Gupta S.
et al.
Association Between Early Treatment With Tocilizumab and Mortality Among Critically
Ill Patients With COVID-19.
JAMA Intern Med 2021;
181: 41-41
DOI:
10.1001/jamainternmed.2020.6252
Eines der in diesem Rahmen eingesetzten Medikamente ist Tocilizumab, ein humanisierter
monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor. Die US-amerikanische Arbeitsgruppe
um Shruti Gupta hat fast 4000 Patienten (Durchschnittsalter 62 Jahre, knapp zwei Drittel
Männer) mit im Labor gesicherter COVID-19 in eine retrospektive Studie eingeschlossen.
Alle Erkrankten waren zwischen März und Mai 2020 auf einer Intensivstation (ITS) behandelt
worden.
Die Wissenschaftler verglichen nun die Ergebnisse von Patienten mit Tocilizumabgabe
innerhalb von 2 Tagen nach Aufnahme auf die ITS mit der von Kranken ohne diese Behandlung.
Als primären Endpunkt beurteilten sie die Sterberaten im Krankenhaus, sekundäre Endpunkte
umfassten Komplikationen wie weitere, neu aufgetretene Infektionen innerhalb der ersten
14 Tage, Leber- sowie Herz-Kreislauf-Komplikationen. Neben der Gesamtpopulation werteten
die Forscher außerdem eine Reihe von Subgruppen aus, eingeteilt nach Alter (< 60 vs.
≥ 60 Jahre), Zeitraum zwischen Symptombeginn und Aufnahme auf die ITS (≤ 3 vs. > 3
Tage), Grad der Hypoxämie bei Aufnahme (Oxygenierungsindex < 200 mmHg vs. ≥ 200 mmHg
vs. keine maschinelle Beatmung), Anzahl der Vasopressoren bei Aufnahme (≥ 1 vs. 0)
und Glukokortikoidgabe (ja/nein).
Bei der Auswertung zeigte sich zunächst, dass nur eine geringe Minderheit der Patienten
überhaupt Tocilizumab erhalten hatte (n = 433, 11 %) – die Gabe lag im Ermessen der
behandelnden Ärzte. Insgesamt waren die mit dem Antikörper behandelten Patienten jünger
(58 vs. 63 Jahre) und wiesen weniger Vorerkrankungen auf. Dagegen bestanden bei ihnen
häufiger eine schwere Hypoxämie (Oxygenierungsindex < 200 mmHg: 47,3 % vs. 37,9 %)
und erhöhte Konzentrationen der Entzündungsmarker (85,7 % vs. 65,6 %). Und schließlich
wurden sie öfter mit Kortikosteroiden behandelt (18,7 % vs. 12,6 %).
Nach einem Inverse Probability Weighting, in das insgesamt 28 Faktoren eingingen (u. a.
Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Begleiterkrankungen und Begleitmedikation) ergab
die Auswertung
-
eine Gesamtsterblichkeit von 39,3 % (n = 1544), mit
-
einer geschätzten 30-Tage-Sterblichkeit von 37,1 % bei Patienten ohne Tocilizumab
gegenüber
-
27,5 % bei Patienten unter Tocilizumab (Hazard Ratio [HR] 0,71).
Diese Assoziation war für fast alle o. g. Subgruppen ähnlich. Allerdings schienen
Patienten mit kürzerer Beschwerdedauer vor ITS-Aufnahme stärker zu profitieren als
solche, die später verlegt wurden (HR 0,41 vs. 0,85).
Unerwünschte Ereignisse umfassten vor allem sekundäre Infektionen (unter Tocilizumab
32,3 % vs. 31,1 %), einen Transaminasenanstieg (unter Tocilizumab 16,6 % mit AST-
oder ALT-Konzentrationen > 250 IU/l vs. 12,9 %), Arrhythmien (14,5 % vs. 17,2 %) und
Thrombosen (10,6 % vs. 9,8 %).
Bei Schwerkranken mit COVID-19 könnte die zügige Gabe von Tocilizumab die Sterblichkeit
senken, fassen die Autoren zusammen. Allerdings war für ihre Auswertung eine Reihe
von Faktoren nicht verfügbar, etwa die Dosis und das Schema der Tocilizumabgabe, die
Dauer von Begleittherapien etwa mit Kortikosteroiden und die Interleukin-6-Konzentrationen
im Serum. Zukünftige und dann möglichst randomisierte Studien sollten das Medikament
weiter untersuchen und dabei auch diese Variablen berücksichtigen.
Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim