Rofo 2020; 192(12): 1219-1225
DOI: 10.1055/a-1277-0334
Radiologie und Recht

Abrechnung von Leistungen der Magnetresonanztomographie durch einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie – Die Umdeutung des Weiterbildungsrechts durch das OLG Nürnberg

 

1. Einleitung

Die Frage, ob Fachärztinnen und Fachärzte[1] für Orthopädie Leistungen in der Magnetresonanztomographie (MRT) selbst durchführen und abrechnen dürfen, war in jüngster Vergangenheit bereits Gegenstand unserer Beiträge in der RöFo.[2] In diesen Beiträgen wurde auch die Entscheidung der Vorinstanz zum nachfolgend besprochenen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg aufgegriffen, in der das Landgericht (LG) Regensburg entschieden hatte, dass ein Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Leistungen in der MRT mit einer privaten Krankenversicherung abrechnen dürfe.[3] Auf die Berufung der klagenden privaten Krankenversicherung hin ging das Verfahren in die nächste Instanz. Das angerufene OLG Nürnberg hat sich der Entscheidung des LG Regensburg angeschlossen.[4] Die Begründung des Urteils lässt erkennen, dass der mit der Sache befasste Senat die Systematik und den Zweck wesentlicher Vorschriften des Weiterbildungsrechts unzutreffend ausgelegt und bewertet hat. Das OLG Nürnberg hat daher eine Entscheidung getroffen, die bei sorgfältiger Beschäftigung mit diesem untergesetzlichen Normenkomplex der – im zu entscheidenden Sachverhalt einschlägigen – Weiterbildungsordnung der Bayerischen Landesärztekammer hätte anders ausfallen müssen. Der Senat ist ausweislich der Urteilsgründe zudem in unkritischer Weise den Ausführungen des als sachverständigen Zeugen geladenen Geschäftsführers der Bayerischen Landesärztekammer gefolgt, die nicht weniger zentralen Grundgedanken des ärztlichen Weiterbildungsrechts widersprechen.


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2. Sachverhalt des Urteils

Als Klägerin in dem zugrundeliegenden Verfahren vor dem OLG Nürnberg trat eine private Krankenversicherung auf. Sie forderte von dem beklagten Arzt aus übergegangenem Recht Arzthonorar zurück, das bei ihr Versicherte an diesen gezahlt hatten. Der Beklagte, der neben der Facharztbezeichnung Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie auch noch weitere Facharztbezeichnungen führte, hatte den Versicherungsnehmern der Klägerin das streitgegenständliche Arzthonorar für MRT-Leistungen (GOÄ-Nrn. 5705, 5731 und 5732) berechnet, das die Klägerin ihren Versicherungsnehmern vollumfänglich erstattete.

Im Wesentlichen begründete die Klägerin ihr Begehren damit, die Zahlungen seien ohne Rechtsgrund geleistet worden – die zugrundeliegenden Behandlungsverträge seien wegen Verstoßes gegen Art. 34 Bayerisches Heilberufe-Kammergesetz (BayHKaG) in der Fassung vom 12.07.2018 (GVBl. S. 545) nichtig. Da nach Ansicht der Klägerin die MRT-Leistungen für den beklagten Arzt fachgebietsfremd waren und er nicht die erforderliche Qualifikation besessen habe, hätten die Leistungen nicht der ärztlichen Kunst nach § 1 Abs. 2 GOÄ entsprochen.

Der Beklagte begründete seinen Antrag auf Klageabweisung damit, die durchgeführten MRT-Untersuchungen seien für einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie nicht oder jedenfalls nicht mehr fachgebietsfremd. Dabei stützte er sich auf Aussagen der Bayerischen Landesärztekammer, wonach Orthopäden MRT-Untersuchungen innerhalb der Grenzen ihres Gebietes durchführen könnten.

In den maßgeblichen Vorschriften der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24.04.2004, in Kraft getreten am 01.08.2004[5] (nachfolgend abgekürzt: WBO BLÄK 2004) findet sich für das Gebiet der Chirurgie (Abschnitt B – Gebiete, Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen, Nr. 7) folgende Definition:

„Das Gebiet der Chirurgie umfasst die Vorbeugung, Erkennung, konservative und operative Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen sowie angeborenen und erworbenen Formveränderungen und Fehlbildungen der Gefäße, der inneren Organe einschließlich des Herzens, der Stütz- und Bewegungsorgane und der onkologischen Chirurgie, der Wiederherstellungs- und Transplantationschirurgie.“

In den Weiterbildungsinhalten zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie (Abschnitt B – Gebiete, Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen, Nr. 7.5), der Teil des Gebietes der Chirurgie ist, ist die selbstständige Durchführung von MRT-Untersuchungen nicht enthalten.

Die zulässige Berufung der Klägerin blieb in der Sache ohne Erfolg. Das OLG Nürnberg entschied, die streitgegenständlichen Leistungen der MRT seien für den Beklagten nicht fachfremd gewesen. Demzufolge habe er diese Leistungen persönlich erbracht und auf Grundlage der mit den Patienten geschlossenen Behandlungsverträge zu Recht abgerechnet.

Weitere Ausführungen des Senats werden in der folgenden Auseinandersetzung in Bezug genommen, soweit es für die Darstellung erforderlich ist. Den Kern der nachfolgenden Darstellung bildet die Frage nach der berufsrechtlichen Zulässigkeit der ärztlichen Tätigkeit des Beklagten mit Blick auf die einschlägigen Vorschriften der WBO BLÄK 2004 und deren Auslegung. An diese berufsrechtliche Qualifikation knüpft auch die Regelung in § 4 Abs. 2 GOÄ an, nach dem privatärztlich erbrachte Leistungen nur dann abgerechnet werden dürfen, wenn sie nach „fachlicher Weisung“ erbracht worden sind.

Auch wenn sich das Urteil des OLG Nürnberg und die nachfolgenden Ausführungen explizit mit der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24.04.2004 (WBO BLÄK 2004) beschäftigt, sind diese überwiegend auf die weiterbildungsrechtliche Situation in Bereichen anderer Landesärztekammern übertragbar, da die Bestimmungen – abgeleitet von der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer von 2003 (MWBO 2003) – in deren Weiterbildungsordnungen in der Regel identisch sind.


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3. Fehlerhafte Entscheidungsfindung des OLG Nürnberg

a. MRT-Leistungen für Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie gebietskonform

Die zentrale Aussage des oberlandesgerichtlichen Urteils besteht darin, dass die Leistungen der Durchführung der MRT für einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie nicht fachgebietsfremd sind.

Der Senat stellt zunächst dar, dass früher zwar Streit darüber bestanden habe, ob die Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit allein durch die Gebietsdefinition bestimmt würden oder ob konkretisierend auch auf die Inhalte der Weiterbildung abzustellen sei. Dies hätte zur Folge, dass nur diejenigen ärztlichen Tätigkeiten, die jeweils als Inhalt der Weiterbildung beschrieben sind, innerhalb des betreffenden Gebietes ausgeführt werden dürften, jede andere Tätigkeit aber als gebietsfremd anzusehen sein müsste. Das OLG führt aus, dass zwar überwiegend die Auffassung vertreten worden sei, dass auch die Weiterbildungsinhalte für die Bestimmung des Gebietsinhaltes heranzuziehen[6] seien, anderer Auffassung sei jedoch unter anderem die Bayerische Landesärztekammer gewesen. Der Senat kommt dann, vor dem Hintergrund der maßgeblichen Vorschriften der WBO BLÄK 2004, zu dem Ergebnis, die streitgegenständlichen MRT-Leistungen gehörten nicht zum Inhalt des Gebietes der Chirurgie; diesem Gebiet ist auch die Facharztbezeichnung Orthopädie und Unfallchirurgie unter der WBO BLÄK 2004 zugeordnet. Der Senat führt hierzu aus:

„Streitgegenständlich ist aber nicht die Indikationsstellung zur Befunderhebung oder die Interpretation der erhobenen Befunde, sondern die Befunderhebung selbst. Diese wäre nach der geltenden Weiterbildungsordnung dem Facharzt für Radiologie vorbehalten […].“

Entscheidend sei jedoch, dass die in der Weiterbildungsordnung definierten Weiterbildungsinhalte zur Festlegung der Gebietsgrenzen, vor dem Hintergrund der Regelung in § 2 Abs. 2 S. 2 WBO BLÄK 2004, nicht mehr herangezogen werden könnten. Dort ist Folgendes festgelegt:

„Die Gebietsdefinition bestimmt die Grenzen der Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit.“

Die ausschließliche Bestimmung der Fachgebietsgrenzen anhand der Inhalte der Gebietsbeschreibung ist jedoch rechtsfehlerhaft, auch wenn der Wortlaut der Regelung in § 2 Abs. 2 S. 2 WBO BLÄK 2004, der mit der Muster-Weiterbildungsordnung 2003 identisch ist, dies nahezulegen scheint. Denn hinsichtlich der Entscheidung der Frage, ob die Weiterbildungsinhalte nach der Weiterbildungsordnung und die dazugehörigen Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung bei der Bestimmung der Gebietsgrenzen Berücksichtigung finden müssen oder nicht, gibt die eben zitierte Vorschrift bei näherer Betrachtung keinerlei Auskunft. Der Senat legt § 2 Abs. 2 S. 2 WBO BLÄK 2004 wörtlich aus, ohne jedoch wesentliche regelungssystematische Zusammenhänge oder die Zwecksetzung der Vorschrift in seine Auslegung einfließen zu lassen.

Zunächst ist der wesentliche Umstand zu beachten, dass das Weiterbildungsrecht mit der Muster-Weiterbildungsordnung 2003 (MWBO 2003), eine grundsätzliche Neuordnung erfahren hat. Seitdem können innerhalb eines Gebietes auch mehrere Facharztbezeichnungen erworben werden. Der Inhalt des § 2 Abs. 2 S. 2 WBO BLÄK 2004 beschränkt sich damit letztlich darauf, dass ein Arzt, der eine bestimmte Facharztbezeichnung führt, (lediglich) dazu angehalten ist, die Grenzen seines Gebietes zu wahren. Er ist aber nicht berufsrechtlich daran gehindert, auch außerhalb der seiner Facharztbezeichnung zugehörigen Weiterbildungsinhalte tätig zu werden, solange er hierbei die Gebietsgrenzen einhält.[7]

In diese Betrachtungsweise fügt sich auch § 2 Abs. 2 S. 3 WBO BLÄK 2004. Wenn es dort heißt, dass

[d]ie in der Facharztkompetenz vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte […] nicht die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit im Gebiet [beschränken],

deckt sich dies widerspruchsfrei mit dem zuvor dargestellten, richtigen Auslegungsansatz. Die Sätze 2 und 3 des § 2 Abs. 2 WBO BLÄK 2004 bestimmen demnach ausschließlich, dass die Weiterbildungsinhalte der Facharztbezeichnungen innerhalb eines Gebietes die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit nicht beschränken. Es handelt sich bei den zu einer Facharztbezeichnung gehörenden Weiterbildungsinhalten, wie das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW in einem Urteil aus dem Jahr 2011 ebenfalls am Beispiel des Gebietes der Chirurgie richtig dargestellt hat, lediglich um

„Teilmengen innerhalb des Gebietes der ‚Chirurgie‘ […] so dass das Gebiet der ‚Chirurgie‘ diese vollumfänglich enthält.“ [8]

Dagegen hat Ziehung der Grenzen fachärztlicher Tätigkeit im Verhältnis zu anderen Gebieten, zu Schwerpunkt-Weiterbildungen und zu den Zusatz-Weiterbildungen nicht lediglich anhand der Gebietsdefinition, sondern mit der zutreffenden h. M. auch anhand der fachbezogenen Weiterbildungsinhalte, wie sie in der Weiterbildungsordnung vorgegeben und in den Weiterbildungsrichtlinien wiederum konkretisiert werden, zu erfolgen. [9]

Die Gebietskonformität entscheidet sich damit für den einzelnen Arzt konkret daran, ob die jeweilige Methode Gegenstand seiner fachärztlichen Weiterbildung gewesen ist, er demnach also die diesbezügliche sog. Ausführungskompetenz erworben hat. Dies unterstützt auch der Begriff der „Kompetenz“, wie er in § 2a Abs. 1 der WBO BLÄK 2004 folgendermaßen definiert wird (sämtliche Hervorhebungen im Dokument durch die Verfasser):

„Kompetenz stellt die Teilmenge der Inhalte eines Gebietes dar, die Gegenstand der Weiterbildung zum Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten einer Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatz-Weiterbildung sind und durch Prüfung nachgewiesen werden.“

Auch wenn der Zusammenhang zwischen fachlicher Qualifikation und Gebietskonformität in der MWBO 2003 keine ausdrückliche Regelung erfahren hat, wie dieser hingegen in dem § 5 MWBO 1992 noch deutlich zum Ausdruck kam, kann selbst vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 2 S. 2 der WBO BLÄK 2004 bzw. des inhaltsgleichen § 2 Abs. 2 S. 3 MWBO 2003 nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Zusammenhang keinen Bestand mehr haben sollte. In dem maßgeblichen Kommentar zum ärztlichen Berufsrecht von Narr wird hierzu ausgeführt, dass

„der Normgeber der MWBO eine ‚Integration’ von Fachgebiet und Weiterbildungsinhalt sowie von Facharztkompetenz und Weiterbildungsinhalt beabsichtigt hat; daraus ergeben sich praktische Konsequenzen im Sinne einer fachbezogenen Ausführungskompetenz […].“ [10]

Im Ergebnis verkennt das OLG Nürnberg mithin den eigentlichen Regelungsinhalt des § 2 Abs. 2 S. 2 WBO BLÄK 2004. Die Vorschrift eignet sich keineswegs als Begründung für die unzutreffende Auffassung, dass allein die Gebietsdefinition für die Ermittlung der von einem Facharzt in gebietskonformer Weise leistbaren ärztlichen Tätigkeiten maßgeblich ist, nicht aber die konkretisierenden Weiterbildungsinhalte dabei Beachtung finden müssen.


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b. Gebietskonformität der Durchführung von MRT-Leistungen nach der WBO BLÄK 2004 aufgrund Merkmals der „Erkennung“ in der Gebietsdefinition für Chirurgie

Wenn der Senat also – wie zuvor kurz angeführt – in dieser Hinsicht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass in den Weiterbildungsinhalten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie unter der WBO BLÄK 2004 die Durchführung von MRT-Untersuchungen nicht aufgeführt ist, stellt sich die Frage, woraus er die Gebietskonformität solcher Leistungen dennoch abgeleitet haben will.

Der Senat führt hierzu fälschlicherweise aus, dem Begriff der „Erkennung“ in der Gebietsdefinition entnehmen zu können, dass in den Inhalt des Gebietes alle Methoden eingeschlossen seien, die zu einer Diagnostizierung der gebietsbezogenen Erkrankungen zum Einsatz kommen können – somit auch die MRT. Insoweit sei in der Gebietsdefinition keine Beschränkung auf die für Fachärzte dieses Gebietes zulässigerweise zu praktizierenden Methoden und Verfahren angelegt.

Auch dieses Verständnis des Senats fußt auf einer Missdeutung wesentlicher Regelungszusammenhänge der Weiterbildungsordnung. Der Begriff der „Erkennung“ oder des „Erkennens“ von Krankheiten ist zunächst einmal grundsätzlich zu unbestimmt, um überhaupt Schlüsse auf konkrete medizinisch-technische Verfahren und Methoden zu erlauben. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der schlichte Begriff der „Erkennung“in fast allen Gebietsdefinitionen der WBO BLÄK 2004 Verwendung findet. Eine Verknüpfung dieses Begriffs mit den im Gebiet zulässigen Methoden jedoch gibt es allein in der Definition des Gebietes der Radiologie (Abschnitt B – Gebiete, Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen, Nr. 29), in der die „Erkennung von Krankheiten mit Hilfe ionisierender Strahlung, kernphysikalischer und sonografischer Verfahren“ zum Gebietsinhalt gehört. Es ist ersichtlich, dass der Satzungsgeber der WBO, wenn er die Durchführung radiologischer Verfahren – zu denen auch die MRT im weitesten Sinne gehört – in den Grenzen des jeweiligen Gebietes für alle Fachärzte als gebietskonform erachtet hätte, die Regelung in der Definition des Gebiets Radiologie so nicht hätte treffen müssen.

Hübner fasst diesen Befund am Beispiel des Gebietes der Inneren Medizin zutreffend wie folgt zusammen:

„Auch aus der Beschreibung des Inhalts der Weiterbildung ergeben sich Beschränkungen, welche aus der allgemeinen Definition des Fachgebiets nach Abschnitt B nicht erkennbar sind. Während z. B. die Definition der Inneren Medizin u. a. uneingeschränkt die ‚Erkennung‘ der kurz gesagt internistischen Krankheiten umfasst, ergibt sich aus der Zielbeschreibung z. B. für die Erkenntnismethode radiologischer Untersuchungen, dass der Internist in der ‚Deutung von Röntgenbildern des Gebiets‘ bzw. ‚in der ‚Beurteilung von Röntgenbildern der inneren Organe usw.‘ weitergebildet wird, nicht aber in der Durchführung von radiologischen Untersuchungen selbst.“[11]

In diesem Kontext kommt auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem sog. Facharzt-Beschluss aus dem Jahre 1972 erhebliche Bedeutung zu: Das BVerfG hatte entschieden, dass die mit der Gebietsdefinition verbundene Beschränkung auf das Fachgebiet dem Arzt unter besonderer Berücksichtigung des Grundrechts auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG) nur dann zuzumuten ist,

„wenn die Facharztbereiche vom fachlich-medizinischen Standpunkt aus sachgerecht abgegrenzt sind und angenommen werden kann, da[ss] der Facharzt in der auf sein Fachgebiet beschränkten Tätigkeit eine ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage findet.“ [12]

Welche Folge die durch das OLG Nürnberg vorgenommene Auslegung hat, liegt auf der Hand:

Wenn MRT-Untersuchungen oder auch darüber hinaus andere radiologische Untersuchungsverfahren als gebietskonforme Tätigkeiten aller Gebiete und Facharztbezeichnungen anzusehen wären, weil diese Verfahren ja schließlich zur „Erkennung“ der vom Gebiet einbezogenen Krankheitsbilder geeignet sind, resultiert daraus zwangsläufig, dass sich das Tätigkeitsfeld, das den Fachärzten für Radiologie zur alleinigen Ausübung und damit zur Schaffung ihrer ausreichenden Lebensgrundlage verbleibt, in erheblicher Weise verkleinert. Diese Folge ist auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass nichtradiologische Fachärzte bei Zugrundelegung der Senatsauffassung auf die Durchführung von MRT-Untersuchungen in ihrem Gebiet beschränkt sind, da schließlich das Merkmal der „Erkennung“ in fast allen Gebietsdefinitionen enthalten ist. Dies gilt ersichtlich selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass das Verbot fachfremder Betätigung nach Auffassung des BVerfG als „allgemeine Richtlinie […] und nicht als eine auch einzelne Ausnahmefälle ausschließende Regel aufgefaßt [sic!] wird“[13] . Denn dies erlaubt zwar ausnahmsweise eine gebietsfremde Tätigkeit insbesondere in Notfällen, jedoch nicht eine regelhafte Leistungserbringung, wie sie auch im streitgegenständlichen Sachverhalt auf Seiten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vorlag.

Es wird zudem deutlich, dass die Weiterbildungsordnung evident einem positiven Regelungsprinzip folgt. Hat eine Methode oder ein Verfahren entweder bereits in der Gebietsdefinition oder aber in den definierten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren als konkreten Inhalten der Weiterbildung keine Erwähnung gefunden, so gehört diese folglich auch nicht zum betreffenden Gebiet.


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c. Bedeutung der Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“ nach der WBO BLÄK 2004

Das fehlerhafte Verständnis des Senats in Bezug auf den Regelungsgehalt der Gebietsdefinition und die Rolle der Weiterbildungsinhalte setzt sich auch in Hinblick auf den Charakter der Zusatz-Weiterbildungen und ihr Verhältnis zu den Inhalten eines Gebietes fort. In Bezug auf das Verhältnis zwischen den Gebietsinhalten und einer Zusatz-Weiterbildung regelt § 2 Abs. 4 S. 3 WBO BLÄK 2004 Folgendes:

„Die Gebietsgrenzen werden durch eine Zusatz-Weiterbildung nicht erweitert.“

Hieraus entnimmt der Senat, das Durchlaufen einer Zusatz-Weiterbildung könne nicht zu einer gebietskonformen Erbringung von Leistungen führen, wenn die betroffene Methode nicht bereits zum Gebietsinhalt gehöre:

„Wäre also die Anwendung der Magnetresonanztomographie durch einen Orthopäden nicht gebietskonform, bliebe sie dies auch nach erfolgreichem Durchlaufen der Zusatz-Weiterbildung.“

Das OLG Nürnberg geht demnach von der Annahme aus, die Durchführung von Leistungen der MRT sei ohnehin gebietskonform, sodass das Durchlaufen der Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“ für einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie nicht erforderlich sei. Auch dieses Ergebnis des OLG beruht auf einer Fehleinschätzung der Bedeutung der Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“.[14]

Nach der WBO BLÄK 2004 steht Fachärzten die Möglichkeit offen, die Zusatz-Weiterbildung „Magnetresonanztomographie – fachgebunden –“ (Abschnitt C – Zusatz-Weiterbildungen, Nr. 20) zu absolvieren und zusammen mit der Facharztbezeichnung nach § 3 Abs. 3 S. 1 WBO BLÄK 2004 zu führen. Die Definition dieser Zusatz-Weiterbildung lautet:

„Die Zusatz-Weiterbildung fachgebundene Magnetresonanztomographie (MRT) umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Durchführung und Befundung gebietsbezogener Bildgebungsverfahren mittels Magnetresonanztomographie.“

Legt man diese Definition sachgerecht aus, kommt man zu dem Ergebnis, dass das erfolgreiche Absolvieren einer Zusatz-Weiterbildung dazu führt, dass an sich nicht gebietskonforme Leistungen für den Arzt gebietskonform erbracht werden können.

Der Regelungsgehalt des § 2 Abs. 4 S. 3 WBO BLÄK 2004 beschränkt sich nämlich darauf, dass mit der Einführung einer Zusatz-Weiterbildung eine (generelle) Einbeziehung bestimmter Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten unter Ausdehnung der Grenzen eines Gebietes nicht verbunden ist. Hierfür spricht die bereits zitierte Definition der Zusatz-Weiterbildung, wonach mit dieser Zusatz-Weiterbildung Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten vermittelt werden sollen, die ausdrücklich gerade nicht Gegenstand der Weiterbildung zum Facharzt sind[15], also darüber hinausgehen. Absolviert jedoch ein Facharzt eine Zusatz-Weiterbildung, treten die darin vermittelten Weiterbildungsinhalte für ihn zu den gebietskonformen Tätigkeiten hinzu. Er darf diese Leistungen also gebietsbezogen erbringen, „ohne dass er gegen das Verbot gebietsfremder Tätigkeit verstößt.“[16] Dies ist eine Folge des dargestellten Zusammenhangs zwischen Gebietskonformität und Ausführungskompetenz. Zusammengefasst ausgedrückt dient die Zusatz-Weiterbildung erkennbar gerade dem Zweck, Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten zu vermitteln, die nicht Gegenstand der Facharztweiterbildung in der Orthopädie und Unfallchirurgie sind.

Die Weiterbildungsinhalte der Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“ sind aber umfassend Gegenstand der Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie, wie dies in der Einführung zur Zusatz-Weiterbildung „Magnetresonanztomographie – fachgebunden –“ auch ausdrücklich hervorgehoben wird (Abschnitt C – Zusatz-Weiterbildungen, Nr. 20).

Dagegen ist bei allen Fachärzten, außer solchen für Radiologie, die Einschränkung zu beachten, dass dem so zusatzqualifizierten Facharzt schon nach der Definition lediglich „gebietsbezogene“ MRT-Leistungen gestattet sind. Eine derart umfassende Ausführungskompetenz für alle Körperregionen, wie sie einem Facharzt für Radiologie in seiner Facharzt-Weiterbildung vermittelt wird, erwirbt ein Facharzt durch das Durchlaufen der Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“ nämlich ersichtlich nicht. Nur in der Definition des Gebietes Radiologie (Abschnitt B – Gebiete, Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen, Nr. 29) und den Inhalten der Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie (Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten sowie auch in den definierten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren) sind radiologische Verfahren in einem umfassenden Sinne und in Bezug auf sämtliche Körperregionen beschrieben und vorgesehen.

Die Tatsache, dass das Weiterbildungsrecht auch weiterhin die Kompetenz für MRT-Untersuchungen generell und primär bei den Fachärzten für Radiologie sieht, wird auch durch das Bundessozialgericht (BSG) bestätigt:

„Nach der MWBO gemäß dem Beschluss des 106. Deutschen Ärztetages 2003 zählen Magnetresonanztomographien zu den definierten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren, deren Anwendung Ziel der Weiterbildung im Gebiet Radiologie ist. Eine Zusatz-Weiterbildung beinhaltet die Spezialisierung in Weiterbildungsinhalten, die zusätzlich zu den Facharzt- und Schwerpunktweiterbildungsinhalten abzuleisten sind. Nach der MWBO sowie der Weiterbildungsordnung (WBO) der Ärztekammer B sind die Inhalte der Zusatz-Weiterbildung "MRT – fachgebunden –" integraler Bestandteil der Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie. Nach ihrer Definition umfasst die Zusatz-Weiterbildung "MRT – fachgebunden –" in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Durchführung und Befundung gebietsbezogener Bildgebungsverfahren mittels MRT. Ziel ist die Erlangung der fachlichen Kompetenz in fachgebundener MRT. Die Weiterbildungszeit beträgt 24 Monate, davon mindestens 12 Monate bei einem Weiterbildungsbefugten für Radiologie. Letzteres verdeutlicht, dass die Kompetenz für die MRT auch berufsrechtlich in erster Linie bei den Radiologen gesehen wird. Die Einführung der Zusatz-Weiterbildung hat jedenfalls nicht dazu geführt, dass MRT-Untersuchungen nunmehr auch zum Kernbereich des jeweiligen Fachgebietes gehören. Dass fakultativ eine Zusatzqualifikation zur Durchführung von MRT-Untersuchungen erworben werden kann, ändert nichts daran, dass die Weiterbildung zum Internisten und Kardiologen diese Qualifikation nicht fordert.“[17]

Andere Fachärzte als Radiologen, die die Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“ nicht erworben haben, dürfen diese mangels Erwerbes der diesbezüglichen Ausführungskompetenz regelmäßig auch nicht erbringen – zu den Ausnahmen hiervon sogleich.


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d. Erwerb einer hinreichenden fachlichen Befähigung außerhalb der Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“

Das OLG Nürnberg ist demgegenüber der Ansicht, dass die Erlangung der fachlichen Kompetenz in der Magnetresonanztomographie auch durch eine Qualifizierung außerhalb der Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“ erworben werden könne:

„Die erforderliche Fachkunde für die Durchführung der Magnetresonanztomographie kann aber nicht ausschließlich durch die Zusatz-Weiterbildung ‚MRT-fachgebunden‘ erworben werden, die es bis zum Inkrafttreten der neuen Weiterbildungsordnung auch gar nicht gab.[…] Der Bekl. hat eingehend dargelegt, dass er durch verschiedene Lehrgänge zur Anwendung der Magnetresonanztomographie hinreichend qualifiziert sei. Somit kann der Senat nicht annehmen, dass die Liquidation der streitgegenständlichen Untersuchungen deshalb zu Unrecht erfolgt sei, weil der Bekl. diese Leistungen mangels hinreichender Fachkunde nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend erbracht habe (§ 1 Abs. 2 GOÄ).“

Gegen diese Auffassung des Senats sprechen die Bestimmungen in der WBO BLÄK 2004, die den Qualifikationserwerb auf besondere Weise regeln und damit nur in engen Grenzen eine Qualifizierung auch außerhalb einer geregelten Weiterbildung gestatten.

Von der Möglichkeit, den Erwerb der fachlichen Qualifikation für MRT-Leistungen außerhalb einer förmlichen Weiterbildung durch die Aufnahme (förmlicher) Fortbildungen (gemäß Art. 18 BayHKaG) oder zusätzlicher Fachkunden (Art. 35 BayHKaG) in die Weiterbildungsordnung zu regeln[18], hat die Bayerische Landesärztekammer als Satzungsgeber keinen Gebrauch gemacht. Es ist somit noch nicht einmal denkbar, dass die nicht näher spezifizierten „Lehrgänge“, die der beklagte Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie absolviert haben will, vor dem Hintergrund dieser Ermächtigungsgrundlagen berufsrechtliche bzw. weiterbildungsrechtliche Relevanz besitzen können.

Im Übrigen aber hätte der Senat diesbezüglich eingehend prüfen müssen, ob die seitens des Beklagten vorgebrachten „Lehrgänge“ den Anforderungen der Übergangsbestimmungen, die in der WBO BLÄK 2004 enthalten sind, genügen. Diese Vorschriften (etwa aus § 20 Abs. 1 WBO BLÄK 2004, vgl. auch § 20 Abs. 2 MWBO 2003) sollen aus Gründen des Vertrauensschutzes dem Umstand Rechnung tragen, dass nach Abschluss der Weiterbildung eines Arztes die zugrundeliegenden Vorschriften der Weiterbildungsordnung geändert werden.

Die Regelung des § 20 Abs. 8 der MWBO 2003 insbesondere, die allerdings in der WBO BLÄK 2004 keine Entsprechung hat, sieht eine auf Antrag ausgesprochene Privilegierung für den Fall vor, dass ein Facharzt eine Methode zwar nicht im Rahmen seiner Weiterbildung erlernt, diese aber über einen längeren Zeitraum ausgeübt hat. Dieser Absatz hat den Wortlaut:

„Kammerangehörige, die bei Einführung einer neuen Bezeichnung in diese Weiterbildungsordnung in dem jeweiligen Gebiet, Schwerpunkt oder der jeweiligen Zusatz-Weiterbildung innerhalb der letzten 8 Jahre vor der Einführung mindestens die gleiche Zeit regelmäßig an Weiterbildungsstätten oder vergleichbaren Einrichtungen tätig waren, welche der jeweiligen Mindestdauer der Weiterbildung entspricht, können die Zulassung zur Prüfung beantragen. Der Antragsteller hat den Nachweis einer regelmäßigen Tätigkeit für die in Satz 1 angegebene Mindestdauer in dem jeweiligen Gebiet, Schwerpunkt oder Zusatz-Weiterbildung zu erbringen. Aus dem Nachweis muss hervorgehen, dass der Antragsteller in dieser Zeit überwiegend im betreffenden Gebiet, Schwerpunkt oder der entsprechenden Zusatz-Weiterbildung tätig gewesen ist und dabei umfassende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben hat .

Anträge sind innerhalb einer Frist von drei Jahren zu stellen. Dabei können auch Tätigkeitsabschnitte innerhalb dieser Frist berücksichtigt werden.“

Dass diese Vorschrift in die WBO BLÄK 2004 keinen Eingang gefunden hat, dürfte angesichts des zum Ausdruck kommenden Schutzzwecks der Norm, der auf alle Übergangsbestimmungen übertragbar ist, keine Rolle spielen. Die Vorschrift zeigt Anforderungen auf, die letztlich an den Erwerb einer Qualifikation im Wege des Übergangsrechts allgemein zu stellen sind. Es wird schon aus dem zitierten Wortlaut der Norm deutlich, wie unter anderem das OVG Niedersachsen in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 festgestellt hat, dass ein Unterschied in dem Erwerb der Befähigung nur auf die Modalitäten des Erwerbs zielen, im Rahmen einer derartigen Qualifikation jedoch nicht von dem regelhaft vorgesehenen Umfang der Weiterbildung abgewichen werden darf:

„Diese Übergangsbestimmungen erlauben keinen Abstrich von den inhaltlichen Anforderungen an die besonderen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten des Arztes. Denn jede Arztbezeichnung, auch die aufgrund der Übergangsbestimmungen des § 23 WBO 2004 erlangte, soll die Patienten schützen, indem sie bestätigt, dass der so ausgewiesene Arzt die mit der besonderen Bezeichnung verbundenen besonderen fachlichen Fähigkeiten auch besitzt. Eine Differenzierung zwischen Übergangs- und Regelbewerbern nach dem Umfang der spezialärztlichen Kenntnisse und Erfahrungen ist damit nicht zulässig. Der Unterschied besteht nicht im Umfang der Befähigung, sondern allein in der Art und Weise, in der sie erworben wurde.“[19]

Die fachliche Qualifikation eines Arztes ist, wie schon das vorstehende Zitat zeigt, ersichtlich kein Selbstzweck. Sie dient den Schutzgütern des Lebens und der Gesundheit des Patienten und damit Rechtsgütern von hoher Bedeutung sowie verfassungsrechtlichem Rang, wie etwa der Volksgesundheit. Dies spricht insbesondere dafür, dass eine negative Abweichung betreffend den inhaltlichen Umfang der Weiterbildung auch im Falle eines Ausnahmeerwerbs der Qualifikation nach allen Übergangsbestimmungen nicht zulässig sein soll.[20]

Diese Betrachtungsweise stützt schließlich auch die Vorschrift des § 10 S. 1 der WBO BLÄK 2004, die ebenfalls für eine Qualitätsgebundenheit der Leistungserbringung und damit der Relevanz einer hinreichenden fachlichen Befähigung spricht. Danach kann eine von der Weiterbildungsordnung abweichende fachliche Befähigung nur dann anerkannt werden,

„wenn und soweit sie gleichwertig ist.“

Als Maßstab für diese Gleichwertigkeit hat zu gelten, dass die Weiterbildung nach den inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen, die die Weiterbildungsordnung an den Erwerb der fachlichen Befähigung stellt (vgl. § 10 S. 2 WBO BLÄK 2004), sowie grundsätzlich ganztägig und in hauptberuflicher Stellung zu erfolgen hat (Art. 30 Abs. 4 S. 1 BayHKaG, § 4 Abs. 5 S. 1 und 2 WBO BLÄK 2004). Von dem Erfordernis der ganztägigen Weiterbildung kann lediglich zugunsten einer Teilzeit-Weiterbildung abgewichen werden, wodurch sich jedoch die Weiterbildungszeit entsprechend verlängert (§ 4 Abs. 6 S. 3 WBO BLÄK 2004).

Nach alledem liegt jedenfalls ein eindeutiger Maßstab vor, der an den Erwerb der fachlichen Befähigung anzulegen ist. Maßstab sind im Ergebnis danach die Vorgaben hinsichtlich Inhalt und Dauer des Regelerwerbs. Dass der Senat in eine solche Prüfung der vermeintlich durch „Lehrgänge“ erworbenen fachlichen Qualifikation des beklagten Arztes überhaupt eingestiegen ist, lassen die Entscheidungsgründe aber nicht einmal im Ansatz erkennen.

Das OLG Nürnberg durfte demnach nicht allein aufgrund des Vortrages des Beklagten ohne nähere inhaltliche Prüfung annehmen, dass dieser, ohne die Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“ absolviert zu haben, zur Durchführung von (gebietsbezogenen) MRT-Untersuchungen im Zeitpunkt der Durchführung der streitgegenständlichen Leistungen aufgrund des Durchlaufens nicht näher spezifizierter „Lehrgänge“ hinreichend qualifiziert gewesen war. Im Rahmen dieser „Lehrgänge“ hat der Beklagte tatsächlich keine einzige MRT-Untersuchung selbständig durchgeführt oder befundet, wie den Entscheidungsgründen des Urteils zu entnehmen ist.


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4. Zusammenfassung und Fazit

Im Ergebnis lassen sich wesentliche Aussagen des OLG Nürnberg in dem besprochenen Urteil nicht aufrechterhalten und führen zu einer fehlerhaften Entscheidung.

Der Senat hätte aus den Tatsachen, dass

  • in den Weiterbildungsinhalten der Facharztbezeichnung der Orthopädie und Unfallchirurgie die selbstständige Durchführung von MRT-Untersuchungen nicht enthalten ist und

  • der beklagte Facharzt die Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“ nicht absolviert hat,

schließen müssen, dass die streitgegenständliche Durchführung von MRT-Untersuchungen durch den Beklagten nicht gebietskonform erbracht werden konnte. Es mangelte dem beklagten Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ersichtlich an der für die Durchführung von MRT-Untersuchungen erforderlichen Ausführungskompetenz zur Durchführung von (auch lediglich gebietsbezogenen) MRT-Leistungen. Diese konnte der Beklagte auch nicht durch etwaige „Lehrgänge“ erhalten haben, da diese nicht ansatzweise an den Umfang der Weiterbildungsinhalte der Zusatz-Weiterbildung „MRT-fachgebunden“ heranreichen können.

Da eine regelhafte und nicht eine ausnahmsweise Erbringung von MRT-Leistungen durch den Beklagten streitgegenständlich war, kann eine berufsrechtlich zulässige Tätigkeit auch nicht daraus abgeleitet werden, dass eine die Gebietsgrenzen überschreitende Tätigkeit in Ausnahmefällen, wie oben dargestellt, durch das BVerfG als zulässig erachtet wird.

Die Abrechnung der MRT-Leistungen durch den beklagten Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie verstößt daher gegen Art. 34 Abs. 1 BayHKaG, wonach eine gesetzliche Verpflichtung zur Beschränkung der ärztlichen Tätigkeit auf das Fachgebiet besteht. Die systematische Überschreitung der Fachgebietsgrenzen durch den Beklagten führt dazu, dass der Behandlungsvertrag und damit auch die Liquidation der Leistungen gegenüber den Patienten rechtsunwirksam waren. Des Weiteren war die Erbringung und Abrechnung der MRT-Leistungen durch den Beklagten nach §§ § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, 4 Abs. 2 GOÄ unzulässig. Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch nach den §§ 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, 4 Abs. 2 GOÄ ist, dass die betreffende radiologische Leistung auf der Grundlage der aktuellen Weiterbildungsordnung als fachgebietskonform angesehen werden kann.[21] Ohne den Nachweis der Zusatz-Weiterbildung „Magnetresonanztomographie – fachgebunden“ kann ein Facharzt für Orthopädie (und Unfallchirurgie) diese Leistungen nach § 4 Abs. 2 GOÄ nicht abrechnen.[22] Der Klägerin standen daher gegen den Beklagten bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche wegen der im Streit befindlichen MRT-Leistungen aus übergegangenem Recht zu.

Der Senat hat die Revision in seinem Urteil zugelassen. Ob die klagende private Krankenversicherung in der nächsten Rechtsmittelinstanz Recht zugesprochen bekommen und das Urteil des OLG Nürnberg aufgehoben werden wird, bleibt abzuwarten. Ein Erfolg der Revision wäre aus Sicht der Radiologen zu begrüßen, die sich durch dieses Urteil mehr und mehr im Kernbereich ihres Fachgebietes und damit in ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage bedroht sehen müssen. Die Auffassung des OLG Nürnberg führt zudem dazu, dass damit die vom BVerfG geforderte sachliche Abgrenzung der „Facharztbereiche vom fachlich-medizinischen Standpunkt aus“ [23] durch die Weiterbildungsordnungen der Bundes- und der Landesärztekammern nicht mehr gegeben ist.

Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Philip Steuwer
Rechtsanwalt

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1 Im Folgenden findet aus Gründen der Übersichtlichkeit lediglich die männliche Form Verwendung.


2 RöFo 2020, 100 ff.; 199 ff.


3 LG Regensburg, Urteil vom 06.02.2018, Az.: 4 O 2233/16 (2) (Urteil in der Vorinstanz).


4 OLG Nürnberg, Urteil vom 09.01.2020, Az.: 5 U 634/18 (derzeit noch nicht in juris oder Beck-Online veröffentlicht).


5 Volltext in: Bayerisches Ärzteblatt SPEZIAL 1/2004.


6 So etwa OLG Celle, Urteil vom 22.10.2007, Az.: 1 U 77/07, MedR 2008, 378 ff.; LG Mannheim, Urteil vom 17.11.2006, Az.: 1 S 227/05, MedR 2008, 93 ff.


7 Zu alledem Scholz in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, MWBO § 2 Rn. 5; a. A. Hübner in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, 18. Ergänzungslieferung, Stand: September 2007, Rn. W 72.


8 Vgl. zu den entsprechenden Regelungen der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 09.04.2005: OVG NRW, Urteil vom 11.03.2011, Az.: 13 A 1745/10, MedR 2011, 740, 741.


9 OLG Celle, a. a. O. (Fn. 6); LG Mannheim, a. a. O., (Fn. 6); vgl. Hübner, a. a. O. (Fn. 7), Rn. W 71 f.


10 Hübner, a. a. O. (Fn. 7), Rn. W 67; näher erläuternd auch Rn. W 72.


11 Hübner, a. a. O. (Fn. 7), Rn. W 72; vgl. auch Kiesecker, MedR 2008, 95, 96.


12 BVerfG, „Facharzt-Beschluss“, Beschluss vom 09.05.1972, Az.: 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64, BVerfGE 33, 125 ff.; vgl. auch LG Mannheim, a. a. O. (Fn. 6).


13 BVerfG, „Facharzt-Beschluss“, a. a. O.; ebenso BVerfG, Dreierausschussbeschluss vom 09.01.1984, Az.: 1 BvR 1219/83, MedR 1984, 190 ff.


14 Vgl. auch Möller, jurisPR-MedizinR 9/2020, Anm. 1.


15 So auch BSG, Urteil vom 02.04.2014, Az.: B 6 KA 24/13 R, SozR 4–2500 § 135 Nr 21 = MedR 2015, 55 ff.


16 Kiesecker, a. a. O. (Fn. 11).


17 BSG, a. a. O. (Fn. 15).


18 Vgl. hierzu auch Hübner, a. a. O. (Fn. 7), Rn. W 74.


19 OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27.07.2004, Az.: 8 LA 55/04, MedR 2005, 299 ff.; vgl. ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.03.2004, Az.: 9 S 656/03, MedR 2005, 50 ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 30.09.2002, Az.: 21 B 99.3605, juris; VG Münster, Urteil vom 12.12.2008, Az.: 10 K 747/08, juris; VG Köln, Urteil vom 18.02.2010, Az.: 6 K 62/08, juris.


20 Ebenso etwa OVG Niedersachsen, a. a. O. (Fn. 17); VGH Baden-Württemberg, a. a. O. (Fn. 17).


21 Vgl. Klakow-Franck (Hrsg), Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), 2019, § 4 Rn. 9; Uleer, Miebach, Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 2000, § 4 GOÄ, S. 36, 39; Vorstand der Bundesärztekammer, DÄBl. 1996, A-2720; Hellweg in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 2019, § 4 GOÄ Rn. 12.


22 Cramer/Henkel, MedR 2004, S. 593, 596 m. w. N.; LG Mannheim, a. a. O. (Fn. 6); zustimmend Kiesecker, a. a. O. (Fn. 11); OLG Celle, a. a. O. (Fn. 6), Scholz, a. a. O. (Fn. 7), MWBO Vorbem. Rn. 17; Möller, a. a. O. (Fn. 14); a. A. LG Berlin MedR 2020, 848, 850.


23 Vgl. BVerfG, a. a. O. (Fn. 12).



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Article published online:
19 November 2020

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