Z Orthop Unfall 2021; 159(01): 32-38
DOI: 10.1055/a-1241-4934
Original Article/Originalarbeit

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen – Ergebnisse einer nationalen Umfrage

Article in several languages: English | deutsch
1   Referat Wirbelsäule, German Spine Society, Berlin, Germany
2   Professional Association of German Neurosurgeons (BDNC), Jena, Germany
3   Neurosurgery Practice, Center for Spine Surgery, Osnabrück, Germany
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Michael Conzen
1   Referat Wirbelsäule, German Spine Society, Berlin, Germany
2   Professional Association of German Neurosurgeons (BDNC), Jena, Germany
4   Neurosurgery Practice, Bielefeld, Germany
,
Johannes Flechtenmacher
1   Referat Wirbelsäule, German Spine Society, Berlin, Germany
5   Professional Association for Orthopedic and Trauma Surgery (BVOU), Berlin, Germany
6   Orthopaedics and Trauma Surgery, Ortho-Centre Karlsruhe Orthopedic Group Practice at Ludwigsplatz, Karlsruhe, Germany
,
1   Referat Wirbelsäule, German Spine Society, Berlin, Germany
5   Professional Association for Orthopedic and Trauma Surgery (BVOU), Berlin, Germany
7   Center for Musculoskeletal Surgery, Charité Universitätsmedizin Berlin Campus Charité Mitte, Berlin, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Einleitung Weitreichende politische Maßnahmen zur Eingrenzung der COVID-19-Pandemie wurden während der letzten Wochen ergriffen. Diese betreffen auch chirurgische Fachrichtungen, die nicht direkt in die Behandlung von Coronavirus-Infektionen bei Patienten involviert sind. Das Referat Wirbelsäule, die fachübergreifende berufspolitische Einrichtung der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG), des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) sowie des Bundesverbandes Deutscher Neurochirurgen (BDNC) führte eine Umfrage zum kollateralen Effekt der Pandemie auf die Wirbelsäulenchirurgie in Deutschland durch.

Methoden In dieser Querschnittsstudie wurden ambulante, teilstationäre und stationäre Versorgungseinrichtungen von Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen während der COVID-19-Pandemie eingeschlossen. Das Ziel der Umfrage war die Analyse, welche Folgen die COVID-19-Pandemie auf die Betreuung von ambulanten und stationären Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen hat und wie die wirtschaftlichen Konsequenzen in den verschiedenen Bereichen eingeschätzt werden.

Ergebnisse Der vom BVOU und BDNC konsentierte Fragebogen wurde an alle Mitglieder des Referats Wirbelsäule versandt (n = 134). Die Beantwortung der Fragen erfolgte anonym und die personenbezogenen Daten erlaubten keine Deanonymisierung. Insgesamt 68% (n = 91) der Befragten führten die Befragung vollständig durch. Aufgrund der Beschäftigungsverhältnisse (Praxis: 30%, Praxis/Angestellte: 45% und Angestellte: 25%) und des Tätigkeitsspektrums (konservativ: 5%, konservativ/operativ: 75%, operativ: 20%) kann die Umfrage im Referat Wirbelsäule als repräsentativ angesehen werden. Bei 95% der Praxen/Ambulanzen wurde eine Reduktion des Patientenaufkommens beobachtet. Darüber hinaus erfolgte eine Reduktion der OP-Zahlen um 36% (SD 17%). Der Anteil der elektiven Eingriffe wurde von ca. 78 auf 6% reduziert. Daraus resultierend prognostizieren über die Hälfte der Ärzte/-innen mäßige (20 – 40%), 25% aber auch deutliche (> 50%) wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Schlussfolgerungen Zukünftige Implikationen im interdisziplinären Bereich der Versorgung von Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen sollen auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse abgeleitet werden, um die kollateralen Effekte einer Pandemiebewältigung zukünftig zu verbessern.


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Einleitung

Selten hat eine Erkrankung weltweit zu so drastischen Folgen im sozialen und wirtschaftlichen Leben geführt wie die COVID-19-Pandemie, die im Dezember 2019 ihren Ausgang vom chinesischen Wuhan genommen hat. Am 27. Januar 2020 wurde die erste COVID-19-Erkrankung in Deutschland im Landkreis Starnberg in Bayern registriert [1]. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Infektionsrisiko für die Bevölkerung von der „Task Force Infektiologie“ des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und vom Robert Koch-Institut (RKI) noch als gering bewertet [2]. Ab dem 17. März 2020 stufte das RKI das Infektionsrisiko in Deutschland auf „hoch“ und ab dem 26. März auf „sehr hoch“ ein [2]. Am 11. März 2020 wurde die COVID-19-Erkrankung von der WHO offiziell zu einer Pandemie mit entsprechenden Empfehlungen für die Bevölkerung erklärt [3]. Am 27. März 2020 trat das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft [4]. Dieses Gesetz führte zu einer Vielzahl von Einschränkungen im täglichen Leben für die Bürger.

Im Gesundheitswesen wurden die Einrichtungen auf eine außergewöhnliche Belastung vorbereitet. Im Besonderen wurden Kliniken auf hohe Zahlen von Patienten mit der COVID-19-Erkrankung eingestellt. Alle elektiven Behandlungen sollten unterbleiben. Ärzten und Therapeuten war nur noch erlaubt, dringliche und Notfälle zu behandeln. In diesem Zusammenhang berieten die Vorstände der wissenschaftlichen Gesellschaften und Berufsverbände über Behandlungsindikationen.

Da ein Großteil der Behandlungen von Wirbelsäulenerkrankungen als elektiv einzustufen ist und z. B. die Behandlung von Schmerzen bei degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen primär nicht als Notfallindikation anzusehen ist, kam es zu massiven Reduktionen bei der Therapie dieser Patienten. Als deren Folge und zur Schaffung von Kapazitäten für SARS-CoV-2-infizierte Patienten mussten Operationen abgesagt werden. Wegen der Fokussierung des Gesundheitswesens auf COVID-19-Erkrankungen vermieden zudem Patienten mit anderen Erkrankungen die ambulante Vorstellung in Praxen. Gleichzeitig mussten viele Arztpraxen ihre Sprechstundenangebote aufgrund noch unzureichender Vorbereitung mit adäquaten Schutzmaßnahmen reduzieren.

Um die Auswirkungen dieser Maßnahmen einschätzen zu können, wurde am 11. April 2020 eine Umfrage an Ärzte mit dem Schwerpunkt Wirbelsäulentherapie verschickt. Das Ziel der Umfrage ist die Analyse, welche Folgen die COVID-19-Pandemie auf die Betreuung von ambulanten und stationären Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen hat und wie die wirtschaftlichen Konsequenzen in den verschiedenen Bereichen eingeschätzt werden.


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Methodik

Der eigens für die Umfrage entwickelte Fragebogen beinhaltet 20 Fragen und war in 3 Hauptabschnitte gegliedert (Anlage 1). Der 1. Abschnitt des Fragebogens fokussierte sich auf die ambulante Behandlung von Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen. In diesem Abschnitt sollten Fragen zu Ambulanzzeiten, Patientenaufkommen und Zuweisungsverhalten beantwortet werden. Im 2. Abschnitt wurden Fragen zu Wirbelsäulenoperationen und ihrer Häufigkeit gestellt. Das 3. Kapitel beschäftigte sich mit der persönlichen Einschätzung zu Folgen der COVID-19-Pandemie. Zusätzlich wurde am Ende des Fragebogens ein Feld angefügt mit der Möglichkeit von frei formulierten Texteingaben.

Der Fragebogen wurde am 11. April 2020 verschickt und die Befragung am 11. Mai 2020 abgeschlossen. Die angeschriebenen Ärzte/-innen sollten den Fragebogen während des Maximums der Auswirkungen von Einschränkungsverordnungen im öffentlichen Leben beantworten. Der Fragebogen wurde per E-Mail an 134 Ärzte/-innen des Referats Wirbelsäule versandt. Die Beantwortung der Fragen erfolgte anonym. Die vervollständigten Fragebögen konnten per E-Mail oder per Fax an den Absender zurückgeschickt werden. Innerhalb von 4 Wochen antworteten 91 der angeschriebenen Ärzte/-innen (Rückläuferquote 68%) mit einem vollständig ausgefüllten Umfragebogen. Von diesen entschieden sich 80% zu einer Antwort per Fax.

Referat Wirbelsäule

Die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft (DWG) verbindet als Gesellschaft von Orthopäden, Unfallchirurgen und Neurochirurgen alle an der Wirbelsäule tätigen Ärztinnen und Ärzte miteinander. Im Vordergrund steht die Förderung von wissenschaftlichen Aktivitäten, Fortbildung und Qualitätssicherung. Das Referat Wirbelsäule, gegründet im Jahr 2018, ergänzt die wissenschaftliche Gesellschaft durch berufspolitische Kompetenzen in enger Zusammenarbeit mit dem Berufsverband Deutscher Neurochirurgen (BDNC) und dem Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Das Referat bildet hierfür eine Schnittstelle und ermöglicht einerseits seinen Mitgliedern, themenspezifische Aktivitäten zu entwickeln, aber auch bei der Mitarbeit in den Gremien von BDNC und BVOU Spezialwissen einfließen zu lassen. Die weitreichenden berufspolitischen Konsequenzen sind deshalb im Referat Wirbelsäule abgefragt worden. Der Fragebogen wurde vor Befragung im BDNC und BVOU konsentiert.


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Statistische Auswertung

Die Auswertung der Befragung erfolgte mithilfe von Mittelwertberechnungen und Standardabweichungen sowie mithilfe des t-Tests für gepaarte Stichproben.


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Ergebnisse

Der Fragebogen berücksichtigt die Antworten während der Wochen mit massiven Veränderungen im Belegungs- und Behandlungsmanagement von Kliniken und Einschränkungen in der Versorgung ambulanter Patienten. Beim Beschäftigungsverhältnis ist ca. ein Drittel der antwortenden Ärzte/-innen rein freiberuflich mit eigener Praxis tätig (30%). Der größere Teil der Befragten arbeitet in Teilzeit als angestellte/r Arzt/Ärztin und behandelt zusätzlich freiberuflich seine/ihre Patienten (45%). Ein Viertel der Antwortgeber ist ausschließlich angestellt (25%). Ebenfalls ein Viertel der Befragten ist ausschließlich operativ tätig, ganz überwiegend wird kombiniert sowohl konservativ als auch chirurgisch gearbeitet (75%). 5% der Befragten sind ausschließlich konservativ tätig.

Die Frage nach Arbeitszeiten bei der Praxis-/Ambulanztätigkeit beschäftigte sich mit den Folgen der COVID-19-Pandemie für die Organisation im ambulanten Bereich. Erwartungsgemäß wurden in beinahe ⅔ der Ambulanzen die Arbeitszeiten reduziert (65%). Insgesamt 30% der Befragten gaben keine Veränderung der Arbeitszeit an. Erstaunlich hingegen erschien, dass 5% der Befragten eine Verlängerung der Arbeitszeiten feststellten.

Nur bei 5% der Praxen/Ambulanzen wurde ein unverändertes Patientenaufkommen beobachtet. Ganz überwiegend (95%) war die Patientenzahl verringert ([Abb. 1]). Patienten vermieden oft eine ärztliche Behandlung wegen anderer Erkrankungen. Dies machte sich bei Sprechstunden mit dem sehr ausgewählten Patientenkollektiv der Wirbelsäulenerkrankungen durch einen massiven Einbruch von Patientenzuweisungen bemerkbar ([Abb. 2]). Als Folge dieser Einbrüche bewerteten die betroffenen Ärzte ihre wirtschaftlichen Einbußen aus der ambulanten Tätigkeit mit durchschnittlich 42% Umsatzreduktion bei einer Standardabweichung von ± 20%.

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Abb. 1 Patientenaufkommen.
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Abb. 2 Patientenzuweisung.

Infolge der massiv reduzierten Patientenkontakte im ambulanten Bereich vermindert sich zwangsläufig – auch ohne die behördlich angeordneten Restriktionen – die Rekrutierung von operationsbedürftigen Wirbelsäulenerkrankungen. Bei 95% der Antwortenden wurden so auch verminderte Operationszahlen angegeben. Die Reduktion der OP-Zahlen pro Woche lag im Mittel bei − 36 ± 17%. Nur in 5% der Einrichtungen wurde unverändert operiert. Der Fragebogen unterschied zusätzlich nach elektiven/dringlichen/Notfalloperationen. Der Anteil der elektiven Eingriffe wurde signifikant (p < 0,01) von ca. 78 ± 14% auf 6 ± 1,8% reduziert. Bei den verbleibenden Restoperationen erhöhte sich hierdurch erwartungsgemäß der Anteil von dringlichen und Notfalleingriffen ([Abb. 3]). So machte während des Bewertungszeitraumes der Anteil der dringlichen Operationen mehr als die Hälfte (52,3 ± 9,7%) und die Zahl der Notfalloperationen über 40 ± 4,9% der Wirbelsäuleneingriffe aus. Während der Phase der Restriktionen war die Erhöhung der Anteile an Notfall- und dringlichen Operationen zur Gesamtoperationszahl jeweils signifikant (p < 0,01). Durch die erhebliche Reduktion von operativen Eingriffen leitete die Mehrzahl der Befragten eine Reduktion ihrer Umsätze ab, die im Mittel mit − 64 ± 21% angegeben wurde. Im Zusammenhang mit den entstandenen Einschränkungen sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Patientenversorgung, die nach den erhobenen Daten mit deutlichen Umsatzverlusten einhergehen, werden von ¾ der Befragten wirtschaftliche Probleme vorausgesehen. Hierbei prognostizieren über die Hälfte der Ärzte/-innen mäßige (20 – 40%), 25% aber auch deutliche (> 50%) wirtschaftliche Schwierigkeiten ([Abb. 4] und [5]).

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Abb. 3 Veränderung der Operationsindikationen.
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Abb. 4 Allgemeine wirtschaftliche Prognose.
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Abb. 5 Voraussichtliche wirtschaftliche Einbußen.

Wurden die Antworten zusätzlich nach den Beschäftigungsverhältnissen differenziert, liegen die erwarteten wirtschaftlichen Einbußen bei den freiberuflich tätigen Ärzten mit 63 ± 12% im ambulanten Bereich und 72% im stationären Bereich am höchsten. Am geringsten werden die wirtschaftlichen Folgen im reinen Angestelltenverhältnis gesehen. Hier werden 15 ± 8% im ambulanten und 18 ± 7% im stationären Bereich erwartet. Bei kombinierter ärztlicher Tätigkeit als Freiberufler und zusätzlicher Anstellung werden Einbußen im ambulanten Bereich bei 41 ± 8% und im stationären Bereich bei 47 ± 14% gesehen. Trotz veränderter wirtschaftlicher Aussichten wollen 90% der Einrichtungen vermeiden, Personal zu entlassen. Bei einem kleinen Teil der Antwortenden musste jedoch der Stellenplan bereits gekürzt werden (5%).

Ergänzend waren auch einige personenbezogene Angaben gewünscht. So sind 95% der Beteiligten bisher nicht persönlich mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert. Dennoch empfinden ¾ der Befragten durch die Pandemie und die Reaktionen des Gesetzgebers einen deutlichen Einfluss auf ihren beruflichen Alltag. Bei den restlichen 25% wird der Alltag nur mäßig durch die Pandemie beeinflusst. Ohne Auswirkungen ist die Infektionswelle an keinem vorbeigegangen.

Abschließend erfolgten Angaben zu persönlichen und beruflichen Aussichten. Bei der Hälfte der Antwortenden wird keine Veränderung für die Zukunft erwartet. 40% blicken mit negativen Erwartungen in die Zukunft. Es gibt jedoch auch 10%, die positive Effekte durch die Pandemie erwarten.


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Diskussion

Eine Krise, die massiv in das tägliche Leben und die berufliche Tätigkeit eingreift, führt zwangsläufig zu Veränderungen im persönlichen Alltag und möglicherweise zu Verunsicherungen bez. der eigenen beruflichen und wirtschaftlichen Entwicklung. Das Gesundheitssystem in einer Industrienation dient nicht mehr nur der Behandlung von vital bedrohlichen Erkrankungen. Ein wichtiger Aspekt ist auch der Erhalt oder die Verbesserung der Lebensqualität der Bürger. Dieser Bereich bildet heutzutage den größeren Teil der medizinischen Versorgung in Deutschland ab. Mit der Ausbreitung der COVID-19-Erkrankung und ihrem hohen Bedarf an intensivmedizinischer Kapazität wurde unser Gesundheitssystem in kürzester Zeit radikal umfunktioniert. Die vorhandene Infrastruktur wurde auf ein singuläres Krankheitsbild ausgerichtet und der Rest des Systems auf Notbetrieb umgestellt. Therapieindikationen mussten überdacht werden. Symptome, die zu Einschränkungen „nur“ der Lebensqualität führten, wurden als nachgeordnet angesehen [5]. So mussten Patienten in vielen Fällen erfahren, dass z. B. Lumboischialgien, die nicht mehr ausreichend konservativ zu behandeln waren, chirurgisch als nicht behandlungsbedürftig bewertet wurden. Ärzten wurde auferlegt, elektive von dringlichen Fällen zu trennen, was im weitesten Sinne eine Form der Triage war. In europäischen Regionen, die von der Pandemie durch höhere Patientenaufkommen deutlich intensiver betroffen waren, funktionierte diese Notfallversorgung von Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen erstaunlich gut [6].

Aufgrund der Kürze der Vorlaufzeit und des Ausmaßes der Einschnitte konnten sich viele Mitarbeiter im Gesundheitswesen nur unzureichend vorbereiten. Dies führte nicht nur zu einem außergewöhnlichen Leerstand in den deutschen Krankenhäusern, sondern bei fehlenden Schutzausrüstungen etc. auch zur Unsicherheit, wie mit Mitarbeitern und Patienten umgegangen werden sollte. In den Antworten der Umfrage zeigt sich mit der massiven Abnahme von ambulanten und operativen Fällen, dass Praxen, Ambulanzen und Kliniken die von den Gesundheitsbehörden geforderte Leistungsreduktion umgesetzt haben. Gleichzeitig wird von den Befragten als Folge dieser Leistungsreduktion aber auch ein spürbarer Umsatzrückgang erwartet. Dieser wird sich in den Einrichtungen wirtschaftlich bemerkbar machen. Als Folge davon blickt ein bedeutender Teil der Befragten besorgt in die Zukunft.

Ein Großteil des Fragebogens hat sich mit persönlichen und wirtschaftlichen Erwartungen der Betroffenen beschäftigt. Inwieweit diese Erwartungen im Weiteren eingetroffen sind, soll eine 2. Umfrage nach der COVID-19-Pandemie rückblickend klären. Jedoch lässt sich bereits an dieser Stelle festhalten, dass massive kollaterale Effekte der COVID-19-Pandemie auch im Bereich der Wirbelsäulenbehandlung aufgetreten sind. Andere medizinische Fachbereiche, wie die Kardiologie, haben diesbezüglich bereits Stellung genommen [7]. Es wird in Zukunft maßgeblich davon abhängen, welche Konsequenzen aus der COVID-19-Pandemie gezogen werden. Wenngleich auch die Fachdisziplinen Orthopädie, Unfallchirurgie und Neurochirurgie größtenteils nicht direkt in die Behandlung von SARS-CoV-2-infizierten Patienten involviert sind, so haben die behandelnden Ärzte die Verantwortung für ihre Patienten zu wahren. Der kollaterale Effekt der Pandemie auf die Orthopädie und Unfallchirurgie sowie auf die Neurochirurgie wurde bereits ausführlich dargelegt [8], [9]. Auf bereits bestehende und in der vorliegenden Studie untersuchte Lösungsansätze, wie z. B. Telemedizin, wurde bereits von anderen wirbelsäulenchirurgischen Fachdisziplinen in Lateinamerika hingewiesen [10]. Diese Befragung des Referats Wirbelsäule gibt einen Überblick über ambulante, teilstationäre und stationäre Versorgungseinrichtungen von Wirbelsäulenerkrankungen. Ähnliche Initiativen wurden bereits in Amerika vor wenigen Tagen veröffentlicht [11].

Die durchgeführte Befragung und die dargestellten Ergebnisse sind unter Berücksichtigung der vorliegenden Limitationen zu interpretieren. Die Anzahl der befragten Mitglieder des „Referats Wirbelsäule“ (n = 91) erscheint relativ gering. Jedoch umfasst das „Referat Wirbelsäule“ primär selbstständige und niedergelassene Kollegen, die federführend die Behandlung von Wirbelsäulenpatienten durchführen. Deshalb wurde ausschließlich dieses Kollektiv befragt. Darüber hinaus sind die Befragungsergebnisse direkt auf den Befragungszeitraum zu beziehen und dementsprechend zu beurteilen. Die rasante Entwicklung der Pandemie und dementsprechende politische Entwicklungen sollte man miteinfließen lassen. Die Durchführung einer erneuten Befragung im gleichen Kollektiv zu einem späteren Zeitpunkt würde einen genaueren Rückschluss auf den Einfluss der Behandlungen von Wirbelsäulenerkrankungen zulassen.

Zusammenfassend bleibt zu hoffen, dass die COVID-19-Pandemie allen gezeigt hat, dass Gesundheit ein kostbares, aber kein garantiertes Gut ist und dass monosymptomatische Ansätze mit dem Fokus auf die Pandemie in einem komplexen Gesundheits- wie Gesellschaftssystem zu einem deutlich veränderten Angebot bzw. einer veränderten Nachfrage führen.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest./Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Die Autoren bedanken sich ausdrücklich bei den Mitgliedern des Referats Wirbelsäule.


Correspondence/Korrespondenzadresse

PD Matthias Pumberger, MD
Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte
Luisenstraße 58 – 60
10117 Berlin
Deutschland   
Phone: 0 30/4 50-55 20 22   
Fax: 0 30/4 50-55 20 55   

Publication History

Article published online:
07 October 2020

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Patient volume.
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Fig. 2 Patient referral.
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Fig. 3 Changes in the indication for surgery.
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Fig. 4 General economic outlook.
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Fig. 5 Expected economic losses.
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Abb. 1 Patientenaufkommen.
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Abb. 2 Patientenzuweisung.
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Abb. 3 Veränderung der Operationsindikationen.
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Abb. 4 Allgemeine wirtschaftliche Prognose.
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Abb. 5 Voraussichtliche wirtschaftliche Einbußen.