Pneumologie 2020; 74(09): 582-584
DOI: 10.1055/a-1216-2215
Empfehlungen

Empfehlungen für Lungenfunktionsuntersuchungen in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie

Recommendations for Performance of Lung Function in Times of SARS-CoV-2 Pandemic
U. Ochmann
1   Klinikum der Universität München, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, LMU München, Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL)
,
D. Nowak
1   Klinikum der Universität München, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, LMU München, Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL)
,
C. Criée
2   Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende gGmbH, Pneumologie, Beatmungsmedizin/Schlaflabor, Bovenden-Lenglern
,
im Auftrag der DGP › Author Affiliations
 

Einleitung

Es gibt noch keine wissenschaftlich abgesicherten Studien über Hygienemaßnahmen im Rahmen der Durchführung von Lungenfunktionsuntersuchungen seit dem Eintritt der SARS-CoV-2-Pandemie. Dargelegt werden im vorliegenden Dokument Expertenmeinungen, die sich auf Erfahrungen in der Verhütung und Bekämpfung der bislang maßgeblichen Infektionskrankheiten gründen.

Die Empfehlungen können schnell veralten: Sie müssen auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse hin ständig überprüft werden. Jede Gesundheitseinrichtung, die Lungenfunktionsuntersuchungen durchführt oder auch in Auftrag gibt, sollte sich der Pflicht zur ständigen Aktualisierung ihrer getroffenen Maßnahmen bewusst sein.


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1 Gefährdungsbeurteilung

Nach derzeitigem Kenntnisstand wird das SARS-CoV-2-Virus hauptsächlich über Tröpfchen übertragen, die beim Husten und Niesen entstehen und beim Gegenüber über die Schleimhäute der Nase, des Mundes und ggf. des Auges aufgenommen werden. Eine Übertragung auch durch Aerosole (Tröpfchenkerne, kleiner als 5 Mikrometer) ist ebenfalls möglich. Weiterhin ist eine Übertragung durch Flächenkontamination nicht auszuschließen. Nach bisherigen Daten ist das Virus auf Oberflächen über mehrere Tage nachweisbar.

Die Gefährdung hängt grundsätzlich von der Prävalenz der Infektionserkrankung in der Bevölkerung und von der Wahrscheinlichkeit einer Infektiosität der untersuchten Patientenklientel ab.

Die Indikationsstellung zu den unterschiedlichen Hygienemaßnahmen in der Lungenfunktionsdiagnostik muss sich an der lokalen Prävalenz orientieren – je höher, umso restriktiver.

Personal

Bei der Durchführung von Lungenfunktionsuntersuchungen kann insbesondere durch forcierte Atemmanöver sowohl ein Hustenreiz als auch eine vermehrte Aerosolbildung erzeugt werden. Bei allen Untersuchungen, die im freien Raum durchgeführt werden, wie Messung des exhalierten NO, Diffusionsmessung, Spirometrie, Bronchoprovokation, Ergometrie, Spiroergometrie, ist von einer erhöhten Expositionsmöglichkeit für die im Raum anwesenden Personen auszugehen. Daher ist deren Zahl auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Eine Ausnahme stellt die Bodyplethysmografie dar, hier ist das Personal vor einer direkten Exposition geschützt, die Luft in der Bodykabine ist jedoch als potenziell kontaminiert zu betrachten. Das Ausmaß der Gefährdung durch Öffnung der Bodykabine nach Durchführung der Untersuchung hängt von der Raumgröße und der Belüftungsmöglichkeit des Raumes ab.


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Patienten

Eine erhöhte Gefährdung ist durch eine Kontamination der Untersuchungsgeräte und durch unerkannt infektiöse Personen (Mitarbeiter oder andere Patienten) denkbar. Auf die Hygieneregeln (z. B. Abstand, Mund-Nasen-Schutz) im Wartebereich (z. B. Sauerstofftitration, Bronchospasmolyse) ist präzise zu achten.


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2 Grundsätzliche Maßnahmen

  • Durchführung einer eigenen Gefährdungsbeurteilung unter Berücksichtigung der zu untersuchenden Patientenklientel, der eigenen Abläufe und der räumlichen Bedingungen.

  • Strenge Indikationsstellung und individuelle Risikoabwägung für die Untersuchungen.

  • Für das stationäre Setting gelten ggf. weitere Anweisungen für ein Screening vor stationärer Aufnahme.

  • Personal wird regelmäßig darauf hingewiesen, bei Auftreten von Infektzeichen nicht zur Arbeit zu kommen.

  • Personal trägt grundsätzlich Mund-Nasen-Schutz (MNS). Bei den unter 3.3 aufgeführten Untersuchungen trägt das Personal FFP2-Masken.

  • Regelmäßige Hände- und Flächendesinfektion. Das Virus ist behüllt, begrenzt viruzide Desinfektionsmittel sind hinreichend.

  • Alle Patienten werden sofort nach Betreten des Bereichs gebeten, sich die Hände zu desinfizieren und einen MNS anzulegen.

  • Begleitpersonen haben nur in begründeten Fällen Zutritt, sie müssen gleichfalls Hände desinfizieren und MNS tragen.

  • Regelmäßiges Lüften des gesamten Bereichs. Wenn eine raumlufttechnische Anlage vorhanden ist, so ist deren Effizienz (Luftwechselrate, Luftführung, Filterklasse) sicherzustellen. Anlagen mit Umluftbetrieb sollen möglichst nicht verwendet werden.

  • Keine bzw. bei dringlicher Indikation zeitlich und räumlich separierte Untersuchung von Patienten mit akuten Infektzeichen, möglichst am Ende des Arbeitstages. Untersuchung von ehemals positiv getesteten Patienten nur nach Vorlage von 2 negativen PCR-Testen (davon, wenn möglich ein PCR-Test aus den unteren Atemwegen, z. B. Sputum), alternativ 30 Tage nach positivem Test.

  • Vorausschauende Terminierung unter Berücksichtigung der verlängerten Untersuchungszeiten aufgrund von Lüftungs- und Desinfektionsmaßnahmen. Bei Aufenthalt von mehreren Patienten im Wartebereich sind die Abstandsregeln einzuhalten und MNS zu tragen.

  • Eine Gerätekontamination ist durch strenge Einhaltung der Hygienevorschriften und Verwendung von geprüften Einmalfiltern (Herstellerbescheinigung über Filtereigenschaften für Viren) sowie Einmalmundstücken und -nasenklemmen zu verhindern. Einzelteile, die hinter den Filter geschaltet sind und nicht zu den Kontaktflächen des Patienten gehören (z. B. Sieb), sollten in regelmäßigen Intervallen nach Herstellerangaben gereinigt und desinfiziert werden.

  • Am Ende des Arbeitstages sind die Arbeitsplätze hygienisch zu reinigen, die Anleitungen der Hersteller der Geräte hierzu sind zu beachten.

  • Daten der täglich untersuchten Patienten und tagesgenaue Dienstpläne des Personals müssen gesichert werden, um bei Meldung eines positiven Falls retrospektiv Kontaktpersonen ermitteln zu können. Es wird empfohlen, Listen mit der Identität und der Reihenfolge der Untersuchten sowie mit Identität und zeitlicher Zuordnung der Untersucher zu Patienten zu erstellen und ausreichend lange aufzubewahren.


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3 Spezielle Maßnahmen bei Funktionsuntersuchungen

  • Personal und Patient tragen bis auf definierte Ausnahmen im Rahmen von Untersuchungen immer MNS. Alle Anweisungen gelten unverändert, auch wenn Patienten aktuelle negative PCR-Testungen oder positive IgG-Testungen vorlegen.

  • Für Untersuchungen an Patienten mit gesicherter oder wahrscheinlicher Erkrankung sind FFP2-Maske, Schutzkleidung und Schutzbrille zu tragen. Bei allen Untersuchungen bei Verdachts- oder gesicherter Erkrankung sind Atemmanöver wie die forcierte Exspiration, die erfahrungsgemäß zu Husten führen, zu unterlassen und sich auf Untersuchungen, die in Ruheatmung durchgeführt werden können, zu beschränken.

3.1 Blutgasbestimmung

Personal und Patient tragen MNS, Durchführung unverändert.


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3.2 Bodyplethysmografie

  • Patient wird angewiesen, sich nochmals die Hände zu desinfizieren und sich mit MNS in Kabine zu setzen. Er soll den MNS erst auf Anweisung abnehmen (Tür geschlossen, Gerät bereit für Untersuchung). Der Proband soll seinen MNS ohne Berührung der Außenseite am besten in eine Schale mit einem Einmal-Vliestuch ablegen und danach nicht mehr sein Gesicht berühren.

  • Durchführung der Lungenfunktionsmessungen unverändert.

  • Nach Beendigung der Untersuchungen wird Patient angewiesen, sich die Hände zu desinfizieren und den MNS wieder aufzusetzen.

  • Personal öffnet Fenster des Raumes weit.

  • Anschließend wird Tür zum Body geöffnet, bleibt offenstehen.

  • Personal und Patient verlassen Raum.

  • Nach ausreichender Lüftungszeit betritt Personal mit MNS den Raum und führt Flächendesinfektion der Innenseite der Bodykabine in den Bereichen durch, zu denen ein Patient Händekontakt haben kann. Welche Lüftungszeit ausreichend ist, ist wissenschaftlich nicht klar belegt. Fenster bleibt geöffnet.

  • Lüftung des Raumes erfolgt, bis das Desinfektionsmittel getrocknet ist – in Abhängigkeit von der Trocknungszeit verlässt das Personal ggf. erneut den Raum.

  • Bodykabine kann weiterverwendet werden, sobald das Desinfektionsmittel getrocknet ist, eine darüberhinausgehende Einwirkzeit ist während des Tagesbetriebs nicht notwendig.

  • Die erforderlichen Lüftungszeiten müssen in Abhängigkeit von den lokalen Gegebenheiten (Fensteranzahl, Lüftungssystem) angepasst werden.


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3.3 Spirometrie, NO-Messung, Diffusionsmessung, Methacholinprovokation, (Spiro-)Ergometrie

  • Bei diesen Verfahren muss der Patient in Anwesenheit des Personals den MNS ablegen, bzw. bei der Methacholinprovokation muss regelmäßig die Bodykabine geöffnet werden.

  • Bei der (Spiro-)Ergometrie ist durch erhöhtes Atemminutenvolumen mit Aerosolfreisetzung zu rechnen (Filter an Maske oder Mundstück technisch nicht sinnvoll!). Daher gelten für diese Untersuchungen folgende Anweisungen:

  • Personal trägt Schutzkleidung, Schutzbrille und FFP2-Maske. Beim Tragen von FFP2-Masken ist nach spätestens 4 h Tragezeit eine 30-minütige Pause mit Ablegen der Schutzkleidung notwendig.

  • Patienten mit gesicherter oder wahrscheinlicher COVID bedürfen in aller Regel dieser Untersuchungen nicht. Alle Untersuchungen, bei denen der Patient MNS ablegen muss, sind, wenn möglich, direkt hintereinander durchzuführen. Im Anschluss sind die Räume angemessen lange und intensiv zu lüften, bevor dort Untersuchungen an anderen Patienten durchgeführt werden.

  • Wenn im stationären Setting eine „Bedside-Spirometrie“ indiziert erscheint, müssen obige Anweisungen gleichfalls eingehalten werden. Bei einer „Bedside-Spirometrie“ ist zu beachten, dass Unbeteiligte (außer Untersucher und Patient) sich nicht zeitgleich im Raum befinden.


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Interessenkonflikt

D. Nowak erklärt, dass er in den letzten 3 Jahren institutionelle Forschungsunterstützung von folgenden Förderern erhalten hat: DFG, BMG, DGUV, BGW, Verwaltungs-BG, Bundesarbeitsministerium, Bayerische Ministerien, Industrie (MAN, FMG, Siemens, Audi), Versicherungen, ADAC, ÖAMTC, Erzbischöfliches Ordinariat, Caritas. Vortragstätigkeit wurde honoriert von Berlin Chemie, Boehringer Ingelheim, GSK, Mundipharma, Novartis, Hexal, Lilly. Gutachterliche Tätigkeit erfolgt für Gerichte und Unfallversicherungsträger.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Uta Ochmann
LMU Klinikum, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Campus Innenstadt
Ziemssenstr. 1
80336 München

Publication History

Article published online:
11 August 2020

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