Aktuelle Dermatologie 2021; 47(04): 146
DOI: 10.1055/a-1334-6379
Derma-Fokus
Buchbesprechung

„… ich bin ganz einfach Fontane“. Der Dichter als Mensch

Das Buch beschreibt Leben und Werk des Apothekers, Journalisten, Theaterkritikers, Schriftstellers, Dichters und Romanciers Theodor Fontane aus Anlass der Wiederkehr seines 200. Geburtstages (30. 12. 1819–20. 9. 1898).

Einleitend werden Kindheit und Jugend des in einer Apothekerfamilie geborenen und selbst zum Apotheker ausgebildeten Theodor Fontane geschildert. Apotheker war damals ein Lehrberuf, ähnlich dem eines Handwerkers. Während seiner Lehrzeit verfasste Fontane bereits literarische Beiträge für Zeitungen. Seine stilistische Entwicklung förderte er durch Lektüre literarischer Zeitschriften, die damals in Apotheken für die gebildete Kundschaft auslagen. Sein Lehrherr Wilhelm Rose diente Fontane später als Prototyp und Romanvorlage des gewinnsüchtigen „Bourgeois“.

1841 kam Fontane als Apothekergehilfe in Leipzig als Besucher des Herwegh-Klubs mit Intelektuellen und der Literatur des „Vormärz“ in Berührung. Schon frühzeitig zeigte sich hier ein lebenslanger Wesenszug Fontanes zu Freundschaften, den Holzegel auch später an Beispielen (der Offizier Bernhard von Lepel, der Jurist Georg Friedlaender, der Arzt Dr. James Morris u.a.) aufzeigt und der sich etwa in etwa 5800 Briefen niederschlägt.

Da Fontane das Geld für eine eigene Apotheke fehlte und er seine literarische Neigung zum Beruf machte, verließ er mit 30 Jahren seinen erlernten Beruf. Die Einkünfte als Schriftsteller waren diskontinuierlich, erlaubten aber 1850 die Heirat mit seiner langjährigen Verlobten Emilie Rouanet-Kummer. Die Geburt von 7 Kindern (3 starben frühzeitig) zwischen 1851 und 1864 und Alimentenzahlungen für 2 voreheliche Kinder Fontanes waren eine finanzielle Herausforderung. Es verwundert daher nicht, dass Fontanes Kündigung von zwei gut bezahlen Posten hinter dem Rücken seiner Ehefrau zu folgenschweren Auseinandersetzungen führten. Im Fall der prestigeträchtigen und hoch dotierten Stelle des Ersten Sekretärs der Preußischen Akademie der Künste, die Emilie das erste und einzige Mal mit Stolz auf ihren Mann erfüllt haben soll, war der Schaden irreversibel. Der bezahlte zweite Englandaufenthalt Fontanes von September 1855 bis Januar 1859, die Redakteurszeit von 1860 bis 1870 bei der konservativen preußischen „Kreuz“-Zeitung und die Tätigkeit als Theaterkritiker der „Vossischen Zeitung“ von 1870 bis 1890 bedeuteten ein sicheres Einkommen, wobei er als Kritiker dem jungen Gerhart Hauptmann zum künstlerischen Durchbruch als Naturalist verhalf.

Mit Dr. Holzegel erleben wir Fontane als weitgereisten Mann und Reiseschriftsteller, dessen Reisen ihren Niederschlag in zahlreichen Büchern fanden („Ein Sommer in England“, „Wanderungen durch die Mark-Brandenburg“ u. a.), aber auch Gefahren bedeuteten, wie die Verhaftung 1870 in Frankreich, als er der Spionage hinter den Linien des deutsch-französischen Krieges verdächtigt wurde.

Es erstaunt, dass Fontane sein Romandebüt („Vor dem Sturm“) erst mit fast 60 Jahren erlebte. „Effi Briest“ begründete seinen Weltruhm. Als Fontanes bekannteste Gedichte nennt Dr. Holzegel „John Maynard“ und „Das Trauerspiel von Afghanistan“.

Es wird in Dr. Holzegels Buch deutlich, dass Fontane trotz seines immensen Fleißes oft Mühe hatte, seine Familie zu ernähren. Seine damaligen Kollegen und Konkurrenten, zu denen der erste deutsche Literatur-Nobelpreisträger von 1910, Paul Heyse, und Theodor Storm gehörten, waren seinerzeit populärer als Fontane, sind aber heute, bis auf Storm, weitgehend vergessen.

Fontane war, wie Herr Holzegel zeigt, gegenüber seinen Mitmenschen mit Ausnahme seiner einzigen Tochter Martha („Mete“) indifferent, zuerst Literat, in zweiter Linie Ehemann und Vater. Er beurteilte dieselben Ereignisse und Personen oft gegensätzlich, lehnte z. B. als liberaler Demokrat Bismarck ab und bewunderte ihn andererseits als konservativer Preuße.

Fontane war wie ein Sanguiniker, unruhig und sensibel und legte sich alles zum Guten aus, um im Gleichgewicht zu bleiben. Er litt an einer übersteigerten Abneigung gegen schlechte Gerüche und „Ausdünstungen“. Häufig plagten ihn Zahnschmerzen, und mit 40 Jahren besaß er keine Zähne mehr. Mit Anfang zwanzig litt er an Typhus und rheumatischem Fieber. Fontane führte viele Krankheiten auf nervöse Störungen zurück. Sein medizinisches Wissen entsprach dem Kenntnisstand eines Apothekers der Biedermeierzeit. Wahrscheinlich litt Fontane an einer Bradykardie infolge eines AV-Blocks und starb an plötzlichem Herzversagen mit 79 Jahren.

Dr. Holzegel hat über Theodor Fontanes Leben und Werk ein lehrreiches Buch geschrieben, das sich flüssig und spannend liest. 21 Bilder illustrieren den Text. Die verwendete Literatur ist am Schluss des Buches aufgeführt. Der Preis von 18 € ist angemessen.

Ich wünsche dem Buch viele Leser.

Hans-Dieter Göring



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Article published online:
16 April 2021

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