Der Arbeitskreis Forensik als Zusammenschluss der Chefärzte der forensischen Kliniken
und Abteilungen innerhalb der Bundesdirektorenkonferenz hat sich, wie alle anderen,
2020 nicht wirklich treffen können. Langsam aber sicher macht sich nun deutlich bemerkbar,
dass der regelmäßige persönliche Austausch auch zu scheinbar banalen alltäglichen
Fragestellungen fehlt und sich alle sehnlichst eine Rückkehr in die Normalität auch
dieser Veranstaltung wünschen. Denn die aktuellen Probleme und Fragestellungen im
Maßregelvollzug haben natürlich nicht nachgelassen.
Weiterhin zeichnen folgende Problemstellungen ab:
1. Zunahme der Zuweisungen gemäß § 126a StPO
Es gibt nahezu bundesweit eine deutliche Zunahme der Zuweisungen gemäß § 126a StPO
und dies exponenziell.
Dabei sind zwei klassische Fallkonstellationen erkennbar. Zum einen handelt es sich
um in der Allgemeinpsychiatrie vorbehandelte Patienten, die nicht compliant in der
Behandlung waren, teilweise obdachlos sind und nahezu immer comorbid Probleme mit
Substanzkonsum haben. Diese Patienten begehen dann in der Regel BTM-assoziierte kleinere
Delikte und werden in die Forensik eingewiesen.
Zum anderen handelt es sich um bereits in U-Haft befindliche Klienten, die dort auffällig
werden und dann ganz schnell „weg sollen“.
Das Problem ist, dass es sich bei den begangenen Straftaten oft um Bagatelldelikte
handelt. Bis allerdings ein juristischer Prozess der Abarbeitung und ggf. eine Entlassung
solcher Patienten erfolgt, vergeht entsprechend Zeit.
Unabhängig davon geraten die Kliniken durch diese vermehrten Zuweisungen in größte
Probleme. Die Spitze des Eisberges war erkennbar in Berichten aus dem Maßregelvollzug
in Berlin mit völliger Überbelegung, massiven Zwischenfällen und Angriffen auf das
Personal und völlig demotivierten Mitarbeitenden (nachzulesen in der Zeit, nachzusehen
in der Sendung Panorama).
Solche Zustände befürchten mittlerweile viele überbelegte Kliniken, vor allem da es
pandemiebedingt auch immer wieder zu Störungen des Entlassungsprozesses kommt, womit
ein weiteres Problem angedeutet wurde.
Rein fachlich ist ein Trend zu verzeichnen, dass insbesondere die psychosekranken
Patienten sehr schwer erkrankt sind, eine lange Krankheitsgeschichte haben und fast
alle zusätzliche Drogenprobleme haben. Dies führt dazu, dass die Behandlung schwierig
und langwierig ist und sich noch erschwert durch häufig komplexe bürokratische Prozesse
der Durchführung von Zwangsmaßnahmen, wenn sie denn notwendig sind.
Auch wenn die Vorfälle in Berlin besonders schlimm erscheinen, gibt es überall zunehmende
Probleme im klinischen Alltag mit solch oft sehr aggressiven Patienten. Viele Kliniken
haben dauerisolierte Patienten und es gibt wenig suffiziente Strategien. Behandlungsstrategien
bei Patienten, die sich dauerhaft in geschützten und gesicherten Räumlichkeiten aufhalten
müssen, ist eines der zukünftig zu bearbeitenden Themen auf der Agenda des AK Forensik.
2. Unterbringungen gemäß § 64 StGB
Auch der Trend zunehmender Unterbringungsanordnungen im Bereich der Unterbringungen
gemäß § 64 StGB ist ungebrochen.
Zentrale Probleme sind weiterhin eine völlige Aufweichung des sogenannten Hangbegriffs,
viele Fehleinweisungen aus Hoffnung auf schnellere Entlassungsmöglichkeiten und eine
zunehmende Quote von Rückführungen in Haft, weil die ausreichende Behandlung gar nicht
mehr gewährleistet werden kann.
Weiterhin dringend notwendig wäre eine Reform des § 64 StGB mit dem Ziel, die Quote
der behandelbaren Patienten in der Unterbringung deutlich zu erhöhen. Hierzu tagen
aktuell wieder verschiedene Gremien mit Beteiligung von Mitarbeitenden des Arbeitskreises
Forensik (DGPPN, Bund Länder AG). Diese Gremien sind sich einig darüber, dass inhaltlich
gefordert werden muss, dass es eine Orientierung an einer sicher gestellten Diagnose
einer Suchterkrankung geben muss, der Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und
der Tat geschärft dargestellt und die Möglichkeit einer schnellen Entlassung geändert
werden muss. Weitergehende Forderungen beschäftigen sich mit der besseren Überprüfung
der Erfolgsaussichten und der Indikation für eine Behandlung im Maßregelvollzug.
Für 2021 plant der Arbeitskreis Forensik zumindest eine Videokonferenz im Frühjahr
und hofft auf ein Treffen im November 2021 in Rostock.