Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(12): 1240
DOI: 10.1055/a-1305-4223
Thieme berichtet
Medizin im Fokus

Mehrlingsschwangerschaft – DEGUM und DGGG veröffentlichen gemeinsame Leitlinie zur Betreuung von Zwillingsschwangerschaften

 

Die Wahrscheinlichkeit, mit Zwillingen schwanger zu werden, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Etwa 1 von 54 werdenden Müttern bekommt heutzutage 2 Kinder auf einmal. Eine Zwillingsschwangerschaft ist immer mit besonderen Risiken wie Frühgeburten und Fehlbildungen verbunden. Eine engmaschige Begleitung durch ultraschallerfahrene Ärztinnen und Ärzte sei bei einer Zwillingsschwangerschaft essenziell, sagen Experten der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM). Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) hat die DEGUM kürzlich die erste deutschsprachige AWMF-Leitlinie zur Überwachung und Betreuung von Zwillingsschwangerschaften herausgegeben [1].


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War 1977 nur jedes 56. Neugeborene ein Mehrling, so sind es heute nach Angaben des Statistischen Bundesamtes doppelt so viele. „Grund dafür ist zum einen die Zunahme von künstlichen Befruchtungen, zum anderen aber auch das höhere Durchschnittsalter der werdenden Mütter“, erklärt PD Dr. med. Kai-Sven Heling, Pränataldiagnostiker und Vizepräsident der DEGUM. Denn Frauen haben mit zunehmendem Alter häufiger 2 Eisprünge pro Zyklus [2].

„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass jene Zwillingsschwangerschaften, die einem erhöhten Risiko für Komplikationen unterliegen, frühzeitig identifiziert und kontinuierlich per Ultraschall betreut werden“, empfiehlt Prof. Dr. med. Constantin von Kaisenberg, Bereichsleiter Geburtshilfe und Pränatalmedizin des Perinatalzentrums der Medizinischen Hochschule Hannover und Leitlinienbeauftragter der DEGUM. „Durch regelmäßige Ultraschall-Untersuchungen lassen sich durch die frühzeitige Erkennung von Komplikationen und ein daraus ableitbares Management die Mortalität und Morbidität der betroffenen Zwillinge deutlich senken“, ergänzt Prof. Dr. med. Kurt Hecher vom Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg und Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der DGGG.

Im Vergleich zu Einlingsschwangerschaften kommt es bei Zwillingen häufiger zu komplizierten Verläufen. Die Schwangeren haben zudem allein aufgrund der stärkeren körperlichen Belastung durch 2 Kinder ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Schwangerschaftsdiabetes, Blutarmut und eine Präeklampsie. Gefährdet sind aber vor allem die Feten selbst. Entscheidend dabei ist vor allem, ob sich die Ungeborenen eine Plazenta und/oder eine Fruchthöhle teilen müssen.

Zwillingsschwangerschaften, bei denen jeder Fetus eine eigene Plazenta und eine eigene Fruchthöhle hat, sind in der Regel wenig problematisch. „Bei diesen Schwangerschaften geht es vor allem darum, dass die Feten wenig Platz haben und zusammen ein deutlich höheres Gewicht aufbringen als ein Einling“, erklärt von Kaisenberg. Der Druck auf den Muttermund steige enorm, eine Frühgeburt drohe. Zwillinge werden deshalb auch spätestens in der 38. SSW geboren.

Bei jeder 5. Zwillingsschwangerschaft teilen sich die Ungeborenen hingegen eine Plazenta. Eine solche monochoriale Schwangerschaft lässt sich bis Schwangerschaftswoche 14 mithilfe der Ultraschalldiagnostik feststellen. Diese Kinder sind in besonderer Weise gefährdet. So kann es sein, dass eine Gefäßverbindung zwischen den Zwillingen besteht, es droht die Gefahr des sogenannten fetofetalen Transfusionssyndroms (TTTS). Dabei kommt es zum einseitigen Blutaustausch zwischen den Ungeborenen. „Bei monochorialen Zwillingen muss ganz engmaschig betreut werden, um zu sehen, ob eines der Kinder unterversorgt ist und das andere zu viel abbekommt. Es könnten einer oder auch beide sterben“, sagt von Kaisenberg. Er rät Schwangeren, sich in dieser Situation einen Arzt oder eine Ärztin mit hoher Ultraschallkompetenz zu suchen. Wer beispielsweise eine DEGUM-Zertifizierung der Stufe II und/oder III besitzt, ist ausreichend qualifiziert, um Risiken zu erkennen und frühzeitige Therapiemaßnahmen einzuleiten. Alle DEGUM-zertifizierten Ärzte sind auf der Webseite der Fachgesellschaft gelistet: https://www.degum.de/service/zertifizierte-aerzte.html


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Katharina Weber, Stuttgart


Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
03. Dezember 2020

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