Doyle OM.
et al.
Identification of potentially undiagnosed patients with nontuberculous mycobacterial
lung disease using machine learning applied to primary care data in the UK.
Eur Respir J 2020;
DOI:
10.1183/13993003.00045-2020
Grundlage zur Identifizierung von Fällen mit NTM-Lungenerkrankung waren Daten der
IQVIA Medical Research Data (IMRD) aus elektronischen Krankenakten der Primärversorgung.
Sie wurden mit Daten zu Aufenthalten in Krankenhäusern des staatliche Gesundheitssystems
verknüpft. Als weitere Quelle dienten Informationen zu Therapieregimen mit spezifischen
Antibiotikakombinationen über mindestens 180 Tage. Kontrollpatienten wurden ebenfalls
aus der IMRD ausgewählt. Die Methode des maschinellen Lernens bietet die Möglichkeit,
große Mengen klinischer Prädiktoren und komplexe Verknüpfungen zu verarbeiten. Damit
der Algorithmus lernen konnte, nicht nur zwischen „gesund“ und „krank“, sondern zwischen
verschiedenen Erkrankungen zu unterscheiden, mussten Kontrollpatienten mindestens
einen der 10 häufigsten Prädiktoren für NTM-Lungenerkrankung (z. B. Antibiotika- oder
Kortikosteroideinnahme, COPD, Husten) aufweisen. Der Studienzeitraum erstreckte sich
von September 2003 bis September 2017.
Vorteile durch maschinelles Lernen
Insgesamt identifizierte die Arbeitsgruppe 1082 Fälle mit NTM-Lungenerkrankung, von
denen sie 741 in die Analyse aufnahmen. Die Kontrollgruppe umfasste 112 784 Patienten.
Die Patienten waren im Vergleich zu den Kontrollpersonen im Durchschnitt älter, häufiger
Frauen, häufiger ehemalige oder aktuelle Raucher und hatten einen niedrigeren BMI.
Von 2006 – 2016 stieg die jährliche Prävalenz im United Kingdom von 2,7 auf 5,1 Fälle
pro 100 000, was der für Europa berichteten Prävalenz entspricht. Die Gesamtprävalenz
diagnostizierter und nicht diagnostizierter Fälle wurde im Jahr 2016 auf 9 – 16/100 000
geschätzt. Zu den häufigsten vorher bestehenden Diagnosen und Behandlungen für Patienten
mit NTM-Lungenerkrankung gehörten COPD, Asthma, Penicillin, Makrolide und inhalative
Kortikosteroide.
Verglichen mit zufälligen Tests verbesserte das maschinelle Lernen die Detektion von
Patienten mit NTM-Lungenerkrankung um das Tausendfache. Dabei zeigte der Wert für
die Fläche unter Konzentrations-Zeit-Fläche (AUC) von 0,94 eine hohe prädiktive Leistungsfähigkeit
an. Die Algorithmusleistung wurde am stärksten durch das Alter, Zeitpunkt des Symptomauftretens
und eines Therapiebeginns sowie Lungenfunktionstests in der Phase vor der ersten NTM-Lungenerkrankungs-Diagnose
beeinflusst.
Die britischen Daten belegen eine Zunahme an NTM-Lungenerkrankungsfällen besonders
für die Jahre 2006 – 2016. Der entwickelte prädiktive Algorithmus für maschinelles
Lernen erwies sich gegenüber zufälligen Tests hinsichtlich der Detektion von bislang
nicht diagnostizierten Patienten mit NTM-Lungenerkrankung als wesentlich leistungsfähiger.
Die Daten deuten nach Ansicht der Autoren daraufhin, dass es in Großbritannien und
Nordirland eine substanzielle Anzahl an nicht diagnostizierten Fälle mit NTM-Lungenerkrankung
gibt.
Matthias Manych, Berlin