Aktuelle Dermatologie 2021; 47(03): 103-105
DOI: 10.1055/a-1341-4292
Eine Klinik im Blickpunkt

Prurigo pigmentosa

Prurigo pigmentosa
E. Wollert
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Helios Klinikum Hildesheim
,
M. Tronnier
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Helios Klinikum Hildesheim
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Wir berichten über eine in Europa selten auftretende Erkrankung. In unserem Fall erkrankte ein 28-jähriger sonst gesunder Mann an Prurigo pigmentosa (PP). Die Diagnose wurde erst 6 Jahre später anhand der klinisch pathologischen Korrelation gestellt. Die Ätiopathogenese in unserem Fall ist unklar. Wir behandelten mit Minozyklin. Hierunter kam es zu einer raschen Befundbesserung.

Typisch für die PP ist der mit dem Auftreten der Hautveränderungen beginnende starke Juckreiz, die retikuläre Anordnung sowie der im Frühjahr und Sommer schubweise Verlauf. Aufgrund des in Europa seltenen Auftretens werden, wie auch in unserem Fall, zunächst Differenzialdiagnosen wie z. B. eine kontaktallergische Dermatitis in Betracht gezogen. Wahrscheinlich ist die Inzidenz von PP in Europa deutlich höher, sie bleibt nur oft unerkannt.


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Abstract

We report about a disease which seldom appears in Europe. In our case a 28-year-old healthy patient suffered from prurigo pigmentosa (PP). He was diagnosed 6 years after the first symptoms appeared by means of clinical and histopathological correlation. The etiopathogenesis in our case is unclear. We treated him successfully with Minocyclin.

PP is characterized by a sudden onset of pruritic skin lesions and a reticulated pattern which appears in the spring and summer. Because of the rare incidence in Europe it is often misdiagnosed as contact dermatitis. The incidence of PP in Europe is probably much higher than estimated, largely due to underdiagnosing.


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Fallbericht

Ein 34-jähriger Patient stellte sich mit seit ca. 6 Jahren bestehenden, jeweils bevorzugt im Herbst und Frühjahr auftretenden, rezidivierend stark juckenden Hautveränderungen im Bereich der Flanken vor. Eine frühere Probebiopsie zeigte sich vereinbar mit einer kontaktallergischen Dermatitis. Die Epikutantestung (Standardreihe) war jedoch unauffällig. Allergien sind nicht bekannt. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme. Keine Vorerkrankungen. Der Patient betreibt regelmäßig Ju-Jutsu, Fechten und Basketball. Unter topisch steroidhaltiger Therapie Befundbesserung. Nach Absetzen kam es zum Wiederaufflammen des Befundes.

Klinischer Befund

Klinisch zeigten sich an den Flanken symmetrische erythematöse, leicht urtikarielle Papeln mit retikulärer Anordnung neben hyperpigmentierten in Abheilung befindlichen Arealen ([Abb. 1 a, b]).

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Abb. 1 a, b Übersichts- und Detailaufnahme der linken Flanke. Es zeigen sich symmetrische erythematöse, leicht urtikarielle Papeln mit retikulärer Anordnung neben hyperpigmentierten, in Abheilung befindlichen Arealen. c Retikuläre Hyperpigmentierung 2 Wochen nach Therapieende.

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Diagnostik

Labor

Eine ausführliche Labordiagnostik erbrachte bei unserem Patienten keine Pathologien.

Es zeigte sich ein normwertiges Gesamt-IgE, unauffälliges Differenzial-Blutbild sowie unauffälliger ANA/ENA-Screen. Eine ketoazidotische Stoffwechsellage lag nicht vor (normwertiges beta Hydroxybutyrat). Zudem zeigten sich keine Auffälligkeiten in der Serumeiweißelektrophorese. Ferritin und Tryptase im Serum sowie Rheumafaktor unauffällig; Helicobacter pylori-Antigen im Stuhl negativ.


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Histologie

Eine erneute Probebiopsie zeigte sich passend zum Befund einer PP. Histologisch sieht man eine oberflächliche Entzündungsreaktion mit epidermaler Beteiligung. Zudem eine diskrete Spongiose der Epidermis mit invadierenden Entzündungszellen und wenig nekrotischen Keratinozyten. Perivaskuläre Infiltrate mit Beimengung von eosinophilen Granulozyten und Pigmentmakrophagen ([Abb. 2 a]).

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Abb. 2 a Übersichtsaufnahme, HE-Färbung. Oberflächliche Entzündungsreaktion mit epidermaler Beteiligung. b 20 × Vergrößerung, HE-Färbung. Diskrete Spongiose der Epidermis mit invadierenden Entzündungszellen und wenig nekrotischen Keratinozyten. Perivaskuläre Infiltrate mit Beimengung von eosinophilen Granulozyten und Pigmentmakrophagen.

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Therapie

Wir behandelten mit Minozyklin initial 200 mg/d über 7 Tage, dann Reduktion auf 100 mg über weitere 5 Wochen (2 Wochen über die Abheilung hinaus). Hierunter zeigte sich bereits nach 1 Woche eine Befundbesserung ([Abb. 1c]).


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Diskussion

Die PP ist eine seltene, häufig im Frühjahr und Sommer schubweise verlaufende Hauterkrankung, welche erstmals 1971 von Nagashima beschrieben wurde [1]. Seitdem wurden 259 Fälle außerhalb Japans, davon nur 21 in Europa (Spanien, Deutschland, Italien, Österreich und Schweden) beschrieben. Betroffen sind vorwiegend Patienten der 2. und 3. Lebensdekade [2], Frauen 2- bis 3-mal häufiger als Männer. Die Ursache ist weitgehend unbekannt. Ein Zusammenhang mit einer ketoazidotischen Stoffwechsellage nach strengem Fasten wird diskutiert [3]. Eine fragliche Assoziation mit Systemerkrankungen wie dem adulten Morbus Still [4] und einem Sjögren-Syndrom [5], einer Infektion mit Helicobacter pylori [6] oder einer atopischen Diathese [7] wurden beschrieben.

PP kann in 3 Entwicklungsstadien basierend auf dem klinischen und dem histologischen Befund unterteilt werden. Frühe Hautveränderungen beinhalten juckende, urtikarielle Plaques oder Papeln, welche histologisch durch ein oberflächlich perivaskuläres Infiltrat charakterisiert sind. Voll ausgeprägte PP-Hautveränderungen manifestieren sich als krustig belegte erythematöse Papeln oder Papulovesikeln. Histologisch fallen hier nekrotische Keratinozyten und eine Spongiose auf. In späteren Stadien zeigen sich klinisch hyperpigmentierte Makulae, welche dem histologischen Bild von lymphozytären Infiltraten und Melanophagen in der papillären Dermis entsprechen [2] [8].

Aufgrund der unterschiedlichen histologischen Erscheinungsbilder kommen diverse Differenzialdiagnosen infrage. Diese beinhalten eine Kontaktdermatitis, Urtikaria, das Erythema multiforme und Arzneimittelreaktionen.

Klinisch kann man die PP von diesen Erkrankungen durch die spezifische retikuläre Anordnung der Hautveränderung, welche in allen 3 Stadien vorliegt, recht gut unterscheiden [2] [8].

Therapeutisch wird eine antibiotische Therapie mit Minozyklin initial 200 mg/d über 3 – 7 Tage mit Fortführung in reduzierter Dosierung von 100 mg über zunächst weitere 3 Wochen empfohlen. Die Therapie sollte über 2 – 3 Wochen nach Abklingen der Symptome fortgeführt werden. Es können hierunter Abheilungen erzielt werden. Ein gutes Ansprechen wird auch für Dapson (25 – 100 mg/d) sowie Sulfamethoxazol (2 g/d) beschrieben. In Einzelfällen wurde eine gute Wirksamkeit für Isotretinoin (0,3 mg/kg/KG) gesehen.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Elisabeth Wollert
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Helios Klinikum Hildesheim
Senator-Braun-Allee 33
33135 Hildesheim
Deutschland   

Publication History

Article published online:
10 March 2021

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Abb. 1 a, b Übersichts- und Detailaufnahme der linken Flanke. Es zeigen sich symmetrische erythematöse, leicht urtikarielle Papeln mit retikulärer Anordnung neben hyperpigmentierten, in Abheilung befindlichen Arealen. c Retikuläre Hyperpigmentierung 2 Wochen nach Therapieende.
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Abb. 2 a Übersichtsaufnahme, HE-Färbung. Oberflächliche Entzündungsreaktion mit epidermaler Beteiligung. b 20 × Vergrößerung, HE-Färbung. Diskrete Spongiose der Epidermis mit invadierenden Entzündungszellen und wenig nekrotischen Keratinozyten. Perivaskuläre Infiltrate mit Beimengung von eosinophilen Granulozyten und Pigmentmakrophagen.