Rofo 2021; 193(09): 1050-1061
DOI: 10.1055/a-1463-3626
Statement

Positionspapier der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) und der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR) zu den fachlichen Anforderungen an Durchführung und Befundung von MRT-Untersuchungen außerhalb des Fachgebietes Radiologie

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
1   FOKUS Radiologie & Nuklearmedizin, Göttingen und Heilbad Heiligenstadt
,
2   Goethe-Universität Frankfurt, Universitätsklinikum Frankfurt, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Frankfurt am Main
,
3   Radiologische Allianz, Hamburg
,
4   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU); Universitätsklinikum Erlangen, Radiologisches Institut, Erlangen
,
5   Rheinlandärzte, Willich
,
6   Radiologie München, München
,
Reinhard Loose
7   Klinikum Nürnberg, Institut für Medizinische Physik, Nürnberg
,
8   Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Lübeck
,
9   Universitätsklinikum Jena, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Sektion Kinderradiologie, Jena
,
10   Universitätsklinikum rechts der Isar der TU München, Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, München
,
11   Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Düsseldorf
,
Vorstand der Deutschen Röntgengesellschaft e. V. (DRG):
,
Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie e. V. (DGNR):
,
Vorstand der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie e. V. (GPR):
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Hintergrund Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist ein sehr innovatives, aber zugleich komplexes und technisch aufwendiges Verfahren in der Radiologie. Ihr Stellenwert für hochqualitatives und effizientes Patientenmanagement nimmt stetig zu. Die Qualitätssicherung hat in der MRT eine besondere Bedeutung, da Fehler vor und während der Untersuchung oder bei der Befundung schnell zu einem Patientenrisiko führen können. Daher erfordert die MRT eine höhere ärztliche Qualifikation und Expertise als andere bildgebende Diagnoseverfahren. Dies bezieht sich auf die Indikationsstellung, die Durchführung und im Besonderen auf die Auswertung und Befunderstellung. Der Radiologe ist der einzige Facharzt, der schon in der Weiterbildung sämtliche Aspekte der MRT erlernen und in definierter, hoher Anzahl nachweisen muss. Aber auch nichtradiologische Fächer bemühen sich zunehmend, selbstständig MRT-Untersuchungen durchführen und v. a. abrechnen zu dürfen.

Methode In diesem Positionspapier werden auf wissenschaftlicher Basis die folgenden Aspekte zur Qualitätssicherung von MRT-Untersuchungen und Leistungserbringung durch Radiologen und nichtradiologische Fachärzte beleuchtet: Anforderungen an die ärztliche Weiterbildung, Risiken der MRT und Kontraindikationen, Strahlenschutz bei nichtionisierender Strahlung, Anwendung von MRT-Kontrastmitteln, Anforderungen an die Untersuchungsqualität, Bedeutung von Artefakten und Nebenbefunden, Befundung und Erstellung des Befundberichts, interdisziplinärer Austausch und Mehraugenprinzip sowie Auswirkungen auf die Kosten für das Gesundheitssystem.

Schlussfolgerung DRG, DGNR und GPR stehen der Durchführung von MRT-Untersuchungen durch Nichtradiologen im Interesse von Qualitätsstandards, Patientenwohl und Kostenträgern kritisch gegenüber. Die Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern bieten mit der 24-monatigen „Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomographie“ die einzige kompetenzbasierte und qualitätsgesicherte Weiterbildungsmöglichkeit für Fachärzte außerhalb des Faches der Radiologie. Diese muss als Mindeststandard für die Durchführung und Befunderstellung von MRT-Untersuchungen gefordert werden. Der alleinige Nachweis von Fortbildungen in der MRT ist – ohne entsprechende Weiterbildung – aus Gründen der Patientensicherheit abzulehnen. Durchführung und Befunderstellung von MRT-Untersuchungen müssen adäquat weitergebildeten und kontinuierlich fortgebildeten Fachärztinnen und Fachärzten vorbehalten bleiben.

Kernaussagen:

  • Die MRT hat als Diagnoseverfahren aufgrund ihrer Aussagekraft einen stetig wachsenden Stellenwert und gilt bei vielen Indikationen als der Referenzstandard.

  • Die Methode MRT ist in vielerlei Hinsicht komplex und birgt bei unsachgemäßer Anwendung und fehlender Expertise Gefahren für Patienten.

  • Nur in der Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie werden sämtliche Aspekte der MRT hinsichtlich Indikationsstellung, Durchführung und Befunderstellung systematisch erlernt und in definierter und hoher Anzahl nachgewiesen.

  • Die einzige kompetenzbasierte und qualitätsgesicherte Weiterbildungsmöglichkeit für nichtradiologische Fachärzte ist die 24-monatige „Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomographie“ nach den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern.

  • Im Interesse der Qualitätssicherung und Patientensicherheit muss für die Durchführung und Befunderstellung von MRT-Untersuchungen eine abgeschlossene Weiterbildung nach Weiterbildungsordnung gefordert werden.

Zitierweise

  • Hunold P, Bucher AM, Sandstede J et al. Statement of the German Roentgen Society, German Society of Neuroradiology, and Society of German-speaking Pediatric Radiologists on Requirements for the Performance and Reporting of MR Imaging Examinations Outside of Radiology. Fortschr Röntgenstr 2021; 193: 1050 – 1061


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Hintergrund

Die Magnetresonanztomografie (MRT) nimmt eine zentrale Position in der radiologischen bildgebenden Diagnostik ein, weil sie aufgrund des hohen Weichteilkontrastes und sehr guter räumlicher Auflösung bei vielen medizinischen Fragestellungen die beste diagnostische Aussagekraft bietet und deswegen als Referenzstandard gilt. Dies trifft besonders für Erkrankungen von Gehirn und Rückenmark, des muskuloskelettalen Systems, der Oberbauchorgane und des Herzens zu. Zudem kommt die MRT ohne ionisierende Strahlung aus. Der große und wachsende Stellenwert der MRT lässt sich besonders gut an 2 Aspekten dokumentieren: Einerseits wird die Methode zunehmend in die Leitlinien der nationalen und internationalen Fachgesellschaften aufgenommen und fungiert dort oft als Methode der ersten Wahl oder gleichwertig zu anderen Untersuchungen. Andererseits nimmt die Zahl der MRT-Untersuchungen stetig zu. So wurden nach Angaben des Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Jahr 2016 in Deutschland 142 MRT-Untersuchungen pro 1000 Einwohner durchgeführt [1], was einer jährlichen Gesamtzahl von ca. 11,8 Mio. Untersuchungen und einer Zunahme von 71 % in nur 9 Jahren entspricht. Ein Ende dieses Wachstumstrends ist nicht absehbar. Offenbar ist die MRT also im Bewusstsein der Zuweiser[1] und Fachgesellschaften außerhalb der Radiologie fest verankert und wird wertgeschätzt als das, was sie heute darstellt, nämlich eine diagnostische Methode, die für eine moderne und effiziente medizinische Versorgung unabdingbar ist.

Verantwortlich für diese sehr positive Entwicklung ist die Radiologie. Die Vertreter des Gebiets Radiologie haben über Jahrzehnte dafür gesorgt, dass technische Neuentwicklungen gefordert, in Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie vorangetrieben und die daraus entstandenen Innovationen auf wissenschaftlicher Basis – bedarfsgerecht – in die klinische Versorgung eingeführt wurden. Der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in der MRT ist integraler, bedeutender und obligater Bestandteil der 60-monatigen Weiterbildung zur Fachärztin/zum Facharzt für Radiologie. Zudem werden im Gebiet der Radiologie nach der aktuellen (Muster-) Weiterbildungsordnung (MWBO 2018) der Bundesärztekammer (BÄK) als einzige Facharztweiterbildung sämtliche Aspekte der ärztlichen Tätigkeit in der MRT explizit gefordert, nämlich Indikation, Erstellung der Untersuchungsprotokolle, Durchführung und Befunderstellung [2]. Außerhalb der Radiologie wurden bisher in der MWBO mit der „Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomographie“ ebenfalls hohe Anforderungen an die MRT-Weiterbildung gestellt. Die einzige von der Deutschen Röntgengesellschaft kritisch gesehene Ausnahme ist die „Zusatz-Weiterbildung Kardiale Magnetresonanztomographie“ für Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie, die in die MWBO 2018 neu aufgenommen wurde und entgegen der sonstigen Systematik der MWBO nur 12 Monate Weiterbildung „unter Befugnis an Weiterbildungsstätten“ erfordert.

Die zweifelsfrei hohe diagnostische Wertigkeit der Methode MRT zum einen, aber insbesondere auch das „Business“ MRT zum anderen haben in den letzten Jahren in Deutschland dazu geführt, dass auch nichtradiologische Fachärzte MRT-Untersuchungen selbstständig durchführen und v. a. privatärztlich abrechnen wollen. Im Folgenden erklären die Deutsche Röntgengesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie und die Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie ihre Position zu den Voraussetzungen und Implikationen der Durchführung und Befundung von MRT-Untersuchungen.


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Anforderungen an die Weiterbildung

In der Weiterbildung im Gebiet Radiologie und den Schwerpunkten Neuroradiologie sowie Kinder- und Jugendradiologie lassen sich bezüglich des Erwerbs von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten grundsätzlich 4 Teilaspekte betrachten:

  1. Indikationsstellung der Untersuchungen

  2. Planung und Durchführung der Untersuchungen

  3. Befunderstellung zu diesen Untersuchungen

  4. Indikationsstellung möglicherweise notwendiger Folge- oder Kontrolluntersuchungen

Bedingt durch die Komplexität der Technik und die Durchführung der Diagnostik für nahezu alle angrenzenden Fachgebiete mit entsprechender Vielfalt zu erwartender Pathologien sind die Anforderungen an die Weiterzubildenden hoch. Dies bezieht sich auf das medizinisch-technische Wissen (hier insbesondere die Gerätetechnik), das fachkundige ärztliche Wissen (besonders in Bezug auf das Untersuchungsspektrum in der MRT) und die Fähigkeit einer zielorientierten Kombination dieses medizinisch-technischen und ärztlichen Wissens im Sinne der Fragestellung bzw. Untersuchungssituation.

Aus diesem Grund werden in der MWBO 2018 für die Weiterbildung im Gebiet Radiologie ausdrücklich sämtliche o. g. Teilaspekte von MRT-Untersuchungen „aller Körperregionen, z. B. ZNS, Nerven, muskuloskelettales System, Weichteile, Thorax, Herz, Abdomen, Becken, Gefäße, fetale MRT, MRT-Interventionen“ in 3000 dokumentierten Fällen gefordert [2]. Die MWBO fordert neben diesem einzigartig vielfältigen Spektrum an Untersuchungsregionen daher auch den Nachweis sehr hoher Untersuchungszahlen, was von den radiologischen Fachgesellschaften im Sinne der Qualitätssicherung in ihrem Gebiet ausdrücklich verlangt und mitgetragen wird. Die Expertise für MRT ist nur mit dementsprechend umfassenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten zu erlangen – dies gilt sowohl für die logistischen und technischen Anforderungen zur Anwendung der Methode als auch für die Indikationsstellung und in besonderem Maße für die medizinisch notwendige, abschließende, qualitativ hochwertige und nachvollziehbare Dokumentation der Ergebnisse in Form eines Befundberichtes. In den folgenden Kapiteln wird ausführlich auf die verschiedenen Aspekte der Weiterbildungsinhalte eingegangen.

Außerhalb des Gebietes Radiologie definiert die MWBO 2018 die folgenden Zusatzweiterbildungen zur MRT [2]:

  1. Die „Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomographie“ für Fachärzte. Dafür müssen 24 Monate Weiterbildungszeit unter Befugnis an einer Weiterbildungsstätte im Gebiet Radiologie abgeleistet werden; bis zu 12 Monate davon können auch bei einem „Weiterbildungsbefugten für Magnetresonanztomographie“ erfolgen, d. h. brauchen nicht unter Befugnis an einer Weiterbildungsstätte für Radiologie zu erfolgen. Hierbei wird die „Indikationsstellung, Durchführung und Befunderstellung von gebietsbezogenen MRT-Untersuchungen“ an 1000 Fällen gefordert.

  2. Die „Zusatz-Weiterbildung Kardiale Magnetresonanztomographie“ für Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie. Sie erfordert die „Indikationsstellung, Durchführung und Befunderstellung von MRT-Untersuchungen am Herzen und herznahen Gefäßen“ an nur 500 Fällen innerhalb einer 12-monatigen Weiterbildungszeit „unter Befugnis an Weiterbildungsstätten“, d. h. vollumfänglich nicht unter Befugnis an einer Weiterbildungsstätte im Gebiet Radiologie.

Eine 24-monatige Weiterbildungszeit im Gebiet Radiologie erschien bisher auch den radiologischen Fachgesellschaften adäquat, um notwendige Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Indikationsstellung, Planung und Durchführung von MRT-Untersuchungen eines umschriebenen Fachgebietes in vertretbarem Maße zu erlernen. Werden jedoch im Falle der „Zusatz-Weiterbildung Kardiale Magnetresonanztomographie“ nur 12 Monate Weiterbildungszeit und 500 Fälle gefordert, die noch nicht einmal unter Befugnis an einer Weiterbildungsstätte im Gebiet Radiologie erbracht werden müssen, kann dies weder der Komplexität der Methode noch dem Qualitätsanspruch eines vollumfänglich und abschließend im Befundbericht zu interpretierenden Aussagespektrums der MRT-Bildgebung gerecht werden.

Die selbstständige Indikationsstellung, Planung, Durchführung und Befundung von MRT-Untersuchungen ohne Abschluss einer Zusatzweiterbildung ist in keinem Fall tolerabel und stellt aus den im Folgenden dargelegten Gründen eine Gefahr für Patienten dar. Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Potenzial, aber auch den Herausforderungen, die die MRT mit sich bringt, ist nur Expertise auf Basis der in der MWBO geforderten Weiterbildungsinhalte für das Gebiet Radiologie nachhaltig im Sinne der Patientinnen- und Patientengesundheit möglich.


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Risiken der MRT und Kontraindikationen

Moderne MR-Tomografen sind hochkomplexe Maschinen, die seit der Einführung in die klinische Medizin einer rasanten Fortentwicklung unterliegen. Exemplarisch sei dazu die stetige Erhöhung der „Feldstärke“ genannt. Dazu kommen Verbesserungen sämtlicher Bauteile wie Spulen und Gradienten mit höherer Leistungsfähigkeit, sodass sich die Bedingungen auch bezüglich der elektromagnetischen Hochfrequenz- und Gradientenfelder verändern. Parallel zur Hardware ist eine stetige Entwicklung von Software und Sequenztechnik zu verzeichnen. Das zusammengenommen kann die diagnostische Wertigkeit der MRT verbessern, birgt aber möglicherweise neue, andere oder größere Gefahren für die Patienten. Eine Zusammenfassung von bei der FDA gemeldeten Zwischenfällen in der MRT umfasste 1548 Berichte über einen Zeitraum von 10 Jahren (2008–2017) [3].

Implantate sind eine besondere Herausforderung in Sachen Patientensicherheit. Einerseits werden die zu untersuchenden Patienten immer älter und schon deshalb nimmt die Zahl der medizinischen Implantate fortwährend zu. Andererseits werden in rasantem Tempo neue Therapieverfahren entwickelt, die zu immer neuen und einer wachsenden Anzahl von Medizinprodukten führen, mit denen die Patienten zu einer MRT-Untersuchung kommen. So werden in der aktuellen Ausgabe des „Shellock“, dem weltweiten Standardwerk für MR-Sicherheit von medizinischen Implantaten, annähernd 5000 Produkte aufgeführt und deren MR-Kompatibilität bewertet [4]. Grundsätzlich werden Implantate in MR-geeignet (safe), -ungeeignet (unsafe) oder bedingt geeignet (conditional) eingeteilt, wobei letztere Kategorie erfordert, dass bestimmte Bedingungen während der Untersuchung einzuhalten sind, so z. B. niedrigere SAR-Werte (spezifische Absorptionsrate), besondere Spulen-Konfigurationen oder Ausschluss bestimmter Körperregionen. Es ist also in vielen Fällen im Vorfeld eine sehr sorgfältige Vorbereitung und Abklärung erforderlich. Exemplarisch für die Komplexität des Umgangs mit Implantaten im MRT seien Herzschrittmacher und implantierbare Defibrillatoren (AICD) genannt; bei unsachgemäßer Behandlung drohen Ausfälle oder Fehlfunktionen mit der Gefahr lebensbedrohlicher Rhythmusstörungen. Nach dem Positionspapier der DRG können aktuell Patienten sowohl mit „MR-conditional“ (bedingt MRT-sicher, unter definierten Bedingungen zugelassen) als auch unter bestimmten Voraussetzungen mit „MR-conventional“ (relative Kontraindikation, Off-label-Use) Schrittmachersystemen mittels MRT untersucht werden [5]. Allerdings ist auch der Umgang mit den MR-conditionalSystemen komplex: In jedem Fall ist zuvor eine sehr genaue und aufwendige Prüfung des Systems erforderlich. Die große Herausforderung für die Bildgebung bei solchen Patienten sind vorherige Umprogrammierung, die Einhaltung und Anpassung der für jedes System speziell vom Hersteller vorgegebenen Parameter der Untersuchungstechnik (Sequenzen) und die apparative Patientenüberwachung während der Untersuchung. Das alles erfordert hohen Aufwand, eine spezielle Logistik und Expertise.

Mögliche Gefahren, die mit nichtaktiven metallischen Implantaten verbunden sind, beruhen auf Wechselwirkungen der MRT-Felder mit magnetisch aktivem und elektrisch leitfähigem Material. Dies gilt zum Beispiel für ferromagnetisches Osteosynthese-Material und Kabel oder Elektroden. Es können im Magnetfeld starke mechanische Kräfte und Drehmomente auf die Implantate wirken, die zu Dislokationen und Erhitzung führen können. In elektrisch leitfähigen Implantaten können Wechselströme induziert werden mit der Folge von Wärmeentwicklung und Verbrennungen [6].

Inzwischen alltäglich sind Patienten mit Tattoos oder Permanent-Make-up. Beides kann ebenfalls zu Verbrennungen führen, wobei die Gefahr von Verbrennungen abhängig von der Größe des Tattoos und besonders der Beschaffenheit der eingebrachten Pigmente ist. In älteren Tattoos finden sich ferromagnetische Eisen- und Eisenoxid-haltige Pigmente. Von enormer Wichtigkeit ist die vorherige Abklärung von metallischen Fremdkörpern wie z. B. Granatsplittern. Analog zum oben Gesagten können sich diese erhitzen oder im Magnetfeld dislozieren und im Gewebe wandern. Aus diesem Grund stellen sie an empfindlichen Körperstellen, z. B. Gehirn, Auge oder Lunge, eine absolute Kontraindikation dar. In [Tab. 1] sind diverse Implantate und Fremdkörper aufgeführt, die Kontraindikationen für eine MRT-Untersuchung sein können. Es gehört zu den ärztlichen Pflichten, absolute Kontraindikationen zuvor auszuschließen und bei allen Patienten Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen.

Tab. 1

MRT-Kontraindikationen: Medizinische Implantate und sonstige Fremdkörper, die eine Gefahr darstellen können und daher obligat vor der Untersuchung auf MR-Tauglichkeit geprüft werden müssen. Die Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Art

Beispiele

aktive metallische/elektronische medizinische Implantate

Herzschrittmacher/AICD, Neurostimulatoren, Medikamentenpumpen, Cochlear-Implantate, Cardiac assist devices

nichtaktive medizinische Implantate

Osteosynthese-Material, Aneurysma-Clips, Coils, Shunt-Reservoirs, venöse Ports, kürzlich implantierte Stents, Event-Recorder

chirurgische Hautklammern

ZVK/Katheter mit Metallmarkierungen, Ösophagus-Temperatursonden

stillgelegte („abandoned“) Schrittmacher-Elektroden

nichtmedizinische Implantate bzw. Modifikationen

Piercings, Tattoos

metallischer Schmuck

metallhaltige Schminke

sonstige Fremdkörper

Metallsplitter, Schrapnelle, Projektile

Ein Teil der Verantwortung für die Patientensicherheit liegt beim technischen Personal, das den Patienten lagert und die Untersuchung durchführt – mit der Notwendigkeit einer fundierten Weiterbildung. Dazu gehören folgende Maßnahmen, um Komplikationen, meistens Verbrennungen, zu vermeiden: Entfernen von unnötigen metallischen Objekten, Vermeiden von direktem Haut-Haut- oder Haut-Spulen-Kontakt, Anwenden ausschließlich von geprüftem und MR-tauglichem Material (z. B. EKG-Elektroden), Entfernen oder Abdecken von elektrisch leitenden Materialien, Vermeiden von kreuzenden oder zirkulär angeordneten Kabeln.

Insgesamt ist es selbst für Fachärzte für Radiologie eine Herausforderung, mit den zahlreichen Neuerungen Schritt zu halten und die Übersicht zu wahren. Dem ärztlichen Personal kommt die große Verantwortung zu, Risiken und Kontraindikationen im Vorfeld der Untersuchung zu erkennen und im Zweifelsfall die Nutzen-Risiko-Relation abzuwägen. Zudem spielt zugunsten der Patientensicherheit die Zusammenarbeit zwischen ärztlichem und technischem Personal eine große Rolle. Erfahrung ist dafür unabdingbar, um einerseits bestmögliche Diagnostik anzubieten, andererseits die Patientensicherheit unter wechselnden Bedingungen sicherzustellen. Dafür wiederum ist die langjährige radiologische Facharztweiterbildung durch Weiterbildungsbefugte für Radiologie in einer radiologischen MR-Abteilung mit heterogenem Patientengut sicher der beste Garant.


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Strahlenschutz

Der Strahlenschutz spielt auch in der MRT eine gewichtige Rolle. Das mag zunächst verwundern. Aber auch wenn es sich bei den emittierten Strahlungsarten und Wellen um „nichtionisierende Strahlung“ handelt und sie deswegen weniger im Fokus stehen als Röntgen- oder radioaktive Strahlung, kann davon bei unsachgemäßer Anwendung eine explizite Gefährdung für Exponierte ausgehen. Daraus erwachsen Konsequenzen für den Umgang mit Patienten, dem medizinischen Personal und auch solchen Menschen, die aus nichtmedizinischen Gründen untersucht werden, z. B. zu Forschungszwecken. Die diesbezüglich für die Anwendung der MRT relevanten Aspekte werden in Deutschland durch das Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSG) und die Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV) geregelt. Das NiSG gilt nach § 1 Abs.1 Nr. 1 „für den Betrieb von Anlagen zur medizinischen Anwendung nichtionisierender Strahlung in der Heil- und Zahnheilkunde“ und umfasst nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 „elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder in einem Frequenzbereich von 0 Hertz bis 300 Gigahertz“ [7]. Während des medizinischen Betriebs eines MR-Tomografen werden zur Sicherstellung der Bildqualität und diagnostischen Aussagekraft regelmäßig die festgelegten Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung (NiSV, Anlage 1) überschritten. Im NiSG § 2 (Schutz in der Medizin) Abs. 1–3 werden dazu – in Analogie übrigens zur ionisierenden Strahlung – die Anforderungen zur Rechtfertigung einer solchen Überschreitung wie folgt definiert: „(1) In Ausübung der Heil- oder Zahnheilkunde am Menschen dürfen beim Betrieb von Anlagen, die nichtionisierende Strahlung aussenden können, die (...) für bestimmte Anwendungsarten festgelegten Werte nur dann überschritten werden, wenn eine berechtigte Person hierfür die rechtfertigende Indikation gestellt hat. (2) Berechtigte Person nach Absatz 1 ist, (...) wer als Ärztin oder Arzt oder Zahnärztin oder Zahnarzt approbiert ist (...) und über die erforderliche Fachkunde verfügt, um die Risiken der jeweiligen Anwendung nichtionisierender Strahlung für den Menschen beurteilen zu können. (...) (3) Die rechtfertigende Indikation nach Absatz 1 ist die Entscheidung, dass und in welcher Weise nichtionisierende Strahlung am Menschen in der Heil- oder Zahnheilkunde angewendet wird. Sie erfordert die Feststellung, dass der gesundheitliche Nutzen einer Anwendung nichtionisierender Strahlung am Menschen größer ist als ihr Risiko.“ Im Übrigen dürfen laut § 11 der NiSV MR-Tomografen selbst für nichtmedizinische Zwecke „am Menschen nur unter Verantwortung einer Ärztin oder eines Arztes mit einer der sachgerechten Bedienung von Magnetresonanztomographen dienenden Fachkunde angewendet werden“ [8]. Zudem beschreibt die Strahlenschutzkommission des Bundesamtes für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit die Aspekte des Strahlenschutzes in der MRT [9] und veröffentlichte sehr ausführliche „Empfehlungen zur sicheren Anwendung magnetischer Resonanzverfahren in der medizinischen Diagnostik“ [10]. Darin findet sich der Satz: „Die MR sollte nicht unkritisch eingesetzt werden, auch wenn sie häufig die überlegene Alternative ist.“

Bei der MRT werden statische, nieder- und hochfrequente Felder auch oberhalb der empfohlenen Grenzwerte angewendet, woraus direkte gesundheitliche Beeinträchtigungen, aber auch indirekte schädigende Wirkungen resultieren können. Grundsätzlich gehen beim Betrieb von MRT-Anlagen von den folgenden 3 unterschiedlichen Arten nichtionisierender Strahlung Gefahren aus:

  1. Statisches Magnetfeld. Abhängig von der Höhe des statischen Magnetfeldes (ugs. „Feldstärke“) kann es zu Schwindel, Unwohlsein und Übelkeit während des Einfahrens des Patienten in den Scanner kommen. Sehr relevant sind Beschleunigungen ferromagnetischer (insbes. Eisen-) Gegenstände im Scannerraum, die in die Bohrung des Scanners „schießen“ und dort erhebliche, teils tödliche Verletzungen des Patienten hervorrufen können.

  2. Elektromagnetische Hochfrequenzfelder: s. dazu Kapitel „Risiken der MRT und Kontraindikationen“.

  3. Gradientenfelder können Nervenstimulationen und Muskelzuckungen verursachen, die Schmerzen, im schlimmsten Falle bedrohliche Herzrhythmusstörungen auslösen.

MRT ist also keine risikofreie Methode, sie birgt bei unsachgemäßer Anwendung ein Gefährdungspotenzial auf mehreren Ebenen und ist auch unter dem Aspekt des Strahlenschutzes relevant. Nach den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission darf deswegen schon die Anordnung einer MR-Untersuchung „nur durch einen Arzt erfolgen, der eine besondere Qualifikation (Fachkunde) auf dem Gebiet der MR-Untersuchung nachweisen kann. (...) Bei der Anwendung am Menschen muss ständig ein fachkundiger Arzt anwesend sein“ [10].


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Anwendung von Kontrastmitteln: Indikation, Kontraindikationen und Gefahren

Einige MRT-Untersuchungen erfordern die intravenöse oder intraartikuläre Gabe von paramagnetischem Kontrastmittel, um die Aussagekraft der Untersuchung zu erhöhen. Die Kontrastmittel sind fast ausschließlich kleine, hydrophile Chelate auf Gadolinium (III) -Basis. In den letzten Jahren sind Bedenken hinsichtlich der langfristigen Sicherheit dieser Verbindungen aufgekommen, da Gewebeablagerungen solcher Kontrastmittel nachgewiesen wurden, die nun Gegenstand anhaltender Forschungsbemühungen sind [11]. Akute, teilweise schwerwiegende allergische Reaktionen werden hierbei selten, aber regelhaft beobachtet [12]. Der Einsatz von Kontrastmitteln erfordert detaillierte Kenntnisse über das Kontrastierungsverhalten von relevanten Pathologien und bedarf individueller Abwägung, um eine unnötige Kontrastmittelgabe unter Inkaufnahme dieser Risiken zu vermeiden. Patienten müssen somit vor Kontrastmittelgabe sorgfältig befragt und aufgeklärt werden.

Das Auftreten allergischer Reaktionen zeigt dabei eine Abhängigkeit von verwendetem Kontrastmitteltyp, Alter, Geschlecht und Aufnahmestatus der Patienten [13] [14]. Bei Patienten, die bereits allergische Reaktionen auf Gadolinium (Gd) -basierte Kontrastmittel aufwiesen, besteht zudem ein hohes Risiko (ca. 39 %) auf eine weitere allergische Reaktion bei folgenden Kontrastmittelapplikationen, selbst bei medikamentöser Vorbereitung [15]. Eine fehlerhafte Vorbereitung der intravenösen Injektion des in der Regel maschinell applizierten Kontrastmittels kann zu Fehlinjektionen außerhalb des Gefäßes (sog. Paravasaten) führen, deren Folgen von vorübergehenden Schmerzen bis hin zu Nekrosen und dauerhaften Behinderungen reichen können [16].

Eine schwerwiegende und permanente Nebenwirkung von Gd-haltigen Kontrastmitteln ist die nephrogene systemische Fibrose (NSF), eine seltene fibrosierende Erkrankung mit einer schlechten Prognose bis hin zu schweren Behinderungen. Die Erkrankung wurde ausschließlich bei Patienten mit fortgeschrittener Nierenerkrankung berichtet und ist mit höheren Dosen und bestimmten Typen von Gd-haltigen Kontrastmitteln assoziiert [17].

Erst in den letzten Jahren wurden Gd-Ablagerungen im Gehirn mit der mehrfachen Gabe von Gd-Kontrastmitteln in Verbindung gebracht. Mittlerweile ist eine Kausalität nachgewiesen worden, wobei für bestimmte Kontrastmittelklassen ein höheres Auftreten solcher Nebenwirkungen gezeigt wurde [18]. Da die langfristigen Risiken einer Gadolinium-Ablagerung unbekannt sind, wurde durch die EMA das Ruhen der Zulassungen für intravenöse lineare Gd-haltige Kontrastmittel in der EU empfohlen.

Die Komplexität der fachgerechten Anwendung von MRT-Kontrastmitteln in radiologischen Untersuchungen wird in einem Empfehlungsschreiben des American College of Radiology auf 130 Seiten zusammengefasst, ein großer Teil hiervon behandelt Gd-haltige Kontrastmittel [19]. Dies belegt die Tatsache, dass für den Umgang mit MRT-Kontrastmitteln Expertise erforderlich ist, um sie verantwortungsvoll und indikationsgerecht anzuwenden und Gefahren für den Patienten, die von ihnen ausgehen, zu vermeiden. Nur im Gebiet Radiologie, den Schwerpunkten des Gebiets und den beiden o. g. Zusatzweiterbildungen Magnetresonanztomographie ist der Umgang mit MRT-Kontrastmitteln in der MWBO beschrieben.


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Anwendung der MRT: Qualitätsanforderungen

Die Bildqualität der MRT definiert sich wesentlich durch die Parameter Auflösung und Signal. Beides sollte möglichst hoch sein, jedoch beeinflussen sie sich gegenseitig negativ, d. h. je höher die Auflösung, desto niedriger ist das Signal und umgekehrt. Will man beides erhöhen, erkauft man sich das mit Messzeit, die wiederum nur begrenzt zu erhöhen ist, weil sie die Zeitspanne definiert, in der die untersuchte Körperregion unbewegt sein muss, damit die Teiluntersuchung (sog. Sequenz) nicht durch Bewegungsunschärfe unbrauchbar wird. Dies gilt besonders für atemverschiebliche Organe wie z. B. Herz oder Leber, aber selbst die Schulter bleibt nicht über Minuten komplett unbewegt. Es gilt nun, abhängig von der klinischen Fragestellung, ein Messprotokoll zu wählen, das in dem Spannungsfeld Auflösung/Signal und Messzeit die besten Ergebnisse liefert und gleichzeitig die Vergleichbarkeit der Untersuchung mit Voraufnahmen innerhalb und außerhalb der bildgebenden Institution erlaubt. Die Vorschläge der MR-Hersteller sind hierbei allenfalls als Grundlage zu gebrauchen. Aufgrund der vielen Optionen in den Messsequenzen, die mit jedem Software-Update durch die Hersteller größer werden, und der Abhängigkeiten der Parameter untereinander werden die Mess-Programme stets im Konsens mit den erfahrensten MR-Radiologen, MR-MTRAs und in größeren Klinken auch Physikern festgelegt und über alle vorhandenen MR-Scanner angepasst. Dabei reicht es nicht, „das Auto nur fahren zu können“, sondern man braucht profundes Wissen über die Funktionsweise von Motor, Getriebe, Fahrwerk etc. Nur so kann durchgängig hohe Qualität unter sinnvollem Einsatz der aktuellsten Technik gewährleistet werden.

Perfekte Bildqualität ist eine notwendige, jedoch nicht allein ausreichende Voraussetzung für die richtige Diagnose. Wichtig ist das Verständnis der Pathomorphologie einer Erkrankung und der entsprechenden Veränderungen in der MRT unter Berücksichtigung der technischen Optionen seitens des Scanners und der Scan-Software. So kann z. B. eine pigmentierte villonoduläre Synovitis (PVNS) in Standardsequenzen der Knie MRT „unsichtbar“ sein. Ergänzt man jedoch Gradienten-Echo-Sequenzen, die eigentlich nicht zur Standard Knie-MRT gehören, ist sie leicht erkennbar [20]. Eine optisch schöne MRT der Leber kann die Diagnose hepatozelluläres Karzinom (HCC, Lebertumor) „übersehen“, wenn die entscheidende spätarterielle Kontrastmittelsequenz fehlt oder ein paar Sekunden zu früh oder zu spät gemessen wurde [21] [22]. Speichererkrankungen des Herzens wie der M. Fabry können ohne T1-Mapping-Sequenzen bei sonst perfekter Herz-MRT übersehen werden [23] [24].


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Artefakte: Auftreten, Erkennung und Interpretation

Die Kenntnisse „typischer Artefakte in der MRT und ihrer Ursachen“ werden in der MWBO im Unterschied zu den meisten anderen bildgebenden Verfahren für die MRT als eigener Punkt aufgeführt und sind somit definierter Teil der Facharztweiterbildung des Radiologen [2]. Hierfür gibt es 2 Gründe: Einerseits die Komplexität des Verfahrens und andererseits die Tatsache, dass Artefakte in der MRT nicht nur die Beurteilbarkeit beeinträchtigen, sondern auch reale Pathologien verdecken oder falsche Pathologien vortäuschen können.

Patientenverursachte und technische Artefakte treten bei der Magnetresonanztomografie wie bei allen anderen bildgebenden Methoden auf, vor allem Atem- und Bewegungsartefakte [25]. Stärker zum Ausdruck kommen bei der MRT zusätzlich Blutfluss- und Pulsationsartefakte. Die Besonderheit bei der Interpretation der MRT-Untersuchungen liegt jedoch in der Vielzahl möglicher physikalischer Artefakte [26]. Diese haben bei der MRT eine höhere Bedeutung, da die MRT kein direktes Bildgebungsverfahren ist wie zum Beispiel die auf dem Prinzip der Schwächung beruhende Röntgendiagnostik, sondern auf komplexen physikalischen Verfahrensschritten beruht. Hierbei können Artefakte durch Magnetfeld-Inhomogenitäten oder stark unterschiedliche physikalische Eigenschaften benachbarter Gewebe („Chemical shift“, Suszeptibilität) entstehen. Die hierdurch verursachten Signalveränderungen können z. B. eine Kontrastmittelaufnahme und dadurch eine Entzündung oder einen Tumor vortäuschen. Eine andere Art von Artefakten sind Einfaltungsartefakte, bei denen ein außerhalb des Sichtfelds liegendes Objekt in das Untersuchungsgebiet projiziert wird und so z. B. als Tumor fehlgedeutet werden kann. Diese möglichen Fehlinterpretationen erklären die besondere Bedeutung, die das Erkennen und Interpretieren von MR-Artefakten in der Weiterbildungsordnung haben.


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Nebenbefunde: Bedeutung, Detektion und Interpretation

Das Auftreten unerwarteter Nebenbefunde in MRT-Untersuchungen ist in der Literatur detailliert aufgearbeitet. Gerade das frühzeitige Erkennen noch nicht symptomatischer Tumoren, die als Zufallsbefunde entdeckt werden, ist für die Therapiemöglichkeiten der Patienten von immenser Bedeutung. So wurde am Beispiel von bösartigen Nierentumoren, wie zu erwarten, ein Überlebensvorteil bei noch asymptomatischen Patienten (inzidentelle Erkennung, also als Zufallsbefund) bereits 1995 beschrieben und seitdem vielfach in der Literatur bestätigt [27] [28]. Der Umgang mit potenziell bösartigen Zufallsbefunden stellt ein enormes Risiko für vermeidbare Folgekosten und einzigartige ethische Herausforderungen dar, welche maßgeblich durch den Befunder der Bildgebung selbst getragen werden [29].

Einen interessanten Einblick in die Häufigkeit solcher Zufallsbefunde bieten Ganzkörperaufnahmen an asymptomatischen Patientenkollektiven. Diese belegen, dass ein erheblicher Anteil asymptomatischer Erwachsener potenziell schwerwiegende Zufallsbefunde in der MRT aufweist. In einer Metaanalyse aus 12 Studien mit nichtsymptomatischen Patienten, die als Vorsorgeuntersuchungen eine MRT des gesamten Körpers erhielten, wurden bei 6214 Untersuchungen insgesamt 17 961 Zufallsbefunde erhoben. Hiervon waren 9 % als onkologisch relevant (potenziell bösartig) gewertet worden, wovon sich nach weiterer Abklärung 0,5 % als Tumor bestätigten. Bei lediglich 5 % der Patienten lagen keine Zufallsbefunde in der MRT vor. Bei 30 % aller Probanden lagen Befunde vor, die weitere Untersuchungen erforderten. Die Gesamtrate an histologisch bestätigten bösartigen Tumoren lag im Kontrast hierzu bei nur 1,1 %. Die Autoren folgerten hieraus, dass MRT-Studien, wenn sie zu Screening-Zwecken in der asymptomatischen Allgemeinbevölkerung eingesetzt werden, von erfahrenen Fachärzten für Radiologie durchgeführt werden sollen, die mit dem Lesen von MRT-Abnormitäten und den Überweisungspfaden vertraut sind [30]. Diese Erkenntnisse lassen sich in gewisser Hinsicht ebenso auf klinische Untersuchungen übertragen. In einer noch umfassenderen Metaanalyse an 32 repräsentativen Studien (27 643 klinisch asymptomatische Patienten) fanden die Autoren in Gehirn- und Körper-MRT eine Inzidenz von 3,9 % für potenziell schwerwiegende Zufallsbefunde und 12,8 % für Zufallsbefunde unbestimmten potenziellen Schweregrads. Hierbei wurden ca. 50 % der potenziell schwerwiegenden Zufallsbefunde als tumorverdächtig beurteilt, was eine weitere Abklärung erforderte. Obwohl einige Einschränkungen in der Vergleichbarkeit angegeben wurden, zeigt auch diese Analyse, dass relativ wenig potenziell schwerwiegende Zufallsbefunde auch schwerwiegende Enddiagnosen hatten (20,5 %) [31].

Im Vergleich 20 systematischer Reviews (aus 240 Originalstudien) weist gerade die Herz-MRT mit 34 % Zufallsbefunden den höchsten Anteil von Zufallsbefunden unter den MRT-Untersuchungen aller Körperregionen auf. Die MRT der Wirbelsäule liegt mit 22 % gleichauf mit der MRT des Gehirns [31].

Seit der Einführung der digitalen Viewer und Bildarchivierungssysteme (PACS) in der Radiologie waren Patienten-MRTs, die zur Analyse der Wirbelsäule aufgrund von Rückenschmerzen durchgeführt wurden, eine der ersten Gruppen, die hinsichtlich des Auftretens von Zufallsbefunden analysiert wurden. Die Möglichkeiten der Befundung unter Zuhilfenahme des PACS führte zu einem Anstieg der erkannten Zufallsbefunde von ca. 4 % auf ca. 10 % über einen Beobachtungszeitraum von 5 Jahren an 2500 Untersuchungen. In der Literatur sind Zufallsbefunde in allen Altersgruppen beschrieben. Eine jüngste Auswertung von 190 MRT-Untersuchungen pädiatrischer Patienten ergab Raten von Zufallsbefunden von 21,1 % an der Halswirbelsäule, 13,8 % an der Brustwirbelsäule und 22,6 % an der Lendenwirbelsäule [32]. In einem Patientenkollektiv höheren Alters (95 % der Patient über 30 Jahre) von 1268 Patienten, die sich einer MRT der Lendenwirbelsäule zur Beurteilung von Bandscheibenvorfällen unterzogen, fanden Park et al. in 8,4 % der Untersuchungen Zufallsbefunde [33]. Eine weitere Studie zeigte in Wirbelsäulen-MRTs an 1031 konsekutiven Patienten insgesamt 16,6 % Zufallsbefunde außerhalb der Wirbelsäule, einschließlich anatomischer und entwicklungsbedingter Anomalien, wobei der höchste Prozentsatz mit 25,7 % an der Halswirbelsäule auftrat [29]. Zufällig in der Bildgebung der Halswirbelsäule entdeckte Läsionen in der hinteren Schädelgrube weisen gerade bei Kindern einen hohen Prozentsatz an klinisch relevanten Erkrankungen auf. Kozyrev et al. zeigten hierzu, dass aus einer Gruppe von 70 Kindern mit zufällig gefundenen Läsionen der hinteren Schädelgrube 56 % operiert werden mussten. Etwa 10 % dieser Läsionen erwiesen sich als bösartige Tumoren [34]. In einer großen retrospektiven Analyse von MRTs der LWS, bei denen ein erweitertes Sichtfeld (field of view, FOV) verwendet wurde, identifizierten die Autoren bei 2067 Untersuchungen in 33,2 % der Fälle einen oder mehrere zufällige Befunde in Bauch oder Becken, von denen 102 (entspricht 4,9 % der Gesamtpopulation) eine weitere Abklärung erforderten. Von letzteren wurde etwa die Hälfte als „wahrscheinlich klinisch unerheblich“, etwa 10,9 % wurden als „unbestimmt“ und 40,1 % als „wahrscheinlich klinisch relevant“ eingestuft [35].

Anhand der beschriebenen Studien ist die Bedeutung der sicheren Einschätzung von Zufallsbefunden hinsichtlich ihrer klinischen Relevanz einleuchtend. Kann ein Befund aufgrund mangelnder Expertise des Befunders nicht zuverlässig beurteilt werden, werden häufig weitere Abklärungen bis zur invasiven histologischen Sicherung empfohlen, die nicht nur vermeidbare Kosten generieren, sondern auch ein Risiko für Komplikationen für den Patienten darstellen. Ebenso können mangelnde Weiterbildungsinhalte dazu führen, dass unerwartete Bildbefunde nicht erkannt werden, insbesondere wenn sie in Körperregionen liegen, die zwar miterfasst wurden, aber nicht die Zielregion selbst darstellen. Fachärzte für Radiologie sind die einzigen Fachärzte, die Expertise in der Bildgebung sämtlicher Körperregionen und Pathologien vorweisen können und deswegen einzigartige Erfahrungen im Umgang mit Zufallsbefunden und deren Einschätzung haben.


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Befundung und Erstellung des Befundberichts

Als Kernelemente diagnostischer radiologischer Verfahren des Facharztes für Radiologie sind die Befundung der Untersuchungsergebnisse und die Erstellung eines schriftlichen, fachärztlichen Befundberichts zu nennen. Erst durch den Befundbericht wird das Ergebnis der Untersuchung archivierbar dokumentiert und v. a. dem Zuweiser, der nicht die Qualifikation besitzt, anhand der Bilder die relevanten Befunde zu erheben, in für ihn verwertbarer Form dargelegt. Die Durchführung einer MRT-Untersuchung erfordert nach den für die MRT relevanten NiSG/NiSV die Prozessschritte 1.) Stellen der rechtfertigenden Indikation, 2.) Aufklärung und 3.) Durchführung des Verfahrens. Die DIN-Norm 25 300–1:2018–05 „Prozesse in der Radiologie – Teil 1: Befundung eines bildgebenden oder bildgestützten Verfahrens“ beschreibt dies wie folgt: „Die Anwendung eines bildgebenden (...) Verfahrens der Human- und Zahnmedizin ist ein Prozess, der neben der Erhebung der Untersuchungsergebnisse auch die Befundung der Ergebnisse beinhaltet. Unter Befundung wird dabei ein Teilprozess verstanden, in dessen Verlauf die Untersuchungsergebnisse interpretiert werden und mindestens ein Befundbericht verfasst werden muss. Ferner ist die Kommunikation der Befundberichte Bestandteil des Befundungsprozesses.“ [36]. Der Befundbericht ist danach definiert als die „Dokumentation des Teils der medizinischen Untersuchung (...), der die Beschreibung der Durchführung und die Bewertung der Untersuchungsergebnisse bildgebender (...) Verfahren beinhaltet.“

Im Erstellen des Befundberichts liegt die eigentliche Expertise des Facharztes für Radiologie; damit verbringt er den weitaus größten Teil seiner Arbeitszeit. Er führt die o. g. Schritte des Prozesses wie folgt aus: Zunächst werden die gewonnenen digitalen Bilddaten mithilfe eines modernen DICOM-Viewers innerhalb eines PACS sorgfältig beurteilt, dabei werden im Bereich der MRT Hunderte bis Tausende Bilder betrachtet und ausgewertet. Besonderes Augenmerk erfordert die Zielregion der Fragestellung. Dennoch werden danach gezielt noch einmal die Bereiche außerhalb der Zielregion betrachtet, um Nebenbefunde zu erkennen. Die als pathologisch angesehenen Befunde werden gesammelt und deskriptiv dokumentiert. Der Befundende fügt dann die gewonnenen Erkenntnisse zu einem Befundbericht zusammen. Abschließend erfolgt dann in einer Beurteilung die Zusammenfassung der erhobenen Befunde und deren Wertung und Einordnung in die Anamnese und die gegebene Fragestellung. Diese soll bei unklaren Befunden auch eine gewichtete Aufzählung möglicher Differenzialdiagnosen und ggf. Empfehlungen für das weitere diagnostische Prozedere enthalten.

Die Erstellung des Befundberichts und die Kommunikation desselben ist in der Radiologie zuletzt mehr in den Fokus gerückt. Es muss sichergestellt sein, dass die erhobenen Befunde zeitnah in verständlicher, eindeutiger und übersichtlicher Form übermittelt werden und eine Bewertung mit wahrscheinlichkeitsbasierten Differenzialdiagnosen erfolgt, d. h. die Fragestellung effizient beantwortet wird [37]. Die AG (Arbeitsgruppe) Informationstechnologie der DRG hat eine Initiative gestartet und Struktur und Standardisierungen vorgegeben, um der Bedeutung des Befundes Rechnung zu tragen – auch perspektivisch hinsichtlich der zunehmenden „strukturierten Befundung“ (structured reporting) [38].

Bezüglich der Anforderungen an die Qualifikation des Befunders definiert die DIN-Norm 25 300–1:2018–05 in Ziffer 6: „Der Befundungsprozess muss durch eine Person mit der dafür erforderlichen Qualifikation durchgeführt werden. (...) Qualifikationen werden unter anderem in der Weiterbildungsordnung und im Strahlenschutzrecht festgelegt.“ [36] (zur Qualifikation s. Kap. „Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung“ und „Strahlenschutz“). Die MWBO 2018 erfordert als Handlungskompetenz die „Indikation, Durchführung und Befunderstellung von MRT-Untersuchungen aller Körperregionen“ für das Gebiet Radiologie mit einer Richtzahl von 3000 Fällen; für die Zusatzweiterbildungen „Magnetresonanztomographie“ gebietsbezogen 1000 Fälle und für „Kardiale Magnetresonanztomographie“ 500 Fälle von Herz und herznahen Gefäßen [2]. Nur im Gebiet Radiologie wird in der MWBO 2018 explizit in der Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten) unter der Überschrift Kommunikation die „Radiologische Befunderstellung, Beurteilung und Kommunikation des Befundergebnisses“ gefordert. Das Gesagte impliziert zwei Schlussfolgerungen: Erstens hat der Facharzt für Radiologie die einzigartige Erfahrung mit der Befunderstellung von MRT-Untersuchungen aufgrund der ausführlichen Weiterbildung und der dauerhaften Beschäftigung in genau diesem Bereich während der Weiterbildung und als Facharzt. Zweitens ist der Radiologe der einzige Facharzt, der von Anfang an Erfahrung hat mit der Befunderstellung für externe, fachfremde Zuweiser und deren Kommunikation. Damit stellt er sich in einzigartiger Weise tagtäglich dem fachlichen Austausch mit sämtlichen klinischen Fachkollegen. Das wiederum ist ein Aspekt der Qualitätssicherung, der von Selbstzuweisern nicht erbracht werden kann.

Die dargestellten medizinischen Anforderungen an die Befundung einer diagnostischen Leistung haben im Rahmen der Arzthaftung eine wesentliche Bedeutung. Da gemäß § 630a Abs. 2 BGB die medizinische Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat, ist es von entscheidender Bedeutung, ob ein vermeintlicher ärztlicher Fehler als nicht vorwerfbarer Diagnoseirrtum, als Diagnosefehler oder aber als Befunderhebungsfehler eingeordnet wird.

Ein „bloßer“ Diagnoseirrtum liegt vor, wenn der Behandelnde Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen Maßnahmen ergreift. Dagegen liegt ein vorwerfbarer Diagnosefehler vor, wenn die richtige Diagnose grob fehlerhaft verkannt oder eine Verdachts- bzw. Arbeitsdiagnose nicht überprüft wurde und die infolgedessen gestellte Diagnose aus fachärztlicher Sicht nicht mehr vertretbar erscheint. In diesem Fall ist regelmäßig von einem groben Behandlungsfehler mit der Folge der Beweislastumkehr zu Lasten des Arztes auszugehen. Hat dagegen die unrichtige diagnostische Einstufung einer Erkrankung ihren Grund bereits darin, dass der Behandler die nach dem medizinischen Stand gebotenen Befunde erst gar nicht erhoben hat, dann liegt ein Befunderhebungsfehler vor [39].

Der haftungsrechtliche Maßstab für einen vorwerfbaren Diagnoseirrtum ist davon abhängig, welchen Standard der Arzt zu gewährleisten hat. Grundsätzlich gilt, dass ein Patient bei Aufsuchen eines Arztes Anspruch auf Einhaltung des Standards guter ärztlicher Versorgung nach Maßstab eines erfahrenen Arztes der jeweiligen Fachrichtung (sog. „Facharztstandard“) hat [40] [41]. Wenn es sich um einen Facharzt für Radiologie handelt, so ist dies grundsätzlich auch der maßgebliche Facharztstandard. Wendet ein Arzt allerdings Untersuchungs- und Behandlungsmethoden an, die in ein fremdes Fachgebiet fallen, hat er dessen Standard zu garantieren. Ausgangspunkt für die Einordnung sind die Weiterbildungsinhalte der jeweiligen Facharztweiterbildung.

Da die Durchführung von MRT-Untersuchungen für nichtradiologische Fachärzte jedenfalls dann als fachgebietsfremd anzusehen ist, wenn sie die „Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomographie“ nicht absolviert haben, haben diese dann nicht den Facharztstandard der eigenen Fachrichtung zu garantieren, z. B. Orthopädie und Unfallchirurgie oder Innere Medizin und Kardiologie, sondern den Standard des Fachgebietes Radiologie, in dessen Fachgebiet die Untersuchungs- und Behandlungsmethode gehört. Denn die MRT ist integraler Gegenstand der Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie. Eine Fehlinterpretation erhobener Befunde kann in diesem Fall zu einem Behandlungsfehler führen, wenn der Diagnoseirrtum für den Krankheitsverlauf des Patienten ursächlich wird.


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Interdisziplinärer Austausch

Die Radiologie versteht sich als dienstleistendes, eigenständiges Fach auf Augenhöhe in einem stark interdisziplinären Umfeld und vermeidet bewusst und selbstbewusst die Unterscheidung zwischen „Radiologe“ und „Kliniker“, weil es sich bei der Radiologie selbst um ein „klinisches“ Fach handelt. Bereits in der MWBO ist die Radiologie in § 2 des Abschnitts A (Paragrafenteil) als Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung benannt. Die Radiologie hat den Anspruch, im Dialog mit den Zuweisern klinisch relevante und verwertbare Informationen für Therapie und Management des Patienten zu liefern. Das tut sie so transparent wie kaum ein anderes Fach: Für jeden einzelnen Patienten stellt der befundende Facharzt für Radiologie dem Zuweiser sowohl die Untersuchung selbst als auch die klinische Einschätzung derselben zur Verfügung – in Form von MRT-Bildern (PACS, CD, Online-Zugriff, Ausdruck etc.) einerseits und dem schriftlichen Befundbericht andererseits. Somit kann sich jeder Zuweiser selbst einen Eindruck von den Bildern verschaffen und ihn mit der Einschätzung des Radiologen vergleichen. Das kann zu divergierenden Meinungen bezüglich des Befundes führen, die im Dialog diskutiert werden müssen. Im Krankenhaus bieten Radiologen den zuweisenden Kollegen regelmäßige Demonstrationen (syn. Visiten) an, in denen Fälle anhand der Bild-Präsentation interdisziplinär besprochen werden. Diese Demonstrationen sind ohne Frage sinnvoll und wertvoll, erfordern aber einen enormen zeitlichen, personellen und damit auch finanziellen Aufwand für die Radiologie. Tumorboards, als ein Beispiel für solche Demonstrationen, haben einen erwiesenen Nutzen, daher ist die Anwesenheit eines Facharztes für Radiologie in den allermeisten Fällen zwingend vorgeschrieben. Aber auch andere Demonstrationen haben einen Nutzen für die Patientenversorgung, indem sie zu Änderungen des Behandlungskonzepts führen; so konnte eine deutsche Studie belegen, dass die gemeinsame Besprechung in radiologisch-internistischen Konferenzen in 17 % zu einer Änderung der bisherigen Diagnose und in 22 % zu einer anderen Therapie führte [42].

Der interdisziplinäre Austausch liegt sozusagen „in der DNA“ der Radiologie. Sie stellt sich gerne dem Dialog mit den behandelnden Kollegen, um die Behandlungsqualität zu verbessern. In der MWBO 2018 wird in diesem Zusammenhang im Gebiet Radiologie explizit die „Vorbereitung und Durchführung von radiologischen Demonstrationen, interdisziplinären Konferenzen einschließlich Tumorkonferenzen“ gefordert und mit einer Richtzahl belegt [2]. Bei Selbstzuweisungen durch Nichtradiologen, die die MRT selbst durchführen und befunden, entfällt dieser interdisziplinäre, qualitätssichernde Aspekt. Das „Mehraugenprinzip“ wird dadurch konterkariert.

In der GKV ist das „Mehraugenprinzip“ als qualitätssichernde Anforderung gesetzlich vorgeschrieben und wird dadurch umgesetzt, dass die Erbringung und Abrechnung von MRT-Leistungen nach § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V (i. V. m. § 4 Abs. 1 der Kernspintomografie-Vereinbarung der KBV) auf Fachärzte für Radiologie beschränkt sind und diese einem generellen Überweisungsvorbehalt unterliegen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das Bundessozialgericht (BSG) haben die Zuordnung der MRT ausschließlich zum Fachgebiet Radiologie unter Hinweis auf das „Mehraugenprinzip“ in der GKV mehrfach als verfassungskonform beurteilt [43] [44]. Das bisher nur in der GKV gesetzlich verankerte „Mehraugenprinzip“ ist auf den privatärztlichen Bereich durchaus übertragbar, denn der Überweisungsvorbehalt für die in § 13 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) genannten Fachgebiete beruht nach Ansicht des BVerfG auf „den Besonderheiten eines diagnostischen medizinischen Fachgebiets und der in der Weiterbildungsordnung verankerten Definition“ [43].


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Kostensteigerung

Gerade in dem so kostenintensiven Bereich der MRT-Diagnostik ist das Prinzip der Trennung von Zuweiser und Leistungserbringer essenziell für das Erreichen einer hohen medizinischen Versorgungsqualität unter Berücksichtigung der Kosteneffizienz des Gesundheitswesens. Die Ausweitung der MRT-Diagnostik auf andere medizinische Fächer wird zwangsläufig eine signifikante Kostensteigerung durch Selbstzuweisungen verursachen, wie dies für die Röntgendiagnostik gezeigt werden konnte [45]: Bei identischen Erkrankungen erhöhen Selbstzuweisungen die Zahl radiologischer Leistungen pro Krankheitsfall [46] [47] [48], Ärzte mit eigenen Röntgenanlagen veranlassen bis zu 4–5-mal mehr Untersuchungen als Ärzte ohne eigene Röntgenausstattung [49].

Zudem stellt die Überweisung einer diagnostischen Fragestellung an die Radiologie sicher, dass die für die jeweilige medizinische Fragestellung am besten geeignete bildgebende Methode ausgewählt wird. Das muss nicht immer die MRT sein, die zwar eine hohe Bedeutung hat, aber keinesfalls alle anderen bildgebenden Verfahren ersetzt. Nur der Facharzt für Radiologie hat die entsprechende Weiterbildung und Expertise, auf Grundlage aller zur Verfügung stehenden Verfahren eine Auswahl zu treffen und nicht stets die MR-Diagnostik zu wählen, sondern auch alternative Bildgebung wie Computertomografie, Röntgen oder Ultraschall einzusetzen. Darüber hinaus ermöglicht die Trennung von Diagnostik und Therapie durch Zuweisung zur bildgebenden Diagnostik an den Facharzt für Radiologie die Einholung einer Zweitmeinung zur klinischen Befundkonstellation unabhängig von einem eventuellen Interesse an der Durchführung einer bestimmten Therapie.


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Zusammenfassung

„Die Magnetresonanztomographie stellt derzeit das modernste, aber zugleich technisch aufwendigste Schnittbildverfahren in der Radiologie dar. Die Qualitätssicherung in der MRT hat eine besondere Bedeutung, da wegen der Vielzahl veränderbarer und voneinander abhängiger Messparameter die Fehlermöglichkeiten durch Artefakte und inadäquate Durchführung der Untersuchung erheblich größer sind als bei allen anderen bildgebenden Verfahren. Deshalb kommt nicht nur der technischen Qualitätssicherung, sondern vor allem auch der ärztlichen Qualifikation bei der Indikationsstellung, der Durchführung, der Auswertung und Beurteilung der MRT eine besondere Rolle zu.“ So lautet die Präambel der Leitlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung der Magnetresonanztomografie [50], die treffend den Tenor dieses Manuskripts beschreibt.

Die MRT ist eine etablierte und dabei weiterhin sehr innovative Untersuchungsmethode und bei vielen Indikationen heute diagnostischer Referenzstandard. Ihre Bedeutung für hochqualitatives und effizientes Patientenmanagement nimmt stetig zu. Das findet Ausdruck in der zunehmenden Präsenz der MRT in Leitlinien sowie in den steigenden Untersuchungszahlen. Deswegen bemühen sich zunehmend auch nichtradiologische Fächer, selbstständig MRT-Untersuchungen durchführen und v. a. abrechnen zu dürfen.

MRT ist eine sehr komplexe und risikobehaftete Methode – von ihr kann eine Patientengefährdung ausgehen! Dies wird von der aktuellen Rechtsprechung nicht in adäquatem Maße berücksichtigt. Nur in der Hand von Experten ist das Risiko so minimal, wie es auch von Patienten wahrgenommen und erwartet wird; sei es bezüglich des Strahlenschutzes, des Umgangs mit medizinischen Implantaten oder metallischen Fremdkörpern, der Applikation von MRT-Kontrastmitteln, korrekter Patientenlagerung oder der Nutzung geeigneter Materialien. Fachärzte für Radiologie kennen diese Risiken und Notwendigkeiten aus ihrer Weiterbildung und Erfahrung und wissen Komplikationen bestmöglich zu vermeiden oder sie adäquat zu behandeln. Darüber hinaus besteht ohne diese radiologische Expertise eine bedeutende Patientengefährdung durch fehlerhafte Befundung, z. B. durch mangelnde Erfahrung, Fehldeutung von Artefakten oder Übersehen von relevanten Neben- und Zufallsbefunden.

Die MRT ist seit Jahrzehnten in der Radiologie und ihren fakultativen Schwerpunkten Neuro- sowie Kinder- und Jugendradiologie verortet. Der Radiologe ist der einzige Facharzt, der schon in der Weiterbildung sämtliche Aspekte der MRT (Indikationsstellung, Protokollplanung, Untersuchungsdurchführung, Befundung) erlernen und in definierter, hoher Anzahl nachweisen muss. Radiologen arbeiten in außergewöhnlichem Maße mit allen anderen klinischen Fachgebieten eng zusammen, führen unterschiedlichste MRT-Untersuchungen durch und stehen mit großer Transparenz in stetigem interdisziplinärem Austausch mit ihren Zuweisern. Daher haben nur sie sowohl die Expertise als auch die Erfahrung in der bildgebenden Diagnostik aller Körperregionen und ständigen Kontakt zu einem enorm breiten Spektrum verschiedener Pathologien und Patienten aus allen Fachdisziplinen. Die fachliche Kompetenz und höchste Qualifikation in all den genannten Teilbereichen liegen in der Radiologie. Die Aufhebung der Trennung von Diagnostik und Therapie (Zuweiser – Radiologe) durch Selbstzuweisung widerspricht dem Mehraugenprinzip und wird zu einer Kostensteigerung für das Gesundheitssystem führen.

Fazit: Die Deutsche Röntgengesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie und die Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie stehen der Durchführung von MRT-Untersuchungen durch Nichtradiologen aus den besagten Gründen im Interesse von Patientenwohl und Kostenträgern sehr kritisch gegenüber und halten bereits eine nur 12 Monate dauernde Zusatzweiterbildung ohne obligate Beteiligung von Weiterbildungsbefugten im Fach Radiologie für nicht adäquat. Eine Anwendung der MRT-Diagnostik ganz ohne adäquate und geprüfte Weiterbildung entsprechend der Weiterbildungsordnung würde zu massiven Qualitätseinbußen und einer Patientengefährdung bei gleichzeitig ausufernden Kosten führen. Indikation, Durchführung und Befunderstellung von MRT-Untersuchungen müssen entsprechend weitergebildeten und kontinuierlich fortgebildeten Fachärztinnen und Fachärzten vorbehalten bleiben.


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Conflict of interest

Hunold: Mitglied Deutsche Röntgengesellschaft, Vorstandsmitglied AG Herz- und Gefäßdiagnostik der DRG, Mitglied Bundesverband Deutscher Radiologen, Mitglied European Society of Radiology; Vortragshonorare Fa. Bayer Vital

Bucher: Mitglied Deutsche Röntgengesellschaft, Vorstandsmitglied der AGs Muskuloskelettale Radiologie, Gesundheitspolitische Verantwortung, Uroradiologie und Urogenitaldiagnostik und Forensisch-Radiologische Bildgebung der DRG, Mitglied European Society of Radiology; Travel support Fa. Bayer und Guerbet

Sandstede: Aufsichtsratsvorsitzender der Radiologengruppe 2020 (RG20) e.G. i. Gr., Stellv. Vorsitzender des Landesverbands Hamburg des Berufsverbands der Radiologen (BDR), Stellv. Vorsitzender des Forums Niedergelassene Radiologen (FuNRAD) der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), Stellv. Mitglied der Vertreterversammlung der KV Hamburg

Janka: Mitglied Deutsche Röntgengesellschaft, Vorstandsmitglied AG Muskuloskelettale Radiologie der DRG, Mitglied Bayerische Röntgengesellschaft, Mitglied European Society of Radiology; Vortragshonorare Fa. Siemens Healthineers und Bracco

Fritz: Mitglied Deutsche Röntgengesellschaft, Vorstandsvorsitzender der AG Gesundheitspolitische Verantwortung der DRG

Regier: Mitglied Deutsche Röntgengesellschaft, Vorstandsvorsitzender AG Muskuloskelettale Radiologie der DRG, Mitglied Bundesverband Deutscher Radiologen

Loose: Mitglied Deutsche Röntgengesellschaft

Barkhausen: President elect und Mitglied Deutsche Röntgengesellschaft

Mentzel: Präsident und Mitglied Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie, Mitglied Deutsche Röntgengesellschaft

Zimmer: Präsident und Mitglied Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie

Antoch: Präsident und Mitglied Deutsche Röntgengesellschaft

1 Im Interesse der Lesbarkeit haben wir auf geschlechtsbezogene Formulierungen verzichtet. Selbstverständlich sind immer w/m/d gemeint, auch wenn explizit nur eines der Geschlechter angesprochen wird.



Correspondence

PD Dr. Peter Hunold
FOKUS Radiologie & Nuklearmedizin
Rosdorfer Weg 70A
37081 Göttingen
Germany   
Telefon: +49/5 51/2707430   
Fax: +49/5 51/27074350   

Publikationsverlauf

Eingereicht: 08. März 2021

Angenommen: 16. März 2021

Artikel online veröffentlicht:
08. April 2021

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