun-modulierenden Therapien – Erfahrungen aus einer diesbezüglichen Spezialsprechstunde. Akt Dermatol 2020; DOI: 10.1055/a-1131-1873.
  • 12 Blauvelt A, Papp KA, Gottlieb A. et al. A head-to-head comparison of Ixekizumab vs. Guselkumab in patients with moderate-to-severe plaque psoriasis: 12-week efficacy, safety and speed of response from randomized, double-blinded trial. Br J Dermatol 2019; DOI: 10.1111/bjd.18851.
  • 13 Mease PJ, Smolen JS, Behrens F. et al. A head-to-head comparison of the efficacy and safety of ixekizumab and adalimumab in biological-naive patients with active psoriatic arthritis: 24-week results of a randomised, open-label, blinded-assessor trial. Ann Rheum Dis 2020; 79: 123-131
  • 14 Papp KA, Blauvelt A, Bukhalo M. et al. Risankizumab versus Ustekinumab for Moderate-to-Severe Plaque Psoriasis. N Engl J Med 2017; 376: 1551-1560
  • 15 Reich K, Warren RB, Iversen L. et al. Langzeitwirksamkeit und -sicherheit von Tildrakizumab bei mitelschwerer bis schwerer Psoriasis: Gepoolte Analysen zweier randomisierter klinischer Phase-III-Studien (RESURFACE 1 und RESURFACE 2) über einen Zeitraum von 148 Wochen. Br J Dermatol 2019; DOI: 10.1111/BJD.18232.
  • 16 Puig L, Lebwohl M, Bachelez H. et al. Long-term efiicacy and safety of brodalumab in the tretament of psoriasis: 120-week results from the randomized, double-blind, placebo- and active comparator-controlled phase 3 AMAGINE-2 trial. J Am Acad Dermatol 2020; 82: 352-359

Korrespondenzadresse

PD Dr. Sigbert Jahn
Hautarztpraxis Dr. Herbst & Kollegen
Rheinstraße 7–9
64283 Darmstadt
Deutschland   

Publication History

Article published online:
12 October 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Körber A, Wilsmann-Theis D, Augustin M. et al. Topische Therapie bei Psoriasis vulgaris – ein Behandlungspfad. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17 (Suppl. 04) 3-14
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  • 8 Von Kiedrowski R, Dirschka T, Kirchesch H. et al. Psoriasis vulgaris – ein praxisnaher Behandlungspfad. Der Deutsche Dermatologe 2011; 9: 1-8
  • 9 Augustin M. Plenarvortrag auf der Jahrestagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Berlin: 02.05.2019
  • 10 Kage P, Simon J-C, Treudler R. Atopische Dermatitis und psychosoziale Komorbidität. J Dtsch Dermatol Ges 2020; 18: 93-102
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  • 14 Papp KA, Blauvelt A, Bukhalo M. et al. Risankizumab versus Ustekinumab for Moderate-to-Severe Plaque Psoriasis. N Engl J Med 2017; 376: 1551-1560
  • 15 Reich K, Warren RB, Iversen L. et al. Langzeitwirksamkeit und -sicherheit von Tildrakizumab bei mitelschwerer bis schwerer Psoriasis: Gepoolte Analysen zweier randomisierter klinischer Phase-III-Studien (RESURFACE 1 und RESURFACE 2) über einen Zeitraum von 148 Wochen. Br J Dermatol 2019; DOI: 10.1111/BJD.18232.
  • 16 Puig L, Lebwohl M, Bachelez H. et al. Long-term efiicacy and safety of brodalumab in the tretament of psoriasis: 120-week results from the randomized, double-blind, placebo- and active comparator-controlled phase 3 AMAGINE-2 trial. J Am Acad Dermatol 2020; 82: 352-359

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Abb. 1 Therapiealgorithmus am Beispiel der Behandlung der Psoriasis mit Taltz (Therapie-Einstellung und -Start).
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Abb. 2 „Laufzettel“ für Patienten mit Tildrakizumab-Therapie der Psoriasis.
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Abb. 3 Dauer der Biological-Therapie bei Patienten mit Atopischer Dermatitis und Psoriasis.
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Abb. 4 Alters- und Geschlechterverteilung unserer Patienten mit systemischen Therapien.