Dr. Dr. Lars Benjamin Fritz
Herr Dr. Dr. Fritz, weshalb engagieren Sie sich in der AG GPV?
Über die letzten Jahrzehnte haben sich Radiologinnen und Radiologen in erster Linie
darum gekümmert, höhere Qualität und mehr Sicherheit in den von ihnen angewandten
Methoden zu erlangen. Auch mein Fokus lag fast ausschließlich auf medizinischen Inhalten,
um als Arzt und Radiologe besser zu werden. Das so entstandene Defizit wird erst in
den letzten Jahren an ganz anderer Stelle deutlich: Unsere Repräsentanz und somit
auch Wertschätzung in der ärztlichen Selbstverwaltung und Gesundheitspolitik geht
gegen Null. Wichtige und oft auch wirtschaftlich getriebene berufspolitische Entscheidungen
werden immer häufiger zum Nachteil von Qualität und Sicherheit in der Radiologie getroffen.
Sofern wir Radiologinnen und Radiologen nichts daran ändern, wird uns diese Entwicklung
mittel- bis langfristig existenziell in Gefahr bringen. Diese Entwicklung können wir
nur stoppen, wenn sich in der ärztlichen Selbstverwaltung und in der Gesundheitspolitik
mehr Menschen engagieren, die etwas von Qualität und Sicherheit in der Radiologie
verstehen. Ich wünsche mir deshalb, mehr und mehr Radiologinnen und Radiologen dafür
gewinnen zu können, von ihren Befundungsmonitoren hervorzukommen und sich aktiv für
unser Fachgebiet einzusetzen.
Welche berufspolitischen Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?
Ganz besonders am Herzen liegt mir das ärztliche Ethos. Zusammengefasst ist es in
unserem ärztlichen Gelöbnis, das Ende 2017 vom Weltärztebund modernisiert wurde. Mit
Einhaltung oder Missachtung dieser Prinzipien steht und fällt nicht nur die Ehre der
guten Ärztin und des guten Arztes, sondern auch die Nachhaltigkeit unseres Gesundheitssystems.
Die kleinste Einheit im facettenreichen Prisma des Gesundheitssystems sind Ärztinnen
und Ärzte zusammen mit ihren Patientinnen und Patienten. Damit tragen wir eine große
Verantwortung. Der Zusammenhalt aller Ärztinnen und Ärzte, das gemeinsame Einstehen
für die ärztlichen Werte ist mir wichtig. In Zeiten der Ökonomisierung und Digitalisierung
dürfen wir unser oberstes Ziel, die Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten,
nicht aus den Augen verlieren. Ich bin für klare Worte. Das gilt beispielsweise auch
für die Approbationsordnung. Die Radiologie muss hier als eigenständiges und klinisches
Fachgebiet explizit aufgeführt werden und darf nicht länger unter „Bildgebende Verfahren“
subsummiert sein. Die Inhalte der Weiterbildung, so wie sie in der (Muster-) Weiterbildungsordnung
bzw. den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern festgelegt sind, müssen Grundlage
für die Gebietsgrenzen ärztlicher Tätigkeit sein. Dies dient auch dem Schutz unseres
interdependenten und selbstregulierenden Systems, in dem wir als Ärztinnen und Ärzte
arbeiten. Und die Radiologie darf nicht länger der Gefahr ausgesetzt werden, als „Diagnostik-Bauchladen“
für andere medizinische Fachgebiete oder Geschäftsmodelle findiger Unternehmer zu
dienen.
Aus welchem Grund sollen sich Radiologinnen und Radiologen berufspolitisch einbringen?
Alle Radiologinnen und Radiologen zusammen machen etwa 2 % der Ärzteschaft in Deutschland
aus. Ihre Repräsentanz unter den ärztlichen Mandatsträgern in den Gremien der ärztlichen
Selbstverwaltung ist noch geringer. Damit ist die Stimme der Radiologie in der Berufspolitik
und Politik sehr leise und nur wenig vertraut. Doch nur dort, wo Radiologinnen und
Radiologen sich zeigen, kann man sie auch kennen, schätzen und respektieren lernen.
Der methodendefinierte Ansatz der Radiologie führt zu inhaltlichen Überschneidungen
mit den meisten anderen ärztlichen Fachgebieten. Das gilt sowohl für die Klinik als
auch für die Berufspolitik und macht die Radiologie ganz besonders sensibel. Durch
ihre sehr stark interdependente Vernetzung wirkt sie einerseits integrativ und kann
dazu beitragen, die Ärzteschaft gegen ökonomische Interessen näher zusammenzubringen.
Andererseits ist sie jedoch mit ihrer Kerntätigkeit – der Anwendung diagnostischer
Methoden – genau diesen Interessen der sich überschneidenden Fachgebiete sowie der
Dynamik disruptiver Geschäftsmodelle ausgesetzt. Das radiologische Know-how in der
ärztlichen Selbstverwaltung und Gesundheitspolitik muss deutlich zunehmen, damit die
Radiologie als Qualität und Sicherheit in der Medizin förderndes und klinisch integrativ
vernetzendes Fachgebiet gesehen, kennengelernt und wertgeschätzt werden kann.