Priv.-Doz. Dr. Bernhard Wiesner, Foto: privat.
Bernhard Wiesner, Ehrenmitglied der DGP, ist tot. Er starb nach kurzem Krankenlager
am 4. November d. J. im Alter von 88 Jahren. Mit Bernhard Wiesner ist einer der letzten
Vertreter einer Generation von Ärzten gestorben, die noch im Zeichen des Kampfes gegen
die Tuberkulose angetreten waren und später den Übergang in die Pneumologie, wie wir
sie heute kennen, gestalteten. In seinem lesenswerten Beitrag „Tuberkulosebekämpfung
und Entwicklung der Pneumologie in der DDR (1949–1990) im Buch „100 Jahre DGP – 100
Jahre deutsche Pneumologie“ hat er diese Entwicklung für die DDR detailliert beschrieben.
Bernhard Wiesners eigener beruflicher Werdegang begann nach dem Medizinstudium in
Berlin an der Charité 1956 als Pflichtassistent am Kreiskrankenhaus Waren/Müritz.
Ein Jahr später wechselte er als Assistenzarzt an die dortige Lungenklinik, die „Heilstätte
Amsee“. Nach 2-jähriger Weiterbildung zum Lungenarzt zog es den ehrgeizigen jungen
Mann 1960 an die führende pneumologische Institution der DDR, das „Forschungsinstitut
für Lungenkrankheiten und Tuberkulose“ (FLT) in Berlin-Buch, das zu dieser Zeit unter
der Leitung von Paul Steinbrück stand. Zielstrebig setzte er hier seine Karriere fort,
wurde 1963 Oberarzt und 1970 Chefarzt der Pneumologischen Klinik. 1978 habilitierte
sich Bernhard Wiesner mit einem Thema aus der Bronchologie und erhielt 1979 die Venia
legendi.
Anfang 1981 wurde Bernhard Wiesner als Direktor an die „Klinik für Lungenkrankheiten
und Tuberkulose“ in Bad Berka berufen. Die Klinik hatte sich als zweite pneumologische
Zentralklinik der DDR neben dem FLT nicht zuletzt durch die Kooperation von „Lunge
und Herz unter einem Dach“ national wie international eine hohe Reputation erworben.
Die Gewinnung von Bernhard Wiesner für diese Position als Nachfolger von Hans-Georg
Ganguin war ein Glücksfall, nicht nur für Bad Berka, sondern auch für die Pneumologie
in der DDR. In der Berkaer Lungenklinik führte er neue diagnostische und therapeutische
Verfahren ein, insbesondere trieb er innovative bronchologische Techniken voran wie
die BAL und interventionelle bronchoskopische Maßnahmen. Mit diesem fortschrittlichen
Programm gelang es ihm nicht nur, die Klinik auf Augenhöhe mit den anderen mitteleuropäischen
Zentren zu halten, sondern auch die Entwicklung der Pneumologie in der DDR maßgeblich
zu prägen. Beispielgebend war auch der zu seiner Zeit abgeschlossene Kooperationsvertrag
mit der Medizinischen Akademie in Erfurt, der nicht nur die Vertretung unseres Fachgebietes
in der studentischen Ausbildung absicherte sondern auch den Mitarbeitern der Klinik
eine Habilitation in Erfurt ermöglichte. Seinen Mitarbeitern war er ein motivierender
Chef und förderte sie mit großem Wohlwollen. Als überzeugter Anhänger einer engen
Verknüpfung von ambulanter und stationärer Medizin arbeitete er eng mit den Ärzten
der PALT (Poliklinische Abteilung für Tuberkulose und Lungenkrankheiten) zusammen.
Als Klinikdirektor konnte er in einem schwierigen politischen Umfeld, dank seiner
allseits anerkannten Fachkompetenz und menschlichen Größe, manchen politischen Druck
von seinen Mitarbeitern fernhalten.
Begleitend zu seinen klinischen Aufgaben befasste sich Bernhard Wiesner intensiv mit
wissenschaftlichen Themen, zumeist klinischen Fragestellungen. Die Arbeiten fanden
ihren Niederschlag in über 150 Publikationen und mehr als 200 Vorträgen auf Kongressen
und Tagungen. Darüber hinaus engagierte er sich auch berufspolitisch, vorrangig in
der „Gesellschaft für Pulmologie und Tuberkulose e. V.“. Er pflegte frühzeitig und
weitsichtig internationale Verbindungen wie zu der neu gegründeten „Societas Europaea
Pneumologica“ (SEP), die auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“ präsent war. Von
1987–1989 fungierte er als nationaler Delegierter der DDR bei der SEP, die ja 1990
in der „European Respiratory Society“ (ERS) aufging.
Im Jahr 1988 wurde Bernhard Wiesner zum Präsidenten der „Gesellschaft für Pulmologie
und Tuberkulose“ der DDR gewählt. Es war die Zeit des großen politischen Umbruchs,
der schließlich zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten führte. In dieser
Wendezeit galt es, die beiden wissenschaftlichen Gesellschaften in der Pneumologie,
die „Gesellschaft für Pulmologie und Tuberkulose e. V.“ der DDR und die „Deutsche
Gesellschaft für Pneumologie“ der BRD, ohne große Verwerfungen zusammen zu führen.
Dafür waren Persönlichkeiten mit Weitblick und Fingerspitzengefühl gefragt. Bernhard
Wiesner als damaliger Präsident der DDR-Gesellschaft nahm die historische Herausforderung
an. Auch dank seiner Umsicht gelang die Wiedervereinigung der beiden deutschen pneumologischen
Gesellschaften, die ja de jure nie getrennt waren, erstaunlich reibungslos. Die deutsche
Pneumologie schuldet ihm dafür Dank. Die DGP hat ihm – auch für diese seine Verdienste
um die Zusammenführung der beiden deutschen Gesellschaften – die Ehrenmitgliedschaft
verliehen.
In der Wendezeit geriet auch „seine Klinik“ in Turbulenzen. Die Landesregierung in
Thüringen hatte beschlossen, die Zentralklinik auf die Liste der abzuwickelnden Einrichtungen
zu setzen. In dieser kritischen Phase gelang es den vereinten Kräften seiner Mitarbeiter
und der leitenden Ärzte, die Klinik in die private Trägerschaft der Rhön-Klinikum
AG zu überführen. So zählt sie auch heute noch zu den führenden Lungenkliniken in
Deutschland. Darüber hinaus kümmerte sich Bernhard Wiesner um die Neuordnung der pneumologischen
Regionalgesellschaft in Thüringen. Ihm ist es mit zu verdanken, dass sich 1997 die
„Mitteldeutsche Gesellschaft für Pneumologie“ (MDGP) gründete, und zwar mit einem
speziellen Konstrukt: Als einzige der vier deutschen Regionalgesellschaften vertritt
sie neben der Pneumologie symbiotisch auch die Thoraxchirurgie und die Belange der
Berufspolitik, eine nachahmenswerte Idee.
Bernhard Wiesner hat die deutsche Pneumologie über viele Jahre geprägt. Er wird allen,
die mit ihm beruflich zu tun hatten, als nobler Kollege in Erinnerung bleiben. Die
ihn näher kannten, schätzten seine umfassende Bildung und sein Interesse an Literatur
und Musik, Kunst und Geschichte, aber auch seine Herzlichkeit und seinen Humor im
Umgang mit Freunden – und seinen Familiensinn. Bernhard Wiesner hinterlässt seine
Ehefrau Christa, die er als junge Kollegin 1967 kennen lernte und die ihm bis zum
Ende liebevoll beistand. Wir trauern mit der Familie um einen verdienstvollen Kollegen
und einen guten Freund.
Nikolaus Konietzko, Essen
Detlef Kirsten, Großhansdorf
Robert Loddenkemper, Berlin
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Nikolaus Konietzko
Spillheide 78
45239 Essen
Deutschland
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