Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Die Zeit der Anaphylaxien auf Hymenopteren und die Saison der Stichprovokationen haben
wir nun hinter uns gelassen. Aber es gibt ja noch mehr zu Anaphylaxien zu berichten
– es ist mit Fontane gesprochen „ein weites Feld“.
Bei der Medikamenten-induzierten Anaphylaxie ist die Mortalität höher als bei Nahrungsmittel-
und Insektengiftanaphylaxien. Kardiovaskuläre Symptome treten häufiger auf. Die Verläufe
können therapierefraktär verlaufen, sodass eine 2-malige Adrenalingabe notwendig wird.
„Drug naive“ Patienten“, die zuvor nie Kontakt mit dem Inhaltsstoff eines Medikamentes
hatten, können dennoch über Kreuzreaktionen Anaphylaxien entwickeln [1]
[2]. Neben den „klassischen“ IgE-vermittelten Reaktionen haben wir IgE-unabhängige Mechanismen
kennengelernt, z. B. G-Protein (MRG-PX, Mast-Zell related G-Protein auf der Oberfläche
von Mastzellen)-vermittelte Reaktionen, über die wir uns die Anapyhlaxien auf Fluorchinolone,
Opioide, Röntgenkontrastmittel und neuromuskuläre Muskelrelaxantien erklären. Über
Aktivierung des Komplement-Weges läuft die Komplementaktivierungs-abhängige Pseudoallergie
(CARPA) mit Bindung an Komplementrezeptoren auf der Mastzelle, für die als Beispiel
Anaphylaxien auf Polyethylenglycol, auf Paclitaxel oder nach der intravenösen Gabe
von Eisen aufzuführen sind [1]
[2].
In der Schwangerschaft werden Hauttestungen möglichst vermieden. Anaphylaxien sind
in der Schwangerschaft selten, aber gefürchtet, da sie mit Blutdruckabfall der Mutter,
mit intrapartaler Asphyxie des Kindes bis hin zu hypoxischer Hirnschädigung enden
können. Bei einer Multigravida wurde eine Sektion in der 37. Schwangerschaftswoche
geplant. Ein Cephalosporin der zweiten Generation, Cefotetan, war zuvor mehrfach gut
vertragen worden. Medikamentenallergien waren nicht bekannt. Es erfolgte eine Testung
von Cefotetan 1:100 am Unterarm. Innerhalb von Sekunden traten Urtikaria, Dyspnoe
und Erbrechen bei der Mutter und eine Bradykardie beim Kind auf. Sauerstoff, Antihistaminika,
Hydrokortison wurden gegeben, Epinephrin wurde nicht eingesetzt. Es folgte eine Notfall-Sektio
in Intubationsnarkose. Das Neugeborene zeigte einen Apgar von 5, der sich nach 5 min
auf einen Apgar 8 besserte. Die Mutter wurde internsiv-medizinisch versorgt und erholte
sich ebenfalls. Die Inzidenz von Cefotetan-Anaphylaxien bei prophylaktischer Gabe
bei Kaiserschnitt wird mit 1,4 % angegeben; Daten zu Anaphylaxien bei der Hauttestung
mit dieser Substanz liegen nicht vor. Es bleibt unklar, warum der Hauttest erfolgte
(Kasuistik Korea) [3]. Dieser Fall ist ein gutes Beispiel für eine Patientin, die eine Anaphylaxie bereits
bei der Hauttestung entwickelt hat, obwohl sie das Medikament bisher gut vertragen
hatte. Vermutlich war die Sensibilisierung über die vorausgegangenen Gaben erfolgt.
Eine Kasuistik einer Patientin berichtet über Dyspnoe, Urtikaria, Vomitus und Anaphylaxie
mit intensivpflichtiger Versorgung 4 Stunden nach Oralverkehr mit ihrem Partner. Die
Patientin hatte in der Kindheit eine Penicillinallergie. Ihr Partner hatte Amoxicillin
wegen einer Ohrinfektion eingenommen. Amoxicillin kann ins Sperma gelangen. Präventiv
wäre in diesem Fall ein Kondom gewesen, da die Partnerin eine Penicillinallergie hat
[4]. Wohlgemerkt handelt es sich bei dieser Kasuistik nicht um eine Sperma-Allergie,
die vermutlich auf einer Sensibilisierung bei Hundehalterinnen auf Can f 5 gegenüber
männlichen Hunden beruht, wobei Can f 5 verwandt zum Prostata-Kallikrein des Mannes
ist [5]; dennoch, eine insgesamt seltene Anaphylaxie-Konstellation.
Ihre
Christiane Bayerl, Wiesbaden