Schlüsselwörter
DMARDs - biologics - disease activity - infections - comorbidity
Key words
DMARDs - Biologika - Krankheitsaktivität - Infektionen - Komorbidität
Einleitung
In den letzten Jahren steht eine zunehmende Anzahl gut wirksamer Therapien mit unterschiedlichen
Wirkmechanismen für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) zur Verfügung.
War früher Methotrexat das Maß aller Dinge, sind heute die Möglichkeiten, im Behandlungsverlauf
alternative Subtanzen einzusetzen, deutlich vielfältiger geworden. Biologische disease
modifying antirheumatic drugs (bDMARDs) haben die Behandlung der RA revolutioniert,
und ein sich schnell entwickelndes Spektrum biologischer Therapien, zu denen jetzt
auch Biosimilars gehören, bietet mehr Auswahl und therapeutische Optionen für RA-Patienten
als je zuvor. Neben konventionell synthetischen (cs)DMARDs und Biologika (bDMARDs)
sind die Janus-Kinase Inhibitoren Baricitinib, Filgotinib, Tofacitinib und Upadacitinib
als targeted synthetic (ts)DMARDs zur Behandlung der RA zugelassen. Mithilfe dieser
zahlreichen Therapieoptionen kann die Entzündungsaktivität der RA heute schneller
und wirksamer unterdrückt werden. Dadurch hat sich das Therapieziel verschoben. Früher
war das Aufhalten der radiologischen Progression der wichtigste Marker, um eine Therapie
als wirksam einzustufen. Heute ist das Erreichen einer vollständigen Remission der
Arthritis, möglichst bevor radiologische Veränderungen eintreten, oberstes Therapieziel.
Kann das nicht erreicht werden, so ist zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität
anzustreben.
Um für den individuellen Patienten das Medikament auszuwählen, das geeignet ist, das
Therapieziel zu erreichen, ist eine Nutzen-Risiko Stratifizierung notwendig. Hierfür
werden unter anderem Charakteristika wie die Höhe der Krankheitsaktivität, das Ausmaß
der Funktionseinschränkungen, Begleiterkrankungen und das Alter der Patienten einbezogen,
denn nicht jeder Patient benötigt ein b oder tsDMARD und nicht jeder Patient verträgt
alle Medikamente gleich gut. Diese Fragen stellen sich im Krankheitsverlauf immer
wieder neu.
Was sagen die Leitlinien?
Was sagen die Leitlinien?
Relativ komplex geworden sind auch die Therapiealgorithmen der deutschen S2e-Leitlinie
zur Therapie der RA mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten und der Empfehlungen
der European League Against Rheumatism (EULAR) zum Management der RA mit cs oder bDMARDs
[1]
[2]. Bei jeder Visite ist zu überprüfen, ob das Therapieziel Remission oder zumindest
eine niedrige Krankheitsaktivität, erreicht ist und, falls nicht, ob der Patient ungünstige
Prognosefaktoren aufweist. Ungünstige Prognosefaktoren umfassen laut Leitlinien eine
hohe Krankheitsaktivität trotz durchgeführter csDMARD-Therapie, hohe Entzündungsparameter,
eine große Anzahl geschwollener Gelenke, der Nachweis von Rheumafaktoren oder anti
citrullinated peptide antibodies (ACPA), Nachweis von Erosionen im frühen Erkrankungsverlauf
und das Versagen von bereits 2 oder mehr csDMARDs [1]
[2]. Anhand dieser Prognosefaktoren wird eine Risikostratifizierung vorgenommen, die
bei Vorliegen eine schnellere Therapieintensivierung mit b/tsDMARDs erlaubt. Limitierend
für diese Auswahl von Risikofaktoren ist, dass mehrere dieser Marker ursprünglich
für das Aufhalten der radiologischen Progression validiert wurden und nicht für das
Erreichen einer Remission [3]. Ist Remission das Therapieziel, sollten frühe Erosionen gar nicht erst entstehen.
Dies bedeutet, dass die Therapie also bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt
intensiviert werden muss.
Parameter zum Stratifizieren des Risikos
Parameter zum Stratifizieren des Risikos
Aufgrund der Veränderung des Therapieziels wurde anhand von Daten aus dem deutschen
Biologika Register RABBIT und der Früharthritiskohorte CAPEA evaluiert, welche Parameter
sich auch zum Abschätzen einer ungünstigen Prognose hinsichtlich des Erreichens einer
Remission bzw. einer niedrigen Krankheitsaktivität eignen. Von den CAPEA Patienten
erreichten nur 39% unter dem ersten csDMARD und in RABBIT 26% unter dem zweiten csDMARD
bzw. 30% unter dem ersten TNF-Inhibitor eine Remission nach 6 Monaten, bemessen am
DAS28. Eine niedrige Krankheitsaktivität wurde von 45–58% der Patienten erreicht.
Dieser Anteil war deutlich geringer, wenn die Patienten eine hohe Krankheitsaktivität,
Funktionseinschränkungen, 2 oder mehr Komorbiditäten aufwiesen oder übergewichtig
waren ([Tab. 1]) [4].
Tab. 1 Risikofaktoren für Nicht-Erreichen von Remission oder niedriger Krankheitsaktivität
nach [4].
Hohe Krankheitsaktivität (DAS28>5,1)
|
Funktionseinschränkungen: HAQ≥1,2 oder FFbH<70
|
≥2 Komorbiditäten
|
Übergewicht (BMI>30kg/m2)
|
DAS28 Disease Activity Score mit 28 Gelenken, HAQ Health Assessment Questionnaire,
FFbH Funktionsfragebogen Hannover, BMI Body Mass Index
|
Hohe Krankheitsaktivität
In den deutschen und internationalen Empfehlungen und Leitlinien ist hohe Krankheitsaktivität
übereinstimmend als Parameter zur Risikostratifizierung enthalten [1]
[2]
[5]. Die Ergebnisse von RABBIT und der CAPEA-Studie bestätigen den hohen Aussagewert
der Krankheitsaktivität für das Erreichen einer Remission. 53% der Früharthritispatienten
aus CAPEA hatten vor Beginn der ersten csDMARD Therapie eine hohe Krankheitsaktivität,
bemessen am DAS28 [4]. In den Empfehlungen des American College of Rheumatology (ACR) von 2015 wird für
die Therapieentscheidung sogar ausschließlich nach Krankheitsaktivität stratifiziert
[5]. Zur Bestimmung der Krankheitsaktivität können neben dem DAS28 auch andere Instrumente
wie der Simplified Disease Activity Index (SDAI) oder der Clinical Disease Activity
Index (CDAI) verwendet werden. Bei letzterem ist ein aktueller Laborwert bei der Visite
nicht unbedingt notwendig.
Funktionseinschränkungen
Eine Einschränkung der Funktionskapazität der Gelenke hat für den Patienten im Gegensatz
zu frühen Erosionen direkte Auswirkungen auf die berufliche und soziale Teilhabe.
Neben CAPEA und RABBIT zeigten sich auch in der französischen Früharthritiskohorte
ESPOIR Funktionseinschränkungen als unabhängiger Prädiktor für das Nichterreichen
von Remission [6]. Funktionseinschränkungen eignen sich gut für die Risikostratifizierung, da sie
mithilfe von Patientenfragebögen wie dem Funktionsfragebogen Hannover (FFbH) oder
dem Health Assessment Questionnaire (HAQ) ohne großen Aufwand identifiziert werden
können [7].
Komorbidität
Begleiterkrankungen werden zunehmend als Risikomarker für den Krankheitsverlauf berücksichtigt.
In den RABBIT-Daten waren es vor allem Patienten mit 2 oder mehr Begleiterkrankungen,
die seltener eine Remission oder niedrige Krankheitsaktivität erreichten [4]. Begleiterkrankungen sind darüber hinaus mit weiteren Faktoren assoziiert, die wiederum
den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflussen. Muskuloskeletale Komorbiditäten wie
Arthrose oder Osteoporose können ihrerseits die physische Funktion beeinflussen, mit
der Folge eingeschränkter Beweglichkeit und verminderter sportlicher Betätigung. Komorbiditäten
gehen meist auch mit zusätzlicher Medikamenteneinnahme einher, die mit den antirheumatisch
wirksamen Substanzen interagieren. Und nicht zuletzt erhöhen Komorbiditäten, insbesondere
wenn sie nicht adäquat behandelt sind, das Risiko von unerwünschten Ereignissen unter
einer Therapie der RA [8]
[9].
In den letzten Jahren ist die Depression als relevante Komorbidität in den Fokus gerückt.
Bezüglich der Therapiewahl ist sie von Bedeutung, weil eine begleitende Depression
bei RA das Therapieziel, die Therapieadhärenz, den Krankheitsverlauf und die Mortalität
beeinflussen kann. Die Wahrscheinlichkeit, eine Remission zu erreichen, ist bei Vorliegen
einer Depression geringer, da diese mit einer höheren Krankheitslast, stärkeren Schmerzen
und einer höheren Zahl schmerzhafter Gelenke assoziiert ist [10]. Bei der Therapiewahl muss bei Patienten mit RA und einer Depression also einerseits
eine ausreichend wirksame Therapie gewählt werden, um die pro-inflammatorische Aktivität
als Trigger der Depression zu senken, andererseits muss das vermeintlich fehlende
Therapieansprechen hinsichtlich der patientenrelevanten Messinstrumente berücksichtigt
werden. Der klinische Befund und die Entzündungsmarker sind hier zur Evaluierung geeignet,
da sie von der Depression weniger beeinflusst sind.
Infektionsrisiko
Bei vergleichbarer Wirksamkeit verschiedener bDMARDs ist das Infektionsrisiko ein
ausschlaggebender Parameter für die Auswahl des am besten geeigneten bDMARD. Verschiedene
Studien haben gezeigt, dass unter Tumor Nekrose Faktor (TNF) Inhibitoren und anderen
Biologika häufiger schwerwiegende Infektionen auftreten als unter csDMARD Therapie
[11]
[12]. Auf der anderen Seite ist eine Exposition gegenüber Biologika bei Beginn einer
schwerwiegenden Infektion signifikant mit einem selteneren Auftreten einer Sepsis
und verminderter Mortalität assoziiert [13]. Relevante Parameter, die das Infektionsrisiko erhöhen, sind höheres Alter, Komorbiditäten,
wiederholte Therapieversagen, schwerwiegende Infektionen in der Anamnese und Medikation
mit Glukokortikoiden [11]. Dosis, Häufigkeit und Dauer der Glukokortikoid-Therapie sind ausschlaggebende Faktoren
bei der Risikostratifizierung bezüglich Infektionen bei RA. Der RABBIT Risiko Score
ist eine Möglichkeit, das individuelle Risiko für den Patienten zu ermitteln [14]. Der Score berechnet die Wahrscheinlichkeit eines Patienten mit RA, innerhalb der
nächsten 12 Monate eine schwerwiegende Infektion zu erleiden. Er ist online frei verfügbar
(https://biologika-register.de/rabbit/risikoscore-fuer-infektionen/) und umfasst die
Parameter, die das Infektionsrisiko relevant beeinflussen ([Tab. 2]).
Tab. 2 Risikofaktoren für schwerwiegende Infektion unter DMARD Therapie nach [14].
Alter>60 Jahre
|
Funktionseinschränkungen: FFbH<70
|
Schwerwiegende Infektion in den letzten 12 Monaten
|
COPD oder andere chronische Lungenerkrankung
|
Chronische Nierenerkrankung
|
Anzahl abgesetzter DMARDs≥5
|
Glukokortikoide≥7,5 mg Tagesdosis
|
DMARD disease modifying antirheumatic drug, FFbH Funktionsfragebogen Hannover, COPD
chronic obstructive pulmonary disease
|
Atemwegs, Haut- und Weichteil-, Urogenital- und Knochen-/Gelenkinfektionen sind die
häufigsten Infektionen, die unter bDMARD Therapien auftreten. Für die meisten schwerwiegenden
Infektionen haben Studien keine relevanten Unterschiede in der Häufigkeit bei den
verschiedenen bDMARDs gezeigt, nachdem für Patientencharakteristika adjustiert wurde
[11]. Daten aus dem britischen Biologikaregister zeigten ein erhöhtes Risiko von schwerwiegenden
Infektion bei mit Tocilizumab behandelten Patienten im Vergleich zu Etanercept [15]. Letztlich bleiben vergleichende Auswertungen des Infektionsrisikos unter verschiedenen
bDMARDs aber schwierig, weil nicht 100%ig für Patientencharakteristika und die unterschiedlichen
Voraussetzungen, die zu einer Therapiewahl geführt haben, adjustiert werden kann.
Es gibt aber ein paar Situationen, die dafür sprechen, bestimmte Wirkstoffgruppen
bevorzugt einzusetzen.
Bei Patienten mit Risikofaktoren für eine latente Tuberkulose (Tbc) ist das Risiko
einer Reaktivierung unter Etanercept geringer als unter Infliximab oder Adalimumab,
sodass in diesem Fall Etanercept die bevorzugte Wahl unter den TNF Inhibitoren ist
[11]. Risikofaktoren für eine latente Tbc sind anamnestische Tbc, Kontakt zu aktiver
Tbc, Geburt oder>dreimonatiger Aufenthalt in Tbc prävalenten Regionen oder Aufenthalt
in Einrichtungen mit erhöhter Tbc Prävalenz.
Das Risiko einer Herpes Zoster Infektion erscheint unter Januskinase Inhibitoren deutlich
erhöht, v. a. wenn zusätzlich Glukokortikoide eingenommen werden [16]. Dies sollte bei der Therapiewahl, vor allem bei Patienten mit erhöhtem Risiko für
eine Herpes zoster Infektion (Herpes zoster Anamnese, hohes Alter, Glukokortikoide>7,5mg/Tag)
berücksichtigt werden.
Möglichkeiten, das Infektionsrisiko zu minimieren und trotzdem ein b/tsDMARD einsetzen
zu können, sind Screening (z. B. auf Tuberkulose und Hepatitis), begleitende antivirale/antibakterielle
Therapie, Impfungen (u. a. gegen Pneumokokken, Influenza, Herpes Zoster) und Patientenaufklärung
bezüglich Risikoverhaltens ([Tab. 3]).
Tab. 3 Risikominimierung von Infektionen unter DMARD Therapie.
Screening auf Hepatitis, Tuberkulose
|
Ggf. antivirale/antibakterielle Therapie
|
Impfung gegen Influenza, Pneumokokken, Herpes Zoster
|
Screening und Therapie kardiovaskulärer Komorbidität
|
Aufklärung bezüglich Risikoverhalten
|
Therapieentscheidung bei Risikokonstellationen
Therapieentscheidung bei Risikokonstellationen
Vorausgegangene schwerwiegende Infektionen
Patienten mit vorausgegangenen schwerwiegenden Infektionen haben ein erhöhtes Risiko
für eine erneute Infektion. Es gibt aber Evidenz, dass bei Patienten, die unter einem
TNF Inhibitor eine schwerwiegende Infektion hatten, das Risiko für eine erneute Infektion
größer war, wenn die Therapie beendet wurde, als wenn der TNF Inhibitor fortgesetzt
oder auf einen anderen Wirkstoff umgestellt wurde [17]. Gleichermaßen ist belegt, dass eine hohe Krankheitsaktivität das Risiko einer Infektion
deutlich erhöht [18].
Kardiovaskuläre Komorbidität
Gleiches gilt für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen. Sie profitieren zweifach
von einer effektiven DMARD-Therapie, da die konsequente Senkung der Krankheitsaktivität
auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse deutlich reduziert. Für Methotrexat
und für TNF Inhibitoren ist eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos in mehreren
Studien nachgewiesen und erste Studien legen eine ähnlich protektive Wirksamkeit für
nicht-TNF-Biologika nahe [19]. Wichtig ist, dass neben einer adäquaten DMARD Therapie auch die kardiovaskuläre
Begleiterkrankung medikamentös eingestellt ist. Zwei Studien aus RABBIT haben gezeigt,
dass sowohl eine hohe Krankheitsaktivität der RA, als auch eine fehlende medikamentöse
Therapie der kardiovaskulären Komorbidität das Risiko für einen Schlaganfall oder
Herzinfarkt deutlich erhöhen [8]
[9]. Bei Patienten mit RA und Herzinsuffizienz ab NYHA-Grad 3 galten alle TNF-Inhibitoren
außer Etanercept lange als kontraindiziert. Die ACR Empfehlungen von 2015 sprechen
sich bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz für eine Bevorzugung von csDMARDS, anderen
bDMARDS oder Tofacitinib gegenüber TNF Inhibitoren aus [5]. Daten aus RABBIT haben gezeigt, dass unter TNF-Inhibitoren in Normaldosierung kein
erhöhtes Risiko bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz besteht, sondern möglicherweise
durch effektive Senkung der Krankheitsaktivität sogar das Risiko reduziert wird [20]. Diese Annahme wurde kürzlich durch eine Metaanalyse bestätigt, wenngleich es weiterhin
einen Mangel an qualitativ hochwertigen Studien zu diesem Thema gibt [21].
Malignomanamnese
Therapieentscheidungen bei Patienten mit Malignomanamnese sind eine Herausforderung.
Da eine unkontrolliert hohe Krankheitsaktivität der RA ein wichtiger Risikofaktor
für weitere Komorbiditäten und eine verkürzte Lebensdauer ist, wird bei anamnestischen
Malignomen eine effektive DMARD Therapie benötigt, ohne dass ein höheres Risiko für
ein Wiederauftreten des Malignoms in Kauf genommen werden muss. Langzeitregisterdaten
deuten inzwischen mehrheitlich darauf hin, dass unter der Behandlung mit TNF Inhibitoren
und Rituximab kein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Krebserkrankung besteht
[22]. Zwei kollaborative Auswertungen europäischer Biologika-Register haben keinen Anhalt
für ein erhöhtes Risiko für Lymphome und Melanome unter bDMARD-Therapie gezeigt [23]
[24]. Bezüglich des Rezidivrisikos vorheriger Malignome unter TNF Inhibitoren und Rituximab
gibt es aus Registerdaten keine Hinweise auf eine Erhöhung [25]
[26], so dass die Patienten entsprechend ihrem klinischen Bedarf behandelt werden sollten
[27]. In der Praxis wird bei Patienten mit vorausgegangenem Malignom Rituximab häufiger
eingesetzt, während der Anteil an Patienten mit anderen bDMARDs mit 1–6% nach einer
aktuellen Auswertung der skandinavischen Register sehr gering ist [28]. Der zurückhaltende Einsatz von bDMARDs kann eine unzureichende Senkung der Krankheitsaktivität
bei vielen Patienten bedeuten und unterstreicht die Notwendigkeit, weitere Daten zur
Sicherheit bei Malignomanamnese, insbesondere für die anderen b und tsDMARDs, zu generieren.
Therapieentscheidung nach Lebenssituation
Ob ein Patient jung oder alt, berufstätig oder in Rente ist, eine Familie versorgen
muss, sich selbst versorgen kann oder pflegebedürftig ist, entscheidet neben den vielen
anderen Faktoren ebenfalls über die geeignete Therapie. Darüber hinaus verschiebt
sich in unterschiedlichen Lebenssituationen unter Umständen das Therapieziel. Bei
jungen Patienten mit früher RA ist das Erreichen einer Remission bei vollem Funktionserhalt
oberstes Therapieziel. Eine kurzfristige Therapie mit Glukokortikoiden ist bei diesen
Patienten überdies mit einem geringeren Risiko behaftet als bei Patienten mit begleitendem
Diabetes oder einer Osteoporose. Bei älteren Patienten mit irreversiblen Funktionsseinschränkungen
ist eine uneingeschränkte Funktionskapazität unerreichbar, der Erhalt der bestehenden
Restfunktion aber elementar.
Auch Lifestyle-Faktoren können für die Therapiestratifizierung herangezogen werden.
Eine aktuelle Studie aus RABBIT hat gezeigt, dass bei übergewichtigen Patienten die
Senkung der Krankheitsaktivität unter Therapien, deren Wirkungsweise auf der Zytokinhemmung
beruht, deutlich schwächer ausfiel als bei Therapien, die auf die Zellebene oder Zell-Interaktionen
abzielen [29]. Eine geringere Verbesserung im DAS28 zeigte sich v. a. bei übergewichtigen Frauen
unter TNF-Inhibitoren und Tocilizumab. Unter Rituximab und Abatacept hatte Übergewicht
keinen Einfluss auf die Wirksamkeit.
Risiko einer unzureichenden rheumatologischen Versorgung
Letztlich muss auch das Risiko für eine fehlende oder unregelmäßige rheumatologische
Versorgung in der Therapieplanung berücksichtigt werden. Juvenile Patienten, die im
Übergang ins Erwachsenenalter eine neue rheumatologische Betreuung suchen müssen,
schwangere Patientinnen und multimorbide bzw. zunehmend pflegebedürftige Patienten
sind Beispiele, die ein höheres Risiko für eine Unterbrechung oder einen kompletten
Abbruch der rheumatologischen Versorgung haben [30]
[31]
[32]. Im Idealfall kann dies bei der Visite besprochen oder durch eine auf die Situation
angepasste Therapie vermieden werden. Bei dem einen Patienten kann das eine regelmäßige
Infusion und damit Vorstellung in der Praxis sein, bei dem anderen eine eigenständig
durchzuführende subkutane Applikation und bei dem dritten können es Tabletten sein,
die auch der Hausarzt verschreiben kann.
Zusammenfassung
Um eine Risikostratifzierung für die Therapieentscheidungen vorzunehmen, muss zunächst
das Therapieziel festgelegt werden. Im Idealfall ist es das Erreichen einer Remission,
bei Vorliegen von Vorerkrankungen oder anderen besonderen Umständen und auch im Alter
kann dies auch anders definiert werden. Die Wahl der Therapie richtet sich in den
heutigen Leitlinien auch nach dem Vorliegen von ungünstigen Prognosefaktoren. Es gibt
aber individuelle Besonderheiten, die ein Abweichen von den Empfehlungen durchaus
rechtfertigen. Für die Therapieentscheidung ist die individuelle Nutzen-Risiko Abschätzung
für jeden Patienten unter Berücksichtigung der genannten Parameter notwendig.