Psychiatr Prax 2021; 48(08): 423-429
DOI: 10.1055/a-1364-8396
Originalarbeit

Nicht diagnostizierte internetbezogene Störungen im psychotherapeutischen Versorgungssystem: Prävalenz und geschlechtsspezifische Besonderheiten

Undiagnosed Internet-Related Disorder in the Psychotherapeutic Care System: Prevalence and Gender-Specific Characteristics
Lara Scherer
1   Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
,
Lisa Mader
1   Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
,
Klaus Wölfling
1   Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
,
Manfred E. Beutel
2   Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
,
Jan Dieris-Hirche
3   Mediensuchtambulanz LWL-Universitätsklinikum Bochum der Ruhr-Universität Bochum, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
,
Kai W. Müller
1   Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
› Institutsangaben
Preview

Zusammenfassung

Ziel der Studie Internetbezogene Störungen (IBS) sind durch eine unkontrollierte Nutzung gekennzeichnet und gehen mit psychosozialen Beeinträchtigungen und einer erhöhten Rate anderer psychischer Erkrankungen einher. Ziel der Studie war die Identifikation nicht diagnostizierter IBS und die Bestimmung geschlechtsspezifischer Unterschiede in unterschiedlichen Einrichtungen des psychotherapeutischen Versorgungssystems.

Methodik In 19 Einrichtungen wurden 501 Patienten (65,3 % Frauen) rekrutiert.

Ergebnisse 20,7 % der Männer und 15,9 % der Frauen wiesen eine komorbide IBS auf. Die IBS wurde bei 94,6 % der Frauen und 66,6 % der Männer von den Behandlern nicht erkannt. Sehr häufig traten bei IBS-Betroffenen auch affektive Störungen und stoffgebundene Suchterkrankungen auf. Frauen waren signifikant häufiger von Ess- und Persönlichkeitsstörungen betroffen, Männer signifikant häufiger von pathologischem Glücksspiel.

Schlussfolgerung Im psychotherapeutischen Versorgungssystem bleibt ein großer Teil der IBS unentdeckt. Frauen mit IBS weisen als Einweisungsdiagnose andere Störungen auf und sind häufiger von schweren psychischen Störungen betroffen als Männer.

Abstract

Objective Internet-related disorders (IRD) are characterized by uncontrolled use of various Internet applications, which is associated with impairments in various sections and an increased rate of other forms of mental illness. The aim was to identify undiagnosed comorbid IRD and to examine gender-specific differences.

Methods In 19 psychotherapeutic institutions 501 patients (65.3 % women) were recruited.

Results Comorbid IRD was found in 20.7 % of men and 15.9 % of women. IBS was not identified by the practitioners in 94.6 % of women and 66.6 % of men. In particular affective disorders and substance-related addiction occurred very frequently and regardless of gender. Women were significantly more often affected by eating and personality disorders, men were significantly more often affected by pathological gambling.

Conclusion A high rate of IBS remains undetected in the psychotherapeutic care system. Women with IBS have other referral diagnoses and are more often affected by severe mental disorders than men.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
24. Februar 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany