Schlüsselwörter
Frische undislozierte Kahnbeinfraktur - navigierte Schraubenfixierung - konventionell
perkutane Verschraubung
Key words
Acute non-displaced scaphoid fractures - navigated screw fixation - conventional percutaneous
screw fixation
Einleitung
Die operative Versorgung frischer, nicht-dislozierter Kahnbeinfrakturen mittels vollkommen
intraossär liegender Schrauben in minimal-invasiver Technik hat sich als Alternative
zur konservativen Behandlung bewährt. Dabei kann die Schraube je nach Frakturtyp orthograd
oder retrograd eingebracht werden. Biomechanische Untersuchungen belegen, dass die
Schraubenlage im Kahnbein als solche, aber auch in Relation zum Frakturverlauf Auswirkungen
auf die Stabilität der Versorgung hat [1], [2], [3]. Andererseits stellen Schraubenfehlplatzierungen sowie in das Radioskaphoidal- und/oder
Skaphotrapeziodalgelenk überstehende Schrauben mit 5–30 % ein ernstzunehmendes Problem
dar [4], [5].
Mit der Absicht, Schraubenposition und -länge zu optimieren, führte Liverneaux bereits
2005 2D-navigierte Kahnbeinverschraubungen an Leichenpräparaten durch [6]. Unter Verwendung einer röntgenstrahlendurchlässigen Schiene zur standardisierten
Lagerung der Hand und des Handgelenkes (Chiroblock) und des C-Bogen gestützten Navigationssystems
„Vector Vision“ von Brainlab brachte er dabei eine kanülierte Schraube ins Kahnbein
ein. Das Verfahren wurde damals für den klinischen Einsatz als noch zu unausgereift
eingeschätzt. Die Studie zeigte jedoch klar, dass es zwingend einer reproduzierbaren,
standardisierten Lagerung von Hand und Handgelenk für eine navigierte Verschraubung
des Kahnbeins bedarf.
Kendoff und Mitarb. veröffentlichten 2007 ihre Erfahrungen im Rahmen einer navigierten
Verschraubung des Kahnbeines an 5 formalinfixierten, nicht-frakturierten Leichenpräparaten
mit einer röntgenstrahldurchlässigen, gassterilisierbaren Lagerungsschiene aus Polysulfon
(Scaph Splint), die nicht nur eine absolut sichere Fixierung von Hand und Unterarm,
sondern auch eines Referenzmarkers erlaubte und so die navigierte Verschraubung erleichterte
[7].
Catalan-Lehnen und Mitarb. verglichen 2- und 3D-Navigation bei der Verschraubung des
Kahnbeins von dorsal in einer Untersuchung an jeweils 4 Leichenpräparaten unter Verwendung
einer eigens hierfür entwickelten Lagerungsschiene für das Handgelenk [8]. Die 3D-Navigation bedurfte längerer Durchleuchtungszeiten und war – so die Autoren
–„schwieriger zu interpretieren“, führte jedoch zu einer präziseren Schraubenlage.
Walsh und Mitarb. verglichen die konventionelle palmare Kahnbeinverschraubung mit
der computerassistierten Technik (CAS) an 10 Leichenpräparaten bezüglich Operationszeit,
Röntgenzeit und Anzahl der Bohrversuche zur korrekten Platzierung der Führungs-K-Drähte
[9]. Röntgenzeit und Anzahl der Bohrversuche für den Führungsdraht waren in der CAS-Gruppe
signifikant niedriger als in der Gruppe mit konventioneller Verschraubung.
Zur Optimierung der Schraubenlage bei Verschraubung frischer, undislozierter Kahnbeinfrakturen
begannen wir 2008 mit der navigierten Kahnbeinverschraubung [10]. Nach Voruntersuchungen an Leichenpräparaten mit anfangs 2D- und dann 3D-Navigation,
Entwicklung eines CT-Modus zur Auswertung der Schraubenlage im Kahnbein sowie einer
röntgenstrahlendurchlässigen artefaktfreien Schiene mit integriertem Referenzmarker
zur Lagerung der Hand und des Handgelenkes erfolgte eine prospektive Studie.
Ziel der Studie ist der Vergleich der navigierten mit der konventionell perkutanen
Verschraubung frischer undislozierter Kahnbeinfrakturen von dorsal.
Patienten und Methoden
Zwischen 5/2008 und 6/2016 wurden insgesamt 36 Patienten in die Studie eingeschlossen.
Bei 18 Patienten (15 Männer und 3 Frauen) mit einem Durchschnittsalter von 35,9 Jahren
erfolgte eine navigierte Verschraubung, davon anfänglich 4-mal mittels 2D-Navigation
unter Verwendung des Navigationssystems Cart II von Stryker und einer Twin-Fix-Schraube
und danach unter Einsatz des 3D-Navigationssystems von Brain-LAP „Vector Vision“ mit
der Traumasoftware 2.6 und dem Iso-C-3D-Bildwandler und einer HCS-Schraube. Grund
für den Wechsel zur 3D-Navigation war der Umstand, dass sich damit eine bessere Schraubenlage
erzielen ließ. Bei den 18 konventionell perkutan versorgten Patienten handelte es
sich um 16 Männer und 2 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 36,1 Jahren ([
Tab. 1
]). In dieser Gruppe wurde 15-mal eine HCS-Schraube, 2-mal eine Boldschraube und 1-mal
eine Magnesiumschraube verwendet.
Tab. 1
Vergleich der operierten Patienten beider Gruppen bzgl. Alter, Geschlecht, Skaphoidlänge,
verwendeter Schraube, Operations- und Röntgenzeit sowie Röntgenstrahlendosis. Angaben
Alter, Skaphoid- und Schraubenlänge, Länge Op- und Röntgenzeit sowie Röntgenstrahlendosis
als Mittelwerte ± Standarddeviation.
|
NAVI
|
KONV
|
p-Wert
|
|
Patienten
|
18
|
18
|
|
|
Alter bei Op (Jahre)
|
35,9 ± 1,4
|
36,1 ± 1,2
|
n. s.
|
|
Geschlecht (m/w)
|
15/3
|
16/2
|
n. s.
|
|
Skaphoidlänge (mm)
|
20,7 ± 0,5
|
22,8 ± 0,6
|
0,046
|
|
Schraubenlänge (mm)
|
19,8 ± 0,5
|
19,6 ± 0,6
|
n. s.
|
|
Schraubentyp
|
|
|
|
|
HCS
|
14
|
15
|
|
|
TwinFix
|
4
|
0
|
|
|
Boldschraube
|
0
|
2
|
|
|
Magnesiumschraube
|
0
|
1
|
|
|
Operationsdauer (Min.)
|
83,3 ± 8,6
|
42,2 ± 10,2
|
< 0,0001
|
|
Röntgenzeit (Min.)
|
2,1 ± 0,3
|
1,1 ± 0,1
|
0,014
|
|
Röntgenstrahlendosis/cGy/cm2
|
106,5 ± 19,9
|
45,6 ± 8,0
|
0, 016
|
Operationstechnik der 3D-navigierten Verschraubung
Der Eingriff erfolgt in Allgemeinnarkose und Rückenlage mit Auslagerung des zu operierenden
Armes auf einem Handtisch. Hand und Handgelenk werden nach der Desinfektion auf der
sterilen (gassterilisierbar), röntgendurchlässigen Universalschiene mit integriertem
Tracker in Flexion und Ulnarduktion straff fixiert ([
Abb. 1
]).
Abb. 1 Röntgenstrahldurchlässige, gassterilisierbare und artefaktfreie Universalschiene
mit integriertem Tracker zur navigierten Verschraubung von Frakturen des rechten und
linken Kahnbeins von palmar und dorsal, hier zur Verschraubung einer Fraktur des rechten
Kahnbeins von dorsal.
Neben der Universalschiene mit integriertem Referenzmarker (RM) kommen folgende Instrumente/Geräte
für die Navigation zum Einsatz ([
Abb. 2
]):
-
Bohrmaschine mit Referenzmarker von Stryker
-
navigierte Bohrhülse für den Führungsdraht (K-Draht) der HCS-Schraube
-
Kalibriertool
-
Pointer
-
Iso-C-3D-Bildwandler mit Referenzmarker
-
Navigationssystem „Vector Vision“ mit Traumasoftware 2.6
Abb. 2 Für die 3D-Navigation benötigtes Equipment: Iso-C-3D-Bildwandler mit Referenzmarker,
Navigationssystem „Vector Vision“, Kalibriertool, Bohrmaschine mit Referenzmarker,
navigierte Bohrhülse für den Führungsdraht (K-Draht) der Kahnbeinschraube.
Nach Zentrierung des 3D-Bildwandlers und Kollisionscheck wird ein 136-Grad-Scan mit
110 Bildern vom Kahnbein gefahren. Die dafür erforderliche Röntgenzeit liegt bei ca.
2 Minuten, die Röntgendosis bei ca. 55 cGy/cm2. Anschließend werden die Scan-Daten an das Navigationssystem übertragen. Es erfolgt
nun die Kalibrierung der Bohrhülse. Mit Hilfe der axialen, sagittalen und koronalen
Schnitte des Kahnbeines wird die Lage der Schrauben mit der Touchscreenfunktion am
Bildschirm geplant und deren Länge festgelegt. Durch ein „Feintuning“ lassen sich
Schraubenlage und -länge solange verändern, bis die dem Operateur optimal erscheinenden
Einstellungen erreicht sind. Allerdings entspricht die virtuelle Schraubenlage nur
dann der späteren realen Schraubenlage, wenn keinerlei Relativbewegungen zwischen
Kahnbein und Referenzmarker entstanden sind und die Daten korrekt übernommen wurden.
Mit dem Pointer wird nun die Einbringungsstelle der Schraube festgelegt und die Inzision
durchgeführt. Entsprechend der Anweisungen des Autopiloten erfolgt mit der navigierten
Bohrhülse eine Zentrierung in allen 3 Raumebenen. Sind die Ringe konzentrisch eingestellt,
ist die optimale Situation für das Einbohren des Führungsdrahtes gegeben ([
Abb. 3a und Abb. 3b
]). Auch hier ergeben sich noch Fehlermöglichkeiten durch Relativbewegungen der Führungshülse.
Nach Einbringen des K-Drahtes wird ein zweiter Scan mit dem C-Arm durchgeführt, um
eine eventuelle Fehllage auszuschließen. Anschließend erfolgt das Einbringen der HCS-Schraube
mit nachfolgendem 3D-Scan zur Kontrolle der endgültigen Schraubenlage und -länge.
Abb. 3 Einbringen des K-Drahtes durch die navigierte Hülse entsprechend der geplanten Schraubenlage
im Kahnbein: a intraoperative Situation, b Darstellung am Iso-C-3D-Bildwandler: Entsprechend der Anweisungen des Autopiloten
erfolgt mit der navigierten Bohrhülse eine Zentrierung in allen 3 Raumebenen. Sind
die Ringe konzentrisch eingestellt, ist die optimale Situation für das Einbohren des
Führungsdrahtes gegeben.
Auswertung der Schraubenlage mittels Computertomographie (CT)
Bei allen 36 Patienten erfolgte am 1. postoperativen Tag die Auswertung der Schraubenlage
und -länge mittels Dünnschicht-CT unter Verwendung eines speziell hierfür entwickelten
Protokolls. Dazu wird das Kahnbein mit einer axialen Schnittführung in 10 axialen
Schnitten untersucht. Auf jedem dieser 10 Schnitte wird der virtuelle Mittelpunkt
des Kahnbeins wie folgt bestimmt ([
Abb. 4a und Abb. 4b
]):
-
Eine Achse aa wird möglichst mittig in der größten Längenausdehnung des Schnittes
eingezeichnet.
-
Senkrecht und als Halbierende zu dieser Achse wird eine zweite Achse bb eingezeichnet.
-
In den Schnittpunkt der beiden Achsen aa und bb werden 2 Winkelhalbierende im 45°
Winkel (cc und dd) eingezeichnet und so lange verschoben, bis sie die äußere Kortikalis
des Kahnbeins im jeweiligen Sektor in zwei gleiche Teile teilen, wobei ihr Schnittpunkt
nicht auf einer der beiden Hauptachsen liegen muss.
-
Der virtuelle Mittelpunkt des Kahnbeines wird als der Punkt definiert, der möglichst
nahe zu allen Achsen liegt.
Abb. 4 a Bestimmung des virtuellen Mittelpunktes des Kahnbeins in 10 axialen Schichten. b Überprüfung der Schraubenlage im Verhältnis zum virtuellen Mittelpunkt des Kahnbeins
im CT mit axialer Schnittführung in Dünnschichttechnik. Der Schraubenrand liegt im
Beispiel 1 mm vom virtuellen Mittelpunkt entfernt; die Schraubenlage ist damit optimal.
Als „optimal“ wird die Schraubenlage gewertet, wenn der Anschnitt der Schraube in
einem Kreis mit einem Radius von 1,5 mm um den virtuellen Mittelpunkt liegt. Liegt
der Anschnitt der Schraube zwischen 1,5 und 3 mm vom virtuellen Mittelpunkt des Kahnbeins
entfernt, wird dies als „gute“ Lage gewertet. Bei größerem Abstand vom virtuellen
Mittelpunkt wird das Ergebnis als „schlecht“ eingestuft.
Neben der radiologischen Auswertung erfolgte eine klinische Nachuntersuchung. 17 der
18 Patienten (16 Männer und eine Frau) mit einem Durchschnittsalter von 52 (21–64)
Jahren konnten im Mittel 2 Jahre postoperativ nachuntersucht werden. Neun Männer und
2 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 43,2 (19–81) Jahren mit konventionell perkutaner
Verschraubung konnten im Mittel 2,5 Jahre postoperativ nachuntersucht werden ([
Tab. 1
]). Gemäß der Klassifikation von Krimmer und Mitarb. [11] fanden sich in der navigierten Gruppe eine A2-Fraktur, eine B1-, 12 B2- und 3 B3-Frakturen.
In der konventionellen Gruppe fanden sich 3 A2-, 2 B1, 4 B2- und 2 B3-Frakturen. Bei
der Nachuntersuchung wurden der Krimmer- sowie der DASH-Score erfasst.
Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Programm SPSS Statistics V26. P-Werte
≤ 0,05 wurden als signifikant gewertet.
Ergebnisse
Bei 2 Patienten musste die navigierte Kahnbeinverschraubung abgebrochen werden und
wurde konventionell perkutan beendet. Bei Beschwerden infolge eines Schraubenüberstandes
war bei 2 Patienten mit navigierter Versorgung trotz knöcherner Heilung des Kahnbeines
die Entfernung der eingebrachten Schraube erforderlich.
CT-Auswertung
[
Tab. 2
] und [
Abb. 5
] zeigen die Distanz zwischen dem virtuellen Mittelpunkt des Kahnbeins in den 10 axialen
Schichten und dem Rand der eingebrachten Schrauben. In der Gruppe (NAVI-Gruppe) mit
navigierter Verschraubung war in allen Schichten der Abstand zwischen virtuellem Mittelpunkt
und Schraubenrand größer als in der Gruppe mit konventioneller Verschraubung (KONV-Gruppe).
Allerdings fand sich lediglich in Schicht 2 ein signifikanter Unterschied mit p =
0,02.
Tab. 2
Vergleich der Distanz zwischen virtuellem Mittelpunkt in 10 axialen Schichten des
Kahnbeins und dem Schraubenrand (Mittelwerte ± Standarddeviation) zwischen den beiden
Gruppen. In allen Schichten lagen die konventionell eingebrachten Schrauben näher
zum virtuellen Kahnbeinmittelpunkt. Der Unterschied war jedoch nur in Schicht 2 signifikant.
|
Schicht
|
NAVI
|
CONV
|
p-Wert
|
|
1
|
2,36 ± 0,23
|
1,85 ± 0,25
|
0,1
|
|
2
|
1,98 ± 0,24
|
1,26 ± 0,18
|
0,02
|
|
3
|
1,68 ± 0,24
|
1,36 ± 0,21
|
0,33
|
|
4
|
1,79 ± 0,19
|
1,37 ± 0,22
|
0,13
|
|
5
|
1,83 ± 0,24
|
1,2 ± 0,14
|
0,08
|
|
6
|
2,02 ± 0,22
|
1,25 ± 0,18
|
0,18
|
|
7
|
1,94 ± 0,28
|
1,35 ± 0,20
|
0,09
|
|
8
|
1,57 ± 0,18
|
1,42 ± 0,20
|
0,52
|
|
9
|
2,11 ± 0,36
|
1,56 ± 0,21
|
0,42
|
|
10
|
1,85 ± 0,37
|
1,72 ± 0,26
|
0,96
|
Abb. 5 Vergleich der beiden Gruppen bezüglich der Distanz zwischen virtuellem Kahnbeinmittelpunkt
und Rand der Schraube.
[
Tab. 3
] fasst die Bewertung der Lage der jeweils 18 Schrauben in Relation zum virtuellen
Mittelpunkt des Kahnbeins in den 10 axialen Schichten zusammen. Bei der navigierten
Verschraubung konnte 76-mal eine optimale Schraubenlage und 75-mal eine gute Schraubenlage
erzielt werden. 29-mal wurde die Schraubenlage als „schlecht“ eingestuft. Bei der
konventionellen Verschraubung konnte 112-mal eine optimale Schraubenlage und 52-mal
eine gute Schraubenlage erzielt werden. 16-mal wurde die Schraubenlage als „schlecht“
eingestuft.
Tab. 3
Vergleich der Schraubenlage in Relation zum virtuellen Mittelpunkt des Kahnbeins zwischen
den beiden Gruppen in den 10 axialen Schichten im CT (optimal = Anschnitt der Schraube
≤ 1,5 mm vom virtuellen Mittelpunkt; gut = Anschnitt der Schraube zwischen 1,5 und
3,0 mm vom virtuellen Mittelpunkt; schlecht = Anschnitt der Schraube ≥ 3,0 mm vom
virtuellen Mittelpunkt).
|
Schicht
|
Gruppe
|
optimal
|
gut
|
schlecht
|
total
|
|
1
|
NAVI
|
4
|
9
|
5
|
18
|
|
KONV
|
10
|
5
|
3
|
18
|
|
2
|
NAVI
|
8
|
6
|
4
|
18
|
|
KONV
|
12
|
5
|
1
|
18
|
|
3
|
NAVI
|
8
|
8
|
2
|
18
|
|
KONV
|
10
|
8
|
0
|
18
|
|
4
|
NAVI
|
9
|
8
|
1
|
18
|
|
KONV
|
11
|
6
|
1
|
18
|
|
5
|
NAVI
|
9
|
6
|
3
|
18
|
|
KONV
|
13
|
4
|
1
|
18
|
|
6
|
NAVI
|
4
|
11
|
3
|
18
|
|
KONV
|
12
|
5
|
1
|
18
|
|
7
|
NAVI
|
9
|
6
|
3
|
18
|
|
KONV
|
12
|
4
|
2
|
18
|
|
8
|
NAVI
|
9
|
8
|
1
|
18
|
|
KONV
|
10
|
6
|
2
|
18
|
|
9
|
NAVI
|
7
|
8
|
3
|
18
|
|
KONV
|
10
|
6
|
2
|
18
|
|
10
|
NAVI
|
9
|
5
|
4
|
18
|
|
KONV
|
12
|
3
|
3
|
18
|
|
Total
|
NAVI
|
76
|
75
|
29
|
180
|
|
KONV
|
112
|
52
|
16
|
180
|
Von den 18 navigiert versorgten Patienten wiesen 4 Patienten proximal (2,01 ± 0,81
mm) und distal (1,21 ± 0,64 mm) einen Schraubenüberstand ([
Abb. 6a und Abb. 6b
]), 4 Patienten lediglich einen proximalen (1,61 ± 0,57 mm) und 3 Patienten lediglich
einen distalen Überstand (1,18 ± 0,44 mm) auf. Demgegenüber fand sich bei den 18 Patienten
mit konventioneller Kahnbeinverschraubung nur 4mal ein distaler (2,27 ± 1,47 mm) und
einmal ein proximaler Schraubenüberstand im CT.
Abb. 6 Proximaler (a) und distaler (b) Schraubenüberstand nach navigierter Verschraubung einer B2-Fraktur. Schraubenentfernung
aufgrund von Beschwerden trotz knöcherner Heilung erforderlich.
Operationszeit, Durchleuchtungszeit, Röntgenstrahlenendosis
Operations- und Durchleuchtungszeit waren in der NAVI-Gruppe signifikant länger als
in der KONV-Gruppe, die Röntgenstrahlendosis signifikant erhöht ([
Tab. 4
]). In der NAVI-Gruppe betrug die durchschnittliche Op-Zeit 83,3 ± 8,6 Minuten, wohingegen
in der KONV-Gruppe lediglich 42,2 ± 10,2 Minuten benötigt wurden (p < 0,05). Die durchschnittliche
applizierte Röntgenstrahlendosis lag in der navigierten Gruppe bei 106,5 ± 19,9 cGy/cm2, in der konventionellen Gruppe lediglich bei 45,6 ± 8,0 cGy/cm2 (p = 0,016).
Tab. 4
Anzahl, Geschlecht, Frakturtyp sowie Krimmer- und DASH-Score der nachuntersuchten
Patienten.
|
NAVI
|
KONV
|
|
Patienten
|
17
|
11
|
|
Durchschnittsalter
|
52
|
43
|
|
Geschlecht (m/w)
|
16/1
|
9/2
|
|
Frakturtypen
|
|
|
|
A2
|
1
|
3
|
|
B1
|
1
|
2
|
|
B2
|
12
|
4
|
|
B3
|
3
|
2
|
|
Krimmer-Score
|
83,6
|
95
|
|
DASH-Score
|
5,7
|
8
|
Klinische Ergebnisse
Der Krimmer-Score der 17 nachuntersuchten Patienten mit Navigation lag durchschnittlich
bei 83,6 Punkten, der DASH-Score bei 5,6. Die 11 nachuntersuchten Patienten mit konventionell
perkutaner Verschraubung erzielten einen Krimmer-Score von 95 und einen DASH-Score
von 8,0 Punkten.
Diskussion
Die vorliegende Studie hat zweifelsohne Defizite. So erfolgte ein Wechsel von der
2D- auf die 3D-Navigation. Auch wurden verschiedene Schraubensysteme verwendet. Bei
einer Studiendauer von 8 Jahren wurden lediglich jeweils 18 Patienten in beiden Gruppen
eingeschlossen, was vermuten lässt, dass sich zumindest bei der aufwändigen navigierten
Kahnbeinverschraubung keine Routine im Ablauf einstellte. Alle diese Punkte mögen
das Ergebnis der Studie negativ beeinflusst haben. Aus dem Umstand, dass es trotz
aller Fortschritte in der navigierten Chirurgie, z. B. bei der navigierten Implantation
einer Knietotalendoprothese, unseres Wissens bis dato kein käuflich zu erwerbendes
Navigationssystem für die Verschraubung von Kahnbeinfrakturen gibt, lässt sich schließen,
dass einerseits die navigierte Kahnbeinverschraubung weiterhin problembehaftet ist
und andererseits die hier präsentierten Ergebnisse nicht ganz falsch sind.
Die freihändige Platzierung einer Skaphoidschraube unter Bildwandlerkontrolle ist
aufgrund der komplexen dreidimensionalen Form und aufgrund der sowohl in der dorsopalmaren
als auch ulnoradialen Ebene schrägen Lage des Kahnbeins im Karpus selbst bei undislozierten
Frakturen auch für geübte Handchirurgen/Operateure eine Herausforderung. Bezeichnenderweise
handelt es sich bei allen heute zur Fixierung einer Kahnbeinfraktur zur Verfügung
stehenden Schrauben – selbst bei Mini- und Mikroschrauben – um Hohlschrauben, die
über einen Führungsdraht eingebracht werden. Nicht selten sind mehrere Anläufe erforderlich
bis der Führungsdraht korrekt/befriedigend platziert ist. Der Wunsch durch Navigation
die Verschraubung von Kahnbeinbrüchen präziser zu machen, was Schraubenlage und -länge
betrifft, ist vor diesem Hintergrund verständlich.
Als großes Problem bei der navigierten Verschraubung von Kahnbeinfrakturen kristallisierte
sich von Beginn an die Notwendigkeit des Ausschaltens von auch nur kleinsten Relativbewegungen
des Handgelenkes, genauer des Kahnbeins in Relation zu den navigierten Instrumenten
heraus. Alle Arbeitsgruppen entwickelten deshalb spezielle Lagerungsschienen mit integrierten
Referenzmarkern (RM) [5], [6], [7], [8], [9]. Nach den ersten Versuchungen an Leichenarmen mit einer Thermoplastschiene und Klettbandverschlüssen
war schnell klar, dass sich damit keine ausreichende Stabilisierung des Handgelenkes
realisieren lässt, um Relativbewegungen zwischen Kahnbein und RM zu verhindern. Erst
die Verwendung von Kunststoffschrauben und Platten zur Fixierung des Karpus gewährleistete
die nötige und für die erforderliche Operationszeit andauernde Stabilität zwischen
Kahnbein und RM. Die von uns entwickelte Universalschiene erlaubt eine entsprechende
Fixierung zur Versorgung von rechten und linken Kahnbeinen von palmar und dorsal,
wobei in diese Studie ausschließlich Patienten eingeschlossen wurden, bei denen es
eines dorsalen Zugangs bedurfte. Trotz der mit dieser Schiene sicher möglichen Fixierung
der Hand und des Handgelenkes, verbleiben minimale Relativbewegungen, z. B. durch
das stets vorhandene, wenn auch sehr kleine Spiel zwischen navigierter Bohrhülse und
dem durch die Hülse einzubringenden Führungsdraht.
Dass sich trotz der stabilen Fixierung keine optimale Schraubenlage bei der navigierten
Verschraubung erzielen ließ, ist aufgrund der minimal vorhandenen Relativbewegung
zwischen Kahnbein und RM nachvollziehbar. Die deutlich höhere Anzahl an Schraubenpenetrationen
– 11 in der navigierten, 5 in der konventionellen Gruppe – erklärt sich damit nicht.
Angesichts des Umstandes, dass Operations- und Durchleuchtungszeit bei navigierter
Versorgung deutlich verlängert waren im Vergleich zur konventionellen Versorgung und
die Röntgenstrahlenbelastung deutlich erhöht war, ist es mühsam nach Erklärungen zu
suchen, wieso die navigierte Verschraubung der konventionellen punkto Schraubenposition
in dieser Studie unterlegen war. Mit 83,2 Minuten war die Operationsdauer in der NAVI-Gruppe
nahezu doppelt so lang wie in der KONV-Gruppe mit 42,1 Minuten. Der Unterschied war
signifikant (< 0,0001). Die Röntgenzeit betrug bei den navigiert versorgten Patienten
2,1 ± 0,31 Minuten und war damit im Vergleich zur Röntgenzeit der konventionell perkutan
versorgten Patienten mit 1,1 ± 0,14 Minuten signifikant (p = 0,014) verlängert. Auch
war die Röntgenstrahlendosis mit 106,5 ± 19,9 cGy/cm2 in der NAVI-Gruppe signifikant gegenüber der der KONV-Gruppe mit 45,5 ± 8,0 cGy/cm2 (p = 0,016) erhöht.
Bei der Auswertung der Schraubenlage wurde der virtuelle Mittelpunkt des Kahnbeins
in 10 axialen Schichten berücksichtigt. Die navigierte Verschraubung zeigte sich hierbei
der konventionell perkutanen Verschraubung von dorsal nicht überlegen. Nicht berücksichtigt
bei der Auswertung wurde der Frakturverlauf, respektive in welchem Winkel die Schraube
die Fraktur kreuzt. Kreuzt die Schraube die Fraktur orthogonal, sind Steifigkeit und
Festigkeit des Konstrukts aus Kahnbein und Schraube höher als wenn die Schraube in
einem Winkel von 10 oder gar 20° zum Frakturverlauf eingebracht ist, wie Untersuchungen
von McCallister und Mitarb. [1], aber auch eigene Untersuchungen [3] zeigen. Der Frakturverlauf ist unter Durchleuchtung schwierig zu visualisieren,
mittels des 3D-CT-Scans bei der navigierten Verschraubung jedoch leicht zu erfassen.
Durch Übertragung der entsprechenden Daten sollte es möglich sein, die Navigation
so zu programmieren, dass die Schraube orthogonal zum Frakturverlauf eingebracht wird.
Klinische Vorteile – schnellere Heilung, geringere Pseudarthrosenrate? – sind denkbar.
Unter diesem Gesichtspunkt ist die navigierte Verschraubung von Kahnbeinfrakturen
vielleicht doch nochmal eine Überlegung.
Schlussfolgerung
Die navigierte Verschraubung frischer undislozierter Kahnbeinfrakturen zeigte in dieser
Studie weder bzgl. der Schraubenlage, der Penetration der Schrauben noch der klinischen
Ergebnisse Vorteile gegenüber der konventionell perkutanen Technik.