Schlüsselwörter
Hypoglossus-Stimulation - Obstruktive Schlafapnoe - Neurostimulation - CPAP-Versagen
- Schlafendoskopie
Key words
hypoglossal nerve stimulation - obstructive sleep apnea - neurostimulation - CPAP
failure - sleep endoscopy
Einleitung
Die Stimulation des Nervus hypoglossus (HNS) zur Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe
(OSA) hat seit der ersten Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Schlafmedizin der
Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO)
und ihrer Taskforce Neurostimulation [1] einen festen Stellenwert erhalten. In den vergangenen Jahren hat sich die Datenlage
zu diesem Verfahren verfestigt, und es können solidere Aussagen zu Patientenselektion,
Implantationstechnik, Versorgungspfaden, Langzeiterfahrungen und besonderen Therapieaspekten
und Patientenkohorten getroffen werden. Mit diesem Positionspapier, das von der AG
Schlafmedizin der DGHNO und der AG Apnoe sowie der AG Chirurgische Therapieverfahren
der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und -medizin (DGSM) und am 27.11.2020
dem Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und
Hals-Chirurgie e. V. und dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung
und Schlafmedizin e. V. freigegeben wurde, soll die weitere Implementierung dieses
Therapieverfahrens in die deutsche Versorgung definiert werden.
Zielsetzung
Ziele des Positionspapiers sind
-
die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen interdisziplinären Versorgung unabhängig
von Wohnort oder sozioökonomischer Situation,
-
die Sicherung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der interdisziplinären
Versorgung mit der Hypoglossusnerv-Stimulation,
-
die Umsetzung einer evidenzbasierten Indikationsstellung,
-
die Minimierung von Behandlungsrisiken und unerwünschten Behandlungsfolgen sowie
-
die Vermeidung von OSA-assoziierten Komplikationen und Komorbiditäten sowie die Verbesserung
der Lebensqualität bei Patienten mit PAP-Non-Adhärenz.
Verfügbare Stimulationsverfahren
Verfügbare Stimulationsverfahren
Aktuell stehen in Deutschland 3 Stimulationssysteme für die Behandlung von Patienten
mit OSA zur Verfügung. Für eine detailliertere Beschreibung der technologischen Grundlagen
sei auf Übersichten verwiesen [2]
[3].
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) führt in seinen am 05.03.2020 beschlossenen
tragenden Gründen aus: „Weder bezüglich des Wirkprinzips (2.4.1.2) noch des Anwendungsgebiets
(2.4.1.3) konnte ein wesentlicher Unterschied der gegenständlichen Methode gegenüber
einer in der stationären Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweise
festgestellt werden, sodass die Methode (hier der Fa. Nyxoah – Anmerkung der Autoren)
im Ergebnis dieser Prüfung kein neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept aufweist.“
[4].
Atmungsgesteuerte selektive Stimulationstherapie des Nervus hypoglossus (Fa. Inspire
Medical Systems)
Bei der atmungsgesteuerten Stimulation wird über einen interkostalen Drucksensor das
Atmungssignal detektiert und an den Impulsgenerator weitergeleitet. Dieser gibt daraufhin
unter Berücksichtigung des Atmungszyklus bei Inspiration einen Impuls an die distalen
protrahierenden Fasern des Nervus hypoglossus ab, wodurch ein Verschluss des Atemwegs
verhindert werden soll. Das System erhielt im Oktober 2010 die CE-Kennzeichnung und
wurde im April 2014 von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA sowie im Juni
2018 von der japanischen Aufsichtsbehörde PMDA zugelassen.
Aus vorangegangenen Untersuchungen [5] ergab sich, dass ein vollständiger konzentrischer Kollaps auf Weichgaumenebene in
der medikamenteninduzierten Schlafendoskopie (MISE) mit einem wesentlich höheren Nichtansprechen
einherging. Da ein solcher komplett konzentrischer Weichgaumenkollaps in 20–25 % der
Schlafapnoe-Patienten mit CPAP-Unverträglichkeit auftritt [6]
[7], muss dieses Muster explizit präoperativ mittels MISE ausgeschlossen werden. Daten
aus einer Studie mit einem anschließenden randomisierten Therapieentzug [7] zeigten ein gutes Therapieansprechen im Falle eines BMI < 32 kg/m2 und eines AHI zwischen 20 und 50/h. Ergebnisse von multizentrischen internationalen
Kohorten- und Registerstudien, also nichtrandomisierten Studien, zeigen jedoch, dass
die Indikationskriterien weiter gefasst werden müssen (AHI zwischen 15 und 65/h, BMI
bis 35 kg/m²), ohne dass die Erfolgsraten sich verringern und die Nutzung hoch ist
[8]
[9]
[10]
[11]. In Analysen der Registerstudie ADHERE wird die Rate von Komplikationen bzw. unerwünschten
Ereignissen mit 2 bzw. 6 % angegeben [9]. Weitere Untersuchungen an Patienten mit einem BMI zwischen 32 und 35 kg/m² zeigten
ein genauso gutes Ansprechen auf die Therapie wie unter 32 kg/m² [12].
Bei Implantation wird zur Positionsoptimierung der Stimulationssonde mittels Neuromonitoring
der Anteil des N. hypoglossus identifiziert, der für die Protrusion der Zunge und
für die Mundbodenaktivierung relevant ist [13]
[14]
[15]. Vier Wochen nach der Implantation wird die Stimulation erstmals im Wachzustand
aktiviert, damit der Patient sich daran gewöhnen kann. Acht Wochen nach der Implantation
wird polysomnografisch die Feinjustierung der Stimulation im Schlaflabor vorgenommen,
sodass eine maximale Reduktion der Atmungsstörungen erreicht wird. Ab diesem Zeitpunkt
sollten jährliche klinische und polygrafische Kontrollen erfolgen. Bei Bedarf ist
eine neue individuelle Anpassung der Stimulation unter polysomnografischen Bedingungen
notwendig. Der Impulsgenerator enthält eine Lithium-Primärzelle, welche nach etwa
10 Jahren erschöpft ist und dann ausgetauscht werden muss.
Kontinuierliche Stimulationstherapie des Nervus hypoglossus (Fa. LivaNova, früher
ImThera Medical)
Bei der kontinuierlichen Stimulation wird auf die Respirationsdetektion verzichtet.
Die Stimulationssonde besitzt vielmehr 6 ringförmig angeordnete Kontakte, welche jeweils
einzelne Faseranteile des gesamten N. hypoglossus abwechselnd stimulieren sollen.
Sie wird daher am Hauptstamm des N. hypoglossus angebracht. Der Impulsgenerator wird
unterhalb des Schlüsselbeins implantiert. Nach 4–6 Wochen erfolgt die polysomnografische
kontrollierte Einstellung des Systems. Dabei soll durch die Auswahl der den Atemweg
am besten stabilisierenden Kontakte und deren alternierende Aktivierung mit der notwendigen
Impulsstärke über eine Tonisierung des oberen Luftwegs eine Normalisierung der nächtlichen
Atmung erreicht werden. Der Impulsgenerator enthält einen Akkumulator, welcher regelmäßig
aufgeladen werden muss. Die Lebensdauer des Impulsgenerators wird durch den Hersteller
mit 15 Jahren angegeben. Im Gegensatz zum atmungsgesteuerten Stimulationssystem ist
eine Schlafendoskopie zur Indikationsstellung nicht notwendig [16]
[17]. Das ImThera-Medical-aura6000-System erhielt im März 2012 die CE-Kennzeichnung.
Eine FDA-Zulassungsstudie („THN3“) wird aktuell durchgeführt.
Bilaterale, kontinuierliche Hypoglossusnerv-Neurostimulation (Fa. Nyxoah S. A.)
Im Unterschied zu den beiden vorab beschriebenen Verfahren handelt es sich beim Nyxoah-Genio-SystemTM um einen teilimplantierbaren Neurostimulator, bei dem die Stimulationselektroden
in Form von Klappkontakten bilateral auf den Hypoglossusnerven platziert werden [18]. Durch eine distale Positionierung auf den Endästen der Nerven wird eine Protrusion
der Zunge und damit eine Öffnung des Atemwegs erreicht werden, ähnlich der selektiven
Stimulation. Eine Einheit zur Steuerung und Energieabgabe wird extern über ein Pflaster
jeweils vor dem Zubettgehen angebracht. Die Energieabgabe erfolgt dann transkutan
an die implantierte Stimulationselektrode. Die Stimulation erfolgt phasisch und asynchron
und wird ebenfalls unter polysomnografischer Kontrolle nach erfolgter Einheilung individuell
eingestellt. Die externe Steuereinheit („Aktivierungschip“) wird täglich über eine
USB-Ladestation aufgeladen. Vor der Behandlung muss ein vollständiger konzentrischer
Kollaps auf Weichgaumenebene mittels MISE ausgeschlossen werden. Das Nyxoah-Genio-System
erhielt im März 2019 die CE-Kennzeichnung. Aktuell läuft eine FDA-Zulassungsstudie
(„DREAM“-Study) an 22 Zentren.
Evidenzlage
Hinsichtlich der klinischen Evidenz zur Hypoglossusnerv-Stimulation sollte aufgrund
unterschiedlicher Verfahrensweisen der verschiedenen Stimulationssysteme sowie unterschiedlicher
technischer Reife eine differenzierte Betrachtung erfolgen.
So liegen für die atmungsgesteuerte Hypoglossusnerv-Stimulation über 100 Veröffentlichungen
aus einem Nachsorgezeitraum von bis zu 60 Monaten vor. Basis der Marktzulassungen
waren Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit der HNS, die in den Jahren 2010–2013
in Europa und den USA durchgeführt wurden. Als Studie mit dem höchsten Evidenzgrad
ist die STAR-Studie zu nennen, die als kontrollierte Untersuchung die Sicherheit und
Wirksamkeit in einer selektierten Population von 126 Patienten mit mittel- bis schwergradiger
OSA über einen Nachsorgezeitraum von 5 Jahren evaluierte [7]
[19]
[20]
[21]. Bei dieser Studie handelt es sich um eine Kohortenstudie mit randomisiertem Therapieentzug
von selektierten Kohorten-Studienteilnehmern. Aktuell sind die Ergebnisse einer randomisierten
kontrollierten Therapieentzugsstudie mit 89 Probanden (EFFECT) in der Begutachtung,
bei der im untertherapeutischen Stimulationsbereich ein Wiederauftreten der Tagesschläfrigkeit
und des Schweregrads im AHI aufgezeigt wird [22]. In weiteren Kohortenstudien konnten zudem die Sicherheit und Wirksamkeit des Verfahrens
in der Routineversorgung bestätigt werden [8]
[23]
[24]
[25], wobei sich die Ergebnisse in den 2- und 3-Jahres-Kontrollen stabil zeigten [24]. Für das deutsche Versorgungssystem liegen zudem monozentrische 4-Jahres-Daten vor
[25]. Die Anwendung der Stimulationstherapie kann bei Respondern zu einer Normalisierung
der schlafbezogenen Lebensqualität führen, und die Patientenzufriedenheit bei Versorgung
mit atmungsgesteuerter Stimulation ist als hoch anzusehen [26]
[27]. Patientenalter und Voroperationen am oberen Atemweg beeinflussen die Wirksamkeit
des Verfahrens nicht [28]
[29]. In ersten retrospektiven Vergleichsstudien zeigte sich eine deutliche Überlegenheit
der atmungsgesteuerten Stimulation gegenüber chirurgischen Interventionen am oberen
Atemweg [30]
[31]
[32]. In ersten Untersuchungen konnten zudem weitergehende Effekte auf den Glukosemetabolismus
und die Herzfrequenzvariabilität nachgewiesen werden [33]
[34]. Mit einer prospektiven Vergleichsstudie im Sinne eines Wartearm-Designs konnte
im direkten Vergleich von grundsätzlich qualifizierten Implantationskandidaten ein
klarer Therapieeffekt gegenüber Nichtbehandlung gezeigt werden [11].
Für die kontinuierliche Hypoglossusnerv-Stimulation mit dem ImThera-System liegen
erste Ergebnisse aus prospektiven Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit vor, die
eine Reduktion des OSA-Schweregrads dokumentieren [16]
[35]. Ende 2020 werden die Ergebnisse einer aktuell in Europa und den USA durchgeführten
randomisiert-kontrollierten Studie mit 135 Patienten (THN3) erwartet.
Das Nyxoah-Genio-System wurde bisher in 2 kleineren Fallserien im Rahmen der Produktentwicklung
untersucht. Ergebnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit aus einer Machbarkeitsstudie
an 27 Patienten mit einer Nachverfolgung von 6 Monaten wurden Ende 2019 veröffentlicht,
die das vorhandene Potenzial des Verfahrens zeigen konnten [18].
Indikationsstellung
Beurteilung PAP-Non-Adhärenz
Entscheidend für ein gutes Therapieansprechen ist bei der Hypoglossusnerv-Stimulation
eine genaue Evaluation der Kandidaten. Aktuell wird die Behandlung regelhaft als Zweitlinientherapie
nach einer Überdruckbeatmung (Positive Airway Pressure, PAP) durchgeführt. Daher sind
neben einer Evaluation auf Eignung für die Stimulationstherapie auch die Gründe der
Non-Adhärenz der Erstlinientherapie PAP im Screening darzulegen. Bei Vorliegen von
Kontraindikationen zur PAP-Therapie müssen diese vor dem Einsatz der Stimulationstherapie
ebenfalls entsprechend dokumentiert werden [36]. Sinnvollerweise erfolgt neben der Erörterung der Optimierungsmaßnahmen auch die
generelle Abwägung von anderen Behandlungsmaßnahmen.
Interdisziplinärer Entscheidungsprozess unter Verantwortung der implantierenden Klinik
Die Versorgung mit der Hypoglossusnerv-Stimulation erfolgt in der Regel in interdisziplinären
Behandlungsteams, bestehend aus HNO-Heilkunde und Schlafmedizin. Für eine gute Patientenversorgung
mit entsprechendem Therapieansprechen und hoher Nutzung sind ein standardisierter
Behandlungsablauf und eine gute Kommunikation der verschiedenen Beteiligten unabdingbar.
Somit müssen gewisse Anforderungen an Behandlungszentren gestellt werden (s. Punkt
6, [Tab. 1]).
Tab. 1
Strukturelle Anforderungen an ein Behandlungszentrum.
|
chirurgisches Team, erfahren in Kopf- und Halschirurgie und 24h-Bereitschaft
|
|
schlafmedizinisches Team, erfahren in der Versorgung von Patienten mit obstruktiver
Schlafapnoe
|
|
Erfahrung in der endoskopischen Beurteilung von anatomischen Auffälligkeiten des oberen
Atemwegs (insbesondere Nasopharynx, Velopharynx, Oropharynx inkl. Tonsillen, Zungenbasis,
Hypopharynx und Epiglottis)
|
|
Kenntnisse in der Auswertung und Interpretation schlafmedizinischer Diagnostik; Möglichkeit
zur Durchführung von Polygrafien oder Polysomnografien, ggf. in Kooperation im multidisziplinären
Team
|
|
Kenntnisse in der Durchführung der medikamenteninduzierten Schlafvideoendoskopie und
der Interpretation der Befunde hinsichtlich Eignung für die Hypoglossusnerv-Stimulation
|
|
Durchführung der Implantation mithilfe einer optischen Vergrößerung sowie intraoperativem
Neuromonitoring nach Training und Zertifizierung durch die Herstellerfirmen
|
|
Gewährleistung einer adäquaten postoperativen Überwachung bei erhöhtem postoperativem
Risiko bei Patienten mit mittel- bis schwergradiger OSA, niederschwelliger Zugriff
auf eine Intermediate Care Unit und/oder Intensivstation
|
|
Aktivierung und Titration der Patienten mit qualifizierten technischen Assistenten
|
|
Vorhalten von Ressourcen für die langfristige Nachbetreuung der Patienten, die mit
einem Stimulationssystem versorgt wurden, ggf. in Kooperation mit zuweisenden Schlaflaboren
und niedergelassenen Ärzten
|
|
Erfahrung in der Durchführung der transnasalen Endoskopie zur postoperativen Optimierung
der Stimulation
|
|
zeitnahe Erreichbarkeit für implantierte Patienten
|
|
Leitung des Implantationszentrums idealerweise durch einen HNO-ärztlichen Kopf-Hals-Chirurgen
mit schlafmedizinischer Expertise (BUB-Kurs, Zusatzbezeichnung Schlafmedizin und/oder
Qualifikationsnachweis Somnologie DGSM)
|
Idealerweise finden Vorgespräch, Schlafendoskopie, Implantation und Therapieeinstellung
sowie Kontrollen in einer HNO-Klinik mit schlafmedizinischer Expertise oder innerhalb
eines schlafmedizinischen Zentrums unter Führung des implantierenden Arztes statt.
Eine Behandlung kann darüber hinaus auch in standortübergreifenden Teams durchgeführt
werden, wenn Verantwortlichkeiten und Kommunikation vorher definiert wurden und regelmäßig
gemeinsame Besprechungen der Patienten stattfinden. In jedem Fall hat die implantierende
Klinik eine zentrale Rolle und Verantwortung bei der Patientenidentifikation und Therapieeinstellung
und sollte somit in der Lage sein, schlafmedizinische Befunde und die Dokumentation
der PAP-Non-Adhärenz interpretieren zu können.
Die medikamenteninduzierte Schlafendoskopie spielt eine zentrale Rolle in der Evaluation
der Eignung spezieller Therapiealternativen, insbesondere in Bezug auf die atmungsgesteuerte
Neurostimulation [5]
[6]. Dabei kann die Eignung eines Patienten zur Hypoglossusnerv-Stimulation überprüft
werden sowie generelle Behandlungsalternativen bei PAP-Non-Adhärenz oder PAP-Non-Compliance
beleuchtet werden [36]. Entsprechend muss innerhalb des Behandlungsteams entsprechende Expertise in der
Durchführung und Beurteilung der Schlafendoskopie vorhanden sein. Zur Infrastruktur
und Technik der Durchführung der Schlafendoskopie soll an dieser Stelle auf die einschlägige
Literatur verwiesen werden [37]
[38].
Bei externen Zuweisungen sind Standards für die Durchführung der präoperativen Diagnostik
zu vereinbaren und deren Einhaltung regelmäßig zu kontrollieren. Wird die Therapieeinstellung
nicht durch das implantierende Zentrum durchgeführt, so sind die entsprechenden Kontrollen
verantwortungsvoll zu übertragen, um auch ggf. bei technischen Problemen frühzeitig
zu intervenieren. Daher steht die implantierende Klinik im Mittelpunkt der Therapieverantwortung
und ist bei Therapieproblemen Hauptansprechpartner. Ergebnisse der Behandlung sollen
in den regelmäßigen gemeinsamen Besprechungen evaluiert und diskutiert werden.
Die Patientenaufklärung sollte anhand zertifizierter Aufklärungsbögen erfolgen und
muss durch einen Arzt der die Implantation durchführenden Fachabteilung erfolgen.
Leitlinie
Zur Hypoglossusnerv-Stimulation zur Behandlung der OSA liegt die aktuelle Leitlinienempfehlung
der Fachgesellschaft DGSM e. V. aus dem Jahr 2020 vor.
S3-Leitlinie „Nicht-erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ – Teilaktualisierung Kapitel
„Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“
Basierend auf der zum Zeitpunkt der Leitlinienerstellung verfügbaren Literatur, primär
zur atmungsgesteuerten Stimulationstherapie, empfiehlt die S3-Leitlinie, dass Neurostimulationsverfahren
bei Patienten mit CPAP-Unverträglichkeit bzw. -ineffektivität mit einem AHI 15–65/h
und einem BMI bis 35 kg/m2 sowie bei fehlenden anatomischen Auffälligkeiten und mittel- bis schwergradiger OSA
erwogen werden sollten (Evidenzlevel 1b, Empfehlungsgrad B, einstimmiger starker Konsensus)
[39].
Klinische Praxis
Die Hypoglossusnerv-Stimulation wird aktuell in Deutschland in ca. 35 Schwerpunktkliniken
mit entsprechender Infrastruktur und Zertifizierung durch die Herstellerfirmen durchgeführt.
In der Routineversorgung erfolgt die Behandlung mit der Hypoglossusnerv-Stimulation
bei Patienten mit OSA in der Regel gemäß den folgenden Kriterien:
-
Apnoe-Hypopnoe-Index 15–65/h
-
Body-Mass-Index ≤ 35 kg/m2
-
Anteil zentraler Apnoen am Gesamt-AHI ≤ 25 %
-
Ausschluss konzentrischer Kollaps auf Höhe des Weichgaumens mittels medikamenteninduzierten
Schlafendoskopie bei Verwendung der atmungsgesteuerten und bilateralen Hypoglossusnerv-Stimulation
-
PAP-Non-Adhärenz, Non-Compliance gemäß Punkt 4
-
Nichtvorliegen von neuromuskulären Erkrankungen
-
Vorliegen entsprechender Patientenmotivation
Anforderungen an Behandlungszentren
Anforderungen an Behandlungszentren
Die Behandlung mittels Hypoglossusnerv-Stimulation soll in Schwerpunktzentren mit
schlafmedizinischer Expertise und entsprechender Infrastruktur erfolgen. Versorgungspfad
und Verantwortlichkeiten sollen bei Initiierung des Behandlungsprogramms definiert
und regelmäßig auf Effektivität überprüft werden.
Strukturelle Anforderungen zur Durchführung der Behandlung
Die folgenden strukturellen Anforderungen sollen von den Zentren erfüllt werden. Sie
dienen der Sicherstellung einer hohen Prozess- und Ergebnisqualität und der Minimierung
von Behandlungskomplikationen ([Tab. 1]).
Nachsorge bereits implantierter Patienten
Von besonderer Bedeutung ist die Sicherstellung einer langfristigen Versorgung der
Patienten mit einem Hypoglossusnerv-Stimulationssystem. Die Nachsorge kann prinzipiell
sowohl in der implantierenden Klinik als auch im Schlaflabor sowie ggf. bei niedergelassenen
Fachärzten mit entsprechender schlafmedizinischer Qualifikation durchgeführt werden.
Das Behandlungszentrum, in dem die Implantation durchgeführt wird, muss eine zeitnahe
Erreichbarkeit im Falle von technischen Komplikationen sicherstellen. Es wird empfohlen,
eine regelmäßige Sprechstunde zur Betreuung von Patienten mit implantiertem Hypoglossusnerv-Stimulationssystem
einzurichten. Bei Nachbetreuung außerhalb des Zentrums muss dieses durchgehend über
den weiteren Verlauf zwecks Qualitätssicherung informiert werden (siehe 6.).
Qualitätssicherung und Versorgungsforschung
Qualitätssicherung und Versorgungsforschung
Zur Sicherstellung einer hohen Behandlungsqualität sollen Zentren, die Behandlungen
mit der Hypoglossusnerv-Stimulation durchführen, Therapieeffekte konsequent dokumentieren
und regelmäßig auswerten ([Tab. 2]). Hierzu sind neben Post-Market-Studien der Herstellerfirmen auch unabhängige Analysen
gefordert, die von den Behandlungszentren unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben
erhoben werden. Als minimale Variablen sollten Patienten-, Effekt- und Nutzungsaspekte
dokumentiert werden.
Tab. 2
Empfohlene Variablen zu Patienten-, Effekt- und Nutzungsaspekten in der Nachsorge.
|
Variable
|
Präimplantation
|
Implantation
|
Posttitration
|
12-Monats-Kontrolle
|
|
anthropometrische Daten (Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht)
|
X
|
|
X
|
X
|
|
Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI)
|
X
|
|
X
|
X
|
|
Oxygen-Desaturation-Index (ODI 4 %)
|
X
|
|
X
|
X
|
|
Epworth-Sleepiness-Scale (ESS)
|
X
|
|
X
|
X
|
|
Nebenwirkungen und Komplikationen
|
|
X
|
X
|
X
|
|
Therapieadhärenz (Nutzungsstunden pro Nacht)
|
|
|
X
|
X
|
Die HNS zur Behandlung der OSA besitzt als Zweitlinientherapie nach PAP-Versagen einen
mittlerweile gut charakterisierten und durch Leitlinien gefestigten Stellenwert. Zu
beachten ist, dass die vorhandenen 3 Systeme sich in der technischen Ausgestaltung
des ähnlichen Grundprinzips, Indikationsstellung und vor allem Evidenz teilweise deutlich
unterscheiden. Mit der implantierenden Klinik in der Hauptverantwortung kann dieses
Verfahren sehr gut interdisziplinär eingesetzt und nachgesorgt werden, wobei Qualitätsanforderungen
im gesamten Betreuungsprozess zu fordern sind.