Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Der Doktorfisch (Garra rufa, Heckel, 1843) ist eine rötliche Saugbarbe und misst ausgewachsen
etwa 16 cm. Er wird als lebhafter, robuster und geselliger Schwarmfisch beschrieben
und ist ein effektiver Algenfresser. Er liebt die Wassertemperatur um 29° C und durchaus
„hartes“ Wasser. Er ist in Anatolien und Westasien beheimatet. Für etwa 4,50 Euro
pro Exemplar kann er beim Fischzüchter bestellt werden. In der Alternativmedizin wird
er auch Medifisch genannt und zur Ichthyotherapie und bei Psoriasis eingesetzt, nicht
nur im Fußbad, sondern auch für die Ganzkörperbehandlung im Wannenbad im Schwarm mit
an die 100 seiner Artgenossen. In der Türkei ist das Kangal Spa ein Thermal-Heilcenter,
das Psoriasisbehandlungen anbietet. Weitere Spas existieren. Anekdotisch erfolgt der
Einsatz der Ichthyotherapie auch bei Akne und Ekzemen. Zur Ichthyotherapie oder der
Kombination mit UV-Therapie liegen zwei Studien zur Psoriasis vor, bei denen eine
Reduktion des PASI-Scores erreicht wurde. Der Schwarm der fleißigen Barben mit dem
gut bezahnten Kiefer knabbert sehr effektiv und schmerzfrei die Hautschuppen ab. Als
Omnivore kann er sich, wenn Nahrung knapp ist, auch von menschlichen Hautschuppen
ernähren. Das Abknabbern der Haut durch den Doktorfisch soll sich wie „Anstupsen“
anfühlen. Dass er seinen Speichel in die Haut injiziert, ist jedoch ein Ammenmärchen.
Bei kosmetischen Behandlungen wird er für die Pediküre eingesetzt [1]. Der Effekt besteht im Abtragen der Hautschuppen, aber ein anti-entzündlicher Effekt
oder eine Anti-Aging Wirkung wird nicht erzielt.
Aus medizinischer Sicht sollten Diabetiker und Menschen mit Immunsuppression auf dieses
Angebot verzichten, da Virus-, Pilz-, Protozoen- oder Helminthen-Pathogene übertragen
werden können. 2011 war im United Kingdom nach Import von Garra rufa aus Indonesien
und entsprechenden Transport-bedingten Stressfaktoren für die Fische eine Streptococcus agalactiae-Infektion aufgetreten. Alle Fische wurden getötet. In Spanien war ein Patient an
einem Methycillin-resistenten Staphylococcus aureus in Zusammenhang mit dieser Ichthyotherapie erkrankt, ein weiterer in Griechenland.
Weitere Kasuistiken berichten von einer nekrotisierenden Blasenbildung auf Aeromonas sobria und über eine weitere Infektion mit Mycobacterium marinum
[1]. Fisch- und Humanpathogene können übertragen werden wie Aeromonas veronii, Aeromonas hydrophila, Vibrio cholerae, Shewanella putrefaciens, Mycobacterium marinum und Mycobacterium goodii. Insbesondere Mycobacterium goodii wurde erstmals als Zoonose bei schlechtem Gesundheitszustand
der Fische identifiziert und der Erreger ist humanpathogen [2].
Ungeklärt ist, ob bakterielle oder virale RNA-Virus- Infektionen des Menschen von
einem Patienten auf den nächsten oder bei kosmetischer Anwendung von einem Kunden
auf den nächsten durch den Doktorfisch als Zwischenwirt übertragen werden können.
Bei der Fischpediküre, die üblicherweise aus kosmetischer Indikation bei Hyperkeratosen
an den Füßen im Fußbad angeboten wird, ist das Infektionsrisiko wahrscheinlich sehr
gering. Eine Desinfektion des Wassers ist mit den meisten Desinfizientien nicht möglich,
da sie die Garra rufa-Fische schädigen würden [3]. Sicherheitsmaßnahmen werden eingesetzt wie Filtern des Wassers, Quarantäne-Zeiten
zwischen den Hautkontakten von einem zum nächsten Kunden oder Töten der Fische nach
einer Behandlung – und spätestens jetzt wird auch ein Tierfreund auf die Behandlung
verzichten wollen. Entsprechend ist auch in vielen Bundesländern, z. B. Hessen, der
Einsatz des Doktorfisches zur gewerblichen Nutzung aus Gründen des Tierwohls nicht
gestattet und daher in Deutschland unüblich geworden. Gut so für das Menschenwohl.
Ihre
Christiane Bayerl, Wiesbaden