Schlüsselwörter Coronavirus - Pandemie - Querschnittsuntersuchung - Prävalenzstudie - Arbeitsmedizin
Key words Coronavirus - pandemic - cross-section analysis - prevalence analysis - occupational
medicine
Hintergrund
Das neuartige Coronavirus Severe acute respiratory syndrome (SARS)-Coronavirus 2 (SARS-CoV-2)
hat sich innerhalb kurzer Zeit weltweit ausgebreitet und stellt eine große Herausforderung
für die Gesundheitssysteme der betroffenen Länder dar. Die Zahl der registrierten
SARS-CoV-2-Fälle in Deutschland lag am 14. September 2020 bei 260 355, 9350 Patienten
(3,6 %) mit SARS-CoV-2-Infektion sind gestorben [1 ] (14. Januar: 1 978 590 Fälle, 43 881 (2,2%) sind gestorben). Bei Hospitalisation
beträgt die Sterberate in Deutschland 22 % [2 ].
Bislang gibt es mit Ausnahme des antiviralen Medikaments Remdesivir [3 ] keine spezifische Therapie und bis Ende Dezember 2020 keinen Impfstoff. Da ein signifikanter
Anteil der SARS-CoV-2-Infektionen oligo- oder asymptomatisch verläuft [4 ] und die räumliche Verbreitung eines pandemischen Erregers insbesondere zu Beginn
der Pandemie nicht gleichmäßig ist, bleibt es unklar, in welchem Maße die Bevölkerung
bereits infiziert wurde. Mitarbeiter im Gesundheitswesen haben aufgrund des häufigen
und intensiven Kontakts zu Erkrankten ein besonders hohes Risiko, sich mit SARS-CoV-2
zu infizieren [5 ]. Daher ist es plausibel anzunehmen, dass die Prävalenz von SARS-CoV-2 bei Mitarbeitern
im Gesundheitswesen höher ist als in der allgemeinen Bevölkerung.
Wir haben die Prävalenz von SARS-CoV-2 in der Belegschaft des St.-Antonius-Hospitals
Eschweiler, eines Krankenhauses der Regel-/Schwerpunktversorgung in der Nähe von Aachen
in Nordrhein-Westfalen mit 1363 Mitarbeitern und 443 Krankenhausbetten, im Rahmen
einer Querschnittsstudie erhoben. Aufgrund der räumlichen Nähe zum Kreis Heinsberg,
des in Deutschland ganz zu Beginn der Pandemie besonders betroffenen Landkreises,
nahmen wir an, dass die Prävalenz von SARS-CoV-2 in dieser Population aufgrund frühzeitiger
und intensiver Exposition gegenüber SARS-CoV-2-Patienten vergleichsweise hoch sein
könnte. Zusätzlich haben wir mittels Fragebogens Symptome, Risikofaktoren und erinnerte
Exposition gegenüber SARS-CoV-2 abgefragt.
Material und Methoden
Für diese Querschnittsuntersuchung wurden alle Mitarbeiter des St.-Antonius-Hospitals
Eschweiler sämtlicher Bereiche im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge zur Teilnahme
eingeladen. Mit einem Anschreiben wurden die Mitarbeiter vorab über die Studienziele,
den Studienablauf und den Datenschutz informiert (s. Online-Zusatzmaterial). Ausschlusskriterien
gab es nicht. Die Untersuchung fand zwischen dem 27.04.2020 und 20.05.2020 statt.
Die Teilnahme war freiwillig, und es gab keine Anreize, weder finanziell noch anderweitig.
Alle Teilnehmer gaben ihr schriftliches Einverständnis zur Teilnahme an der Studie
nach einer ausführlichen mündlichen und schriftlichen Aufklärung (s. Online-Zusatzmaterial).
Die Finanzierung der Untersuchungen erfolgte über die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst
und Wohlfahrtspflege Hamburg (Projektnummer: ext FF_1461). Die Studie wurde von der
Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg beraten (Ethikantrag Nr. PV7298); es wurden
keine Bedenken gegen die Durchführung der Studie geäußert.
Die Teilnehmer füllten einen vom Studienteam entwickelten Fragebogen u. a. zu soziodemografischen
Faktoren, Arbeitsbereich sowie Vorerkrankungen, Kontakten zu SARS-CoV-2-positiven
Patienten oder Kollegen und COVID-19-typischen Symptomen aus (s. Online-Zusatzmaterial).
Vorerkrankungen wurden aufgeteilt nach Organsystemen erhoben, typische Beispiele wurden
im Fragebogen genannt (siehe Fragebogen SAH Mitarbeiter im Supplement). Bei allen
Teilnehmern wurde ein tiefer nasopharyngealer Abstrich durchgeführt sowie eine Serumprobe
abgenommen. Die nasopharyngealen Abstriche wurden mittels Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion
(RT-PCR) auf SARS-CoV-2-RNA untersucht [6 ]. Die Serumproben wurden unter Verwendung eines kommerziell verfügbaren Enzyme Linked
Immunosorbent Assays (ELISA) qualitativ auf SARS-CoV-2-Antikörper (IgG und IgA) untersucht
[7 ]. Alle Untersuchungen wurden gemäß den Anweisungen des Herstellers durchgeführt.
Für die Auswertung wurden diejenigen Mitarbeiter als positiv eingestuft, bei denen
SARS-CoV-2-RNA mittels PCR und/oder IgG in der Serologie nachgewiesen wurde. Teilnehmer
mit isoliertem Nachweis von IgA wurden wegen der unzureichenden Spezifität [8 ] nicht als positiv gewertet.
Die erhobenen Daten wurden mittels Nummerncode pseudonymisiert; eine Zuordnung der
Daten zur Person war nur über eine bei der betreuenden Betriebsärztin elektronisch
hinterlegte sicherheitsverschlüsselte Identifikationsliste möglich. Nach Beendigung
der Studie werden alle Daten nach den gültigen Vorschriften für einen Zeitraum von
10 Jahren gespeichert und archiviert. Die im Rahmen der Studie abgenommenen Blutproben
werden nach maximal 2 Jahren vernichtet. Alle Bestimmungen des Datenschutzes und der
ärztlichen Schweigepflicht wurden eingehalten.
Die Darstellung der Ergebnisse erfolgte für metrische Variablen durch Mittelwert (MW),
Median, Standardabweichung (SD) sowie Spannweite (Range). Kategoriale Variablen wurden
mit absoluten und relativen Häufigkeiten dargestellt. Gruppenunterschiede wurden durch
Fishers exakten Test bei kategorialen Variablen und bei stetigen Variablen durch einen
t-Test geprüft. Die Anteilswerte wurden mit 95 %-Konfidenzintervallen (95 %-KI) berechnet.
Fehlende Angaben wurden berücksichtigt und in den Tabellen angegeben. Zur Ermittlung
von „Kontakt mit einem positiven Fall“ als Risikofaktor wurde ein binär logistisches
Regressionsmodell mit Korrektur nach Firth verwendet und Odds Ratios (OR) mit zugehörigen
95 %-KI berechnet. Dafür wurde ein positiver/negativer SARS-CoV-2-Befund der Mitarbeiter
als abhängige Variable definiert. Die statistischen Analysen wurden mit den Programmen
SPSS (Version 27, SPSS Inc.) und R (Version 4.0.3) durchgeführt.
Ergebnisse
Insgesamt 1212 von 1363 (88,9 %) Mitarbeitern im Alter von 17–74 Jahren (Median 44
Jahre) nahmen an der Studie teil ([Abb. 1 ]). Gründe für eine Nichtteilnahme waren vor allem Abwesenheit durch Urlaub oder Krankheit.
[Tab. 1 ] zeigt die Charakteristiken der Studienpopulation. 951 (78,5 %) der Teilnehmer waren
weiblich und 130 (10,7 %) waren älter als 59 Jahre, 240 (19,8 %) gaben an, aktuell
zu rauchen. Der BMI lag im Median bei 25. Die meisten Mitarbeiter waren in der unmittelbaren
Patientenversorgung eingesetzt (865 von 1202 (78,5 %), keine Angabe von 110 Teilnehmern).
Abb. 1 Studienteilnehmer.
Tab. 1
Charakteristiken der Studienpopulation.
Merkmal
N
%
Alter in Jahren
Mittelwert 43,1 (SD 13,1); Median 44,0; Range 17–74
Alter
< 20 Jahre
18
1,5
20–29 Jahre
227
18,7
30–39 Jahre
253
20,9
40–49 Jahre
251
20,7
50–59 Jahre
332
27,4
≥ 60 Jahre
130
10,7
keine Angabe
1
Geschlecht
männlich
261
21,5
weiblich
951
78,5
BMI
Mittelwert 26,2 (SD 5,6); Median 25,1; Range 15–69
BMI-Kategorien
(WHO-Einteilung)
< 18,5 Untergewicht
15
1,4
18,5–24,9 Normalgewicht
516
47,3
25,0–29,9 Übergewicht
351
32,2
≥ 30,0 Adipositas
209
19,2
keine Angabe
121
Raucher
nein
682
63,4
ja
240
22,3
ex
153
14,2
keine Angabe
137
Arbeitsbereich
Mehrfachnennung
Intensivstation
151
13,7
Internistische Notaufnahme
75
6,8
Chirurgische Notaufnahme
42
3,8
Isolationsstation
67
6,1
Normalstation
452
41,0
Onkologie
54
4,9
nichtmedizinischer Bereich ohne Patientenkontakt
147
13,3
nichtmedizinischer Bereich mit Patientenkontakt
225
20,4
sonstiger Bereich
21
keine Angabe
110
1,9
Allen 1212 Teilnehmern wurden tiefe nasopharyngeale Abstriche auf SARS-CoV-2-RNA entnommen.
SARS-CoV-2-RNA war bei 3 (0,2 %) Teilnehmern nachweisbar. 16 Mitarbeiter waren bereits
vor Beginn der Studie positiv auf SARS-CoV-2-RNA getestet worden, von denen 15 an
der Studie teilnahmen. Somit wurden von Beginn der Pandemie bis zum 20.05.2020 insgesamt
19 von 1363 (1,4 %) Mitarbeiter positiv auf SARS-CoV-2-RNA getestet.
Auch die SARS-CoV-2-Serologie wurde bei allen 1212 Teilnehmern durchgeführt. Bei 40
(3,3 %) wurde IgG und bei 105 (8,6 %) IgA nachgewiesen, davon bei 32 (2,6 %) sowohl
IgG als auch IgA. Bei 15 der 16 vor Beginn der Studie positiv auf SARS-CoV-2-RNA getesteten
Mitarbeiter wurde eine Serologie durchgeführt, von denen bei 12 (80 %) Personen IgG
nachweisbar war. Bei 2 der übrigen 3 Mitarbeiter wiederholten wir die Serologie im
Verlauf, hier fand sich bei beiden weiterhin ein negatives IgG, ein Mitarbeiter wies
ein positives IgA auf. Bei den 3 Teilnehmern mit positiver PCR im Studienzeitraum
waren weder IgG noch IgA nachweisbar. Somit wurden insgesamt 47 Mitarbeiter positiv
auf SARS-CoV-2 getestet (7 mittels PCR ohne positive Serologie und 40 mittels positiver
Serologie, siehe [Tab. 2 ]).
Tab. 2
Zusammensetzung der SARS-CoV-2-positiven Befunde.
IgG positiv
IgG grenzwertig
IgG negativ
GESAMT
PCR positiv vor Studienzeitraum
10
1
4
15
PCR positiv im Studienzeitraum
0
0
3
3
PCR negativ
21
8
1165
1194
GESAMT
31
9
1172
1212
In der Gruppe der positiv getesteten Mitarbeiter (n = 47) waren die häufigsten Symptome
Kopfschmerzen (56 %), Müdigkeit/Erschöpfung (49 %), Halsschmerzen (49 %) und Husten
(46 %). Fieber wurde in 33 % der Fälle berichtet ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Symptome der positiv getesteten Mitarbeiter (PCR und/oder IgG).
414 von 1086 (38,1 %) Teilnehmern berichteten über mindestens einen Kontakt zu einer
SARS-CoV-2-positiven Person; 282 von 403 (70,0 %) trugen zum Zeitpunkt des Kontakts
einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) und 133 von 390 (34,1 %) vollständige Schutzkleidung.
293 von 405 (72,3 %) der Kontakte dauerten ≥ 15 Minuten. 23 von 414 (5,6 %) der Mitarbeiter
mit Kontakt zu SARS-CoV-2-Patienten wurden positiv auf SARS-CoV-2-RNA und/oder SARS-CoV-2-IgG
getestet.
Vergleich positiv getesteter (PCR und/oder IgG) mit negativ getesteten Mitarbeitern
Wir stellten die Gruppe der positiv getesteten (PCR und/oder IgG, n = 47) den negativ
getesteten Mitarbeitern (n = 1165) gegenüber ([Tab. 3 ]). Signifikante Unterschiede ergaben sich in einer Kategorie. So gaben positiv getestete
Mitarbeiter häufiger an, Kontakt zu einem COVID-19-Fall gehabt zu haben (60,5 % vs.
37,3 %; p = 0,006). Bei Mitarbeitern, die bei Kontakt mit einem COVID-19-Fall einen
Mund-Nasen-Schutz (MNS) trugen, den Kontakt mit einer Schutzausrüstung oder einen
länger als 15 Minuten dauernden Kontakt hatten, zeigte sich kein deutlicher Unterschied
zwischen den Gruppen. Keine Unterschiede ergaben sich bezüglich Alter, BMI, Geschlecht,
Rauchstatus und dem Vorhandensein von Vorerkrankungen. In der multivariablen Analyse
zu den Kontaktkategorien ([Tab. 4 ]) zeigte sich ein erhöhtes Risiko für einen längeren Kontakt, der jedoch nicht statistisch
signifikant war. Das Tragen eines MNS und das Tragen einer Schutzausrüstung beim Kontakt
mit einem COVID-19-Fall hatten keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, positiv
getestet zu werden.
Tab. 3
Vergleich negativ vs. positiv (PCR und/oder IgG) getestete Mitarbeiter.
Merkmal
Mitarbeiter, negativ
n = 1165
Mitarbeiter, positiv
(IgG+/PCR+)
n = 47
p-Wert
Alter (Jahre)
MW (SD)
43,3 (13,1)
40,0 (13,5)
0,1
Median (Range)
44,0 (17–74)
40,0 (18–62)[* ]
BMI
MW (SD)
26,3 (5,6)
25,3 (5,8)
0,3
Median (Range)
25,1 (15–69)[** ]
24,6 (18–46)[*** ]
% (95 %-KI)
Anzahl
% (95 %-KI)
Anzahl
Geschlecht
männlich
21,4 (19,1–23,9)
249/1165
25,5 (14,4–40,6)
12/47
0,5
weiblich
78,6 (76,1–80,9)
916/1165
74,5 (59,4–85,6)
35/47
Raucher
22,6 (20,1–25,3)
234/1037
15,8 (6,6–31,9)
6/38
0,4
Vorerkrankungen
Lunge
12,2 (10,3–14,3)
129/1059
10,3 (3,3–25,2)
4/39
1,0
Herz-Kreislauf
19,2 (16,9–21,7)
203/1058
12,8 (4,8–28,2)
5/39
0,4
Niere
1,4 (0,8–2,4)
15/1059
0,0 (0,0–11,2)
0/39
1,0
onkologisch
2,6 (1,8–3,9)
28/1059
2,6 (0,1–15,1)
1/39
1,0
Magen-Darm
4,8 (3,6–6,3)
51/1059
7,7 (2,0–22,0)
3/39
0,4
Nervensystem
4,2 (3,2–5,7)
45/1059
0,0 (0,0–11,2)
0/39
0,4
Stoffwechsel
20,1 (17,7–22,6)
213/1061
10,3 (3,3–25,2)
4/39
0,15
wissentlicher Kontakt mit SARS-CoV-2
Kontakt mit positivem Fall
37,3 (34,4–40,3)
391/1048
60,5 (43,5–75,5)
23/38
0,006
…mit MNS
25,8 (23,2–28,5)
270/1048
28,9 (16,0; 46,1)
11/38
0,7
…mit Schutzausrüstung
12,1 (10,2–14,3)
127/1048
13,2 (4,9–28,9)
5/38
0,8
… ≥ 15 min
26,4 (23,8–29,2)
277/1048
36,8 (22,3–54,0)
14/38
0,2
MNS privat
39,3 (35,9–42,9)
300/763
51,6 (33,4–69,4)
16/31
0,2
Indexperson bekannt
71,4 (30,3–94,9)
5/7
75,0 (42,8–93,3)
9/12
1,0
* keine Angabe (k. A.).
** 113k. A.
*** 8k. A.
Tab. 4
Ergebnisse der logistischen Regression zum wissentlichen Kontakt mit einem positiven
SARS-CoV-2-Fall im Vergleich von Mitarbeitern mit und ohne positiven Befund.
OR
95 %-KI
p-Wert
Kontakt mit MNS
0,78
0,27–2,05
0,62
Kontakt mit Schutzausrüstung
0,97
0,29–3,04
0,96
Kontakt ≥ 15 min
1,81
0,77–4,05
0,17
Alter
0,98
0,96–1,01
0,15
Geschlecht
0,87
0,43–1,93
0,72
Vergleich positiv getesteter (PCR und/oder IgG) mit isoliert für IgA positiv getesteten
Mitarbeitern
Zudem verglichen wir die Gruppe der positiv getesteten Mitarbeiter (n = 47) mit denjenigen,
bei denen ausschließlich IgA nachgewiesen wurde (n = 73). [Tab. 5 ] zeigt die Ergebnisse dieses Vergleichs. Hier ergaben sich statistisch signifikante
Unterschiede in der Häufigkeit der Symptome bei positiver PCR und/oder IgG versus
isoliert nachweisbarem IgA (67 % vs. 31 %; p = < 0,01); dies betraf die Häufigkeit
von Kopfschmerzen (p = 0,01), Geschmacks-/Geruchsverlust (p < 0,01), Schnupfen (p = 0,04),
Muskel-/Gliederschmerzen (p = 0,008), Fieber (p = 0,003) und Diarrhö (p = 0,04). PCR-
und/oder IgG-positive Mitarbeiter berichteten fast doppelt so häufig über Kontakte
zu infektiösen Personen wie isoliert IgA-positive Mitarbeiter (61 % vs. 35 %; p = 0,02).
Es ergaben sich auch hier keine Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich Alter,
BMI, Geschlecht, Rauchstatus und dem Vorhandensein von Vorerkrankungen.
Tab. 5
Vergleich positiv (PCR und/oder IgG) getestete Mitarbeiter vs. isolierter IgA-Nachweis.
Merkmal
Mitarbeiter IgA+
n = 73
Mitarbeiter IgG+/PCR+
n = 47
p-Wert
Alter (Jahre)
MW (SD)
42,0 (13,1)
40,0 (13,5)
0,4
Median (Range)
44,0 (19–71)
40,0 (18–62)[* ]
BMI
MW (SD)
26,1 (5,9
25,3 (5,8)
0,5
Median (Range)
24,5 (18–52)[** ]
24,6 (18–46)[*** ]
(95 %-KI)
Anzahl
(95 %-KI)
Anzahl
Geschlecht
männlich
37,0 (26,2–49,1)
27
25,5 (14,4–40,6)
12
0,2
weiblich
63,0 (50,9–73,8)
46
74,5 (59,4–85,6)
35
Raucher
12,3 (5,8–23,4)
8/65
15,8 (6,6–31,9)
6/38
0,8
Vorerkrankungen
Lunge
12,1 (5,7–23,0)
8/66
10,3 (3,3–25,2)
4/39
1,0
Herz-Kreislauf
15,2 (7,9–26,6)
10/66
12,8 (4,8–28,2)
5/39
1,0
Niere
0,0 (0,0–6,9)
0/66
0,0 (0,0–11,2)
0/39
1,0
onkologisch
3,0 (0,5–11,5)
2/66
2,6 (0,1–15,1)
1/39
1,0
Magen-Darm
6,1 (2,0–15,6)
4/66
7,7 (2,0–22,0)
3/39
0,7
Nervensystem
1,5 (0,1–9,3)
1/66
0,0 (0,0–11,2)
0/39
1,0
Stoffwechsel
12,1 (5,7–23,0)
8/66
10,3 (3,3–25,2)
4/39
1,0
Symptome
Symptome
30,8 (20,2–43,6)
20/65
66,7 (49,7–80,4)
26/39
< 0,01
Kopfschmerzen
30,3 (19,9–43,0)
20/66
56,4 (39,8–71,8)
22/39
0,01
Müdigkeit/Erschöpfung
30,3 (19,9–43,0)
20/66
48,7 (32,7–65,0)
19/39
0,07
Halsschmerzen
28,8 (18,6–41,4)
19/66
48,7 (32,7–65,0)
19/39
0,06
Husten
28,8 (18,6–41,4)
19/66
46,2 (30,4–62,6)
18/39
0,09
Geschmacks-/Geruchsverlust
3,0 (0,5–11,5)
2/66
43,6 (28,2–60,2)
17/39
< 0,01
Schnupfen
21,2 (12,5–33,3)
14/66
41,0 (26,0–57,8)
16/39
0,04
Muskel-/Gliederschmerzen
15,2 (7,9–26,6)
10/66
39,5 (24,5–56,5)
15/38
0,008
Fieber
9,1 (3,7–19,4)
6/66
33,3 (19,6–50,3)
13/39
0,003
Durchfall
7,6 (2,8–17,5)
5/66
23,1 (11,7–39,7)
9/39
0,04
Rückenschmerzen
18,5 (10,3–30,4)
12/65
20,5 (9,9–36,9)
8/39
0,8
Luftnot
6,1 (2,0–15,6)
4/66
17,9 (8,1–34,1)
7/39
0,1
Übelkeit/Erbrechen
6,1 (2,0–15,6)
4/66
12,8 (4,8–28,2)
5/39
0,3
Herzschmerzen
4,5 (1,2–13,6)
3/66
7,7 (2,0–22,0)
3/39
0,7
wissentlicher Kontakt mit SARS-CoV-2
Kontakt mit positivem Fall
35,4 (24,2–48,3)
23/65
60,5 (43,5–75,5)
23/38
0,02
…mit MNS
15,4 (8,0–26,9)
10/65
28,9 (16,0–46,1)
11/38
0,1
…mit Schutzausrüstung
6,2 (2,0–15,8)
4/65
13,2 (4,9–28,9)
5/38
0,3
… ≥ 15 min
26,2 (16,4–38,8)
17/65
36,8 (22,3–54,0)
14/38
0,3
MNS privat
41,7 (27,9–56,7)
20/48
51,6 (33,4–69,4)
16/31
0,5
* keine Angabe (k. A.).
** 9 k. A.
*** 8 k. A.
Diskussion
Dies ist die erste Studie, in der das Infektionsgeschehen mit SARS-CoV-2 im beruflichen
Kontext bei Beschäftigten in einem deutschen Krankenhaus mittels PCR und Serologie
flächendeckend erhoben wurde. Insgesamt wurden 47 (3,9 %) Studienteilnehmer positiv
auf SARS-CoV-2 getestet (7 nur mittels PCR und 40 mittels Serologie (IgG), von diesen
11 zusätzlich mittels PCR). Die häufigsten Symptome in dieser Gruppe waren Kopfschmerzen,
Müdigkeit/Erschöpfung, Halsschmerzen und Husten. Positiv Getestete berichteten signifikant
häufiger über Kontakt mit einem COVID-19-Fall.
PCR
Insgesamt wurden 19 von allen 1363 (1,4 %) Mitarbeitern des St.-Antonius-Krankenhauses
Eschweiler bzw. 18 von den 1212 (1,5 %) Studienteilnehmern mittels PCR auf SARS-CoV-2
positiv getestet, davon 3 (0,2 %) während des Untersuchungszeitraums vom 27.04.2020
bis zum 20.05.2020. Im Vergleich zu anderen bislang vorliegenden Erhebungen ist dies
ein geringerer Anteil als erwartet. So lag der Anteil der Mitarbeiter mit positiver
PCR auf SARS-CoV-2 in vergleichbaren Studien insgesamt zwischen 0,9 und 38 %, bei
Screening-Studien an asymptomatischen Patienten zwischen 0,9 und 7,1 % [9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]. Die relativ große Schwankungsbreite erklärt sich sicherlich durch Ort und Zeitraum
der jeweiligen Studien. So wurde die höchste Prävalenz von 38 % durch Folgueira im
März 2020 in Spanien ermittelt, in dem Monat, in dem der Höhepunkt der Epidemie in
diesem Land zu verzeichnen war [11 ].
Es gibt viele mögliche Gründe für den vergleichsweise geringen Anteil positiver Nasopharyngealabstriche
in der vorliegenden Untersuchung. So fand die Untersuchung in einem Zeitraum statt,
in dem die Infektionsaktivität in Deutschland deutlich reduziert war, verdeutlicht
anhand der Reproduktionszahl R, die bereits seit dem 21.03.2020 um oder unter 1 lag
[13 ]. Schon seit mehreren Wochen bestehende Maßnahmen zur Verhinderung neuer Infektionen
(Kontaktbeschränkungen, Schließung von Geschäften, Schulen und Kindergärten etc.)
trugen mutmaßlich dazu bei. Wärmere Temperaturen im Rahmen der jahreszeitlichen Schwankungen
können ebenfalls zu einer reduzierten Transmissionshäufigkeit beigetragen haben [14 ]
[15 ], wie dies für die Influenza bekannt ist, die saisonal in den Wintermonaten der nördlichen
bzw. südlichen Hemisphäre auftritt [16 ]. Die im Vergleich reduzierte Infektionsaktivität spiegelt sich auch darin wider,
dass deutlich mehr Mitarbeiter vor Beginn unserer Untersuchung positiv auf SARS-CoV-2-RNA
getestet wurden (n = 16) als im Rahmen der Studie (n = 3).
Zudem haben wahrscheinlich auch die hausintern getroffenen Maßnahmen am St.-Antonius-Krankenhaus
Eschweiler zu einer niedrigen Infektionsrate unter der Belegschaft geführt. Das waren
im Einzelnen:
Rasche Etablierung, flächendeckende Umsetzung und strenge Überwachung der Hygieneregeln,
in einem mittelgroßen Krankenhaus vermutlich leichter umsetzbar als in großen Häusern;
z. B. frühe Einführung der MNS-Pflicht für alle Mitarbeiter.
Frühe Schaffung einer separierten COVID-19-Isolierstation, hier neben Isolation auch
Kohortierung von Verdachtsfällen. Somit bestanden von Beginn an 3 klar definierte
Risikobereiche: Notaufnahme, Isolierstation und Intensivstation.
Frühe Einrichtung einer Beratungsmöglichkeit für alle Mitarbeiter („Corona (-Sorgen)-Telefon“
mit Verfügbarkeit 24 h an 7 Tagen pro Woche) durch das Qualitätsmanagement und die
Betriebsmedizin. In diesem Rahmen erfolgten neben psychologischer Betreuung und individueller
Beratung nach Rücksprache mit der Betriebsmedizin auch eine Kontaktnachverfolgung
und ein telefonisches Screening (Symptome, Kontakt-/Indexperson, Aufenthalt in Risikogebieten).
Individuelle betriebsmedizinische Betreuung mit Einrichtung einer hausinternen „Abstrichambulanz“
und Abstrichentnahme bei allen Verdachtsfällen mit Quarantäne, falls erforderlich;
Versetzung von Schwangeren in Niedrigrisikobereiche (kein direkter Patientenkontakt,
Homeoffice) und ggf. Arbeitsbefreiung; Forderung eines negativen Abstrichs nach Ende
einer Quarantäne und bei Reiserückkehrern, was über die Anordnungen des lokalen Gesundheitsamtes
hinausging.
Frühzeitige und wiederholte Schulungen durch die Krankenhaushygiene mit einheitlichem
und konsentiertem Inhalt zu den Themen Basishygiene und Umgang mit persönlicher Schutzausrüstung
insbesondere in den Hochrisikobereichen Intensivstation, Notaufnahme und Isolierstation.
Wöchentliche Online-Fortbildung (Schaffung eines Sammelaccounts für alle Mitarbeiter)
und Information aller Mitarbeiter mittels Newsletter (Entwicklung der internationalen
und nationalen Fallzahlen, aktuelle Studien, aktuelle Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts,
regionale Empfehlungen und hausinterne Beschlüsse des Krisenstabs).
Zuletzt ist es nicht auszuschließen, dass es durch eine fehlerhafte Entnahme oder
Verarbeitung der Nasopharyngealabstriche zu falsch negativen Ergebnissen der PCR gekommen
sein kann. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass Nasopharyngealabstriche zur Diagnose
einer SARS-CoV-2-Infektion zumindest im Vergleich zu oropharyngealen Abstrichen sensitiver
sind [17 ]. Zudem ist bekannt, dass ein Abstrich der oberen Atemwege negativ ausfallen kann,
insbesondere bei schweren Verläufen mit SARS-CoV-2-Pneumonie [18 ]. Die höchste SARS-CoV-2-Konzentration in den oberen Atemwegen findet sich mehrheitlich
in der Zeit kurz vor bis nach Symptombeginn [19 ]
[20 ].
Serologie
Bei 40 (3,3 %) Mitarbeitern wurde IgG gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen, bei 27 (2,2 %)
sowohl IgG als auch IgA. Bei 107 (8,8 %) Mitarbeitern war IgA nachzuweisen. In einer
Studie an 316 Mitarbeitern der Uniklinik Essen wurde zwischen dem 25.03.2020 und 21.04.2020
in 5 (1,6 %) Fällen IgG nachgewiesen [21 ]. Der niedrigere Anteil im Vergleich zu den von uns erhobenen Daten ist wahrscheinlich
darauf zurückzuführen, dass die Untersuchung zu einem früheren Zeitpunkt in der Pandemie
stattfand. In einer weiteren Studie in Spanien fand sich bei 578 Mitarbeitern der
Universitätsklinik Barcelona zwischen dem 28.03.2020 und 09.04.2020 bei 44 (7,6 %)
IgG gegen SARS-CoV-2 [12 ]. Zur besseren Einordnung der vorliegenden Ergebnisse sind weitere Erhebungen wünschenswert.
Der Stellenwert der Serologie bei SARS-CoV-2 ist noch unklar. Dies betrifft Sensitivität
und Spezifität ebenso wie den Zeitraum der Nachweisbarkeit spezifischer Antikörper
nach Infektion [22 ]
[23 ]. Die Spezifität von IgA für SARS-CoV-2 ist gering [8 ]
[24 ], und es wird diskutiert, dass ein isolierter Nachweis von IgA eine Kreuzreaktion
auf andere Coronaviren, welche in der Population zirkulieren und banale Erkältungen
auslösen, darstellt [25 ].
Es gibt Hinweise, dass asymptomatisch Infizierte seltener eine messbare Antikörperantwort
entwickeln [26 ]. Zudem können falsch positive Ergebnisse im Rahmen einer Kreuzreaktivität der eingesetzten
Serologie auf andere Coronaviren vorkommen [25 ]. Es existieren zwar Hinweise, dass der Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2
mit einer Immunität einhergeht [27 ], über Dauer und Robustheit einer Immunität besteht aber noch Unklarheit [28 ].
Im Vergleich zu positiv Getesteten (PCR und/oder IgG) berichteten Mitarbeiter mit
isoliertem IgA-Nachweis signifikant seltener COVID-19-typische Symptome. Obgleich
die Gruppengrößen relativ klein waren, unterstützen diese Ergebnisse die Beobachtung,
dass ein isolierter IgA-Nachweis die Diagnose von COVID-19 nicht rechtfertigt.
Limitationen und Stärken
Die vorliegende Studie hat einige Limitationen. So ergab sich bei lediglich 47 von
1212 Mitarbeitern anhand von PCR oder Serologie ein relativ sicherer Anhalt für eine
SARS-CoV-2-Infektion, sodass weiterführende Zusammenhangsanalysen nicht möglich waren.
Aufgrund der kleinen Fallzahlen ist es wahrscheinlich, dass bestehende Zusammenhänge
nicht detektiert werden konnten.
Mitarbeiter, die bei Kontakt mit einem COVID-19-Fall einen MNS trugen, wurden zwar
häufiger negativ getestet, aber ein statistisch begründeter, protektiver Effekt kann
mit dieser Untersuchung nicht gegeben werden. Andere Studien dagegen geben Hinweise,
dass das Tragen eines MNS Infektionen mit SARS-CoV-2 verhindern kann [29 ]
[30 ].
Die hohe Responserate und somit die beinahe vollständige Erfassung aller Mitarbeiter
eines Krankenhauses erlauben eine gute Beschreibung des Infektionsgeschehens bei den
Beschäftigten.
Ausblick und Fazit
Wir planen Wiederholungsuntersuchungen nach 3, 6 und 12 Monaten, um weitere Erkenntnisse
über die Verbreitung von SARS-CoV-2 und die Dynamik der Antikörperantwort bei den
Beschäftigten über den Zeitverlauf zu gewinnen.
3,9 % der Mitarbeiter eines Krankenhauses der Regel-/Schwerpunktversorgung wurden
im Zeitraum vom 27.04.2020 bis 20.05.2020 mittels PCR und/oder Serologie positiv auf
SARS-CoV-2 getestet. Der Anteil war geringer als erwartet; mögliche Gründe finden
sich neben der noch relativ geringen Durchseuchung der Bevölkerung in den umfangreichen,
einheitlichen hausinternen Präventionsmaßnahmen. Im Rahmen der geplanten Wiederholungsuntersuchungen
rechnen wir mit einem Anstieg positiv Getesteter. Mitarbeiter mit isoliertem IgA-Nachweis
gaben signifikant seltener COVID-19-typische Symptome an – dies unterstützt die Hinweise,
dass ein isolierter IgA-Nachweis die Diagnose von COVID-19 nicht rechtfertigt.
3,9 % der Mitarbeiter eines Krankenhauses der Regel-/Schwerpunktversorgung wurden
positiv auf SARS-CoV-2 getestet.
Die häufigsten genannten Symptome waren Kopfschmerzen (56 %), Müdigkeit (49 %), Halsschmerzen
(49 %) und Husten (46 %); Fieber wurde in 33 % berichtet.
Positiv getestete Mitarbeiter gaben signifikant häufiger Kontakt zu einem COVID-19-Fall
an (60,5 % vs. 37,3 %; p = 0,006).
Mitarbeiter mit isoliertem IgA-Nachweis gaben seltener COVID-19-typische Symptome
an.