MSK – Muskuloskelettale Physiotherapie 2021; 25(01): 1
DOI: 10.1055/a-1340-2990
Editorial

Dehnen – oder nicht?! MSK – erste Ausgabe unter neuer Flagge!

Sebastian Klien

Bei sportlichen Aktivitäten, die viel Beweglichkeit erfordern, wird Dehnen wohl schon seit Menschengedenken eingesetzt. In den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde es fast zu einem „Muss“ in Sport und Physiotherapie. Nachdem Janda seine Muskelkategorien und funktionellen Testverfahren [1] und Anderson sein Buch über Stretching [2] publiziert hatten, konnte nichts mehr diese „neue“ Methode aufhalten. Es war die Lösung für so viele ungelöste Probleme bei muskuloskelettalen Beschwerden.

Mein erstes Werkzeug, das mir in meiner Ausbildung im ersten praktischen Einsatz bei einem Patienten mit Rückenschmerz zur Verfügung stand, war die Dehnung des Hüftbeugers. Wir waren froh, in unseren Anfängen solche Werkzeuge in unserem bescheidenen Therapieköfferchen zu haben. War eine Längendehnung doch recht einfach durchzuführen, schadete den Patienten nicht und vollbrachte sogar Gutes, da direkt nach der Dehnung Schmerz oder Schmerztoleranz verbessert war. Aufgrund des Ausbildungsstands im ersten Praktikum waren uns Überlegungen fremd, wie wir zu der Entscheidung kommen, dass Dehnen einen Nutzen haben wird, erschien es uns damals doch als State of the Art, dass der M. iliopsoas immer zumindest eine Teilschuld an den Rückenschmerzen hatte.

Heute, 24 Jahre später, erlebe ich die oben genannte Methode und ihre damit verbundene Anschauung unter Physiotherapeuten sehr kontrovers – es herrscht völlige Ablehnung bis absolute Überzeugung. Ein aktueller Blick in die Literatur bringt wenig Beweise für das, was wir uns vom Dehnen versprechen [3], [4], [5]. Nichtsdestotrotz ist für viele Patienten und Sportler der positive Nutzen des Dehnens in seinen unterschiedlichen Formen fester Bestandteil ihrer persönlichen Überzeugung.

Zeit für ein Update: 5 Experten gehen in der aktuellen Ausgabe der Frage nach Sinn oder Unsinn des Dehnens nach. Daniel Kadlec und Manuel Matzka nehmen die Voraussetzungen und Beinflussbarkeit der Beweglichkeit unter die Lupe, im Beitrag von Daniel Riese und Marcel Kluge erhalten Sie eine Antwort auf die Frage, ob Dehnen in der Therapie Sinn macht, und der Sportwissenschaftler David Scheinost stellt Krafttraining als Alternative vor, um beweglicher zu werden.

Diese Ausgabe ist auch die erste mit neuem Titel: MSK – Muskuloskelettale Physiotherapie. Ich hoffe, Sie sind so begeistert wie wir über dieses Update. Es gibt noch mehr Neuigkeiten: Michael Richter aus Hamburg ist seit Januar 2021 Teil des Herausgeberteams. Wir freuen uns sehr, mit ihm einen versierten, erfahrenen und engagierten Physiotherapeuten für die MSK gewonnen zu haben. Herzlich willkommen, Michael! Außerdem wird Margit Gehrig nach jahrelanger zuverlässiger und hervorragender Arbeit als Redakteurin den Stab an Stephanie Moers übergeben, die seit 5 Jahren die Schwerpunktartikel redaktionell betreut und hier viel Engagement, Fachkenntnis und Feingefühl bewiesen hat. Auch sie begrüßen wir herzlich nun als hauptverantwortliche Redakteurin im Team der MSK!

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre,
Ihr
Sebastian Klien



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Article published online:
11 February 2021

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