CNE Pflegemanagement 2020; 07(05): 2
DOI: 10.1055/a-1236-6268
Fachpresse
Interview

Pflegekammer Niedersachsen

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(Quelle: K. Oborny/Thieme Gruppe)
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Sandra Postel
ist Vorsitzende des Errichtungsausschusses der Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen.

Frau Postel, die Pflegekammer Niedersachsen sorgt seit 2017 regelmäßig für Schlagzeilen. Jetzt soll sie nach einer umstrittenen Umfrage, bei der nur knapp 14 Prozent aller Mitglieder teilnahmen, aufgelöst werden. Wie konnte es soweit kommen?

Da kamen verschiedene Bausteine ins wackeln, die letztendlich eine Lawine losgelöst haben. Die Landespolitik hatte hier initial einen mutigen Schritt gewagt, den sie jetzt leider nicht fortsetzt. Die Politik hat einen erheblichen Anteil an der Misere, weil sie nicht dafür gesorgt hat, dass das ‚Baby‘ Pflegekammer stabil auf die Welt kommt. In einem Change-Prozess ist es nie einfach, Widerstände und Proteste sind ein Stück weit normal. Irritierend ist, dass hier über den Kopf der Selbstverwaltung hinweg eine Umfrage initiiert wurde.

In einem offenen Brief des Pflegerats NRW heißt es: Es ist so, als würde ein Langzeitmedikament innerhalb der ersten 3 Tage abgesetzt, weil die erwünschte Wirkung nicht eingetroffen ist. Spiegelt sich bei allem Verständnis im Umfrageergebnis nicht auch ein Versagen der Berufsgruppe selbst wider?

Natürlich!Wir Pflegenden sind nicht besonders gut darin, uns zu organisieren. Wir sind auch nicht stark darin, politisch zu agieren und Verwaltungen aufzubauen, weil es bisher eben nicht unserem Handlungsfeld entsprach. Ich möchte demnach an dieser Stelle nicht verhehlen, dass während des Gründungsprozesses in Niedersachsen viele Fehler erfolgt sind, die nicht hätten passieren dürfen. In RLP haben wir auch einige Fauxpas begangen, aber nicht so eklatante wie in Niedersachsen. Irgendwann, ich glaube mit den Beitragsbescheiden 2018, ist das Fass dann übergelaufen. In einer solchen Situation ist es in der Folgezeit schwer, wieder Vertrauen aufzubauen. In letzter Zeit hat der neue Vorstand viel Gutes getan, um den U-Turn zu schaffen, leider war die Zeit zu kurz.

Heißt das, die Pflegekammer Niedersachsen ist endgültig vom Tisch?

Hier ist die Gesundheitsministerin noch viele Antworten schuldig. Wir wissen ja gar nicht, wie man eine Kammer – auch rechtlich – rückabwickelt. Das gab es noch nie. Dennoch ist der politische Wille sehr ernst zu nehmen, deswegen bin ich eher weniger zuversichtlich und stelle mich auf einen langwierigen Prozess ein. Ich kann nur an die Politik appellieren.

So oder so, der Schaden ist da. Hat eine Auflösung der Kammer in Niedersachsen denn unmittelbare Auswirkungen auf die Bundespflegekammer?

Ja, das hat sie natürlich und der Schaden ist groß. Aber sie wird nicht dazu führen, dass die Bundespflegekammer nicht mehr arbeitsfähig ist. Wir sind derzeit eine klassische Arbeitsgemeinschaft der Landeskammern und können auch mit der geringen Zahl an Kammern gut arbeiten. Zwei weitere Kammern sind derzeit in Gründung.

Erst entscheidet sich Bayern für – wie viele sagen – die Mogelpackung Pflegering, jetzt wird eine Pflegekammer aufgelöst. Wie schätzen Sie die Reaktionen in den anderen Bundesländern ein?

Was ich mitbekomme ist, dass man sich in Bayern bestätigt fühlt nach dem Debakel in Niedersachen. Ich glaube allerdings nicht, dass es der richtige Weg sein kann, über eine Interessenvertretung ohne wirkliche Mitglieder, zu agieren. Auf uns in RLP hat es keine Auswirkungen, da wir sehr gut aufgestellt sind. Auch in NRW erlebe ich keine Instabilität. Die meisten Länder überlegen lange und gut, bevor sie eine Kammer auf den Weg bringen. Ich glaube, eine weitere Rolle rückwärts wird es in den Ländern nicht geben, eher ein kurzes Innehalten und ein Bemühen, gemachte Fehler nicht zu wiederholen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Simone Schwarz.



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Article published online:
29 September 2020

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