Wofür steht das homeCIMT-Konzept?
Wofür steht das homeCIMT-Konzept?
Es steht für ein standardisiertes Protokoll zur Anwendung des systematisch entwickelten
und unter Alltagsbedingungen in der ambulanten Therapie getesteten Therapiekonzepts
homeCIMT. Unter der Federführung von Prof. Dr. Anne Barzel passte eine Forscherinnengruppe
am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) mit Erfahrung in der Constraint-Induced
Movement Therapy (CIMT) die Durchführung der klassischen CIMT an die Rahmenbedingungen
ambulanter Therapie an. Sie evaluierte das modifizierte Therapiekonzept in begleitenden
Studien und wies die Wirksamkeit in einer international sehr beachteten randomisierten
kontrollierten Studie nach. Damit die CIMT-Therapieprinzipien zur Anwendung kommen,
entwickelte die Gruppe in Zusammenarbeit mit CIMT-erfahrenen Therapeutinnen die zertifizierte
Fortbildung homeCIMT-Konzept.
Was ist das Besondere an homeCIMT?
Was ist das Besondere an homeCIMT?
Das Besondere an dieser Therapie ist, dass sie direkt zu Hause stattfindet und dass
die Patienten merken: „Aha, ich kann meine Kaffeetasse doch mit meiner betroffenen
Hand benutzen.“ Die Idee dazu hatten Prof. Dr. Anne Barzel, Leiterin der Forschungsgruppe
am Institut für Allgemeinmedizin, und Gesche Ketels, Abteilungsleiterin der Physiotherapie
am UKE. Die klassische CIMT-Therapie ist erwiesenermaßen sehr effektiv für Menschen
nach einem Schlaganfall. Dennoch ist sie in Deutschland bisher kein anerkanntes Heilmittel.
Insbesondere der hohe Zeitaufwand von zwei Wochen bzw. 10 Tagen in Folge und die intensive
Begleitungszeit durch eine Therapeutin für sechs Stunden täglich sind in dieser Form
in der ambulanten Ergo- und Physiotherapie kaum umzusetzen. Um CIMT auch ambulanten
Patienten anbieten zu können, entwickelte die Forscherinnengruppe homeCIMT. Dabei
unterstützt ein nicht professioneller Übungsbegleiter einen Patienten zwei Stunden
täglich im häuslichen Umfeld bei den motorischen Übungen. Der Zeitraum beträgt dann
nicht zwei Wochen wie bei der klassischen CIMT, sondern vier Wochen.
Von links nach rechts: Dr. Britta Tetzlaff, Ergotherapeutin MSc und wissenschaftliche Mitarbeiterin, Marion Peters, Physiotherapeutin, Julia Keyser, Physiotherapeutin, und Anne Stark, Physiotherapeutin MSc und wissenschaftliche Mitarbeiterin, gehören zum Fortbildungsteam
homeCIMT-Konzept. Kontakt: homecimt@uke.de, www.uke.de/homecimt
Abb.: homeCIMT-Konzept [rerif]
Was ist das Ziel von homeCIMT?
Was ist das Ziel von homeCIMT?
Dass die Patienten mit eingeschränkten Hand- und Armfunktionen nach einem Schlaganfall
die Tätigkeiten wieder ausführen können, die ihnen wichtig sind: zum Beispiel mit
Messer und Gabel essen. Letztendlich verhält es sich wie in jeder anderen Ergo- und
Physiotherapie auch. homeCIMT besteht wie die klassische CIMT-Therapie aus repetitiven
alltagsorientierten Übungen mit der betroffenen oberen Extremität. Durch diese Übungen
sollen Patienten unter anderem die gewünschten Tätigkeiten wieder ausführen können.
Um CIMT auch für ambulante Patienten zu ermöglichen, wurde homeCIMT entwickelt.
Für welche Patienten ist homeCIMT geeignet?
Für welche Patienten ist homeCIMT geeignet?
Es ist für Menschen geeignet, die einen Schlaganfall hatten und ambulant Ergo- oder
Physiotherapie erhalten. Der Schlaganfall kann auch länger als sechs Monate zurückliegen
und es können auch nur minimale Hand- und Armfunktionen vorhanden sein. Wichtig ist,
dass im Umfeld beispielsweise ein Freund oder ein Angehöriger bereit ist, den Patienten
in der täglichen Trainingszeit als sogenannter nicht professioneller Übungsbegleiter
zu unterstützen.
Wie läuft homeCIMT konkret ab?
Wie läuft homeCIMT konkret ab?
homeCIMT beinhaltet alle Kernelemente der CIMT. Das heißt, die Patienten führen alltagsorientierte
repetitive Übungen mit dem vom Schlaganfall betroffenen Arm durch. Der nicht betroffene
Arm wird durch einen Handschuh immobilisiert. So werden die Klienten im häuslichen
Umfeld angehalten, bestimmte Tätigkeiten mit ihrem betroffenen Arm durchzuführen.
Ein weiteres Kernelement ist der Therapievertrag, den die Therapeutin mit dem Patienten
schließt. Sie erstellt Zielvereinbarungen mit ihm und gibt ihm bestimmte Hausaufgaben.
Bei homeCIMT unterteilen wir Aufgaben für Therapeuten, Patienten und die nicht professionellen
Übungsbegleiter. Die Übungsbegleiter werden von den Therapeuten geschult. Das können
Ergo- oder Physiotherapeuten sein, die im homeCIMT-Konzept die Rolle eines Instruktors
bzw. Supervisors haben. Die Therapeuten führen während der vier Wochen des homeCIMT
wöchentlich einstündige Hausbesuche durch. Am Anfang geht es darum, dass sie den Patienten
und den Übungsbegleitern das Konzept vorstellen und ihre Aufgaben erläutern. Daraufhin
schließen sie den Therapievertrag und vereinbaren gemeinsam realistische und alltagsrelevante
Ziele. Anschließend führen die Klienten täglich ein zweistündiges Übungsprogramm mit
dem betroffenen Arm durch. Der weniger bzw. nicht betroffene Arm ist in dieser Zeit
durch einen Handschuh immobilisiert. Die Übungen des motorischen Trainings sollen
in Absprache mit dem Patienten ausgesucht werden. Das heißt, die Therapeuten überlegen
anhand der Ziele, welche Übungen dazu dienen können, dass der Patient am Ende zu seinem
Ziel kommt. Es wird also darauf geachtet, dass nicht nur die Ziele alltagsrelevant
sind, sondern auch die Übungen selbst. Beispielsweise ist mit Messer und Gabel essen
ein sehr beliebtes Ziel, das durchaus auch eine Übung sein kann – ebenso wie eine
Tasse am Henkel zum Mund führen.
Sowohl die Ziele als auch die Übungen des motorischen Trainings sind alltagsrelevant.
Darüber hinaus treffen Therapeuten und Patienten Absprachen, bei welchen Tätigkeiten
der betroffene Arm eingesetzt werden kann. Zum Beispiel täglich die Spülmaschine ausräumen
oder den Tisch abräumen. Das gestaltet sich individuell.
Sind die Übungsaufgaben auf zwei Stunden angelegt, oder summiert der Patient Übungen
und Tätigkeiten auf? Zum Beispiel zehn Minuten Spülmaschine ausräumen, zehn Minuten
Tisch decken etc.?
Sind die Übungsaufgaben auf zwei Stunden angelegt, oder summiert der Patient Übungen
und Tätigkeiten auf? Zum Beispiel zehn Minuten Spülmaschine ausräumen, zehn Minuten
Tisch decken etc.?
Das sind tatsächlich zwei verschiedene Dinge. Es gibt die Übungen, die zwei Stunden
am Tag ausmachen. Am Anfang einigen sich Patient und Therapeutin vielleicht auf drei
Übungen. Am Ende können es 10 bis 15 Übungen sein, die er in diesen zwei Stunden ausführt.
Darüber hinaus schlägt die Therapeutin vor, dass der Patient bestimmte Tätigkeiten
mit der betroffenen Hand ausführt und dabei den Handschuh zur Immobilisation der weniger
betroffenen Seite trägt.
Wenn eine der Übungen zum Beispiel Besteckgebrauch ist, führt der Patient diese dann
bimanuell durch?
Wenn eine der Übungen zum Beispiel Besteckgebrauch ist, führt der Patient diese dann
bimanuell durch?
Nein, anders als in der üblichen Physio- oder Ergotherapie gibt es bei homeCIMT keine
bimanuellen Übungen. Der Patient soll durch den Handschuh an seiner weniger betroffenen
Hand dazu angehalten werden, nur die betroffene Hand zu nutzen. Er führt die eine
Übung nur mit der betroffenen Seite aus, das heißt, wenn es ums Besteck geht, wird
nur die Gabel oder nur das Messer verwendet.
Sind die nicht professionellen Übungsbegleiter während der ganzen zwei Stunden dabei,
oder führen die Patienten auch Übungen allein durch?
Sind die nicht professionellen Übungsbegleiter während der ganzen zwei Stunden dabei,
oder führen die Patienten auch Übungen allein durch?
homeCIMT sieht vor, dass der nicht professionelle Übungsbegleiter für die gesamten
zwei Stunden die repetitiven Übungen begleitet. Es gehört zu seinen Aufgaben, die
Zeit zu stoppen und die Wiederholungen zu zählen. Da ja die eine Körperseite nicht
benutzt werden darf, ist es für den Patienten schwierig, allein die Zeit zu stoppen.
Zudem gibt der Übungsbegleiter dem Patienten eine mentale Unterstützung und motiviert
ihn. Diesen wesentlichen Punkt übernimmt bei der klassischen CIMT der Therapeut. Wir
denken aber über eine Weiterentwicklung des Konzeptes nach, die eine Durchführung
auch ohne Übungsbegleiter ermöglichen soll.
Wer kann homeCIMT anbieten?
Wer kann homeCIMT anbieten?
Wir bieten die Fortbildung homeCIMT-Konzept an, in der wir Therapeuten zertifizieren.
Das heißt, homeCIMT wird nach einem standardisierten Protokoll angewendet. Das ist
auch das Besondere daran: Mit der Fortbildung erwirbt man ein Qualitätsmerkmal, da
das Konzept standardisiert und laut unserer Studie evident ist.
Empfehlen Sie den Therapeuten in Ihrer Fortbildung auch Assessments? Oder ist es ihnen
überlassen, wie sie die Fortschritte messen?
Empfehlen Sie den Therapeuten in Ihrer Fortbildung auch Assessments? Oder ist es ihnen
überlassen, wie sie die Fortschritte messen?
Wir empfehlen unter anderem CIMT-spezifische Tests. Darüber hinaus können Therapeuten
weitere Assessments anwenden. In unserer Studie sind wir zu dem Schluss gekommen,
dass das COPM durchaus eine Ergänzung sein kann.
homeCIMT ist evident und wird nach einem standardisierten Protokoll angewendet.
Wie lange dauert die Fortbildung und was kostet sie?
Wie lange dauert die Fortbildung und was kostet sie?
Die Fortbildung dauert sechs Unterrichtseinheiten à 45 Minuten. Um das Zertifikat
zu erhalten, müssen die Teilnehmer innerhalb von drei Monaten eine Fallarbeit einreichen.
Die Kosten belaufen sich auf 220 Euro. Darin enthalten sind das Material, der Handschuh
für die Immobilisation, der Report zur Einreichung der Fallarbeit sowie das Zertifikat.
Mit Unterstützung seiner Ehefrau führt dieser Patient homeCIMT im häuslichen Umfeld
durch. Während er das Umblättern übt, stoppt sie die Zeit und zählt die Wiederholungen.
Abb: homeCIMT-Konzept [rerif]
Sie haben die Fortbildung im September 2018 das erste Mal durchgeführt – wie viele
Teilnehmer waren dabei?
Sie haben die Fortbildung im September 2018 das erste Mal durchgeführt – wie viele
Teilnehmer waren dabei?
Es war eine relativ kleine Gruppe mit elf Teilnehmern, die die Fortbildung erfolgreich
abgeschlossen haben. In unserer homeCIMT-Studie haben 37 Ergo- und Physiotherapeuten
in der Interventionsgruppe das Konzept erlernt und einmal mit einem Patienten durchgeführt.
Bisher ist also die Anwendung des Konzepts noch sehr exklusiv. Das kann interessant
für Therapeuten im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals einer Praxis sein. Sie können
damit ein evidenzbasiertes Therapiekonzept anbieten. Die Dokumentation während der
Durchführung von homeCIMT in Form von Protokollen eignet sich zudem gut für die Kommunikation
mit den verordnenden Ärzten.
Haben Sie weitere Fortbildungen geplant?
Haben Sie weitere Fortbildungen geplant?
Ja, wir haben Fortbildungen für Frühjahr und Herbst 2021 geplant. Interessenten können
für weitere Informationen gerne eine E-Mail an homecimt@uke.de schreiben.
Gibt es bereits praktische Erfahrungen mit homeCIMT? Was melden Patienten und Therapeuten
zurück?
Gibt es bereits praktische Erfahrungen mit homeCIMT? Was melden Patienten und Therapeuten
zurück?
Die Therapeuten, die an unserer Studie teilgenommen haben, konnten aufgrund des standardisierten
Vorgehens alles gut umsetzen. Die Fortbildungsteilnehmer fanden es sehr praxisorientiert
und hatten das Gefühl, nach dem Kurs direkt mit dem ersten Patienten starten zu können.
Auch sie wussten das standardisierte Vorgehen und das Material sehr zu schätzen. Therapeuten
melden zudem zurück, dass es sehr konkrete Ziele sind. Ihre Patienten berichten beispielsweise,
dass sie den Teller beim Abwaschen besser festhalten können oder dass sich das Greifen
besser anfühlt. Eine Kollegin meinte, dass Patienten das Training im Alltag fortsetzen
müssen. Oft sind sie ja schon lange in Therapie, wenn der Schlaganfall schon Jahre
her ist. Dann ist homeCIMT eine Möglichkeit, für vier Wochen etwas ganz anderes zu
machen. Damit die Patienten die erlernten Fertigkeiten und Fähigkeiten nicht wieder
verlieren, sollten sie sich bereits in der häuslichen Umgebung bestimmte Dinge angewöhnen:
zum Beispiel die Cappuccino-Tasse immer mit der betroffenen Hand in den Schrank zu
stellen.
Patienten finden gut, dass sie schwarz auf weiß messbare Ergebnisse über die Anzahl
der Wiederholungen und Verbesserungen haben. Zudem merken sie im Alltag, dass die
Dinge besser gehen.
Wie wirksam ist homeCIMT?
Wie wirksam ist homeCIMT?
In unserer Studie mit Ergo- und Physiotherapeuten in Deutschland verglichen wir homeCIMT
mit der üblicherweise durchgeführten Therapie. Insgesamt nahmen 71 Therapiepraxen
und 156 Patienten nach einem Schlaganfall teil. Die Ergebnisse zeigen, dass sich sowohl
in der Interventions- als auch in der Kontrollgruppe der Armeinsatz verbessert hat.
Der Einsatz im Alltag war bei der homeCIMT-Gruppe signifikant besser als bei der üblicherweise
durchgeführten Therapie. Wir können auch sagen, dass dieses Ergebnis nicht von Einflussfaktoren
abhängig war wie Alter, Geschlecht oder Händigkeit, sondern allein auf die Therapie
zurückzuführen ist. Wir wissen jedoch aus einer begleitenden Studie, dass es für Berufstätige
schwieriger ist, homeCIMT umzusetzen. Da bietet es sich an, sich bewusst Zeit für
die Therapie zu nehmen, zum Beispiel im Urlaub.
Wir sind sehr begeistert von homeCIMT und möchten es in die Therapeutenwelt hinaustragen.
Das Interview führte Christina Janssen.