Pneumologie 2021; 75(01): 57-59
DOI: 10.1055/a-1305-7450
Empfehlungen

Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. zu Hygienemaßnahmen bei der Behandlung von PatientInnen mit Lungenerkrankungen in der ambulanten Physiotherapiepraxis in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie

Recommendations of the German Respiratory Society (DGP) on Hygiene Measures During Treatment of Patients with Lung Diseases in the Outpatient Physiotherapy Practice in Times of the SARS-CoV-2 Pandemic
T. Hellmuth
1   Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie, Pädiatrisches Zentrum für Cystische Fibrose (Mukoviszidose), Medizinische Hochschule Hannover
,
D. Hoppe
2   Zentrum für Physiotherapie Matthias Lehneis, Rödermark (Ober-Roden)
,
S. Teschler
3   ZWANZIG-NEUN-FÜNF, Spezialisten für Atmungssystem-Therapie und -Training (Reha Vital GmbH), Essen
,
R. Hoheisel
4   Zentrum für Hygiene und Infektionsprävention (ZHI), Bioscientia Institut für Medizinische Diagnostik GmbH, Ingelheim
,
T. Hillmann
5   Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum am Universitätsklinikum Essen
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Einleitung

Das Virus SARS-CoV-2 stellt die Physiotherapie vor große Herausforderungen. Insbesondere der Betreuung von PatientInnen mit Lungenerkrankungen kommt in diesen Zeiten eine besondere Bedeutung zu. Viele atemphysiotherapeutische Techniken, auch der Lungensport, gehen mit einer forcierten Atemarbeit sowie dem Abhusten von Sekret einher. Dies führt zu einem erheblichen Anstieg der Aerosolbildung und somit einem erhöhten Infektionsrisiko für TherapeutInnen und andere PatientInnen [1].

Dieses Risiko darf allerdings nicht zu einer Einschränkung der ambulanten Betreuung und Versorgung dieser PatientInnengruppe führen. Die atemphysiotherapeutische Behandlung ist eine der wichtigsten Säulen der Therapie von PatientInnen mit chronischen Lungenerkrankungen.

In der aktuellen Zeit sind daher besondere Maßnahmen zu beachten mit dem Ziel, PatientInnen zu schützen, das Übertragungsrisiko beidseitig (PhysiotherapeutIn, PatientIn) zu minimieren und gleichzeitig die atemphysiotherapeutische ambulante Versorgung weiterhin sicherzustellen.


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PatientInnen- und Terminmanagement

Die nachfolgend aufgeführten Punkte dienen der Orientierung für die Planung von PatientInnen und Behandlungsmaßnahmen (in Anlehnung an [2]). Die bereits bestehenden Hygieneempfehlungen bei der atemphysiotherapeutischen Behandlung von PatientInnen mit Mukoviszidose in niedergelassenen Praxen [3] sind größtenteils übertragbar auf die Behandlung von PatientInnen mit anderen Lungenerkrankungen und bilden unter Zuhilfenahme weiterer SARS-CoV-2-spezifischer Literatur [1] [2] [4] die Grundlage dieser Empfehlungen.

  • Sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung nach Schwere der Erkrankung, Symptomatik und Keimstatus. Gegebenenfalls Anpassung von Behandlungsintervallen und Maßnahmen, um größtmögliche Risikominimierung zu erreichen.

  • Transparenz schaffen! PatientInnen über aktuelle Hygienemaßnahmen und das Restrisiko bei der Behandlung in der Praxis aufklären.

  • PatientInnen aufklären, dass sie verpflichtet sind, bei akuten Infektzeichen ihren Physiotherapietermin auch kurzfristig abzusagen.

  • PatientInnen tragen beim Betreten und Verlassen der Praxis einen Mund-Nasen-Schutz (nachfolgend: MNS). Sie desinfizieren sich unmittelbar nach Betreten der Praxis die Hände.

  • PatientInnen halten sich nicht im Wartebereich zusammen mit anderen PatientInnen auf (ggf. im Außenbereich warten lassen). Sie werden vom Personal direkt in den gelüfteten, aufbereiteten Behandlungsraum geschickt. Beim Betreten der Praxis ist stets auf die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m zu achten.

  • PatientInnen tragen während der Behandlung einen MNS. Ist dies nicht möglich, z. B. bei der Durchführung aktiver Techniken zur Reinigung der Atemwege (z. B. oszillierende PEP-Systeme, autogene Drainage), tragen TherapeutInnen in diesem Fall eine FFP2-Maske plus Gesichtsschild oder Schutzbrille [4] [5].

  • Hilfsmittel (PEP, Flutter, Cornet etc.) werden ausschließlich von PatientInnen mitgebracht. Die Verwendung von Filtern, wenn möglich, wird empfohlen (beim Hilfsgerätehersteller erfragen).

  • Bei Inhalationssupervisionen sollen Filtersysteme der jeweiligen Geräte (wenn vorhanden) verwendet werden. Diese Filter sind von den PatientInnen mitzubringen.

  • Zur Eindämmung von Aerosolbildung beim Husten und Niesen bringen PatientInnen ein kleines Handtuch (mehrmals gefaltet) mit, welches bei Hustenmanövern/Niesen dicht vor Mund und Nase gehalten wird. Vom Husten in die Ellenbeuge wird abgeraten, da dies die Aerosolbildung erfahrungsgemäß nicht ausreichend eindämmt. Ggf. verwendete Taschentücher können nach der Behandlung in einer Plastiktüte im Restmüll der Praxis entsorgt werden.

  • Die Rezeptunterschrift erfolgt im Behandlungsraum mit eigenem Stift oder desinfiziertem Stift der Praxis.

  • Wenn eine Terminplanung an der Anmeldung notwendig ist, muss auf Einhaltung des Mindestabstandes zu anderen PatientInnen geachtet werden.

  • Begleitpersonen sind nach Möglichkeit zu vermeiden oder sollten während der Behandlungszeit vor der Praxis warten. In begründeten Fällen kann einer Begleitperson Zutritt zur Praxis gewährt werden. Die Begleitperson muss dann ebenfalls eine MNS tragen und sich beim Betreten der Praxis die Hände desinfizieren.

  • Regelmäßiges, großzügiges Lüften des Behandlungsraumes während/nach der umfassenden Flächen-/Wischdesinfektion aller Kontaktflächen und Therapiehilfsmittel sowie generelles regelmäßiges Lüften der Praxis-, Sanitär- und Pausenräume zur Förderung des Luftaustauschs und damit der Aerosolverdünnung [6].


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Personalmanagement

Folgende Punkte werden für die behandelnden PhysiotherapeutInnen empfohlen [5]:

  • Bei akuten Infektanzeichen kommt der/die PhysiotherapeutIn nicht zur Arbeit.

  • Arbeitskleidung wird mit desinfizierenden Verfahren aufbereitet (alternativ: Therapeut verpackt getragene Kleidung in einem geschlossenen Beutel (z. B. Müllbeutel) und bereitet diese zuhause auf.

  • PhysiotherapeutInnen tragen während der Arbeitszeit einen MNS.

  • Vor und nach jedem PatientInnenkontakt werden die Hände desinfiziert.


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Anmerkungen und Empfehlungen für ÜbungsleiterInnen

  • Schulung der ÜbungsleiterInnen zu den Symptomen und Übertragungswegen von COVID-19 (Info RKI und BGW).

  • Zeit für organisatorischen Aufwand pro Übungsstunde einplanen.

  • Abstands- und Hygieneregeln werden zu Beginn der Übungsstunde erläutert und die Einhaltung fortlaufend überwacht.

  • Jedem/Jeder PatientIn eine feste Position zuweisen: z. B. aufgestellte Hocker im Raum.

  • Keine Partnerübungen und taktile Korrekturen.

  • Auf den Einsatz von weniger gut zu reinigenden Hilfsmitteln (z. B. Gymnastikbänder) verzichten.

  • Übungsraum und verwendete Materialien müssen hinsichtlich der Infektionsgefahr beurteilt und die regelmäßigen Desinfektionsmaßnahmen beachtet werden.


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Allgemeine Empfehlungen Lungensport/Trainingsgruppen [7] [8]

  • Einwilligungserklärung der PatientInnen mit Risikobeschreibung, Hinweisen zum Restrisiko und Weisungsbefugnis des Übungsleiters einholen. Es ist sicherzustellen, dass alle PatientInnen die Regelungen verstanden haben und umsetzen können.

  • Festlegung der Gruppengröße anhand der Raumgröße (mind. 5 qm/PatientIn).

  • Feste Trainingsgruppen bilden.

  • Begleitpersonen sind zu vermeiden.

  • Unterschiedliche Ein- und Ausgänge nutzen und „Einbahnstraßenregelungen“ für die Laufrichtungen einrichten.

  • Übungsräume und Toiletten fachgerecht desinfizieren (neben der täglichen Reinigung durch Fachpersonal), Flächendesinfektionsmittel für PatientInnen zur Eigendesinfektion zur Verfügung stellen.

  • Händedesinfektion und ggf. Einmalhandtücher bereitstellen.

  • Vor Betreten des Übungsraumes müssen ÜbungsleiterInnen und PatientInnen die Hände desinfizieren.

  • Verwendete Materialien (auch Hocker) vor jeder Übungsstunde desinfizieren.

  • Wenn möglich, sollen PatienInnen eigene Materialien mitbringen (z. B. gefüllte Plastikflaschen als Hantelersatz).

  • Übungsraum vor und nach jeder Gruppe gut lüften.

  • Aufenthalt im Übungsraum auf die Übungsstunde beschränken.

  • Zeitliche Ballungen vermeiden.

  • Zugangszeiten regeln und kommunizieren/Zugang kontrollieren.

  • Bei Vorliegen von Symptomen wie Fieber, Husten, Schnupfen und/oder grippeähnlichen Symptomen dürfen ÜbungsleiterInnen und PatientInnen nicht an der Übungsstunde teilnehmen.

  • Alternativ Lungensport online gestalten.


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Empfehlungen für PatientInnen bei der Teilnahme am Lungensport [7] [8]

  • Verzicht auf Teilnahme bei erhöhtem Risiko (z. B. Risikokontakt), zwingender Verzicht bei akuten Symptomen.

  • Abstands- und Hygieneregeln jederzeit einhalten.

  • PatientInnen bitten, eigene Materialien (z. B. Matte oder Handtuch) mitzubringen.

  • Kein Austausch von Materialien untereinander.

  • Betreten des Übungsraumes erst nach Händedesinfektion und nur in Anwesenheit des/der Übungsleiters/Übungsleiterin.

  • Für Unterschriften sind eigene Stifte zu verwenden.

  • PatientInnen tragen auf dem Weg zum Übungsraum wie auch während der Übungen einen MNS.

  • In Sportkleidung kommen, zuhause duschen.

  • Verzicht auf Fahrgemeinschaften.


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Hot Topics zum Thema Lungensport

  • Abstands- und Hygieneregeln einhalten.

  • Körperkontakte unterlassen.

  • Umkleiden bleiben geschlossen.

  • Fahrgemeinschaften aussetzen, öffentliche Verkehrsmittel meiden.

  • Veranstaltungen und Wettbewerbe unterlassen.

  • Gruppengröße anpassen.


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Speziell bei Verwendung von Sequenztrainingsgeräten [9]

  • Aufstellen eines speziellen Hygieneplans für die Flächendesinfektion der Räume und Geräte.

  • Händewaschen und/oder desinfizieren mindestens beim Betreten und Verlassen des Trainingsbereichs.

  • Trainingsgeräte nach jeder Nutzung desinfizieren.

  • Kleingeräte, die nicht regelmäßig desinfiziert werden können, sollten von PatientInnen mitgebracht oder nicht verwendet werden.

  • Nur personalisierte Getränkeflaschen nutzen.

  • Frei zugängliche Getränkespender sperren.

  • Für ausreichenden Luftaustausch sorgen.

  • Abstände zwischen Trainingsgeräten anpassen (vergrößern) oder Trainingsgeräte sperren; ggf. Zeitfenster für die Nutzung nebeneinanderstehender Trainingsgeräte.

  • Für spezielle Geräte, wie z. B. Rudergeräte, die einen größeren Bewegungsumfang benötigen und Luftverwirbelung auslösen können, ist ein größerer Abstand sinnvoll


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenz

Thomas Hillmann
Leitung Physiotherapie
Universitätsmedizin Essen
Ruhrlandklinik
Westdeutsches Lungenzentrum am Universitätsklinikum Essen gGmbH – Universitätsklinik –
Tüschener Weg 40
45239 Essen
Deutschland   

Publication History

Article published online:
23 November 2020

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