ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2021; 130(01/02): 50-51
DOI: 10.1055/a-1350-4562
Die junge Praxis

Dokumentation und Aufklärung

Authors

  • Sandra Rauh

 

Ein kritischer Blick auf die eigene zahnärztliche Dokumentation und Aufklärung

Als ZMV und Praxismanagerin achte ich seit vielen Jahren in der Praxis darauf, dass die Auszubildenden von Anfang an lernen, die wichtigsten Punkte aus Aufklärungsgesprächen herauszufiltern und zu dokumentieren. Auch als Unternehmerin liegt es mir sehr am Herzen, meinen Kunden die Wichtigkeit dieser Themen nahezubringen. Das ist auch der Grund, warum ich sofort JA zur Beitragsreihe in „Die junge Praxis“ sagte, als man mich kürzlich kontaktierte. In den folgenden Ausgaben werde ich Ihnen vor allem Abrechnungsthemen näherbringen, aber auch immer wieder auf die zugrunde liegenden Bestimmungen und Gesetze verweisen. Im ersten Beitrag geht es mir um die Themen Dokumentation und Aufklärung.


Die perfekte Doku: Pflichtangaben eines Aufklärungsgesprächs

Bei Behandlungsbeginn ist zunächst die Anamnese zu dokumentieren, vor allem Besonderheiten sind zu besprechen. Die elektronische Karteikarte erleichtert Ihnen die Arbeit, da neben Behandlungsdatum auch Behandler und Assistenz automatisch über die Mitarbeiterverwaltung Ihrer PVS (Praxisverwaltungssoftware) aufgezeichnet werden. Es ist dann an Ihnen, den klinischen Befund, Diagnosen mit Zahnbezug, abgerechnete Leistungspositionen und ggf. weitere Informationen in der jeweiligen Karteikarte festzuhalten. Haben Sie dabei immer im Hinterkopf, dass eine vollständige Dokumentation zeitnah erbracht werden muss. Die Nachträge und/oder Korrekturen sollten Sie also spätestens am Tag nach der Behandlung ergänzt haben. Bei Beratungsgesprächen sind Sie verpflichtet, im Rahmen der Behandlung auch über die Gesamtkosten zu sprechen. Genaue Aufzeichnungen über Risikoaufklärung, Darstellung der außervertraglichen Leistungen, therapeutische Empfehlungen für die Nachbehandlung sowie die Sicherungsaufklärung dienen der Rechtssicherheit der Abrechnung. Aufklärungs-/Beratungsgespräche über die zu erwartenden Kosten sind eine ärztliche Leistung und nicht an nichtzahnärztliches Personal deligierbar.


Beispiel Prophylaxe-Abrechnung – PZR: 1040 und mehr

Im Rahmen der Prophylaxe-Sitzung gehört also wesentlich mehr dazu, als die Zahnanzahl mit der GOZ-Position 1040 zu multiplizieren. Die Leistung umfasst das Entfernen der (supra-)gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen einschließlich Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur und geeignete Fluoridierungsmaßnahmen. Aber Achtung: Hier gilt die Sonderregelung, dass die Leistungen auch dann abrechenbar sind, wenn nicht alle Leistungsinhalte erbracht wurden. Sie dürfen also auch eine PZR ohne Fluoridierung nach GOZ 1040 abrechnen. Dies gilt für viele andere BEMA- und GOZ-Leistungen nicht. Wichtig ist außerdem, dass die Dokumentation hergibt, ob von der ZMP oder DH im Rahmen der PZR (supra-)gingival oder subgingival gearbeitet wurde. Dies ist entscheidend für die Wahl der richtigen Abrechnungsposition. Die Abrechnungsbestimmungen unterscheiden klar die „supragingivale/gingivale Belagsentfernung“ nach GOZ 1040 und die „subgingivale nichtchirurgische Belagsentfernung im Rahmen einer PZR“, die analog nach § 6 Abs. 1 der GOZ abrechenbar ist. Sie sehen, eine konkrete Benennung der durchgeführten Arbeiten ist entscheidend für die richtige Abrechnung.


Ein kritischer Blick auf die eigene zahnärztliche Dokumentation und Aufklärung

Hand aufs Herz, liebe Leserinnen und Leser, wann haben Sie das letzte Mal einen kritischen Blick auf Ihre Karteikartendokumentation geworfen? Meine Erfahrung sagt: Oft schleicht sich über die Jahre der Berufstätigkeit bei Praxisinhabern wie Mitarbeitern gleichermaßen eine Art Betriebsblindheit ein. Mit 20 Jahren Erfahrung gibt es wohl kein Problem aus dem Bereich der Aufklärung, Dokumentation und Abrechnung, das mir noch nicht begegnet ist. Dabei zeigen Rechtsstreits und Ausgänge von Wirtschaftlichkeitsprüfungen uns, dass eine korrekte Dokumentation mit entsprechend vorangegangener Aufklärung deutlich mehr bewirkt als die regelmäßig betrachtete und allerorts beliebte 100-Fall-Statistik der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Fragt mich einer meiner Kunden, wie häufig man diese sichten und in die Praxisverwaltungssoftware übertragen sollte, verweise ich stets darauf, dass diese Zeit besser investiert ist, indem man sich bspw. einmal damit beschäftigt, Abrechnungskomplexe und Dokumentationsvorlagen zu erschaffen.

Das Zitat „Wer schreibt, der bleibt“ ist Ihnen sicher wohlbekannt, wenngleich bei meiner Recherche ungeklärt blieb, ob nun der altgriechische Universalgelehrte Aristoteles oder der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe der Urheber dieser unbestrittenen Wahrheit ist. Fest steht in jedem Fall, dass sich Gutachter, Sachverständige und Richter auf die geschriebene Dokumentation berufen und, sollte diese nicht vorliegen, davon ausgehen müssen, eine abgerechnete Leistung wurde nicht erbracht. Und das tun sie zu Recht.

Jeder Behandler wünscht sich Vertrauen von seinen Patienten. Umgekehrt wünschen sich Patienten, dass sie umfassend über alle Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt werden und mitentscheiden dürfen, welche Therapie die Richtige im individuellen Fall ist. Als langjährig angestellt tätige ZMV und Praxismanagerin in unterschiedlich großen Zahnarztpraxen weiß ich jedoch, dass der Patient häufig aus der Beratungssitzung kommt und Fragezeichen über seinem Kopf schweben. Aussagen wie „Ich verstehe eigentlich gar nichts von diesem Fachchinesisch“ habe ich häufig im Vertrauen von Patienten zu hören bekommen. Und das obwohl der gleiche Patient kurz zuvor gegenüber dem aufklärenden Behandler beteuert hat, dass er alles verstand und auch keinerlei Fragen mehr hat. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Gesetze, die die Aufklärung und Dokumentation regeln.


Die vertraglichen Grundlagen

1. Das Patientenrechtegesetz

Dieses gefühlt recht neue Gesetz wurde im November 2012 vom deutschen Bundestag verabschiedet und trat unter dem Namen „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ Ende Februar 2013 in Kraft. Der Schutz des Patienten und die Sicherung seiner Rechte sind also elementarer Bestandteil der zahnmedizinischen Versorgung in unserem Land. Die Paragrafen 630c – f legen genau dar, wie die Aufklärung, Beratung und Dokumentation im Rahmen des Behandlungsvertrages zwischen PatientIn und Zahnarzt zu erfolgen hat.


2. Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer § 12

In welcher Reihenfolge müssen die erbrachten Leistungen eigentlich dokumentiert werden? Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob es einen Unterschied macht, ob Ihre Karteikartendokumentation tatsächlich chronologisch aufgeschrieben wird, oder ist Ihnen das am Ende des Tages vollkommen egal – Hauptsache, es wurden keine Leistungen vergessen? Mir ist absolut klar, dass es unverhältnismäßig ist, jede einzelne Karteikarte (ganz gleich ob analog oder digital) chronologisch nach Sprechstundenende nachsortieren zu müssen. Doch nach § 12 der MBO muss genau das gegeben sein. Befunde und Behandlungsmaßnahmen müssen chronologisch und vollständig aufgezeichnet werden, und, wie Ihnen allen bekannt sein dürfte, 10 Jahre lang aufbewahrt werden.


3. Sozialgesetzbuch SGB V § 295

Das 5. Buch des Sozialgesetzbuches ist Ihnen wahrscheinlich vor allem wegen des „Wirtschaftlichkeitsparagrafen“ § 12 ein Begriff. Dort steht übrigens nicht nur geschrieben, dass der/die BehandlerIn seine/ihre Leistungen auf das Notwendigste (ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich) beschränken muss, sondern auch, dass die Krankenkasse keine Leistungen erstatten darf, die ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht wurden sind. Ich verweise GKV-Sachbearbeiter gerne auf diesen Abschnitt des § 12, wenn mal wieder behauptet wird, die Wurzelkanalbehandlung am Molaren „sei doch natürlich über die Krankenkasse abrechenbar“. Sie kennen solche Situationen sicherlich.

Im § 295 geht es um die Aufzeichnungspflichten, die die Grundlage für die spätere Abrechnung bilden. Es wird bspw. geregelt, dass für die Abrechenbarkeit der zahnärztlichen Leistungen der Behandlungstag, in bestimmten Fällen auch die Uhrzeit zu dokumentieren ist. Bestimmte Fälle? Gemeint sind bspw. die BEMA-Leistungen 03 „Zuschlag für Leistungen außerhalb der Sprechstunde …“ oder 161b bis 161f „Zuschläge für Besuche nach den Nummern 151 und 154“. Da zur Überprüfung der Zulässigkeit und Richtigkeit der Abrechnung die Uhrzeit zwingend erforderlich ist, muss auch diese dokumentiert werden. Nehmen Sie auch in der Dokumentation auf den jeweils behandelten Zahn Bezug. Abrechnungsziffern mit Zahnangabe ersetzen dabei nicht die Pflichtdokumentationsangaben. Hierzu gehören auch erhobene Befunde, Sie kennen das vor allem aus dem Bereich Röntgen.


4. Bundesmantelvertrag zwischen der KZBV und dem GKV-Spitzenverband

Rechte und Pflichten des Vertragszahnarztes nach BMV-Z umfassen zum Beispiel die fortlaufende, in geeigneter Weise analog oder elektronisch anzufertigende Aufzeichnung und die Aufbewahrungspflichten. Behandlungsdokumentationen usw. (hierzu zählen zum Beispiel Heil- und Kostenpläne, diagnostisch ausgewertete Planungsmodelle, Fotografien und auch eingeholte Fremdbefunde) sind grundsätzlich 10 Jahre nach Abschluss des Abrechnungsjahres aufzubewahren.

Toll, Sie haben es bis hierhin geschafft – ich weiß, die Paragrafen und Gesetzestexte sind für viele „schwere Kost“. Aber versprochen, mein nächster Beitrag wird etwas leichter verdaulich und mit ganz viel Praxisbezug. Im Heft „Innovationen vor dem Hintergrund der MDR“ werde ich mich dem Thema Materialkostenkalkulation und professionelle Lagerverwaltung widmen. Bleiben Sie also gespannt auf die Fortsetzung meiner Artikelreihe, die sich über alle Ausgaben „Die junge Praxis“ im Jahr 2021 erstrecken wird.

Herzlichst, Ihre Sandra Rauh




Autorinnen/Autoren

Sandra Rauh

geboren 1977; Abitur 1996; ZAH 1999; ZMV 2012; PM 2013; Freiberuflicher Abrechnungscoach „Abrechnungsfuchs“ 05/2020

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Korrespondenzadresse

Sandra Rauh
Abrechnungsfuchs
Beratung, Coaching, Training für die Dentalwelt
Allee 4b
96450 Coburg
Deutschland   
Phone: + 49 (0) 17 14 70 31 12   

Publication History

Article published online:
16 February 2021

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