Aktuelle Rheumatologie 2021; 46(02): 130-133
DOI: 10.1055/a-1270-1364
Medizin & Management

Die Patientenakte – Inhalt und Umgang mit der ärztlichen Dokumentation

 

Wie müssen Ärzte und Krankenhäuser die Behandlung Ihrer Patienten dokumentieren – und wie ist mit dieser Dokumentation zu verfahren? Bisher gab es dazu zwar eine gefestigte Rechtsprechung, aber keine eigene gesetzliche Regelung. Mit dem Recht zum Behandlungsvertrag gibt es nun aktuelle Vorschriften zum Inhalt und Umgang mit der Patientenakte.


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Einführung

Das Recht zum Behandlungsvertrag ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den Paragrafen 630 a–h gesetzlich normiert. Der einschlägige Paragraf 630 f BGB, in dem vorgeschrieben ist, wie die Behandlung dokumentiert und wie mit dieser Dokumentation umgegangen werden muss, ist überschreiben mit „Dokumentation der Behandlung“ und lautet:

  1. Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.

  2. Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.

  3. Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.

Was bedeutet dies nun für die Praxis oder das Krankenhaus?


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Zwecke der Dokumentation

Therapiesicherung

Ursprünglich diente die Behandlungsdokumentation als Gedächtnisstütze für den Arzt. Kannte früher der Arzt seine Patienten über einen langen Zeitraum persönlich, mit deren Vorerkrankungen und erfolgten Therapien, so ist dies heute sicher nicht mehr möglich. Heute soll die exakte Dokumentation dem Therapieerfolg dienen, indem die Dokumentation die Therapie durch (schriftliche oder elektronische) Fixierung des bisher Geschehenen sichert.

Die Aufzeichnung des Behandlungsgeschehens gewährleistet eine sachgerechte therapeutische Behandlung und Weiterbehandlung. Ohne Dokumentation bestünde die Gefahr, dass vorgenommene Untersuchungen und Ergebnisse in Vergessenheit geraten oder verloren gehen. Der Arzt ist daher gemäß Absatz 2) des Paragrafen 630f BGB verpflichtet,„sämtliche (…) wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen“.Die Aufzählung ist hierbei beispielhaft und nicht abschließend.

Merke

Man kann als Zwischenergebnis festhalten, dass im Grunde alles in die Patientenakte aufgenommen werden muss, soweit es für die Behandlung und den Patienten relevant ist. Gemäß Satz zwei des Paragrafen 630 f BGB sind auch Arztbriefe aufzunehmen.

Hier wird deutlich, dass durch die umfangreiche Pflicht zur Dokumentation nicht nur der Therapieerfolg gesichert werden soll. Auch unnötige – den Patienten und die Kassen belastende – Mehrfachuntersuchungen werden vermieden. Außerdem wird ermöglicht, dass mehrere Behandler (im Team oder als Konsil z.+B.) nahtlos zum Wohle des Patienten wirken können.

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Die Dokumentation der Behandlung dient der Therapiesicherung und Beweissicherung. Daher empfiehlt es sich, eine Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren einzuhalten. Symbolbild; Quelle: Thieme Group.

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Beweissicherung

Was muss dokumentiert werden?

Durch die genaue Dokumentation soll jedoch noch etwas anderes erreicht werden: die Beweissicherung. Dieser Aspekt ist heute mindestens so wichtig wie der Zweck der Therapiesicherung.

Die Bedeutung liegt auf der Hand: Sollte es nach einer Behandlung zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Patient und Arzt über den Erfolg einer solchen kommen, so dient die Patientenakte dazu, im Nachhinein feststellen zu können, was im Einzelnen gemacht worden ist.

Um sicher zu stellen, dass dieser Zweck auch erreicht werden kann, hat sich der Gesetzgeber etwas Besonderes einfallen lassen (und diesen Einfall in einer anderen Norm als dem Paragrafen 630 f „versteckt“): Im Paragraf 630 h Absatz 3) ist folgende Regelung getroffen „Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen §630 f Absatz 1 oder Absatz 2 nicht in der Patientenakte aufgezeichnet (…) wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat“.

Dies ist ohne Frage eine recht drastische Regelung, um den Behandelnden zu ausführlicher Dokumentation anzuhalten. Sie bedeutet im Ergebnis eine Beweis(last)regel, auch und gerade bei einem gerichtlichen Prozess.

Es wird also gesetzlich vermutet, dass nicht festgehaltene Maßnahmen auch nicht getroffen wurden. Will der Behandelnde darlegen, dass er eine solche nicht festgehaltene Maßnahme durchgeführt hat, obliegt ihm hierfür der Beweis. Er muss den Umstand, dass eine bestimmte Maßnahme getroffen wurde, aktiv beweisen – z. B. durch Zeugenaussagen des Pflegepersonals. Gelingt ihm dies nicht, gilt die Maßnahme im Prozess als nicht getroffen und kann zu einer Haftung des Arztes führen!


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Ausnahme

Keine Regel ohne Ausnahme: Die einzige Ausnahme von dieser den Arzt belastenden Regel sind medizinische Selbstverständlichkeiten und Routinen. Der Arzt kann in einem Prozess vortragen, dass eine bestimmte Maßnahme nicht dokumentiert ist, weil in entsprechenden Fällen immer gleich verfahren wird.

Diese Ausnahme muss jedoch sehr eng verstanden werden. Sie darf auf keinen Fall dazu führen, dass die Dokumentation nicht mehr vollständig ist.

Im Ergebnis nützt sie dem beweisbelasteten Arzt nicht wirklich: Er muss im Zweifel dann auch beweisen können, dass eine bestimmte Maßnahme in seiner Praxis oder in seinem Krankenhaus immer routinemäßig so erfolgt, z. B. durch Zeugenaussagen anderer Ärzte. Um hier sicher zu gehen sollte daher auch routinemäßiges Vorgehen kurz dokumentiert werde, z. B. „Übliche Vorbereitung und Lagerung...“

Es gilt also auch hier, dass im Grunde alles in die Patientenakte aufgenommen werden soll und muss, soweit es für die Behandlung und den Patienten irgendwie relevant ist.

Dies dient auch dem Interesse der Behandelnden: Umgekehrt gilt diese Beweisregel zu deren Gunsten nämlich auch.

Merke

Einer formell und materiell ordnungsgemäßen ärztlichen Dokumentation kann bis zum Beweis des Gegenteils Glauben geschenkt werden!

In der Patientenakte aufgeführte Maßnahmen gelten als durchgeführt. Nur wenn es der Patientenseite gelingt zu beweisen, dass eine bestimmte Maßnahme nicht getroffen wurde, wird die Beweiskraft der Patientenakte in diesem Punkt aufgehoben.

Zum eigenen Schutz des Arztes sollte daher die Dokumentation mit größter Sorgfalt geschehenen.


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Wie muss dokumentiert werden?

Es reicht – und ist sicher auch zweckmäßig – die getroffenen Maßnahmen, Eingriffe und Techniken stichwortartig und in Abkürzungen festzuhalten. Trotzdem muss die Dokumentation natürlich verständlich sein. Dazu gehört – bei handschriftlichen Aufzeichnungen – auch die Lesbarkeit.

Soweit Abkürzungen verwendet werden, sollten diese gebräuchlich sein („Pat.“ Anstelle von Patient/Patientin), nicht selbsterdacht. Selbstverständlich ist die Verwendung von Fachbegriffen möglich und auch ratsam. Ebenso können Symbole verwendet werden, so sie allgemein üblich sind (z. B. Häschen-Symbol für eine bestimmte Art der Lagerung). Ein Fließtext in grammatikalisch vollständigen Sätzen ist nicht nötig und wäre auch viel zu umständlich.


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Wann muss dokumentiert werden?

Die Dokumentation hat „in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang“ zu erfolgen. Sie sollte also idealerweise direkt nach der Behandlung erfolgen. Ist dies aus Zeitgründen einmal nicht möglich, sollte die Dokumentation zeitnah nachgeholt werden, nach Möglichkeit am Tag der durchgeführten Maßnahme.

Eine Dokumentation nach mehreren Tagen aus dem Gedächtnis ist nur bei ganz einfachen Maßnahmen und unkomplizierten Verläufen möglich.

Nur eine Ausnahmemeinung in der Literatur billigt dem Arzt auch eine mehrwöchige Frist zur Nachholung der Dokumentation zu. Dieser Meinung soll hier auf keinen Fall gefolgt werden.


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Sind Änderungen möglich?

Änderungen sind zulässig, soweit sie als solche zu erkennen sind: Änderungen sind zulässig, Manipulationen nicht. Es muss also klar erkennbar sein, dass nachträglich eine andere Dokumentation eingetragen wurde. Zudem muss die ursprüngliche Eintragung nachlesbar sein. Bei Dokumentation in Papierform können also z. B. Änderungen durch Bemerkungen am Rande vorgenommen werden. Die Bemerkung muss mit Datum versehen sein.

Bei einer elektronisch geführten Akte sollte daher ein Programm erworben werden, dass technisch nur Änderungen in der oben dargelegten Weise zulässt (Änderung als solche mit Datum erkennbar und ursprünglicher Inhalt noch lesbar).

Eine nachträgliche Entnahme oder Löschung von Inhalten ist nie zulässig.


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Aufbewahrungsfristen

Eigentlich gilt gemäß Paragraf 630 f Abs. 3 BGB eine Aufbewahrungsfrist für die Patientenakte von „nur“ 10 Jahren, beginnend mit dem Abschluss der Behandlung. Diese Frist ist jedoch als Mindestfrist zu verstehen. Eine Vernichtung der Unterlagen nach Ablauf der Zehnjahresfrist ist daher auf keinen Fall ratsam.

Dies auch aus folgenden Gründen: Die Verjährungsfrist für deliktische Handlungen beträgt 30 Jahre. Bei einer behaupteten deliktischen Handlung (z. B. fahrlässige Körperverletzung) ist es daher u. U. hilfreich, sich aufgrund noch vorhandener Unterlagen enthaften zu können. Für Röntgenbilder gilt ohnehin eine Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren.

Zudem existieren in einigen Bundesländern spezielle Aufbewahrungsfristen aufgrund von länderspezifischen Krankenhausordnungen.

Merke

Somit empfiehlt sich eine Aufbewahrungsfrist für die Originalpatientenakte mit allen Bildern und sonstigen Anlagen von 30 Jahren einzuhalten.

Zu beachten ist zudem, dass auch für die (elektronische) Patientenakte die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gilt.


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Sonderfall: Praxisübernahme/Praxisverkauf

Große Unsicherheit herrscht oftmals bei Übernahme/Kauf einer bestehenden Praxis mit Patientenstamm bezüglich des Umgangs mit den Patientendaten bzw. den Patientenunterlagen. Was ist hier also zu beachten?

Regelung im Praxiskaufvertrag zwingend

Mit Übergabe der Praxis (Schlüsselübergabe) geht die Zugriffsmöglichkeit auf Patientenkartei auf den Erwerber über. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Erwerber nun ohne weiteres auch die Altkartei für sich nutzen darf. Es ist daher unbedingt eine Klausel zum Umgang mit der Patientenkartei in den Praxiskaufvertrag aufzunehmen.

In dieser Klausel ist zu bestimmen, dass der Erwerber der Praxis die Altkartei getrennt und zugriffsgeschützt von der neuen Kartei aufbewahrt. Zum Schutz des Veräußerers sollte diese Klausel mit einer Vertragsstrafe abgesichert werden.


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Zustimmung der Patienten

Eine Regelung im Vertrag ist jedoch nicht ausreichend, da die Patientendaten auch den Patienten selbst gehören und es daher gegen den Grundsatz auf informationelle Selbstbestimmung verstieße, die Daten ohne Einwilligung der Patienten zu nutzen. Die Einwilligung kann ausdrücklich und durch schlüssiges Verhalten erklärt werden, letzteres z.+B. durch das Aufsuchen des Praxisnachfolgers seitens des Altpatienten.

Es empfiehlt sich jedoch, die ausdrückliche Einwilligung des einzelnen Patienten einzuholen, am Besten durch Unterzeichnung eines Formulars. Sobald diese einzelnen Einwilligungen vorliegen, kann die alte mit der neuen Kartei zusammenführt.

Auch bei einer Praxisübernahme gelten die zuvor dargestellten Aufbewahrungsfristen, nur dass nun der Erwerber im Wege eines Verwahrungsvertrages die Unterlagen für den Veräußerer aufbewahrt.

Diesbezüglich sollte nach Möglichkeit der Rat eines Anwaltes eingeholt werden zur Zweckmäßigen Ausgestaltung des Übernahmevertrages.

Peter Kordts, Rechtsanwalt in Düsseldorf


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Zitierweise für diesen Artikel

Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 1280–1282


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Publication History

Article published online:
08 April 2021

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Die Dokumentation der Behandlung dient der Therapiesicherung und Beweissicherung. Daher empfiehlt es sich, eine Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren einzuhalten. Symbolbild; Quelle: Thieme Group.