Dtsch Med Wochenschr 2021; 146(06): 419-424
DOI: 10.1055/a-1294-1331
Schritt für Schritt

Oro- und nasopharyngealer Abstrich – Schritt für Schritt

Oro- and nasopharyngeal swab for detection of SARS-CoV-2 – step-by-step approach
Anselm Kunstein
,
Linda Drößler
,
Amir M. Nia
,
Tom Lüdde
,
Björn-Erik Ole Jensen
 

Der Nasen-Rachen-Abstrich zur Untersuchung auf SARS-CoV-2 hat sich im Rahmen der COVID-19-Pandemie als diagnostisches Medium etabliert. Die richtige Durchführung des oro- und des nasopharnygealen Abstrichs sowie adäquate Schutzmaßnahmen für das durchführende medizinische Personal sind elementar und sollten möglichst ressourcenschonend erfolgen. Die nötigen Schritte zeigt der folgende Beitrag sowie ein Video.


#

Abstract

Oro- and nasopharyngeal swab specimens by quantitative reverse-transcriptase polymerase chain reaction (RT-PCR) to detect SARS-CoV-2 is currently the main diagnostic tool during the ongoing COVID-19 pandemia. Accurate performance of the procedure to avoid false negative results, adequate personal protective equipment and material sparing algorithms are mandatory while obtaining swab specimens. In the current stey-by-step review a feasible approach will be presented.


#

Indikation

Goldstandard zur Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion ist der Nachweis von Virus-RNA im tiefen Nasen-Rachen-Abstrich [1] [2]. Untersuchungsmethode ist die Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR). Alternative Methoden der Materialgewinnung, z. B. Sputum oder bronchoalveoläre Lavage, sind mit höherem Aufwand verbunden, haben aber auch eine höhere Sensitivität, insbesondere in der späten Phase von COVID-19 mit Lungenbeteiligung (z. B. [3]). Einfacher zu gewinnende Materialien (z. B. Speichelproben) sind ebenfalls geeignet, um zumindest hochreplikative Infektionen mit SARS-CoV-2 nachzuweisen [4]. Der tiefe Nasen-Rachen-Abstrich ist in der aktuellen Pandemie jedoch am besten untersucht und bei richtiger Technik einfach und komplikationslos durchzuführen. Hierbei bietet die Kombination aus oro- und nasopharyngealem Abstrich die höchste Sensitivität. Aus anatomischen Gründen kann das Einführen des Tupfers über die Nase unmöglich sein. Andererseits führt der oropharnygeale Abstrich in der Regel zu einem starken Würgereiz und zu Husten. Durch die vermehrte Aerosolbildung kann dann ein erhöhtes Erreger-Expositionsrisiko für den Untersucher resultieren. Kann der Tupfer in beiden Nasenlöchern nicht tief genug eingeführt werden, wird das Verwenden des gleichen Tupfers für einen anschließenden oropharyngealen Abstrich vom Patienten als hygienisch unangenehm empfunden. Die Verwendung eines neuen Tupfers verbietet sich aus Gründen einer effizienten Ressourcennutzung. Daher sollte unter strenger Einhaltung der Hygienemaßnahmen (Eigenschutz!) zuerst ein oropharyngealer und im Anschluss ein nasopharnygealer Abstrich mit dem gleichen Tupfer durchgeführt werden.

Merke

Indikationen zur Durchführung eines Nasen-Rachen-Abstrichs sind u. a.:

  • Symptome, die mit einer SARS-CoV-2-Infektion vereinbar sind,

  • ungeschützter, enger Kontakt zu SARS-CoV-2 positiv getesteten Personen,

  • Ausschlussdiagnostik unmittelbar vor aerosolbildenden Maßnahmen bzw. Risikoeingriffen,

  • Screening-Untersuchungen bei Personal im Gesundheitssektor sowie

  • Verlaufskontrolle bei Patienten mit bekannter SARS-CoV-2-Infektion vor Entisolierung.

Cave

Bei negativem Nasen-Rachen-Abstrich und fortbestehendem klinischem Verdacht auf eine COVID-19-Pneumonie sollte darüber hinaus eine Probe aus den tiefen Atemwegen in Form von Sputum gewonnen werden.

Aktuelle Empfehlungen für die Indikation zum SARS-CoV-2-Abstrich werden vom Robert-Koch-Institut regelmäßig herausgegeben [5].

Absolute Kontraindikationen für einen Nasen-Rachen-Abstrich bestehen nicht. Eine massiv eingeschränkte Blutgerinnung kann aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos eine relative Kontraindikation sein und muss im Einzelfall abgewogen werden. In der Praxis sind schwere Blutungskomplikationen äußerst selten.


#

Vorbereitung und Material

Abstrichuntersuchungen sollten in einem separaten, gut belüfteten Raum erfolgen. Das ausführende Personal muss zur Durchführung der Diagnostik eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) tragen und im korrekten An- und Ablegen geschult sein ([Abb. 1]).

Zoom Image
Abb. 1 Persönliche Schutzausrüstung (PSA). 1 Haube, 2 Schutzvisier, 3 FFP-2- oder FFP-3-Maske, 4 wasserabweisender Schutzkittel, 5 bis über den Kittelbund reichende Einmalhandschuhe.
Cave

Achten Sie unbedingt auf ein spaltfreies, rundherum dichtes Anliegen der Maske, da die Schutzwirkung hiervon maßgeblich beeinflusst wird.

Die lokalen Hygienevorschriften können ggf. abweichen. Bitte informieren Sie sich vor Durchführung eines Abstrichs über die Vorgaben der eigenen Institution.

Sie benötigen einen Abstrichtupfer mit passendem Transportmedium zum Virusnachweis. Im Notfall und bei kurzer Transportdauer können auch trockene Abstrichtupfer mit etwas NaCl-Lösung befeuchtet werden ([Abb. 2]). Ungeeignet sind Abstrichtupfer mit Agarmedium. Im Zweifel gilt: das Labor, welches die Proben untersucht, kann verbindliche Angaben zu geeigneten Tupfern geben. Manche Tupfer sind mit einer markierten Sollbruchstelle versehen. Diese erleichtert das Verpacken des Tupfers in das Transportröhrchen. Bei Tupfern ohne Sollbruchstelle benötigen Sie zusätzlich eine Schere. Je nach Einsehbarkeit des Oropharynx kann außerdem ein Holzspatel hilfreich sein.

Zoom Image
Abb. 2 Auswahl verwendbarer Tupfer mit Transportmedium. Im Notfall können auch trockene Abstrichtupfer verwendet werden und mit etwas Kochsalzlösung befeuchtet werden.

Hintergrundwissen

Definition
  • FFP steht für „filtering face piece“ („filtrierende Halbmaske“), die angefügte Zahl beschreibt nach der europäischen Norm EN 149 die Schutzwirkung vor Partikeln.

  • Eine FFP-2-Maske muss mindestens 94 % der Partikel abhalten, eine FFP-3-Maske mindestens 99 %. Außerdem darf eine FFP-2-Maske maximal 11 % Gesamtleckage aufweisen, eine FFP-3-Maske maximal 5 %.

  • Die US-amerikanische Norm N95 bzw. die chinesische Norm KN95 entsprechen bezüglich der Schutzwirkung etwa einer FFP-2-Maske. Daher sind N95- bzw. KN95-Masken ebenfalls geeignet.


#
#

Benötigtes Material

Folgende Materialien sollten vor dem Eingriff bereitgelegt werden:

  • persönliche Schutzausrüstung (Haube, Schutzvisier, dicht sitzende FFP-2-Maske, wasserabweisender Schutzkittel und Handschuhe),

  • Abstrichtupfer (mit geeignetem Transportmedium oder befeuchtet mit NaCl-Lösung),

  • Laboretiketten zur Probenidentifikation,

  • ggf. Holzspatel zur Verbesserung der Einsicht in den Oropharynx,

  • ggf. Schere zum Kürzen des Tupfers,

  • flüssigkeitsdichte Sekundärverpackung und

  • ggf. Transportverpackung.


#

Untersuchungsablauf

Sobald das Personal die entsprechende Schutzkleidung trägt, kann der Patient seinen Mund-Nasen-Schutz ablegen. Vor Durchführung des Nasen-Rachen-Abstrichs sollte der Patient sich die Nase putzen. Informieren Sie den Patienten vor Beginn des Abstrichs über den Ablauf der Untersuchung und den häufig auftretenden Würgereiz. Für die Untersuchung sollte der Patient sitzen oder liegen und den Kopf leicht reklinieren ([Abb. 3]).

Zoom Image
Abb. 3 Untersuchungsposition im Sitzen mit leicht rekliniertem Kopf.

Begonnen wird mit dem oropharyngealen Abstrich, bei dem die hintere Rachenwand mit dem Tupfer abgestrichen wird. Die Spitze des Tupfers wird vorsichtig unter Sicht links oder rechts der Uvula bis an die hintere Rachenwand herangeführt. Bei schlechter Einsicht sollte die Zunge mit einem Holzspatel heruntergedrückt werden. Mit einer drehenden Bewegung wird mindestens 1-mal über die Schleimhaut gestrichen ([Abb. 4]).

Zoom Image
Abb. 4 Zuerst wird die hintere Rachenwand möglichst zügig in einer drehenden Bewegung abgestrichen. Ein Holzspatel kann bei schlechter Einsicht hilfreich sein.
Merke

Das Abstreichen der hinteren Rachenwand löst fast immer einen starken Würgereiz aus, sodass der oropharyngeale Abstrich zügig erfolgen sollte.

Im Anschluss wird mit dem gleichen Tupfer der Abstrich des Nasopharynx durchgeführt. Vorteil dieser Reihenfolge ist ein leichteres Einführen des bereits durch den oropharyngealen Abstrich angefeuchteten Tupfer.

Hierfür wird der Tupfer unter drehenden Bewegungen ungefähr parallel zum Gaumen tief in das Nasenloch eingeführt. Der Tupfer muss an der Rachenhinterwand anstoßen, sodass dort durch Rotation des Tupfers ausreichend Probenmaterial gewonnen wird. Die optimale Tiefe entspricht in etwa dem Abstand zwischen Nasenloch und Ohr. Bei vielen Abstrichtupfern kann die in der Mitte des Tupfers angebrachte Markierung im Bereich der Sollbruchstelle als Anhaltspunkt für die korrekte Tiefe herangezogen werden ([Abb. 5]).

Zoom Image
Abb. 5 Abstrichtupfer mit rot markierter Sollbruchstelle. Der Tupfer sollte – und kann in vielen Fällen auch – bis zu dieser Markierung eingeführt werden.

Kann der Tupfer nicht tief genug eingeführt werden, sollte er vorsichtig zurückgezogen und am gegenseitigen Nasenloch erneut eingeführt werden. In keinem Fall sollte der Tupfer gegen Widerstand oder mit viel Kraft vorgeschoben werden ([Abb. 6]). Allerdings wird der diagnostische Wert der Untersuchung bei zu geringer Einführtiefe erheblich beeinträchtigt.

Zoom Image
Abb. 6 Der Tupfer wird in etwa horizontal zum Gaumen in die Nase eingeführt. Die rote Markierung in der Mitte des Tupfers verschwindet dabei i. d. R. im Nasenloch. Die Tiefe des Abstrichs ist ein entscheidendes Merkmal für den diagnostischen Wert der Untersuchung.

Ist der Abstrichtupfer tief genug positioniert, wird er unter drehenden Bewegungen langsam wieder herausgezogen. Im Anschluss wird er in das vorgesehene Probengefäß eingeführt und der Stab an der Sollbruchstelle abgebrochen oder mit einer Schere abgeschnitten ([Abb. 7]). Das Röhrchen muss gut verschlossen werden und mit den korrekten Patientendaten beschriftet sein.

Zoom Image
Abb. 7 Der Tupfer wird sofort nach dem Abstrich in ein Tupferröhrchen (mit passendem Transportmedium) gesteckt a, an der Sollbruchstelle abgebrochen oder mit einer Schere durchgeschnitten und fest verschlossen b.

Bei produktivem Husten sollte ergänzend Sputum zur Diagnostik gewonnen werden. Hierzu muss der Patient zunächst den Mund mit klarem Wasser ausspülen und im Anschluss mehrfach tief Ein- und Ausatmen. Durch kräftiges Husten soll der Patient Sputum aus den unteren Atemwegen produzieren und in ein vorgesehenes Röhrchen spucken. Die Untersuchung von Sputum hat eine deutlich höhere Sensitivität als Speichel, sodass auf eine korrekte Durchführung geachtet werden sollte. In der Praxis haben Patienten mit COVID-19 häufig trockenen Husten, sodass die Gewinnung von Sputum nicht gelingt. Auch bei dieser zusätzlichen Probe muss vor Versand immer auf die korrekte Beschriftung des Röhrchens geachtet werden. Das Probengefäß wird anschließend mit einem Oberflächendesinfektionstuch abgewischt und in eine Laborhülle gegeben. Schließlich legt der Patient seinen Mund-Nasen-Schutz wieder an und der Untersucher kann die PSA ablegen.


#

Verpackung und Transport

Die gewonnenen Proben müssen im Falle des Versands an ein externes Labor als „biologischer Stoff der Kategorie B“ gekennzeichnet werden und nach Maßgabe der Verpackungsanweisung P650 der Bundesärztekammer verpackt werden [6].

Die Verpackung der Probe besteht aus dem Probengefäß (Tupferröhrchen) sowie einer flüssigkeitsdichten Sekundärverpackung ([Abb. 8]). Bei Versand wird zudem eine weitere Außenverpackung benötigt. Die Proben müssen das Labor schnellstmöglich erreichen. Ist eine zeitnahe Untersuchung der Probe nicht gewährleistet, kann diese bei 4 Grad gelagert und anschließend gekühlt versendet werden.

Zoom Image
Abb. 8 Das mit den korrekten Patientendaten gekennzeichnete Tupferröhrchen wird nach dem Abstrich in eine flüssigkeitsdichte Sekundärverpackung gegeben (ggf. mit Anforderungsschein). Bei Versand muss darüber hinaus eine geeignete Außenverpackung verwendet werden.

Video Vorgehen beim oro- und nasopharyngealen Abstrich sowie bei der Gewinnung einer Sputumprobe. Das Video wurde von webtvcampus, einem Anbieter von Video-Online-Schulungen und Unterweisungen für Gesundheitseinrichtungen, in Kooperation mit den Autoren und dem Universitätsklinikum Düsseldorf produziert (www.webtvcampus.de).


Quality:

#
#

Anselm Kunstein

Dr. med. Anselm Kunstein ist Facharzt für Innere Medizin und seit 2014 an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf tätig. Er strebt die Zusatzweiterbildung Infektiologie sowie den Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie an.

Linda Drößler

Dr. med. Linda Drößler ist in der Weiterbildung zur Fachärztin für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Infektiologie und seit 2019 an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf tätig.

Amir M. Nia

Dr. med. Amir M. Nia ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Internistische Intensivmedizin und arbeitet seit 2015 in der Kardiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf. Zuvor war er an den Unikliniken Köln und Homburg (Saar) tätig.

Tom Lüdde

Prof. Dr. med. Tom Lüdde ist Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf.

Björn-Erik Ole Jensen

Dr. med. Björn-Erik Ole Jensen ist Facharzt für Innere Medizin, Infektiologe und seit 2011 Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf.

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Björn-Erik Ole Jensen
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie
Uniklinik Düsseldorf
Moorenstraße 5
40223 Düsseldorf
Deutschland   

Publication History

Article published online:
19 January 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Abb. 1 Persönliche Schutzausrüstung (PSA). 1 Haube, 2 Schutzvisier, 3 FFP-2- oder FFP-3-Maske, 4 wasserabweisender Schutzkittel, 5 bis über den Kittelbund reichende Einmalhandschuhe.
Zoom Image
Abb. 2 Auswahl verwendbarer Tupfer mit Transportmedium. Im Notfall können auch trockene Abstrichtupfer verwendet werden und mit etwas Kochsalzlösung befeuchtet werden.
Zoom Image
Abb. 3 Untersuchungsposition im Sitzen mit leicht rekliniertem Kopf.
Zoom Image
Abb. 4 Zuerst wird die hintere Rachenwand möglichst zügig in einer drehenden Bewegung abgestrichen. Ein Holzspatel kann bei schlechter Einsicht hilfreich sein.
Zoom Image
Abb. 5 Abstrichtupfer mit rot markierter Sollbruchstelle. Der Tupfer sollte – und kann in vielen Fällen auch – bis zu dieser Markierung eingeführt werden.
Zoom Image
Abb. 6 Der Tupfer wird in etwa horizontal zum Gaumen in die Nase eingeführt. Die rote Markierung in der Mitte des Tupfers verschwindet dabei i. d. R. im Nasenloch. Die Tiefe des Abstrichs ist ein entscheidendes Merkmal für den diagnostischen Wert der Untersuchung.
Zoom Image
Abb. 7 Der Tupfer wird sofort nach dem Abstrich in ein Tupferröhrchen (mit passendem Transportmedium) gesteckt a, an der Sollbruchstelle abgebrochen oder mit einer Schere durchgeschnitten und fest verschlossen b.
Zoom Image
Abb. 8 Das mit den korrekten Patientendaten gekennzeichnete Tupferröhrchen wird nach dem Abstrich in eine flüssigkeitsdichte Sekundärverpackung gegeben (ggf. mit Anforderungsschein). Bei Versand muss darüber hinaus eine geeignete Außenverpackung verwendet werden.