Hamostaseologie 2021; 41(06): 506-508
DOI: 10.1055/a-1370-0368
Mitteilungen des Vorstandes des Berufsverbandes der Deutschen Hämostaseologen e.V. (BDDH)

Ablösung der In-Vitro-Diagnostika-Richtlinie auf die In-Vitro-Diagnostika-Verordnung (IVDR) 05/2022 und Programm für die BDDH-Veranstaltung im Rahmen des GTH-Kongresses 2022 in Leipzig

Christoph Sucker
1   Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) COAGUMED Gerinnungszentrum Berlin, Berlin
2   Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel
,
Günther Kappert
3   Gerinnungszentrum Rhein-Ruhr (GZRR), Duisburg
,
Jürgen Koscielny
4   Charité Universitätsmedizin, Berlin
› Author Affiliations
 

Abstract

Ablösung der In-Vitro-Diagnostika-Richtlinie auf die In-Vitro-Diagnostika-Verordnung (IVDR) 05/2022 (Christoph Sucker, Günther Kappert)

Planmäßig soll am 26.05.2022 die bisher geltende In-Vitro-Diagnostika-Richtlinie durch die In-Vitro-Diagnostika-Verordnung (IVDR) ersetzt werden und würde dann an diesem Tag unmittelbar rechtlich wirksam.


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Wichtige Veränderungen umfassen den Geltungsbereich der Verordnung gegenüber der bisherigen Richtlinie; man geht davon aus, dass künftig etwa 90% der In-Vitro-Diagnostika (IVD) einer entsprechenden Überprüfung bedürfen, während dies unter den bisherigen Bestimmungen nur für nur etwa 15% der Produkte der Fall war. Zudem sind auch „In-House-Verfahren“ von der neuen Verordnung betroffen, was „das Aus“ für entsprechende Verfahren bedeuten kann. Hersteller von Medizinprodukten müssen künftig mindestens eine qualifizierte Person benennen, die für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften der Richtlinie verantwortlich ist. Weitere Novelle ist die Vergabe einer einmaligen Produktnummer für IVD („unique device identification“ [UDI]), was die Rückverfolgbarkeit verbessern und Rückrufe erleichtern soll; der Aufwand hierfür dürfte für die Hersteller ebenfalls erheblich sein. Des Weiteren beinhalten die Änderungen für den Hersteller strengere Vorgaben hinsichtlich technischer Dokumentation und Bewertung der Leistung der Produkte durch klinische Studien.

Weiteres Problem ist, dass bisher nur wenige für die Begleitung des Konformitäts-bewertungsverfahrens benannte Stellen in der EU existieren, da diese Stellen ein Akkreditierungsverfahren nach Artikel 31 ff. IVDR durchlaufen müssen. In der gesamten EU bestanden im August 2021 nur fünf nach IVD-Richtlinie akkreditierte Stellen, die für die Begleitung der Konformitätsbewertungsverfahren anerkannt sind; nach der alten Regelung bestanden noch 18 akkreditierte benannte Stellen. Dies kann zu einer massiven Überlastung der entsprechenden Stellen und somit zu einer Verzögerung des Verfahrens führen. Auch die benannten Stellen sollen künftig verstärkt durch Referenzlaboratorien und weitere Behörden überwacht werden; dies wird zu einer weiteren Verkomplizierung führen und die Konformitätsbewertungsverfahren verlängern. Der höhere Aufwand und die strengeren Regeln bei der Benennung benannter Stellen werden dazu führen, dass es künftiger weniger benannte Stellen geben wird, was den Ablauf der Konformitätsbewertung stark verzögern dürfte.

Insgesamt führen die Veränderungen zu einem hohen Aufwand der Zulassung weiterer IVD. Allerdings unterliegen nicht nur neu eingeführte Produkte, sondern auch bereits zugelassene und vertriebene IVD, der Novelle und müssen somit auch einer erneuten Bewertung durch ein entsprechendes Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen werden und eine neue Zulassung erhalten. Somit besteht hier kein Bestandsschutz. Die Hersteller müssen sich für alle IVD die Konformität bzw. die Einhaltung der neuen Bestimmungen bis zum 26.05.2022 bestätigen lassen, damit die Produkte weiter vertrieben und für medizinische Diagnostik eingesetzt werden dürfen. Die Umstellung der geltenden Bestimmungen ist für die IVD-Hersteller teuer, komplex und zeitaufwendig. Es steht zu befürchten, dass der erhöhte Aufwand an den Kunden, also das durchführende Labor, weitergegeben wird und somit eine Preiserhöhung der Reagenzien bevorsteht. Dies ist umso bitterer, als dass viele Laboruntersuchungen aufgrund der schlechten Abrechenbarkeit entsprechend einheitlichem Bewertungsmaßstab (EBM) und Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) schon jetzt nicht oder kaum kostendeckend durchgeführt werden können.

Aufgrund der geschilderten Probleme wurde nach Beschluss der Novelle im Jahr 2017 eine fünfjährige Übergangsfrist gewährt, die nun nahezu abgelaufen ist. Dennoch stockt das Verfahren erheblich und viele auf dem Gerinnungssektor tätige Unternehmen konnten nach eigener Erfahrung bis heute nicht die entsprechenden Nachweise zur Verfügung stellen. Auch hat die Corona-Pandemie zu einer Verschärfung der Situation geführt, welche die fristgerechte Durchführung aller Konformitätsbewertungsverfahren weiter gefährdet. Dennoch ist bisher der Geltungsbeginn der IVDR nicht verschoben worden.

Eine Verschiebung des Geltungsbeginnes der IVDR am 26.05.2022 ist sinnvoll und geboten, um eine adäquate Labordiagnostik auch nach Inkrafttreten zu sichern; entsprechende Anträge bei der EU-Kommission wurden eingereicht, eine Entscheidung steht aktuell aus. Sollte die Richtlinie wie geplant in Kraft treten, so können Entwicklung und Zulassung der IVD massiv erschwert, verzögert oder gar verhindert werden. Die Auswirkungen auf die Labordiagnostik sind derzeit nicht absehbar, bei planmäßigem Inkrafttreten kann es zu schwerwiegenden Problemen bei der Durchführung von Laboruntersuchungen mit negativen Auswirkungen auf die Patientenversorgung kommen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Der BDDH empfiehlt den Gerinnungslaboratorien bis zum 22.5.2022 alle vorhandenen Methoden dahingehend zu überprüfen, ob die Anforderungen der IVDR erfüllt sind. Werden Analyzer bzw. Reagenzien bezogen, so liegt es beim Hersteller, ein gültiges Zertifikat vorzuweisen und dem Labor zur Verfügung zu stellen. Hier ist allerdings zu beachten, dass einige Hersteller ihre CE-Kennzeichnung zurückziehen und das Reagenz als „research use only“ in Verkehr bringen werden. In diesem Fall ist eine vollständige Validation wie bei einer „In-House-Methode“ notwendig. Wenn „In-House-Reagenzien“ bzw. „In-House-Methoden“ nicht an andere Einrichtungen geliefert werden, ist das Labor kein „Inverkehrbringer“. Hier muss dann die Herstellung und Verwendung im Rahmen eines geeigneten QM-Systems erfolgen, und die Norm für medizinische Laboratorien DIN EN ISO 15189 ist einzuhalten.

Allerdings muss dann begründet werden, dass „die spezifischen Erfordernisse der Patientenzielgruppe nicht bzw. nicht auf dem angezeigten Leitungsniveau durch ein gleichartiges auf dem Markt befindliches Produkt befriedigt werden können“. Auf Nachfrage sind der zuständigen Behörde Informationen über die verwendeten Produkte, deren Herstellung und Verwendung zu geben.

Bei Klasse D-Produkten, hierzu gehören etwa Infektionsserologie lebensbedrohlicher Erkrankungen oder wichtige Blutgruppenbestimmungen, sollte auf ein kommerzielles Verfahren wegen der hohen Anforderungen umgestellt werden.

Bei anderen Klassen (Gerinnungsanalysen, viele molekularbiologische Verfahren) sollte zunächst ein Entwicklungsplan einschließlich einer Risikobewertung (Gefährdungen, Möglichkeiten der Fehlanwendung) erstellt werden. Maßnahmen zur Risikominderung sind zu beschreiben. Diese Dokumente sind im Rahmen einer regelmäßigen Prüfung zu aktualisieren. Ggf. sollte für „In-House-Methoden eine eigene SOP-Vorlage verwendet werden. Die „In-House-Methode“ ist ausführlich zu validieren. Dazu gehören unter anderem: Richtigkeit, Präzision, analytische Sensitivität und Spezifität, Messbereich, Linearität, Cut-Off, Festlegung geeigneter Kriterien für Probengewinnung und Kontrolle bekannter Interferenzen, Kreuzreaktionen und metrologische Rückverfolgbarkeit. Es muss öffentlich sichtbar sein, dass „In-House-Methoden“ verwendet werden, dies kann z. B. dann im Leistungsverzeichnis erfolgen.

Fazit: Wer noch nicht begonnen hat, auf den kommt wohl 2022 einiges an Arbeit zu.

Agenda für die Veranstaltung des BDDH im Rahmen der 66. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) in Leipzig 2022

Sitzungstermin: 03.03.2022 (Donnerstag), 08.30-10.00

03.03.2022, 08.30 Uhr – 09.00 Uhr (nicht-öffentlicher Teil, nur für Mitglieder)

Mitgliederversammlung

Vorsitz: J. Koscielny und G. Kappert

  1. Feststellung der ordnungsgemäßen und fristgerechten Einladung zur Sitzung und Vorstellung der Tagesordnung

  2. Bericht des Vorstandes

  3. Entlastung des Vorstandes

  4. Bericht des Kassenwarts

  5. Entlastung des Kassenwarts

  6. Wahl des 1. Beisitzers


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03.03.2022, 09.00 Uhr – 10.00 Uhr (öffentlicher Teil, für Alle Teilnehmer der GTH)

E-Health - Digitalisierung im Gesundheitswesen: aktueller Stand

Vorsitz: J. Koscielny und G. Kappert

  • C. Sucker

  • Telematikinfrastruktur: Aktueller Stand und Probleme bei der Implementierung in der Praxis

  • G. Kappert

  • Übersicht über MIO-Medizinische Informationsobjekte: Verfahrensordnung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Herstellung des Benehmens bei der Festlegung von Inhalten der elektronischen Patientenakte nach § 355 SGB V

  • C. Sucker, G. Kappert

  • Die neue EU-Verordnung für In-vitro-Diagnostika (IVDR): Konsequenzen für den Alltag

  • G. Goldmann

  • DHR-Register: Praktische Umsetzung der Meldepflichten laut §17 Abs 6a ApBetrO in einem Hämophiliezentrum der Kategorie CCC

  • S. Halimeh

  • Eine Einzelzentrum-Analyse der Ressourcen in einem Hämophiliezentrum zur Betreuung von Patienten mit hämophilen Gerinnungsstörungen

  • Diskussion und Erfahrungsaustausch mit allen Teilnehmern.

  • Für den Vorstand der Deutschen Hämostaseologen

  • Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Koscielny, Vorsitzender

  • Dr. med. Günther Kappert, Stellvertretender Vorsitzer

  • Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Sucker, Beisitzer des Vorstandes


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No conflict of interest has been declared by the author(s).

Address for correspondence

PD Dr. med. Christoph Sucker
COAGUMED Gerinnungszentrum GmbH, Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)
Tauentzienstraße 7b/c, 10789 Berlin
Germany   

Publication History

Article published online:
23 December 2021

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